Einsatz von Tumormarkern
Am Klinikum rechts der Isar wurden Tumormarkerbestimmungen zu Beginn der 90er Jahre insgesamt zu häufig und oftmals nicht hinreichend gezielt eingesetzt. Die Klinische Che- mie bestimmte in den Jahren 1991 und 1992 jeweils ungefähr 40 000 Tumormarkerwerte.
Vor diesem Hintergrund begann das Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie ab Ende 1992/Anfang 1993, durch gezielte telefoni-
sche Rückfragen hinsichtlich der Indikationsstellung (Dia- gnose, Fragestellung) und ge- gebenenfalls auch Streichung offensichtlich nutzloser Un- tersuchungen mengenbe- grenzend auf die Entwick- lung einzuwirken. Im Jahres- vergleich 1992/94 zeigte sich ein Rückgang der Anzahl der TM-Bestimmungen um mehr als ein Drittel, ohne daß Ab- striche an der Versorgungs- qualität beklagt wurden. Um diese Entwicklung zu konso- lidieren und um an unserem Haus einen noch gezielteren und damit auch zurückhal- tenderen Einsatz von Tumor- markern zu fördern, setzte die Laborkommission des Klinikums im Frühjahr 1994 einen interdisziplinär besetz- ten Arbeitskreis zur Erarbei-
tung von Empfehlungen für den Ein- satz von Tumormarkern ein. Von An- fang an bestand unter den Mitgliedern unseres Arbeitskreises Einigkeit da- hingehend, daß aufgrund der derzeit verfügbaren Daten zu Kosten/Nutzen- Relationen ein tatsächlicher Patien- nutzen mit hinreichender Sicherheit nur für die Tumormarker AFP, hCG und PSA (urologische Indikationen) sowie – deutlich zurückhaltender – für CA 125 (Ovarialkarzinom) und – in Einzelfällen – für den Marker NSE an- genommen werden kann. Die jahre- lang „geübte Praxis“ an unserem Kli- nikum ließ es jedoch nicht realistisch erscheinen, den Klinkern lediglich ei- ne solche, als „Minimalkonzept“ emp- fundene, Empfehlung an die Hand zu geben.
Unsere „Tumormarker-Leitli- nien“ beschreiben daher mit entspre-
chender Zurückhaltung Indikationen für das gesamte bei uns verfügbare Tu- mormarkerspektrum. Seit Ende Sep- tember 1995 sind sie im Klinikum rechts der Isar eingeführt und an alle Stationen und Polikliniken des Klini- kums verteilt worden. Sie haben Emp- fehlungscharakter und sollen im kon- kreten Einzelfall die Entscheidungs- freiheit des Klinikers nicht einengen.
Dementsprechend werden in der täglichen Praxis an unserem Hause keine puristischen Forderungen nach
einem Nachweis der Kosteneffekti- vität einer bestimmten Tumormarker- kombination erhoben. Vielmehr wer- den zugunsten der Akzeptanz vor Ort solche Überlegungen bei Einzelfällen zurückgestellt. Es wird auch in Kauf genommen, daß einzelne onkologi- sche Stationen und Spezialambulan- zen statt der im Prinzip wünschens- werten zeitgerechten Einbindung der Tumormarker in eine Stufendiagno- stik (zum Beispiel Bestimmung von CA 72-4 und/oder CA 19-9 nur nach Diagnosestellung bei einem CA 125- negativen Ovarialkarzinom) aus orga- nisatorischen Gründen breitere Pa- nels bereits im Rahmen der Diagnose- sicherung beantragen (wie die Kombi- nation CA 125 + CA 72-4 + CA 199-9 + CEA bei begründetem Verdacht auf ein Ovarialkarzinom, um sicherzustel- len, daß auch für differentialdiagno-
stisch in Betracht kommende Erkran- kungen frühzeitig Ausgangswerte für die Planung von Therapiemaßnahmen vorliegen). Wir legen jedoch Wert dar- auf, daß initial negative Marker, die nicht in den Nachsorgeempfehlungen des Tumorzentrums aufgeführt sind, nach der Diagnosesicherung bei den betreffenden Patienten nicht weiter- verfolgt werden.
Das Zentrallabor fungiert hier als Kontrollinstanz, die die Entwick- lung der Antragsprofile und Anforde- rungsvolumina der einzel- nen Fachabteilungen konti- nuierlich beobachtet, so daß eine schnelle und gezielte Reaktion auf grobe men- genmäßige Abweichungen möglich ist.
Um dauerhaft eine ef- fektive und rationelle Nut- zung von Tumormarkern zu erreichen, müssen den klini- schen Kollegen einerseits die analytischen Möglich- keiten der Klinischen Che- mie auf dem Gebiet der Tu- mormarker transparent ge- macht werden und anderer- seits die engen Grenzen die- ser Kenngrößen hinsichtlich des klinischen Nutzens auf- gezeigt werden. Dies ist in der Breite jedoch nur im Rahmen eines allmählichen Prozesses über mehrere Jah- re erreichbar. Wir möchten die 1997 anstehende Aktualisierung unserer Leitlinien nutzen, um in die- sem Sinne unter anderem:
!die derzeit noch immer um- strittene Indikationsstellung für die Gesamt-PSA-Bestimmung zur Früh- erkennung des Prostatakarzinoms (8, 14, 15),
!die Rolle des freien PSA in der Früherkennung und Diagnostik des Prostatakarzinoms (6, 11) sowie
!die Rolle der PLAP (plazenta- re alkalische Phosphatase) bei semi- nomatösen Hodentumoren zu disku- tieren.
Schlußfolgerungen
Ein kontinuierlicher, interdiszi- plinärer Dialog zwischen klinischen Fächern und Labor ist notwendig, um A-3351
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 (53) ZUR FORTBILDUNG
Tumormarker bei Thoraxtumoren Früherkennung
Keine sinnvolle Anwendung von Tumormarkern!
Diagnostischer Einsatz – Verdacht auf kleinzelliges
Bronchialkarzinom NSE
– Verdacht auf neuroendokrinen
Tumor (APUD) NSE
– DD von Mediastinaltumoren AFP + hCG + NSE Therapieüberwachung und Rezidivfrüherkennung 1 Klinisch sinnvoll
– Kleinzelliges
Bronchialkarzinom NSE – Neuroendokriner
Tumor (APUD) NSE
– Keimzelltumor im
Mediastinum AFP + hCG + LDH
1 Klinischer Nutzen fraglich – Nichtkleinzelliges
Bronchialkarzinom Cyfra 21-1 + CEA