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Archiv "Kosten-Nutzen-Analyse der antepartalen Intensivüberwachung" (24.04.1980)

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Aufsätze -Notizen THEMEN DER ZEIT

Es wird angenommen, daß die Schwangerenvorsorge die perinata- le kindliche und mütterliche Mortali- tät und Morbidität senkt. Aufgabe der Untersuchung ist die Bestim- mung von input und output der In- tensivüberwachung bei schwange- ren Patientinnen mit definierten Ri- siken.

Patientengut und Methodik

Die Berechnungen basieren auf Preisen des Jahres 1977 und auf den Durchschnitten der Jahre 1974 bis 1977 mit jährlich 560 Risikopatien- tinnen unter 1800 Geburten. 320 Ri- sikopatientinnen waren durch- schnittlich während ihrer Schwan- gerschaft antepartal stationär über- wacht. Sie gehen mit insgesamt 2022 Tagen in die Berechnung ein.

Erfaßt werden die nominalen Ko- sten. Die Einbeziehung der indirek- ten Kosten, wie entgangenes Ein- kommen durch Liegezeiten der Schwangeren wird vernachlässigt.

Nicht berücksichtigt werden auch gesamtwirtschaftliche Resourcen- verluste in Form von Spillover-Effek- ten (Produktionsausfälle durch Un- tersuchungen) und Opportunitäts- kosten (Konsumrückgänge durch Beitragsleistungen an die Kranken- kassen). Es wird unterstellt, mit Er- fassung der nominalen Kosten den gesamtwirtschaftlichen Aufwand der Intensivüberwachung registriert zu haben. Gewählt wird eine be- triebswirtschaftliche Leistungs- und Ertragsdefinition. Die Bewertung er- folgt in monetären Größen, nicht in physischen Einheiten. Das Problem der Ertragsdiskontierung auf das Basisjahr 1977 wird unter der An- nahme der Übereinstimmung von Wachstumsrate und Diskontierungs- rate eliminiert.

Grundlage unserer Kostenermitt- lung sind die Kosten für das Perso- nal, die apparative Ausstattung und das Gebäude. Weiterhin gehen Ko- sten für Materialaufwand, zusam- menhängend mit den Untersuchun- gen und Institutionalisierungsko-

sten als Abschreibungen in die Be- rechnung ein.

Die Erträge resultieren aus der Ver- meidung der mütterlichen und kind- lichen perinatalen Sterbefälle und der Senkung der kindlichen Morbi- dität, entsprechend unserer Gebur- tenfrequenz auf 1000 Geburten be- zogen.

Die Auswertung der notwendigen statistischen Daten wurde vom Insti- tut für Medizinische Statistik der Universität Freiburg auf dem Geräte- typ UNIVAC 1108 durchgeführt. Die Darstellung erfolgte anhand von Kontigenztafeln.

Ergebnisse

Die Kosten der Intensivüberwa- chung: Entsprechend der Tabelle 1 erfordert die Intensivüberwachung zwei Ärzte für Untersuchung und Beratung der Risikoschwangeren.

Zur Kontrolle und CTG-Schreibung werden zwei Hebammen benötigt, assistiert von zwei Hebammenschü- lerinnen aus der unserer Klinik an- gegliederten Hebammenschule. Sie werden der Risikoambulanz mit dem Gehalt einer Helferin angelastet. Für die Ambulanz abgestellt ist auch ei- ne ganztags tätige Reinigungskraft.

Anteilig aus den Gesamtuntersu- chungen sind noch Aufwendungen für das Personal im Labor und des Ultraschalls hinzuzurechnen. Insge- samt resultieren daraus Kosten in Höhe von 224 540 DM (Tabelle 1).

Bei 6200 Untersuchungen im Routi- neeinsatz pro Jahr erfolgte in 5200 Fällen eine CTG-Registrierung.

1100mal wurde eine Ultraschallun- tersuchung veranlaßt. Weitere Über- wachungsmethoden sind die Be- stimmung von HPL und Östriol und Amnioskopien. Darüber hinaus müs- sen bei den 560 Risikopatientinnen ein- beziehungsweise zweimalige Basisuntersuchungen berücksich- tigt werden. Die Aufwendungen

*) Herrn Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. mult.

Franz Büchner zum 85. Geburtstag ge- widmet.

Kosten-Nutzen-Analyse der antepartalen

Intensivüberwachung

Hans-Günther Hillemanns, Manfred Steiner und Heiko Steiner*)

Die zunehmende Intensivierung der Geburtsmedizin bedingt sowohl einen hohen personellen als auch monetären Mitteleinsatz. Die begrenzte Resourcenverfügbarkeit und die anhaltend prekäre Kosten- entwicklung im Gesundheitswesen in den letzten Jahren wirken sich limitierend auch im Bereich der Schwangerenvorsorge aus. Die dar- aus resultierende Notwendigkeit, bei Realisierung alternativer Maß- nahmen Prioritäten zu setzen, erfordert die Beurteilung der Projekte hinsichtlich ihrer ökonomischen Effizienz. Ein Instrument zur Urteils- findung stellt die Anwendung der Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) dar.

Aufgrund des A-posteriori-Charakters dieses Beitrages liegt die Unter- suchung mit Hilfe einer derartigen Analyse jenseits der herkömmli- chen Anwendungsmethode. Dieses Evaluationsinstrument ist somit nicht Entscheidungshilfe, sondern ist als Kontrollrechnung aufzu- fassen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 vom 24. April 1980 1135

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Aufsätze ·Notizen Kosten-Nutzen-Analyse

belaufen sich insgesamt auf 178 735 DM (Tabelle 2).

Die detaillierte Untersuchung unse- res Risikokollektivs erlaubt die Be- rechnung von Zusatzkosten für be- stimmte ausgewählte Risiken. Bei Diabetes sind für Diagnostik und Kontrolluntersuchungen 2601 DM zusätzlich zu veranschlagen. Die Zu- satzkosten der Gestose-Patienten betragen 4064 DM, bedingt durch nephrologische Untersuchungen.

Die genetische Beratung bei Schwangeren im Alter von mehr als 38 Jahren und die Bilirubinbestim- mung im Fruchtwasser bei Rh-ln- kompatibilität verursachen zusätzli- che Kosten in Höhe von 2045 DM.

Die Kosten für therapeutische Maß- nahmen bei Frühgeburten (Cer- clage) sind mit den Amniozentesen in der Berechnung des antepartalen stationären Aufenthalts enthalten.

Bei einer durchschnittlichen Liege- zeit von 2022 Tagen der 560 Risiko- fälle belaufen sich in diesem Bereich die Gesamtkosten auf 436 830 DM (Tabelle 3).

Für die Berechnung der Kosten der apparativen Ausstattung (Tabelle 4) wurde für die einzelnen Methoden im Ansatz unterschiedlich vorgegan- gen. So gehen von den zehn vorhan- denen Kardiotokographen drei in

die Berechnung ein. Sie verursa- chen (einschließlich Materialver- brauch, Reparaturen und Abschrei- bung) Kosten in Höhe von 16 036 DM.

Für die Ultraschalluntersuchung geht in die Berechnung nur das B- Bildgerät ein, welches in erster Linie für die Intensivüberwachung von Bedeutung ist. Unter Einbeziehung der Ausstattung fürdie Amnioskopie errechnen sich Gesamtkosten in Hö- he von 28 187 DM.

Die Raum- und Gebäudekosten (ein- schließlich Abschreibungen) muß- ten mangels Transparenz der tat- sächlichen Kosten mit Hilfe fiktiver Marktpreise, bezogen auf die er- rechnete Fläche der Risikoambulanz ermittelt werden. Diese belaufen sich auf 26 604 DM.

Bei Zusammenfassung der aufge- zeigten Kostenquellen und der ent- sprechend ermittelten Kosten ergibt sich für unsere Risikoambulanz eine Gesamtkostensituation von 903 606 DM (Tabelle 5). Unter Berücksichti- gung der 560 "Risikoschwangeren"

und der generellen Betreuung aller Schwangeren ab der 32. Woche in der Risikoambulanz sind die Kosten bei 1000 Geburten mit durchschnitt- lich einer Million DM zu veran- schlagen.

Tabelle 1: Personalkosten für die Schwangerenüberwachung Kosten

Funktion Anzahl

pro Person Gesamt

Ärzte 2 43 420,00 86 840,00

Hebammen 2 27 100,00 54 200,00

Helferin 1 23 500,00 23 500,00

Reinigungskraft 1 19100,00 1"9100,00

anteilig errechnet aus Gesamtuntersuchungen:

MTA 1/2 34 400,00 17 000,00

Ultraschall-Pers. *) 35 800,00 23 900,00 Personalkosten 224 500,00

") Erläuterung: Siehe Seite 1135

1136 Heft 17 vom 24. April1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Die angeführten Berechnungen er- lauben auch die Kostenermittlung für einzelne Risiken:

Eine "Risikoschwangere" in der am- bulanten Betreuung: 1800 DM. Der durchschnittliche Gesamtauf- wand pro Patientin beträgt bei ..,. Diabetes

..,. EPH-Gestose

5733 DM, 3262 DM. Die übrigen definierten Risiken streuen um den Durchschnitt von 1800 DM.

Ertrag der Intensivüberwachung Der Ertrag zeigt sich im Rückgang der mütterlichen und kindlichen pe- rinatalen Mortalität und in der Re- duktion geistiger und körperlicher Schäden der Neugeborenen. Daraus resultieren auch wirtschaftliche Nut- zen. Die Berechnung kann über die Erhöhung des Arbeitsangebots durch Umrechnung in die zusätzli- chen Erwerbsjahre erfolgen. Für die Mutter kann versucht wer- den, die durch eine Senkung der mütterlichen Sterblichkeit induzier- ten Erträge über eine diskontierte Bewertung in Form von Ersatzko- sten der Hausfrauentätigkeit durch die Beschäftigung einer Hausgehil- fin zu ermitteln. Aus einer Senkung der perinatalen Morbidität folgt die Vermeidung von Pflegekosten und Aufwendungen für die geschädigten Kinder.

An unserer Klinik kam es zwischen 1974 und 1978, das heißt nach Be- ginn der Risiko-Überwachung, zu keinem mütterlichen Todesfall. Un- ter Zugrundelegung der mütterli- chen Sterbefälle von mindestens 2 auf 2000 Geburten vor Einführung der Intensivüberwachung ergibt sich

als "Nutzen" die Vermeidung eines

Todesfalls auf 1000 Geburten. Aus- gehend vom Durchschnittseinkom- men einer Hausgehilfin von 15000 DM proJahrund einerdurch- schnittlichen Erwerbszeit von 40 Jahren bedeutet dies einen Ertrag von 600 000 DM. [>

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Durch den stetigen Ausbau der ln- tensivüberwachung konnte auch ei- ne deutliche Senkung der perinata- len kindlichen Mortalität erreicht werden (Abbildung 1 ).

Wir.d unterstellt, daß unter Zugrun- delegung obiger Entwicklung die Hälfte durch die antepartale Inten- sivüberwachung vermieden werden

kann. lassen sich auf 1000 Geburten

mindestens acht Kindersterbefälle vermeiden. Werden zur Korrektur der Absterbeordnung und zur Er- mittlung der zusätzlichen Erwerbs- jahre noch die Sterbewahrschein- lichkeiten und die Erwerbsquote mit berücksichtigt, so kann von einem zusätzlichen Ertrag von vier Er- werbspersonen bei einer durch- schnittlichen Erwerbstätigkeit von 50 Jahren ausgegangen werden. Aus dieser Rechnung ergibt sich ein Gesamtproduktivitätsbeitrag von 6,72 Millionen DM (Tabelle 6).

Große Bedeutung kommt der Ver-

meidung der perinatalen Morbidität

durch die intensive antepartale Überwachung zu. Grundsätzlich be- steht zwischen den Gestorbenen und den Pflegebedürftigen hinsicht- lich des Beitrags zum Sozialprodukt kein Unterschied. Es soll sich in An- lehnung an Eberhard und Hochuli der Nutzen als Beitrag zum Sozial- produkt von Pflegekosten durch die Reduzierung der Anzahl zerebral ge- schädigter Kinder ausdrücken.

~ ln der Untersuchung von Hag- berg kann ein Rückgang der Zere- bralparesen um 1,1 Prozent auf 1,3 Prozent durch eine verbesserte peri- natale Betreuung erreicht werden.

Neben den spastischen Diplegien bei Frühgeburten wurde auch ei- ne Verminderung der vorwiegend durch Hypoxie und Azidose entste- henden Dyskinesien erreicht.

~ An der Universitäts-Frauenklinik Freiburg im Breisgau konnte ein deutlicher Rückgang der schweren Azidosen um zwei Drittel verzeich- net werden.

~ Es errechnet sich für die Vermei- dung eines geistig retardierten Kin- des als Beitrag zum Sozialprodukt ein Betrag von 1,68 Millionen DM.

Aufsätze ·Notizen Kosten-Nutzen-Analyse

Tabelle 2: Kosten der Überwachungsmethoden

Kosten

Methode Anzahl

pro Einheit Gesamt

CTG 5 200 14,00 72 800,00

HPL 883 26.40 23 311,00

östriol 650 26.40 17160,00

Ultraschall 1 100 18,00 19 800,00

Amnioskopien 220 8,00 1 760,00

Basisuntersuchungen bei allen Schwangeren:

Hb/Hämatokrit 1 120 3,20 3 584,00

Urinuntersuchung 560 2.40 1 344,00

RöteIn-T est 560 9,60 5 376,00

Blutg ru ppe/Rh.-Best. 560 24,00 13 440,00

Lues-Reaktion 560 3,60 20 160,00

Gesamtkosten 178 735,00

Tabelle 3: Kosten des stationären Aufenthalts ante parturn

Aufenthalt Pflege- Gesamt-

in Tagen satz kosten

2 022 216,04 436 830,00

Wird zusätzlich von der Einsparung der Pflegekosten eines zerebral ge- lähmten Kindes ausgegangen, mit einer etwaigen Lebenserwartung von 30 Jahren, so kann ein Nutzen von 900 000 DM veranschlagt wer- den. Es ergibt sich somit durch die Senkung der kindlichen Morbidität ein Ertrag von 2,58 Millionen DM.

~ Unter Zusammenfassung aller er- rechneten Erträge erbringt an unse- rer Klinik die antepartale Intensiv- überwachung Gesamterträge in Hö- he von 9,9 Millionen DM (Tabelle 7).

Im abschließenden Vergleich ergibt sich folgende Situation:

Die antepartale Intensivüberwa- chung verursacht durchschnittlich jährliche Kosten von einer Million DM. Dem stehen Erträge von 9,9 Mil- lionen DM entgegen. Aus dieser Si- tuation ergibt sich eine Kosten-Nut- zen-Relation von 1 :10. Der gesamt- wirtschafHiche Nettonutzen aus den

Intensivüberwachungsmaßnahmen beläuft sich somit auf rund 9 Millio- nen DM.

Diskussion

Die Verminderung der kindlichen und mütterlichen Mortalität und Morbidität als Qualitätskriterium moderner Geburtsmedizin erfordert zur Zielerreichung entsprechende Gegebenheiten in apparativer und personeller Hinsicht, was wiederum einen hohen monetären Mittelein- satz zur Folge hat. Steigende Kosten im Gesundheitswesen lassen es da- her unumgänglich werden, den öko- nomischen Aspekt als Einflußgröße beziehungsweise Parameter bei Ent- scheidungen auf diesem Sektor, trotz weiter zu fordernder Priorität ethisch-humanitärer Überlegungen, miteinzubeziehen. Die Kosten-Nut- zen-Analyse bietet sich als Instru- ment zur Entscheidungstindung und als Beurteilungskriterium an. C>

DEUfSCHES ARZTEBLATT Heft 17 vom 24. April1980 1137

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Kaufpreis Kaufpreis je Einheit Gesamt

Reparatur Serv./Mat.

Gesamt- kosten

Methode Anzahl AfA 10%

Amnioskopie Kaltlichtmaschine Amnioskopie-Best.

2 408,00 300,00

2 408,00 300,00

380,00 2 200,00

241,00 30,00

621,00 2 230,00 Kardiotokographie

CTG-Geräte mobil mit Wagen CTG-Gerät stat.

25 134,00 23 754,00

50 268,00

23 754,00 8 634,00 5 027,00

2 375,00 16 036,00 Ultraschall

schnelles B-Bild-

gerät (Siemens) 1 75 000,00 75 000,00 1 800,00 7 500,00 9 300,00 1

1

2 1

3,26

3,18 3,11

2,77

1,49 1,57 1,71 2,73

2,66 2,59

1963 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Abbildung 1: Die unbereinigte perinatale Mortalität in Prozent an der Universt- täts-Frauenklinik Freiburg 1963 bis 1978

Aufsätze - Notizen

Kosten-Nutzen-Analyse

Tabelle 4: Kosten der apparativen Ausstattung

Gesamtkosten 28 187,00

Im Rahmen eines Podiumsge- sprächs über die Kosten-Nutzen- Problematik auf dem 9. Deutschen Kongreß für Perinatale Medizin in Berlin (1979) wurde ebenfalls die Einbeziehung sozioökonomischer Überlegungen und Wirtschaftlich- keitskriterien in der Medizin gefor- dert. Einwände grundsätzlicher Art, zusammenhängend mit der Nutzen- messung wie auch in speziellen Teil-

bereichen, zum Beispiel der Ertrags- diskontierung, müssen gesehen werden. Der Anspruch einer derarti- gen Analyse geht zu weit, wenn er- wartet wird, daß sie die Fragen nach der Priorität medizinisch-humanitä- rer oder ökonomisch-sozialer Ziel- setzungen beantworten kann.

Ebenso ist sie aus ihrem Charakter heraus nicht in der Lage, eine Ant- wort auf die Wirksamkeit zusätzlich

eingesetzter Geldmittel zu geben.

Wohl aber unterstreicht sie die Rechtfertigung geburtshilflicher In- tensivmaßnahmen.

Grundsätzlich wird der Wert dieser Analyse auch nicht durch die organi- satorischen Schwierigkeiten, die die Durchführung mit sich brachte, ge- schmälert. Eine für eine zielgerechte Führung eines Klinikums notwendi- ge Kosten- und Leistungsrechnung würde jedoch detailliertere und da- mit präzisere Ergebnisse liefern.

Die antepartale Intensivüberwa- chung an unserer Klinik kostet jähr- lich rund eine Million DM, bezogen auf 1000 Geburten. An erster Stelle stehen die Kosten für den anteparta- len stationären Aufenthalt der hier betreuten Risikoschwangeren. Die Liegedauer vor der Geburt konnte im Untersuchungszeitraum nur ge- ringfügig gesenkt werden. Bei einer annähernd gleichbleibenden Patien- tenzahl von 320 pro Jahr kann von einer durchschnittlichen Liegezeit von 6,4 Tagen ante partum ausge- gangen werden. Bei Analyse der für diese Liegezeit verantwortlichen Ri- siken muß auch weiterhin mit diesen hohen Kosten gerechnet werden.

Dies kann mit Einschränkungen auch für den zweithöchsten Kosten- verursacher, den Personalbereich, gelten. Die Untersuchung ergab eine

1138 Heft 17 vom 24. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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4 33 624,00 6 724 800,00 Anzahl der vermeid-

baren perinatalen Mortalitätsfälle

Bruttoverdienst pro Jahr (Durchschnitt)

Produktivitätsbeitrag (50 Jahre) Tabelle 5: Gesamtkosten der Risikoambulanz

Kostenart Betrag

Personalkosten 224 540,00

Untersuchungskosten 178 735,00

Zusatzkosten 8 710,00

Kosten des stationären Aufenthalts 436 830,00 Kosten der apparativen Ausstattung 28 187,00

Raum- und Gebäudekosten 26 604,0.0

Gesamtkosten 903 606,00

Tabelle 6: Erträge durch Reduktion der perinatalen Mortalität auf 1000 Geburten

Tabelle 7: Gesamterträge der Risikoambulanz

Erträge durch: Betrag

Vermeidbare mütterliche Sterbefälle 600 000,00 Reduktion der perinatalen Mortalität 6 724 000,00 Vermeidbare kindliche Morbidität 2 580 000,00 Gesamterträge 9 904 000,00 Aufsätze • Notizen

Kosten-Nutzen-Analyse

volle Auslastung des für die Risiko- ambulanz angesetzten Personals.

Während der apparative Einsatz und die Raum- und Gebäudekosten rela- tiv gering gehalten werden konnten, sind die Aufwendungen für routine- mäßig angewandten Untersu- chungsmethoden beträchtlich. Hier zeigt sich jedoch bei Vergleich über den betrachteten Zeitraum von vier Jahren bei verschiedenen Untersu- chungsmethoden ein quantitativer Rückgang (Ultraschall, HPL-Bestim- mung). Dies kann sicher auf eine verfeinerte Indikationsstellung und eine gewisse kostenoriehtierte Handlungsweise des Verantwortli- chen zurückgeführt werden.

Auch für unseren Fall konnte die Ef- fizienz der Intensivmedizin im Ge- burtsbereich bestätigt werden. Die

Einführung der Intensivüberwa- chung brachte eine Reduktion der perinatalen Mortalität auf 1,5 Pro- zent im Jahr 1978 mit sich. Wie Hag- berg und Hochuli fanden wir einen Rückgang der schweren Azidosen und Hypoxiefälle, pathologisches Korrelat der Zerebralparesen, um zwei Drittel auf 01,3 Prozent. Da auf keine eigenen Untersuchungen zu- rückgegriffen werden konnte, gin- gen auch wir von zwei vermeidbaren Morbiditätsfällen aus.

Der Rückgang der mütterlichen Sterbefälle kann ebenfalls auf die in- tensive antepartale Betreuung zu- rückgeführt werden. Wir konnten diese von früher zwei Todesfälle auf 2000 Geburten auf Null reduzieren, das heißt es kann von der Vermei- dung eines Todesfalles auf 1000 Ge- burten ausgegangen werden.

Hochuli errechnete nach seinem Be- richt auf dem Berliner Kongreß ei- nen Nettonutzen von 1,1 Millionen Schweizer Franken für die Intensiv- überwachung. Er berücksichtigte je- doch bei seinen Berechnungen die Erträge aus der vermiedenen müt- terlichen Mortalität nicht. Ebenso nicht miteinbezogen wurden die Beiträge zum Sozialprodukt auf- grund der verminderten perinatalen Mortalität und Morbidität.

Der Einwand, die zunehmende In- tensivüberwachung bedinge eine er- höhte perinatale Morbidität, kann aufgrund eigener Ergebnisse und solcher der pädiatrischen Klinik zu- mindest für unsere Klinik nicht be- stätigt werden. Es läßt sich daher in unserer Klinik aufgrund der günsti- gen Kosten-Nutzen-Relation von 1:10 beziehungsweise eines Netto- nutzens von rund neun Millionen DM das allgemeine Postulat der po- sitiven Auswirkungen der Intensiv- betreuung auf die Volkswirtschaft auch für die Risikoambulanz bestä- tigen.

Sicher kann der Nutzen noch erhöht werden. Dies erfordert die Einbezie- hung weiterer „Kosten- und Nutzen- Quellen" und detailliertere Berech- nungen. So könnten die Kosten ei- nes Schwangerschaftsabbruches bei einem schwer geschädigten Kind und die Diagnostik dem Nutzen aus der Vermeidung eines geistig re- tardierten Kindes gegenübergestellt werden. Nach Angaben von Sper- ling beim Berliner Round-table-Ge- spräch kann auf 150 pränatale Un- tersuchungen eine Trisomie verhin- dert werden.

Bei Untersuchungskosten von 978 DM je Fall und der Diagnostik von einer Trisomie auf 50 Amniozen- tesen in unserer Klinik liegt der „Ge- winn" unter Zugrundelegung der Pflegekosten von 150 000 DM bei 100 000 DM (analog den Ausführun- gen von Sperling). Unberücksichtigt bleibt hier der Beitrag zum Sozial- produkt. Unter der Berücksichti- gung der Diagnostik von Stoffwech- selkrankheiten usw. läßt sich — wie Sperling in Berlin ausführt — auch für unsere Verhältnisse eine weitere

1140 Heft 17 vom 24. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Verschiebung der Kosten-Nutzen- Relation zugunsten der Nutzen er- reichen.

Einen weiteren .,Nutzenbeitrag"

kann nach der von Mentzel in Berlin vertretenen Auffassung der Pädiater zur Intensivüberwachung leisten.

Die Überlebensrate von 50 Prozent bei Frühgeburten unter 1000 Gramm Geburtsgewicht und der Rückgang der neurologischen Schäden u.nd psychischen Retardierungen von 80 auf 7 bis 15 Prozent in dieser Gruppe kann auf die postpartale Intensivbe- treuung zurückgeführt werden.

Unter der Voraussetzung dieses wei- teren notwendigen Ausbaus der ln- tensivüberwachung werden die Ko- sten steigen. Bräutigam berechnete die Wirtschaftlichkeit des Mittelein- satzes bei den Personalkosten. Die Berechnungen gelten für gemischt gynäkologisch geburtshilfliehe Ein- heiten.

Unter Zugrundel.egung von 1800 Ge- burten bei fünf ärztlichen Personal- stellen wurde eine geburtshilfliehe Abteilung mit 700 Geburten als noch optimale Einheit angesehen. Ein Krankenhaus mit niedrigerer Gebur- tenfrequenz ist nach seiner Auf- fassung unökonomisch und gefähr- lich.

Trotz der unmittelbar fehlenden Auswirkungen bei der Steigerung der Intensivmaßnahmen beim in- vestierenden Krankenhausträger (höchstens .,Prestigegewinn" durch höhere Nachfrage) kann gefolgert werden:

~ Unsere Ergebnisse und die Ein- beziehung obiger Diskussionsbei- träge rechtfertigen die zu fordernde Selektion risikobelasteter Schwan- gerer und ihre Betreuung ein- schließlich Entbindung in intensiv- medizinischen Geburtszentren. Eine durch den weiteren Ausbau vermin- derte perinatale Mortalität und Mor- bidität- für unseren Einzugsbereich anhand umfassender Untersuchung bestätigt - wird hohe gesamtwirt- schaftliche Erträge induzieren. Wei- tere Untersuchungen könnten dies dann transparent machen.

Kosten-Nutzen-Analyse

Zusammenfassung

Ein Zentrum für Intensivgeburtshilfe ist wie jede intensivmedizinische Einrichtung mit großen finanziellen Aufwendungen verbunden. Unter Zugrundelegung von jährlich durch- schnittlich 560 Risikopatientinnen unter 1800 Geburten verursacht die antepartale Intensivüberwachung Kosten von einer Million DM. Durch den Ausbau der antepartalen Inten- sivüberwachung risikobelasteter Schwangerer in unserer Klinik sank die perinatale Mortalität von 3,1 Pro- zent 1970 auf 1,5 Prozent im Jahr 1978. Ebenso war eine deutliche Re- duktion der perinatalen Morbidität.

abgeleitet aus dem Rückgang der schweren und mittelschweren Azi- dosen (pH < 7,10) und der Hypoxie- fälle um zwei Drittel zu verzeichnen.

Die mütterliche Sterblichkeit konnte ganz eliminiert werden.

Daraus ergibt sich durch den Rück- gang der kindlichen perinatalen Mortalität um vier, der Senkung der kindlichen Morbidität um zwei Kin- der und der Vermeidung eines müt- terlichen Todesfalls auf 1000 Gebur- ten ein Ertrag von 9,9 Millionen DM.

Die Kosten-Nutzen-Relation von 1:10 zugunsten der Nutzen, bezie- hungsweise ein errechneter Netto- nutzen von annähernd 9 Millio- nen DM, läßt die antepartale ln- tensivüberwachung risikobelasteter Schwangerer in unserer Klinik auch unter ökonomischen Gesichtspunk- ten sinnvoll und notwendig er- scheinen.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med.

Hans-Günther Hillemanns Universitäts-Frauenklinik Hugstetter Straße 55 7800 Freiburg im Breisgau Dipi.-Volksw. Manfred Steiner Universitäts-Frauenklinik Hugstetter-Straße 55 7800 Freiburg im Breisgau Dr. med. Heiko Steiner Oberarzt an der

Universitäts-Frauenklinik Hugstetter-Straße 55 7800 Freiburg im Breisgau

Aufsätze · Notizen THEMEN DER ZEIT

Sozialwahlen:

Weichenstellung für die

80er Jahre

Wähler und Wählerinnen entschei- den bei den Wahlen zu den Vertre- terversammlungen der Angestellten- Ersatzkassen und der Angestellten- versicherung über die Zusammen- setzung der sozialen Selbstverwal- tung. Viele Versicherte wissen nicht, wie wichtig der Briefwahlzettel ist, den sie in den nächsten Wochen ins Haus geschickt bekommen. Versi- cherte Ärzte und Ärztinnen, Arztfrau- en und Arzthelferinnen, die vielen weiblichen Versicherten, die Auszu- bildenden in den Heil- und Hilfsberu- fen, in Kliniken, Sanatorien und La- boratorien sollten sich deshalb in- formieren, wen und was sie wählen.

Bei den Sozialwahlen '80 am 1. Juni 1980 bewerben sich nicht nur die bekannten Gewerkschaften und Be- rufsverbände, sondern auch eine große Zahl von eigens für die Sozial- wahlen gegründeten Interessenver- einigungen um Stimmen für ihre Kandidaten, die in der Regel nie- mand kennt und deren .,Hintermän- ner" und Programme nicht bekannt sind.

Keine Stimmen für die

.,Systemveränderer''

Wer sich mit einem Programm zur Wahl stellt, das - offen oder ver-

steckt - die Einheitsversicherung,

das .,klassenlose" Krankenhaus, den Einheitsbeitrag und die Ein- heitsleistung beinhaltet, wer die Freiheit des ärztlichen Berufsstan- des und das ungestörte Verhältnis zwischen Patienten und Arzt verän- dern will, wer mit Schlagworten kol- lektivistische Lösungen anpreist und mit sozialen Versprechen vor den Wahlen auf Stimmenfang geht, wird nicht mit den Stimmen aufge- klärter Bürger rechnen können. C>

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 17

vom

24. April1980 1141

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