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Archiv "G10-Aktionsprogramm: Kosten-Nutzen-Analyse bei Arzneimitteln" (21.06.2002)

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ass große Pharmafirmen aufwen- dige Kongresse organisieren, um nicht ganz uneigennützig über me- dizinische Innovationen zu informieren, ist gängige Praxis. Bemerkenswert ist dagegen, dass sich jetzt rund 600 na- tionale und internationale Experten zusammengefunden haben, um über die kritische Bewertung medizinischer Neuerungen zu diskutieren. Dabei han- delte es sich folglich auch nicht um die Veranstaltung eines Pharmaunter- nehmens, sondern um die Jahrestagung der ISTAHC (International Society of Technology Assessment in Health Care) in Berlin.

Nicht alle vermeintlichen Neuerun- gen, die der Gesundheitsmarkt zu bie- ten hat, sind tatsächlich innovativ, und

nicht alles was innovativ ist, muss zwingend medizinisch notwendig sein.

Es gilt, Überflüssiges vom Notwendigen zu trennen – keine leichte Aufgabe, mit der sich die ISTAHC seit ihrer Grün- dung 1985 beschäftigt. Die interdiszi- plinäre wissenschaftliche Fachgesell- schaft mit mehr als 1 400 Mitgliedern aus 35 Ländern ist das wichtigste inter- nationale Forum auf diesem Gebiet.

Für die Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien hat sich in Deutschland der Begriff „Health Tech- nology Assessment“ (HTA) etabliert.

Der Begriff Technologie umfasst dabei sowohl Produkte (Arzneimittel, techni- sche Geräte) als auch Therapieverfah- ren und übergeordnete Prozesse wie Rehabilitation.

Ein wenig verspätet habe man in Deutschland damit begonnen, sich mit diesem Thema zu befassen, räumte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Gudrun Schaich-Walch, am Rande der Veran- staltung ein. Seit den ersten Schritten Mitte der 90er-Jahre und einem da- mals vom Bundesgesundheitsministeri- um geförderten Pilotprojekt, habe die Entwicklung einen rasanten Verlauf genommen, so die Staatssekretärin.

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln ist mittlerweile vom Gesetzgeber beauftragt, eine Daten- sammlung zu erstellen und die Metho- dik zur Erstellung von HTA-Berichten zu verbessern. Das Informationssystem soll in erster Linie wissenschaftlich fun- dierte HTA-Berichte für die Entschei- dungsträger bereitstellen. Der Bundes- ausschuss Ärzte und Krankenkassen stützt seine Entscheidungen zuneh- mend auf HTA-Berichte. Die Kas- senärztliche Bundesvereinigung richte- te bereits 1996 ein entsprechendes De- zernat ein.

Ärzte besser informieren

Besonders im Arzneimittelbereich sehe man sich einem „einseitigen Anbieter- markt“ gegenüber, beklagte der Direk- tor des Schweizer Bundesamtes für So- zialversicherung, Otto Piller. Gerade weil es nicht zu Rationierungen im Ge- sundheitswesen kommen dürfe, müsse man der Industrie durch eine genaue Bewertung der Nützlichkeit von Arz- neimitteln „die Stirn bieten“, meinte Piller. Für einen Dialog mit den Herstellern plädierte dagegen Claude P O L I T I K

A

A1716 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 25½½½½21. Juni 2002

Medizintechnologie

„Der Industrie die Stirn bieten“

Nationale und internationale Experten trafen sich in Berlin,

um über die systematische Bewertung medizinischer Technologien zu beraten – ein Forschungsgebiet, das mittlerweile auch für die Selbstverwaltung in Deutschland unverzichtbar geworden ist.

Der klinische Nutzen von Arzneimitteln und de- ren Kosteneffektivität sollen nach Meinung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt europaweit einer gemeinsamen Bewertung un- terzogen werden. „Der Austausch von Informa- tionen und Erfahrungen zwischen den Mitglied- staaten der Europäischen Union wird uns bei der beabsichtigten Abwägung von therapeuti- schem Nutzen und Arzneimittelpreisen in Deutschland zugute kommen“, sagte Schmidt anlässlich einer Veranstaltung der G10-Arznei- mittel-Gruppe zur europäischen Arzneimittel- politik in Berlin. Damit würden die Forschungs- anstrengungen der Unternehmen stärker auf echte Innovationen konzentriert. Die Ministerin ist davon überzeugt: „Ärzte und Patienten er- halten so objektive Informationen.“

In einem jetzt vorgelegten „Aktionspro- gramm“ fordert die G10-Gruppe, zu der neben Schmidt unter anderem auch deren französi- sche und britische Amtskollegen Bernard Kou- cher und Philip Hunt zählen, dass die Vorschrif- ten zur Zulassung von Arzneimitteln EU-weit überprüft werden. Ziel sei es, allen Patienten in-

nerhalb der Europäischen Union schnellen Zu- gang zu neuen Medikamenten zu ermöglichen.

In Großbritannien haben Patienten durch- schnittlich sechs Monate nach der Zulassungs- genehmigung die Möglichkeit, an neu ent- wickelte Medikamente zu kommen, während Franzosen und Portugiesen oft Wartezeiten von bis zu vier Jahren in Kauf nehmen müssen. Hier seien die Zulassungsbehörden in der Gemein- schaft gefordert. Diese müssten einen offenen Dialog mit den Arzneimittelherstellern über Möglichkeiten zur Verbesserung der Zulas- sungsverfahren führen, forderte Schmidt. Die Gruppe empfahl außerdem, dass die europäi- schen Institutionen Möglichkeiten in Betracht ziehen sollten, das Lizenzsystems zu verbessern, um die Markteinführung innovativer Arznei- mittel zu beschleunigen.

Das Aktionsprogramm der G10-Gruppe ist nicht rechtsverbindlich und dient den EU- Mitgliedstaaten lediglich als Empfehlung. Der Gesetzgeber werde nun prüfen, wie das Programm der Arzneimittelgruppe umgesetzt werden könne, kündigte Schmidt an. SR

G10-Aktionsprogramm

Kosten-Nutzen-Analyse bei Arzneimitteln

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Hemmer, Regierungsrat im luxembur- gischen Gesundheitsministerium. Ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt sprach sich Hemmer für eine verstärkte industrieunabhängige Information der Ärzte aus. „Dies steht nicht im Wider- spruch zu den Interessen der Herstel- ler“, ist Hemmer überzeugt.

Das Interesse von Ärzten an qua- litätsgesicherten Informationen sei sehr groß, sagte Schaich-Walch.

Dies gelte im Übrigen auch für me- dizinische Behandlungsleitlinien, bei deren Erstellung HTA-Berichte als Grundlage dienen könnten. „Leider gibt es momentan viel zu wenig evidenzbasierte Leitlinien in deut- scher Sprache. Dies wurde bei der Dis-

kussion über die geplanten Disease- Management-Programme deutlich“, so Schaich-Walch.

Ein Problem, mit dem sich auch die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssi- cherung (ÄZQ) auf einem Satelliten- symposium zum ISTAHC-Kongress beschäftigte. Experten aus 14 Ländern diskutierten ihre Erfahrungen über die Entwicklung und Standardisierung von Leitlinien in der Medizin sowie über deren Anwendung in der Patien- tenversorgung. Hoffnung, dass der Leitlinienmangel auch in Deutschland überwunden wird, weckte der Vortrag von Prof. Dr. med. Niek Klazinga von der Universität Amsterdam, der auf die weltweit steigende Bedeutung der Leitlinien-Medizin hinwies. Leitlinien seien potenziell nützliche Hilfsmittel und wirkten sich auch positiv auf die Arzt-Patienten-Beziehung aus. Dies sei einer der Gründe, warum es in den letzten Jahren zu einer rasanten Ausbreitung der Leitlinien-Medizin gekommen sei. Klazinga: „Wir beob- achten zurzeit eine wahre Leitlinien-

Manie.“ Samir Rabbata

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 25½½½½21. Juni 2002 AA1717

B

undesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gibt sich optimistisch:

Ende des Jahres werde die Gesetz- liche Krankenversicherung (GKV) ein ausgeglichenes Finanzergebnis vorwei- sen können. Sollte es wider Erwarten anders kommen, stehen die Schuldigen womöglich schon fest: die gemeinsame Selbstverwaltung im Allgemeinen und die Ärzte wegen ihrer vermeintlich unwirtschaftlichen Arzneimittelverord- nung im Besonderen. Nicht umsonst kündigte Schmidt bereits Anfang des Jahres an, dass die Ausgaben für Arz- neimittel zur „Nagelprobe für die Selbstverwaltung“ werden. Unerwähnt bleibt dabei zumindest, dass bereits seit Jahren, von der öffentlichen Wahrneh- mung weitgehend unbemerkt, auf poli- tischen „Verschiebebahnhöfen“ kräftig rangiert wird. Milliardenbeträge der GKV werden systematisch anderen So- zialversicherungszweigen zugeschanzt.

Mehr Ehrlichkeit der Politik forder- te deshalb Prof. Dr. med. Fritz Beske, Direktor des Instituts für Gesundheits- System-Forschung, Kiel. Würden der GKV nicht gezielt Gelder entzogen, könnten Finanzierungsdefizite der Kassen vermieden oder sogar Über- schüsse erwirtschaftet werden. Nied- rigere Beitragssätze wären möglich, fasste Beske eine Studie seines Instituts zum Thema „Politische Entscheidun- gen zulasten der GKV“ zusammen.

Demnach ist die finanzielle Belastung der Krankenkassen durch den Ver- schiebebahnhof von 2,67 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf rund drei Mil- liarden Euro 1997 gestiegen. Nach ei- nem leichten Rückgang hat sich die Be- lastung im vergangenen Jahr auf 3,6 Milliarden Euro erhöht. Besonders hart trifft die Kassen die Senkung der beitragspflichtigen Einnahmen für Lei-

stungsbezieher nach dem Arbeitsförde- rungsgesetz und die Erhöhung der Beiträge aus Krankengeld durch das Rentenreformgesetz 1992. Allein im vergangenen Jahr wäre ohne Verschie- bebahnhöfe eine Positivbilanz der ge- setzlichen Kassen von rund 800 Millio- nen Euro möglich gewesen.

Gemeinsamer Protest von Ärzten und Krankenkassen

Scharfe Kritik kommt von der Selbst- verwaltung: In seltener Einigkeit pro- testierten Ärzte und Krankenkassen gegen derlei Praktiken der Politik. Dr.

med. Leonhard Hansen, Zweiter Vor- sitzender der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, und Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der Ersatzkas- senverbände VdAK/AEV, erklärten übereinstimmend vor Journalisten in Berlin, dass nun wissenschaftlich belegt sei, wie über Jahrzehnte hinweg die Finanzen der GKV von der Politik „ge- plündert“ wurden. Die Politik versuche ihre Haushalte bei der GKV zu ent- lasten, weil sie für sie keine unmittel- bare Beitragsverantwortung habe. „Es ist skandalös wie der GKV seit den 90er-Jahren Gelder entzogen werden.

Dies gilt für alle Regierungen“, kriti- sierte Hansen.

Ministerin Schmidt reagierte mit Un- verständnis auf die vorgelegten Zahlen und gab den Schwarzen Peter an die Ärzte zurück. Ursache des Defizits im vergangenen Jahr sei zu zwei Dritteln die Ausgabenentwicklung im Arznei- mittelbereich gewesen. Hier sei die Selbstverwaltung gefordert, so Schmidt.

Beske dagegen appelliert an den Gesetzgeber, seine Politik zu überden- ken. Man könne dem System nicht Gelder entziehen und zugleich mit dem Finger auf die Selbstverwaltung

zeigen. SR

GKV-Finanzen

Systematisch geplündert

Den Krankenkassen werden gezielt Milliardenbeträge für andere Sozialversicherungszweige entzogen.

Politische Entscheidungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung, Fritz Beske, Institut für Gesund- heits-System-Forschung, E-Mail: stiftung@igsf.de Gudrun Schaich-

Walch, Parlamen- tarische Staats- sekretärin im Bundesgesundheits ministerium:

Ärzte sind an indu- strieunabhängigen Informationen interessiert.

Foto: Deutscher Bundestag

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