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Archiv "Erfassung angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen: Das Mainzer Modell" (18.03.1994)

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MEDIZIN KURZBERICHT

Annette Queißer-Luft Klaus Schloefer2

Karl-Heinz Schicketanz 3 Jürgen Spranger'

Erfassung

angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen:

Das Mainzer Modell

Fehlbildungsursachen Angeborene Fehlbildungen zäh- len neben onkologischen Erkrankun- gen und Unfällen zu den häufigsten Todesursachen im Kindesalter. Etwa fünf Prozent aller Neugeborenen ha- ben angeborene morphologische De- fekte; ungefähr ein Fünftel davon sind schwer und lebensbedrohlich.

Etwa 20 Prozent der angeborenen Defekte sind monogen erbbedingt, ungefähr fünf bis zehn Prozent chro- mosomal und etwa zwei bis zehn Pro- zent virusinduziert. In ungefähr 60 Prozent ist somit die Ursache des an- geborenen Defekts nicht bekannt (8).

Unklar ist insbesondere die Bedeu- tung von physikalischen und chemi- schen Noxen, von Umweltbelastung und medikamentöser Therapie in der Schwangerschaft. Spätestens seit der Thalidomid-Katastrophe sind mögli- che Auswirkungen einer medikamen- tösen Therapie in der Schwanger- schaft offensichtlich (4).

Fehlbildungserfassung in der BRD

Die derzeitig bestehende gesetz- liche Meldepflicht (namentlich) er- faßt lediglich zehn Prozent der ange- borenen Fehlbildungen. Sie ist damit kaum verwertbar. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten werden in der Bundesrepublik Deutschland angeborene Fehlbildun- gen bislang nicht systematisch und differenziert erfaßt. Ein internatio- naler Vergleich ist nicht möglich.

Dieser bedenkliche Sachstand war Anlaß zu besonderen Empfehlungen der Bundesärztekammer 1993 (5). Seit 1990 arbeitet in Mainz ein von Bund

und Land Rheinland-Pfalz geförder- tes Fehlbildungsregister. Es gilt als Modell für weitere Einrichtungen, mit denen ein verläßliches Überwa- chungssystem zu errichten wäre.

Mainzer Modell zur Erfassung angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen

Sämtliche in den drei Mainzer Geburtskliniken entbundenen Neu- geborenen (etwa 4000 pro Jahr) wer- den im Zusammenhang mit den Vor- sorgeuntersuchungen nach einem standardisierten Schema klinisch und sonographisch (routinemäßig Hüften und Nieren) untersucht.

Neben der allgemeinen pädiatri- schen Untersuchung wird besonders auf das Vorhandensein von großen und kleinen angeborenen morpholo- gischen Defekten (das heißt Fehlbil- dungen, Dysplasien und Deformitä- ten) geachtet (2). Hierbei wird zwi- schen großen Fehlbildungen und kleinen morphologischen Auffällig- keiten unterschieden. Große Fehlbil- dungen beeinträchtigen die Lebens- fähigkeit und/oder Lebensqualität und sind interventionsbedürftig (De- finitionen nach EUROCAT [Europe- an Registration of Congenital An- omalies and Twins] [6]). Kleine mor- phologische Auffälligkeiten und

Universitätskinderklinik (Direktor: Prof. Dr.

med. J. Spranger) und 3 Institut für Medizi- nische Statistik und Dokumentation (Direk- tor: Prof. Dr. med. J. Michaelis) der Johan- nes-Gutenberg-Universität Mainz, 2 Abtei- lung für Epidemiologie (Direktor: Prof. Dr.

med. J. Wahrendorf) des Deutschen Krebs- forschungszentrums in Heidelberg

Anomalien beeinträchtigen die Le- bensfähigkeit und -qualität nicht und bedürfen keiner Behandlung. Ein- zeln haben die kleinen morphologi- schen Auffälligkeiten keine Bedeu- tung. Kommen sie bei einem Indivi- duum in größerer Zahl vor, weisen sie unspezifisch auf eine gestörte in- trauterine Morphogenese hin. Bei- spiele für derartige kleine morpholo- gische Auffälligkeiten sind Ohran- hängsel, Ohrkerbe, Vier-Finger-Fur- che, gespaltene Uvula, Naevus flam- meus und weitere (1, 3, 9). Die gro- ßen Fehlbildungen und auch die klei- nen genannten morphologischen Auffälligkeiten sind genau definiert (Ja-Nein-Defekte) und unterliegen somit keiner subjektiven Beurteilung.

Die Untersuchung der Neugebo- renen wird von in Neonatologie und klinischer Genetik speziell ausgebil- deten Kinderärzten weitgehend im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2 durchgeführt. Parallel dazu wer- den Daten zur Familien-, Schwanger- schafts-, Sozialanamnese sowie allge- meine Expositionsdaten den vorhan- denen gynäkologischen Patientenak- ten und dem Perinatologischen Ba- siserhebungsbogen entnommen und in anonymisierter Form EDV-ge- recht zusammen mit den Untersu- chungsbefunden dokumentiert und verschlüsselt.

Totgeburten, Spontanaborte nach der 16. Schwangerschaftswoche und Abruptiones werden patholo- gisch und/oder histologisch unter- sucht (Abteilung für Kinderpatholo- gie, Prof. Dr. H. Müntefering, Johan- nes-Gutenberg-Universität Mainz).

Ein standardisierter Erhebungs- bogen, eine Ausfüllanleitung sowie ein Diagnosekatalog (basierend auf der Internationalen Klassifikation der

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994 (47) A-747

(2)

Sonstige 0,2 3 606

Tabelle 3: Häufigkeit (diagnosebezogen) von großen Fehlbildungen im Vergleich zu EUROCAT

Mainz- Kollektiv

1990/91 (%)

Gesamt- Kollektiv

1990/91 (%) Skelettsystem

Kardiovaskuläres System Internes Urogenitalsystem Externes Urogenitalsystem Zentralnervensystem Gastrointestinaltrakt Gesichts-Spalten Chromosomendefekte

Gesamtpatientenzahl 0,3 8 470

EUROCAT 1980-88

(%) 2,7

1,4 2,8

1,2

0,9 0,5 1,9

0,7

1,2 0,6

0,14 0,16 0,6

0,5 0,3

0,6

0,3 0,14 0,5

0,3

0,4 0,3

0,06 0,2

Mainzer Studienkollekt v (Teilkollektiv) Tabelle 2: Im Berichtszeitraum untersuchtes

Tabelle 1: Im Berichtszeitraum untersuchtes Studienkollektiv (Gesamtkollektiv) 1990

n (%)

1991

ri (%)

Summe 1990/91

n (%)

Lebendgeborene Totgeborene Aborte*

4 250 (98,3) 43 ( 0,99) 32 ( 0,7)

4 082 (98,5) 29 ( 0,7) 34 ( 0,8)

8 332 (98,3) 72 ( 0,9) 66 ( 0,8)

(*: inkomplett)

1990

n (%)

1991

n (%)

Summe 1990/91

n (%)

Lebendgeborene Totgeborene Aborte*

1 810 (98,7) 13 ( 0,7) 10 ( 0,6)

1 752 (98,8) 13 ( 0,7) 8 ( 0,5)

3 562 (98,8) 26 ( 0,7) 18 ( 0,5)

(*: inkomplett)

MEDIZIN

Erkrankungen [ICD], POSSUM [Pic- tures of Standard Syndroms and Un- diagnosed Malformations, Murdoch Institute Melbourne] und EURO- CAT) ermöglichen einen guten natio- nalen und internationalen Vergleich.

Die Patientendaten werden streng anonymisiert und unter Be- rücksichtigung der ärztlichen Schwei- gepflicht und Einhaltung daten- schutzrechtlicher Vorschriften ge- speichert und ausgewertet (Institut für Medizinische Statistik und Doku- mentation, Prof. Dr. J. Michaelis, Universität Mainz). Die epidemiolo- gische Auswertung wird an der Ab- teilung Epidemiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (Prof. Dr.

J. Wahrendorf), Heidelberg, durch- geführt. Seit 1990 ist Mainz partizipierendes Zentrum und seit 1991 offizielles Mitglied von EURO- CAT (6). Das Mainzer Modell ist zur Zeit der einzige deutsche Beitrag zum oben genannten europäischen Erfassungssystem. Seit dem 1. Juli 1992 wird in Magdeburg ein zweites Projekt zur Erfassung angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen durch den Bundesminister für Ge- sundheit gefördert, das mit der glei- chen Methode arbeitet. Damit sind die Grundlagen für eine parallele Datengewinnung und eine gemeinsa- me, vergleichende Auswertung der

„Fehlbildungsregister" gelegt.

KURZBERICHT

Ergebnisse

Patientenkollektiv

Für die ersten zwei Jahre (1. Fe- bruar 1990 bis 31. Januar 1992) lie- gen Ergebnisse vor. Insgesamt wur- den in diesem Zeitraum 8 470 Kinder untersucht (Tabelle 1). Im oben ge- nannten Zeitraum wurden in Mainz 8 404 Neugeborene und Totgeburten entbunden, wir haben 8 326 Kinder

dieses Kollektivs (99,0 Prozent) un- tersucht. In den ersten beiden Jahren der Studie sind somit 78 Patienten (ein Prozent) nicht in die Erhebung eingegangen. Im Studien-Zeitraum wurden 3 898 Lebendgeborene mit Geburtsort und Wohnort Mainz dem Statistischen Landesamt Bad Ems gemeldet, wir haben 3 562 (92,3 Pro- zent) Neugeborene dieses Kollektivs untersucht und können somit von wirklichen Inzidenzen in dieser Sub- population sprechen (Tabelle 2).

Häufigkeiten von großen Fehl- bildungen und kleinen morpho- logischen Auffälligkeiten

Im gesamten Patientenkollektiv (n = 8 470) wiesen 692 (8,1 Prozent) der Neugeborenen mindestens eine große Fehlbildung auf (Tabelle 3). Im

„Mainzer"-Studienkollektiv (n = 3 606) hatten 282 (7,8 Prozent) Neu- geborene eine oder mehrere große Fehlbildungen. Unsere Ergebnisse wurden zur besseren Einordnung mit dem „flächendeckenden" europäi- schen Register für große angeborene Fehlbildungen EUROCAT vergli- chen (6). 2 964 Neugeborene des Ge- samtkollektivs (34,9 Prozent) hatten eine oder mehrere der 60 definierten kleinen morphologischen Auffällig- keiten (Tabelle 4). 1 243 (34,4 Pro- zent) Neugeborene des Mainzer Stu- dienkollektivs wiesen mindestens ei-

A-748 (48) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994

(3)

Mehes 1988

(%) Vier-Finger-Furche

Darwinscher Höcker

2,0-4,0 3,9

3,9 4,1

4,0 Faziales Hämangiom

Ohranhängsel

3,2 2,9 2,8

2,2

0,1-1,0 0,2-0,6 Hämangiom

Ohrkerbe

2,7 2,3

0,5-1,0 0,2 2,6

3,5

0,5-1,0 0,2-0,6 0,1-0,2 1,6

1,4 0,9 1,9

1,1 0,8 Sydney Line

Naevus Sakralporus

Sonstige 9,3 9,8

Tabelle 4: Häufigkeit (diagnosebezogen) kleiner morphologischer Auffälligkeiten im Vergleich zur ungarischen Untersuchung von Viehs

Mainz- Kollektiv

1990/91 (%)

Gesamt- Kollektiv

1990/91 (%)

Gesamtpatientenzahl 3 606 8 470

ODDS Ratio (Konfidenz-Intervall) Risiko-Faktor

2,3 (0,5-11,8) Alkoholabusus (Mutter)

1,8 (0,9-4,1) Konsanguinität

1,7 (0,6-5,7) Diabetes mellitus (Mutter)

1,5 (0,7-2,9) Plazentainsuffizienz

Berufsrisiko (Mutter) 1,2

(0,8-1,5)

1,2 (0,8-1,4) große

Fehlbildung

kleine morphologische

Auffälligkeit

Geschwister mit großer Fehlbildung

2,4*

(1,3-4,4)

1,5 * (1,3-2,3)

Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft

1,8*

(1,2-2,7)

1,7*

(1,3-2,3)

Elternteil mit großer Fehlbildung

1,4 (0,5-3,1)

1,7*

(1,1-2,9) Tabelle 5: ODDS-Ratios für ausgewählte Risiko-Faktoren

(*: statistisch signifikant)

MEDIZIN KURZBERICHT

ne kleine morphologische Auffällig- keit auf. Die Häufigkeiten werden mit denen einer multizentrischen Un- tersuchung zur Erfassung kleiner morphologischer Auffälligkeiten in Ungarn (9) verglichen.

In den Studienergebnissen des Mainzer und auch des Gesamt-Kol- lektivs sind die sonographisch ermit- telten Fehlbildungen und Auffällig- keiten enthalten: 8 141 Neugeborene erhielten eine sonographische Unter- suchung der Nieren. 7 540 (92,6 Pro- zent) wiesen unauffällige, 528 (6,4 Prozent) kontrollbedürftige und 73 (0,9 Prozent) pathologische Befunde auf. Bei 6 930 Neugeborenen wurde eine sonographische Untersuchung der Hüften durchgeführt. 3 664 (52,9 Prozent) hatten unauffällige, 3 146 (45,4 Prozent) kontrollbedürftige und 120 (1,7 Prozent) pathologische, be- handlungsbedürftige Befunde nach den Kriterien von Graf (7).

Assoziationen mit Risikofaktoren

Im Rahmen der ersten vorläufi- gen Zwei-Jahres-Auswertung wurde nach Assoziationen zwischen den morphologischen Befunden und möglichen Risikofaktoren gesucht.

Im Rahmen des vorliegenden Gebur- tenregisters wurden Fall-Kontroll- Untersuchungen zur Ermittlung möglicher Risikofaktoren (beispiels- weise Diabetes mellitus der Mutter, Alkoholabusus in der Schwanger- schaft oder andere) durchgeführt.

Bei den hier vorgelegten Ergebnissen handelt es sich im wesentlichen um univariate Analysen in Form einer Fall-Kontroll-Studie. Die Fälle wur- den nach zwei verschiedenen Defini- tionen festgelegt. Die erste Gruppe bestand aus allen Neugeborenen mit großen Fehlbildungen (n = 692), die zweite aus allen mit sogenannten klei- nen morphologischen Auffälligkeiten (n = 2 964). Als Kontrollen wurden diejenigen Neugeborenen definiert, die weder eine große Fehlbildung noch eine kleine morphologische Auf- fälligkeit hatten (n = 4 814).

Aus dem Verhältnis der Risiko- faktoren beider Gruppen ergibt sich das relative Risiko (odds ratio). Die-

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994 (51) A-749

(4)

MEDI

ses gibt an, um das Wievielfache das

„Fehlbildungs-Risiko" der Fälle ge- genüber den Kontrollen erhöht ist.

Die zum Teil bestehenden breiten Konfidenz-Intervalle zeigen, daß die Anzahl der exponierten Fälle und der entsprechenden Kontrollen bei einigen Fragestellungen noch immer relativ niedrig sind (Tabelle 5). Der Beobachtungszeitraum beträgt ledig- lich zwei Jahre. Entsprechende nu- merische Verschiebungen sind des- halb bei längerer Laufzeit der Moni- tor-Station möglich. Insgesamt ist auch festzustellen, daß es sich bei den hier vorgelegten Ergebnissen der Fall-Kontroll-Untersuchungen noch um „Rohdaten" handelt und die Ver- knüpfungen einzelner Risikofakto- ren noch nicht getestet wurden. Für die Untersuchung der Medikamen- tengruppen, spezieller Berufsrisiken bei den Eltern und von Organ-Zu- ordnungen großer Fehlbildungen bei Geschwistern und Eltern liegen uns derzeit noch keine Analysen vor.

Diskussion

Fehlbildungshäufigkeiten Die in den ersten zwei Jahren von uns ermittelten Häufigkeiten großer Fehlbildungen und morphologischer Auffälligkeiten liegen über denen der Literatur. Die Gründe für die höheren Fehlbildungsraten sind für alle Fehl- bildungsarten gleich und liegen in der Struktur des Erfassungssystems. Sie erklären sich durch:

1. die systematische Untersu- chung der Neugeborenen nach einem einheitlichen, standardisierten Sche- ma durch speziell ausgebildete Kin- derärzte,

2. die genaue Definition der an- geborenen morphologischen Abwei- chungen und ihre systematische Er- fassung,

3. die Einbeziehung der Sono- graphie bei äußerlich nicht erkenn- baren Fehlbildungen und Besonder- heiten, besonders vom Skelettsystem und inneren Urogenitalsystem,

4. die Untersuchung einer Kran- kenhauspopulation mit einer mögli- chen Häufung von Risikopatienten.

Die Punkte 1 und 2 sind für die Häufung von kleinen morphologi- schen Auffälligkeiten verantwortlich.

KURZBERICHT

Sie wurden nach vorgegebenen Kri- terien aus der Literatur erfaßt (3, 9).

Zukünftige Untersuchungen werden zeigen müssen, welche dieser Beson- derheiten Normvarianten sind und welche eine Störung der Morphoge- nese signalisieren. Punkt 3 erklärt die größere Anzahl von Fehlbildungen im Bereich des Skelett- und inneren Urogenitalsystems, Punkt 4 offenbart den Nachteil des Modells gegenüber einer flächendeckenden, populati- onsbezogenen Erhebung.

Die ermittelten Häufigkeiten in unserem Studienkollektiv entstam- men Krankenhauspopulationen mit einem perinatologischen Zentrum und geben keine Auskunft über die Prävalenz angeborener Fehlbildun- gen und morphologischer Auffällig- keiten in der Gesamtbevölkerung.

Gegenüber flächendeckenden, popu- lationsbezogenen Erfassungssyste- men besteht der Vorteil einer einheit- lichen vollständigen und kontrollier- ten Registrierung. Die ermittelten Häufigkeiten oder Inzidenzen sind Basiswerte, aus denen sich mögliche zeitliche Trends erkennen lassen.

Durch den Bezug der Daten auf die Stadtbevölkerung von Mainz lassen sich erste Hinweise auf die Fehlbil- dungshäufigkeiten einer umschriebe- nen Population gewinnen. Es ist be- merkenswert, daß sich die Inzidenzen der untersuchten Mainzer Stadtpopu- lation nicht wesentlich von den Ge- samthäufigkeiten unterscheiden und deutlich über den Häufigkeiten ande- rer Bevölkerungsgruppen (EURO- CAT) liegen. Das Beispiel der ein- deutig erfaßbaren und in der unter- suchten Bevölkerung fraglos gehäuf- ten Gesichtsspalten zeigt, daß es sich nicht um eine Übererfassung handelt.

Zukünftige Entwicklung

Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Erfassungssysteme in Deutschland hat sich der Wissen- schaftliche Beirat der Bundesärzte- kammer geäußert (5). Die Empfeh- lungen fordern für die Bundesrepu- blik Deutschland ein Netz von Moni- tor-Stationen. Mit einem Netz von etwa zehn derartigen Geburtenregi- stern würden jährlich rund 40 000 Neugeborene erfaßt. Eine solche, präzis und wirtschaftlich arbeitende Organisation würde die Nachteile ei-

ner krankenhausbezogenen Erfas- sung ausgleichen unter Wahrung ih- rer entscheidenden Vorteile.

Die bisherige Erfahrung und die bereits erfolgte, modellhafte Einrich- tung einer zweiten Monitor-Station in Magdeburg zeigt, daß das in Mainz praktizierte Erfassungsmodell ange- borener Fehlbildungen durchführ- bar, ökonomisch vernünftig und übertragbar ist.

Eine weiterführende epidemio- logische Auswertung der „Rohdaten"

im Hinblick auf Zuordnungen von möglichen Risikofaktoren zu speziel- len Organsystemen, auf Confounding effects (Verknüpfung von einzelnen Risikofaktoren) und Herausarbei- tung von Signal-Fehlbildungen (klei- ne morphologische Auffälligkeiten, die überproportional häufig mit gro- ßen Fehlbildungen kombiniert sind) wird zur Zeit durchgeführt.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-747-750 [Heft 11]

Literatur:

1. Aase, J. M.: Diagnostic Dysmorphology.

Plenum Medical Book Company, New York and London (1992)

2. Baird, P. A.; T. W. Anderson, H. B. Newcom- be, R. B. Lowry: Genetic disorders in chil- dren and young adults: a population study.

Am. J. Hum. genet. 42 (1988) 677-693 3. Chung, C. S.; N. C. Mrianthopoulos: Con-

genital Anomalies: Mortality and Morbid- ity, Burden and Classification. Am. J. Med.

Genet. 27 (1987) 505-523

4. Czeizel, A.; A. Päzsy, J. Pusztai, M. Nagy:

Aetiological monitor of congenital abnor- malities. A case controll surveillance Sys- tem. Acta Paediatrica Hungarica 24 (1983) 91-99

5. Erhebung von Fehlbildungen, Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirates der Bun- desärztekammer. Dt. Ärztebl. 90 (1993) A 648-652 (Heft 9)

6. Eurocat report: Surveillance of congenital anomalies 1980-88. Eurocat Central regist- ery, Department of Epidemiology, Catholic University of Louvain, Brussels (1991) 7. Graf, R.: Sonographie der Säuglingshüfte.

Enke Verlag, Stuttgart (1989)

8. Hasford, J.; H. K. Selbmann. Effektivität von Mißbildungsregistern. Dt. Ärztebl. 25 (1983) 26-32

9. Metes, K.: Informative morphogenetic variants in the newborn infant. Akademiai Kiadö Budapest (1988)

Anschrift für die Verfassen

Prof. Dr. med. Jürgen Spranger Universitätskinderklinik

Johannes-Gutenberg-Universität Langenbeckstraße 1 55101 Mainz

A-750 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994

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