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Archiv "Infiltrationen im Knochenmark" (20.09.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE ÜBERSICHT

Infiltrationen

im Knochenmark

Alfred Linden,

Markus Jungehülsing, Gerd Schauerte,

Volker Diehl, Harald Schicha

aligne Lymphome und das Plasmozy- tom können das Knochenmark infil- trieren oder vom Knochenmark ausgehen (1). Der Knochenmarkbefall führt zu einer anderen Stagingeinteilung mit Ver- schlechterung der Prognose und zu eingreifenden therapeutischen Kon- sequenzen wie Chemotherapie oder Strahlentherapie (2). Zur Beurtei- lung des Knochenmarkes stand bis- her nur die Blindpunktion mit histo- logischer Untersuchung zur Verfü- gung. Bei diesem Verfahren wird da- von ausgegangen, daß der biopsierte Knochenmarkanteil für die Verän- derungen des gesamten Knochen- markraumes repräsentativ ist. Es lie- gen jedoch Hinweise dafür vor, daß die Annahme nur bedingt richtig ist.

Allein durch Mehrfachpunktionen erhöht sich die Rate der Infiltrati- onsnachweise deutlich (3, 4). Bildge- bende Verfahren bieten heute eine zusätzliche Möglichkeit der Kno- chenmarkbeurteilung. Zur Bildge- bung des Knochenmarkes stehen die Knochenmarkszintigraphie und die Kernspintomographie zur Verfü- gung.

Problemstellung

Ein Vergleich der Ergebnisse der beiden bildgebenden Verfahren mit den Befunden der Knochen- markbiopsie wird dadurch erschwert, daß eine objektive Referenzmethode nicht zur Verfügung steht. Zwar be- weist eine positive Biopsie einen Knochenmarkbefall, ein negatives Ergebnis schließt eine Infiltration außerhalb des Punktionskanals je- doch nicht aus. Bei einem infiltrati- onsverdächtigen Befund der bildge- benden Verfahren trotz befallsnega- tiver Biopsie können Rebiopsie, ge- zielte Biopsie und Autopsiebefunde eine weitere Klärung bringen. Dies

Moderne

Verfahren zu ihrer

Entdeckung

Szintigraphie und Kernspinto- mographie können Infiltrationen des Knochenmarkes nachweisen, die außerhalb des routinemäßig biopsierten Knochenmarkberei- ches liegen. Sie ermöglichen Aus- sagen über das Ausmaß der Ver- änderungen innerhalb des Kno- chenmarkraumes und zeigen an, ob die im Biopsiebereich gefun- denen Veränderungen repräsen- tativ sind für das übrige Knochen- mark. Ihr Einsatz im Rahmen des Stagings bei malignen Lympho- men ist empfehlenswert.

ist jedoch durch gezielte Biopsien nicht in jedem Fall möglich, da die Infiltrationen oft in bioptisch schwer zugänglichen Regionen lokalisiert sind.

Um einen Vergleich zwischen den bildgebenden Verfahren und der Biopsie zu ermöglichen, ist eine vereinfachte Einteilung der Befunde erforderlich. Dabei können Normal- befunde und reaktive Veränderun- gen des Knochenmarkes als nicht in- filtrationsverdächtig zusammenge- faßt werden. Diesen werden befalls- verdächtige Befunde gegenüberge- stellt.

Institut für klinische und experimen- telle Nuklearmedizin (Direktor: Professor Dr. med. Harald Schicha)

der Universität zu Köln;

Medizinische Klinik I (Onkologie) (Direktor: Prof. Dr. med. Volker Diehl) der Universität zu Köln

Untersuchungs- methoden

des Knochenmarkes

1) Knochenmarkbiopsie

Die Biopsie des Knochenmarkes gehört zu den Routineuntersuchun- gen im Rahmen des klinischen Sta- gings bei malignen Lymphomen und dient auch beim Plasmozytom zur hi- stologischen Absicherung der Dia- gnose (5, 6, 7). Sie wird überwiegend aus dem dorsalen Beckenkamm ent- nommen (3, 4, 8). Bei der histologi- schen Beurteilung werden neben Normalbefunden und Infiltrations- nachweisen häufig Hyper- und Hy- poplasien sowie Fibrosierungen des Knochenmarkes beschrieben, welche als reaktive Veränderungen zusam- mengefaßt werden können (9).

2) Knochenmarkszintigraphie In zahlreichen Studien wurden verschiedene Radiopharmazeutika zur Darstellung des Knochenmarkes klinisch erprobt (10-15). Am häufig- sten werden heute Kolloide in der Größenordnung von wenigen Nano- metern verwendet, die mit 99m- Technetium markiert werden. Nach intravenöser Applikation erfolgt eine Phagozytose durch das retikuloen- dotheliale System (RES). Dieses weist meist den gleichen Vertei- lungsraum auf wie das hämatopoeti- sche Knochenmark (16).

Beim gesunden Erwachsenen liegt eine typische Intensität und Verteilung der RES-Speicherung des Radiopharmazeutikums vor. Bei Erkrankungen des Knochenmarkes, zum Beispiel Polyzythämia vera so- wie bei Anämien kommt es zu charakteristischen Veränderungen, in den meisten Fällen in Form einer für den Erwachsenen unphysiologi- schen zentrifugalen Ausdehnung des

RES-enthaltenden Knochenmarkes

bis in die distalen Abschnitte der Röhrenknochen (11, 17-20). Bei ei- ner Osteomyelofibrose kann gleich- zeitig eine pathologische Speicher- Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (57) A-2813

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Abbildung 1: Typische knochenmarkszinti- graphische Befunde im Femurbereich.

Links: Normalbefund. Mitte: geringgradige Ausbreitung von ICnochenmark und RES wie bei reaktiven Veränderungen. Rechts: Infil- traditionsverdacht (aus Linden et al. [26]).

minderung im Stammskelett beob- achtet werden (11, 21).

Bei malignen Lymphomen wer- den häufig zentrifugale Ausdehnun- gen des Knochenmarkes beobachtet und gelegentlich zusätzlich lokale Speicherdefekte im Stammskelett oder im Bereich der Röhrenknochen infolge einer lokalen Verdrängung des Knochenmarkes durch eine Lymphominfiltration (11, 15, 20).

Die Untersuchungszeit beträgt bei der Knochenmarkszintigraphie etwa 4-5 bis 60 Minuten Wartezeit nach der Injektion und etwa 30 bis 45 Mi- nuten Szintigraphiedauer. Die Strah- lenexposition ist etwa einer Skelettszintigraphie vergleichbar und damit niedrig. Abbildung 1 zeigt typische Knochenmarkszintigraphi- sehe Befunde.

3) Kernspintomographie Die Kernspintomographie be- ruht auf einer unterschiedlichen Ge- webedarstellung entsprechend ihrer Relaxationszeiten (22-24). Aufgrund des hohen Kontrastes bei Weichteil- geweben eignet sie sich für die Kno- chenmarkbildgebung (23). Dabei werden heute überwiegend T1-be- tonte Spin-Echo-Sequenzen verwen- det (25-27). Hierbei stellt sich Fett- mark signalreich dar, während hä- matopoetisch aktives Mark eine mittlere Signalintensität aufweist.

Bei einer unspezifischen Ausbrei- tung des Knochenmarkes verschiebt sich die Grenze beider Markanteile von proximal nach distal. Eine lokale Tumorinfiltration (zum Beispiel in- folge eines malignen Lymphoms oder eines Plasmozytoms) führt zu einer meist herdförmigen Signalmin- derung. Die Untersuchungszeit be- trägt für die kernspintomographi- sche Darstellung von Lendenwirbel- säule, Becken und Oberschenkeln etwa 45 Minuten. Eine Strahlenex- position tritt nicht auf. Typische kernspintomographische Befunde sind in Abbildung 2 dargestellt.

Ergebnisse

1) Vergleich von knochen- markszintigraphischen mit bioptischen Befunden

Bei 104 Patienten mit malignen Lymphomen oder einem Plasmozy- tom wurden die Ergebnisse der Kno- chenmarkszintigraphie mit der Bek- kenkammblindpunktion verglichen.

In 71 Prozent der Fälle (n = 74) stimmten beide Ergebnisse überein.

Bei 14 Prozent (n = 15) ergab die Biopsie einen Befall im Gegensatz zur Szintigraphie und in ebenfalls 14 Prozent (n = 15) zeigte die Szintig- raphie einen befallsverdächtigen Be- fund trotz negativer Biopsie.

2) Vergleich von kernspinto- mographischen mit bioptischen Befunden

108 kernspintomographische Befunde des gleichen Patientenkol- lektivs wurden mit den entsprechen- den Ergebnissen der Beckenkamm- biopsie verglichen. Dabei ergab sich eine Übereinstimmung in 80 Prozent (n = 86). In vier Prozent (n = 4) war die Biopsie positiv trotz negati- vem kernspintomographischen Be- fund, während 17 Prozent (n = 18) der Patienten kernspintomogra- phisch einen Befallsverdacht aufwie- sen, trotz negativer Biopsie.

Von den bioptisch unauffälligen Patienten, die einen positiven Be- fund der bildgebenden Verfahren aufwiesen, zählten 11/15 (Szintigra- phie) beziehungsweise 11/16 (Kern- spintomographie) zur Gruppe der Hodgkin-Patienten (Gesamtanteil 29 Prozent). Bei keinem Patienten mit einem Normalbefund der bildgeben- den Verfahren konnten bioptisch ei- ne Knochenmarkinfiltration nachge-

wiesen werden. Eine Ausnahme bil- deten hierbei Patienten mit einer chronischen lymphatischen Leuk- ämie, wobei 7/17 szintigraphisch und 4/17 kernspintomographisch einen unauffälligen Befund zeigten. Drei Rebiopsien, eine gezielte Biopsie und alle fünf späteren Autopsieer- gebnisse bestätigten die Befunde der bildgebenden Verfahren. Diese hatten bei fünf Patienten einen infil- trationsverdächtigen Befund gezeigt, während die Beckenkammblind- punktion zuvor keinen Befallsver- dacht ergeben hatte, also falsch- negativ war.

Diskussion

Die gute Übereinstimmung mit bioptischen Befunden sowohl der Knochenmarkszintigraphie (71 Pro- zent) als auch der Kernspintomogra- phie (80 Prozent) zeigt, daß beide Verfahren geeignet sind, eine Infil- tration des Knochenmarkes durch ein malignes Lymphom oder Plasmo- zytom zu erfassen. Falsch-negative Befunde traten szintigraphisch mit 14 Prozent häufiger auf als kernspin- tomographisch mit nur vier Prozent.

Falsch-negative Befunde der bildge- benden Verfahren waren vor allem bei Patienten mit chronischer lym- phatischer Leukämie häufig. Von den angeblich falsch-positiven Befunden (14 Prozent beziehungsweise 16 Pro- zent) der bildgebenden Verfahren wurden einige durch Rebiopsie und Autopsie bestätigt. Die Abklärung der übrigen steht noch aus. Diese

„falsch-positiven" Befunde traten besonders häufig bei Patienten mit M. Hodgkin auf, wobei nicht auszu- A-2814 (58) Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990

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Abbildung 2: Typische Befunde der Kern- spintomographie des Femurs, Links: Nor- malbefund. Mitte: Geringgradig inhomoge- nes Signal proximal wie bei reaktiven Verän- derungen. Rechts: Infiltraditionsverdacht (aus Linden et al. [26]).

schließen ist, daß ein fokaler Befall des Knochenmarkes bei dieser Er- krankung der ungezielten Becken- kammpunktion entgeht.

Schlußfolgerungen

Bildgebende Verfahren erlau- ben bei einer Infiltration des Kno- chenmarkes weder eine Unterschei- dung der Untergruppen der malig- nen Lymphome oder des Plasmozy- toms noch eine Abgrenzung von an- deren malignen Erkrankungen. Dies bleibt histologischen Untersuchun- gen vorbehalten. Die Knochen- markszintigraphie ist bei einem un- auffälligen Befund, mit Ausnahme der Patienten mit chronisch lympha- tischer Leukämie, als Screeningme- thode gut geeignet zum Ausschluß einer Knochenmarkinfiltration. Sie erlaubt ferner eine Beurteilung des gesamten Knochenmarkraumes, wo- bei umschriebene Mehranreicherun- gen oder Speicherdefekte anschlie- ßend gezielt durch die Kernspinto- mographie weiter abgeklärt werden können. Nachteil der Kernspinto- mographie ist die Tatsche, daß bei vertretbarem Zeitaufwand nur Teil- bereiche des Knochenmarkes unter- sucht werden können. Eine vor- hergehende Ganzkörper-Knochen- markszintigraphie liefert aber häufig Lokalisierungshinweise für eine dann gezielt eingesetzte Kernspinto- mographie.

Die Kernspintomographie ist ge- genüber der Szintigraphie zum Nachweis einer Knochenmarkinfil- tration besser geeignet. Sie kann dar- über hinaus anzeigen, ob die im Punktionsbereich der Biopsie gefun- denen Veränderungen repräsentativ sind für das übrige Knochenmark oder ob sich außerhalb der Punkti- onsstelle infiltrationsverdächtige Herdbefunde darstellen. In diesem Fall sollte von einem Knochenmark-

befall ausgegangen werden, bis die- ser durch eine gezielte Biopsie aus- geschlossen werden kann. Hierbei ist allerdings problematisch, daß die tu- morverdächtigen Herde häufiger in schwer zugänglichen Regionen loka- lisiert sind wie in Wirbelkörpern oder dem Femurschaft.

Die Knochenmarkbiopsie sollte möglichst nach einer Kernspinto- mographie durchgeführt werden, da hierdurch die Seite des dorsalen Beckenkammes mit den ausgedehn- teren Veränderungen bestimmt wer- den kann. Zur Beurteilung des Kno- chenmarkes sollten die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren und der Beckenkammhistologie gemeinsam herangezogen werden, um eine größtmögliche diagnostische Sicher- heit beim Staging von malignen Lym- phomen beziehungsweise dem Plas- mozytom zu ermöglichen.

Praktisches Vorgehen

Bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie sind die bild- gebenden Verfahren nur bedingt zur Diagnose der Knochenmarkinfiltra- tion geeignet. Bei den übrigen malig- nen Lymphomen beziehungsweise dem Plasmozytom kann folgendes Vorgehen empfohlen werden:

■ Zunächst Durchführung ei- ner Knochenmarkszintigraphie; bei einem völlig unauffäligen Befund ist eine Infiltration des Knochenmarkes mit hoher Sicherheit auszuschließen, und eine weiterführende

Diagnostik

kann im allgemeinen entfallen.

■ Bei einem pathologischen Befund des Knochenmarkszinti- gramms, das heißt einer Ausdeh-

nung der Radionuklidspeicherung, fokalen Mehranreicherungen oder Speicherdefekten erfolgt eine geziel- te Kernspintomographie, die jedoch immer auch den Bereich der Len- denwirbelsäule, des Beckens und der Oberschenkel umfassen sollte.

■ Anschließend sollte die Biop- sie möglichst in dem Bereich mit den auffälligsten kernspintomographi- schen Veränderungen erfolgen, so- fern dies möglich ist. Kernspintomo- graphisch kann gegebenenfalls an- schließend kontrolliert werden, ob der Punktionskanal im Bereich einer möglichen Tumorinfiltration lokali- siert ist.

■ Bei bioptisch unzugänglichen Bereichen sollte bei einem infiltrati- onsverdächtigen Befund der Kern- spintomographie von einem Kno- chenmarkbefall ausgegangen wer- den.

■ Die Ergebnisse der bildge- benden Verfahren und der Becken- kammpunktion sollten gemeinsam zur Beurteilung einer möglichen Knochenmarkinfiltration herangezo- gen werden.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. Harald Schicha Direktor des Instituts für

klinische und experimentelle

Nuklearmedizin

der Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (61) A-2817

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