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Jahrhunderts beteiligt gewesen sind, wurde der Schweiz attestiert, sie habe «mit Sklavenhandel und Kolonialismus nichts zu tun gehabt»

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Aktie "Jahrhunderts beteiligt gewesen sind, wurde der Schweiz attestiert, sie habe «mit Sklavenhandel und Kolonialismus nichts zu tun gehabt»"

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I 056/2003 STA 20. August 2003 42C

Interpellation

2291 Kaufmann, Bern (SP)

Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 17.02.2003

Schweizer und Berner Beteiligung an Sklaverei und Sklavenhandel – die Geschichte aufarbeiten

Anlässlich der UNO-Konferenz von Durban (2001) zu afrikanischen Entschädigungsforderungen an die europäischen Länder, welche am Sklavenhandel bis Ende des 19. Jahrhunderts beteiligt gewesen sind, wurde der Schweiz attestiert, sie habe

«mit Sklavenhandel und Kolonialismus nichts zu tun gehabt». Offensichtlich waren vor allem die seefahrenden Nationen Europas sowie später die jungen US zwischen dem 16.

und 19. Jahrhundert am weit reichenden Netz der Handels- und Finanzbeziehungen beteiligt.

Dazu gehörte insbesondere auch der Sklavenhandel mit schwarzen Menschen aus Afrika bzw. deren Ansiedlung und Rückführung von und nach Zentral- und Nordamerika. Der so genannte Dreieckhandel mit Finanzen, Rohstoffen, Waren sowie - wie Waren behandelte - Menschen war ein Grundpfeiler der wirtschaftspolitischen Vorherrschaft der jungen Industrieländer und der jungen USA. Der Wohlstandseffekt dieser abscheulichen Zusammenhänge ist bis heute eine Basis westlicher Vorherrschaft, der Diskriminierung von Menschen und der ökonomischen Auseinanderentwicklung zwischen Norden und Süden.

Die neue Geschichtsschreibung in der Schweiz zeigt auf, dass der von den UNO-Gremien noch im Jahre 2001 ausgestellte Blankoscheck für die Schweiz überhaupt nicht gerechtfertigt ist.

Im Gegenteil: Insbesondere waren laut neuerer geschichtswissenschaftlicher Forschungen (u.a. Lüthy 1959, Peyer 1968, Meyer 1969) und insbesondere einer zusammenfassenden und vertieften Recherche des St. Galler Historikers Hans Fässler (2002) schweizerische Handelshäuser und Banken sowie einzelne Schweizer Patrizierfamilien sehr wohl und sehr direkt an den kolonialistischen Transaktionen und damit auch am Sklavenhandel beteiligt.

Hierzu verweisen wir auf die Dokumente und Recherchen von Hans Fässler, welche auf www.louverture.ch im Detail dokumentieren und öffentlich zugänglich sind.

Aus den Dokumenten geht hervor, dass auch bernische Familien und Handelshäuser mit von der Partie gewesen sind. Darunter u.a. die damalige Berner Bank Marcuard, der Berner Bankier Emmanuel Haller (als enger Verwandter des berühmten Albrecht von Haller). Im Roman «Die Mohrin» des Berner Schriftstellers Lukas Hartmann (1995) werden diese Zusammenhänge angetönt und am damaligen Alltag in der Schweiz gespiegelt. Die Frage ist demnach auch, was der Staat Bern sowie seine Exponenten der damaligen Zeit für eine Funktion ausgeübt haben.

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Die Geschichte dieser kolonialen Schweiz (und auch des kolonialen Bern) gehört demnach zu einem der verdrängten Kapitel unserer Geschichtsschreibung und unseres Geschichtsbewusstseins. Sie muss erst noch weitgehend aufgearbeitet werden.

Der Regierungsrat wird deshalb beauftragt, folgende Fragen zu beantworten:

1. Ist sich der Regierungsrat der Tatsache bewusst, dass die Schweiz und auch der damalige Kanton Bern (insbesondere bernische Patrizierfamilien, Handelshäuser und Banken) am Dreiecksgeschäft direkt beteiligt waren, und welche allgemeinen Schlussfolgerungen zieht er daraus?

2. Hat sich der damalige Kanton Bern als Staat um die Tätigkeiten der bernischen Handelshäuser und Banken im Kolonialgeschäft gekümmert, gab es irgendwelche Regelungen oder Gesetze und hatte die damalige Öffentlichkeit Kenntnis davon?

3. Ist der Regierungsrat bereit, diesen dunklen Fleck der Schweizer und Berner Geschichte aufzuarbeiten und entsprechende Abklärungen durch Historikerinnen und Historiker in Auftrag zu geben bzw. mit zu unterstützen.

4. Kann sich der Regierungsrat vorstellen, dass sich der Kanton Bern im Rahmen der innerhalb der UNO diskutierten Wiedergutmachungen beteiligt?

5. Wie distanziert sich der Regierungsrat im Sinne der von der Schweiz im Jahre 2001 unterzeichneten Schlusserklärung der UNO-Konferenz von Durban vom damaligen unmenschlichen und tragischen Sklavenhandel und der damit verbundenen Diskriminierung und wie will er auch für die Zukunft ein Zeichen setzen?

Antwort des Regierungsrates

Der Staat Bern war zu keiner Zeit am Dreieckshandel und somit auch nicht am Sklavenhandel des 16. und 17. Jahrhunderts beteiligt. Finanzanlagen im Ausland wurden erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts getätigt. Bis dahin waren die bernischen Handelshäuser zu klein, um in diesen Handel involviert zu sein. Ausserdem gab es in Bern bis 1702 keine Banken.

Unbestritten ist hingegen eine Beteiligung im 18. Jahrhundert sowie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Folgende drei Tatbestände sind zu unterscheiden:

a) Finanzgeschäfte des Staates Bern im Ausland und Dreieckshandel:

Zwischen 1719 und 1734 besass der Staat Bern Aktien der englischen South Sea Company, die den Dreieckshandel betrieb. Er war somit indirekt am Sklavenhandel beteiligt.

1757, 1768 und in den 1780er-Jahren zeichnete der Staat Bern Obligationen und Anleihen der dänischen Regierung, verzichtete aber darauf, sich an der Anleihe von 1760 zu beteiligen, mit welcher insbesondere der Kauf von Inseln und Kolonien in den Antillen durch das Königreich Dänemark finanziert werden sollte. Der Staat Bern scheint somit nicht in die Finanzierung der dänischen Antillenkolonien, dank denen Dänemark sich voll und ganz am Dreieckshandel beteiligen konnte, involviert zu sein.

Es gibt hingegen Belege dafür, dass Personen aus der Stadt und Republik Bern diese Anleihen von 1760 gezeichnet haben.

b) Bernische Geschäfts- und Bankleute und Dreieckshandel:

1702 verzichteten die bernischen Behörden auf die Gründung einer Staatsbank. Auch Privatbanken gab es im 18. Jahrhundert nur sehr wenige in Bern. Zwei davon müssen im Rahmen dieser Antwort aber genannt werden:

§ Bank Marcuard: Die in Bern angesiedelte Waadtländer Bank hatte Gelder in Aktien von Gesellschaften angelegt, die im Dreieckshandel aktiv waren (z.B. französische Compagnie des Indes).

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§ Bank Ludwig Zeerleder: Ludwig Zeerleder (1727-1792) war Mitglied des Rats der 200 (Grosser Rat) und Ehemann von Sophie Charlotte von Haller, der Tochter des berühmten Albrecht von Haller. Seine Bank, die etwas kleiner war als die Bank Marcuard, besass ebenfalls Aktien der französischen Compagnie des Indes und war somit indirekt am Dreieckshandel beteiligt.

c) Der Bankier Emmanuel Haller:

Ludwig Zeerleders Schwager, Rudolf Emanuel von Haller (1747-1833), war das achte Kind des Berner Gelehrten Albrecht von Haller. Er hat jedoch praktisch nie in Bern gelebt. Er wurde in Deutschland geboren und kam seinen Dreieckhandelsgeschäften vorwiegend von Amsterdam, Paris und Marseille aus nach. Er war somit nur durch seine Geburt Berner, und die Historiker sehen ihn vielmehr als Pariser Bankier.

Der Regierungsrat kann die Fragen des Interpellanten somit wie folgt beantworten:

1. Der Regierungsrat ist sich der Tatsache bewusst, dass der Staat Bern, Bank- und Geschäftsleute aus Bern sowie bernische Patrizierfamilien, die mit den oben genannten Bank- und Handelshäusern zu tun hatten, in den Dreieckshandel des 18. Jahrhunderts involviert waren. Sie waren es aber nur indirekt, indem sie Aktien oder Obligationen von Gesellschaften oder Ländern besassen, die mit der kolonialen Ausbeutung zu tun hatten. Die bescheidene Rolle, die der Platz Bern im Vergleich zu anderen Schweizer Städten im 18. Jahrhundert spielte, erklärt auch die geringe Beteiligung von Berner Handelshäusern und Patrizierfamilien.

2. Es gab damals offensichtlich weder Regeln noch Gesetze im Zusammenhang mit dem Dreieckshandel. Man darf nicht vergessen, dass sich bis zum 17. Jahrhundert niemand in Europa und anderswo am Fortbestand der Sklaverei störte, auch die Philosophen nicht. Noch im 18. Jahrhundert zeigten grosse Philosophen — wie Montesquieu — keine Skrupel, ihre Ersparnisse in Gesellschaften zu investieren, die Sklavenhandel betrieben. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschäftigten sich die Engländer und danach auch die Kontinentaleuropäer unter dem Druck von christlich und philanthropisch geprägten Kreisen damit, den Sklavenhandel zu unterbinden und die Sklaverei zu verbieten. Bis dahin sorgten sich die meisten Investoren in keiner Art und Weise um den ethischen Charakter ihrer Anlagen. In Bern war im 18. Jahrhundert nur die Sicherheit der im Ausland getätigten Anlagen Gegenstand einer kritischen Überwachung.

3. Was über die Beteiligung der Schweiz und des Kantons Bern am Dreieckshandel bekannt ist, beruht auf längst veröffentlichten Studien, die Hans Fässler zur Belebung des Jubiläumsjahrs 2003 wieder aufgenommen hat. Neue Studien wären nur wünschenswert, wenn der heutige Kenntnisstand offensichtlich mangelhaft wäre, was jedoch nicht der Fall ist. Der Regierungsrat ist daher der Ansicht, dass er keine neuen Arbeiten zu diesem Thema in Auftrag geben muss.

4.+5. Der Regierungsrat stellt fest, dass er nicht kompetent ist, an den laufenden UNO- Verhandlungen teilzunehmen oder im Zusammenhang mit der Erklärung und dem Aktionsprogramm der Weltkonferenz gegen Rassismus direkt zu handeln. Er beschränkt sich daher darauf, sich der Analyse anzuschliessen, die der Bundesrat in seiner Antwort vom 16. Juni 2003 auf die Interpellation von Nationalrätin Pia Hollenstein vom 3. März 2003 («Schweizer Beteiligung an Sklaverei und transatlantischem Handel mit Sklavinnen und Sklaven») gegeben hat.

An den Grossen Rat

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