• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "CAWAC-Umfrage in Deutschland: Was Frauen mit Krebs erfahren, empfinden, wissen und vermissen" (24.11.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "CAWAC-Umfrage in Deutschland: Was Frauen mit Krebs erfahren, empfinden, wissen und vermissen" (24.11.2000)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 47½½½½24. November 2000 AA3191

F

rauen mit Brustkrebs und gynäko- logischen Tumoren müssen sich nicht nur mit der Angst zu sterben auseinandersetzen. Viele belastet zu- dem die Angst vor körperlicher Ent- stellung und sexueller Entwertung (2, 11). Mit der Diagnose Krebs beginnt diese psychische Ausnahmesituation.

In der Folgezeit kommen dann neben der eigentlichen Therapie weitere kör- perliche, psychische und soziale Bela- stungen auf die Patientinnen zu (4, 8).

Doch oft treten diese psychosozialen Aspekte stark hinter die Probleme zurück, welche die operative und me- dikamentöse Therapie des Tumors mit sich bringen.

Die Situation krebskranker Frauen und die Vielfalt der Probleme aus Sicht der Betroffenen zu erfassen, zu analysieren und Wege zur Verbesse- rung zu erarbeiten, ist erklärtes Ziel der europaweiten Initiative Caring about Women and Cancer (CAWAC).

Die Initiative wurde von unabhängi- gen Beratungsgremien inhaltlich ge- staltet und von Bristol-Myers Squibb finanziert. 1997 startete CAWAC in 15 europäischen Ländern und Israel eine Umfrage unter mehr als 13 000 Tu- morpatientinnen. Die europäischen Ergebnisse wurden im November 1999 im European Journal of Cancer veröf- fentlicht. Im Folgenden werden die Ergebnisse aus Deutschland vorge- stellt.

Zielgruppe, Methodik und Datenbasis

Patientinnen mit Brustkrebs oder ma- lignen gynäkologischen Tumoren füll- ten einen Fragebogen aus, der 50 Fra- genkomplexe mit vorgegebenen Ant- wortmöglichkeiten zu diesen Themen-

CAWAC-Umfrage in Deutschland

Was Frauen mit Krebs erfahren, empfinden, wissen und vermissen

Manfred Kaufmann

1

Brigitte Ernst

2

Zusammenfassung

Caring about Women and Cancer (CAWAC) ist eine europäische Initiative zur Erfassung und Verbesserung der Situation krebskranker Frau- en. Im Rahmen einer ersten groß angelegten Befragungsaktion wurden in Deutschland die Fragebögen von 799 Patientinnen mit Mamma- karzinom oder gynäkologischen Tumoren aus- gewertet. Die Konfrontation mit der lebensbe- drohlichen Krankheit, die Belastungen durch die Therapie sowie die psychosozialen Folgen und Erwartungsängste stellten die meisten Pa- tientinnen vor große Probleme. Der Informati- ons- und Unterstützungsbedarf vor allem der jüngeren Frauen war hoch, die derzeitigen An- gebote wurden vielfach als unzureichend emp- funden. Andererseits wurden Selbsthilfegrup- pen nur unzureichend genutzt.

Schlüsselwörter: Krebs, Mammakarzinom, Ova- rialkarzinom, psychosoziale Probleme, Informa- tionsbedarf

Summary

Results of the CAWAC Survey Among Wom- en With Cancer

CAWAC (Caring about Women and Cancer) is a European project aimed to define and improve the situation of women with cancer. As part of an European survey, the data from 799 ques- tionnaires completed by patients with breast cancer or other gynecological cancers in Ger- many were evaluated. The majority of patients reported significant problems concerning diag- nosis, treatment, and the psychosocial concom- itance of their disease. Especially the younger patients expressed a substantial need for more information and support, even though few of them joined the available support groups.

Key words: cancer, breast cancer, ovarian can- cer, psychosocial problems, information needs

1Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe (Direktor: Prof.

Dr. med. Manfred Kaufmann), Universitätsklinikum, Jo- hann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt

2Praxis, Bad Abbach

´ Tabelle 1C´

Soziodemographische und klinische Patientenmerkmale

Merkmal Prozent der

Patientinnen Durchschnittsalter 55 Jahre Familienstand

Alleinstehend 26

Verheiratet/

Lebensgemeinschaft 71

Kinder 77

davon Kinder < 18 Jahre 17 Ausbildung

Hauptschule oder weniger*1 53

Hochschulausbildung 14

Beruflicher Status vor/nach Diagnosestellung

Berufstätig 54/18

Hausfrau 27/34

Ruhestand 10/21

Arbeitslos 5/19

Aktuell behandelte Tumorerkrankung

Mammakarzinom 71

Ovarialkarzinom 12

Sonstige*2 19

Krankheitsstatus

Rezidiv 54

Art der Behandlung*3

Operation 91

Chemotherapie 69

Strahlentherapie 54

Hormontherapie 37

Aktueller Therapiestatus

in stationärer Behandlung 25 in ambulanter Behandlung 51

Behandlung beendet 19

Behandlung noch nicht

begonnen < 1

Zeit seit Diagnosestellung

< 6 Monate 16

6–24 Monate 33

> 24 Monate 46

n = 799

*1Schulabgang mit ✜ 16 Jahren

*2inklusive 5 % Zervixkarzinom und 3 % Endometriumkarzinom

*3laufende oder abgeschlossene Behandlung Forum

(2)

bereichen enthielt. Es wurden sozio- demographische und klinisch-anam- nestische Daten, aktuelles Wohlbefin- den, Wissensstand und Vorsorgemaß- nahmen vor Diagnosestellung, Um- stände der Tumordiagnose, Aspekte der Behandlung und Nachsorge, emo- tionale und praktische Unterstützung sowie soziale Auswirkungen der Krankheit erfragt.

Zwischen September 1997 und März 1998 gaben Ärzte oder Schwe- stern 1 846 Fragebögen an Patientin- nen in 44 unter repräsentativen Ge- sichtspunkten ausgewählten onkologi- schen Einrichtungen aus. Die Rück- laufquote betrug 45 Prozent, 799 Fra- gebögen konnten ausgewertet wer- den. Die Datenanalyse erfolgt rein deskriptiv. Tabelle 1zeigt die Zusam- mensetzung des Patientenkollektivs nach soziodemographischen und klini- schen Kriterien.

Subjektive Einschätzung des Gesundheitszustandes

Ihren derzeitigen Gesundheitszustand bewerten die Frauen auf einer visuel- len Analogskala von null bis 100. Der Mittelwert aller Patientinnen beträgt 66 21 (Median 70). Unterschiede in der subjektiven Einschätzung des Ge- sundheitszustandes gibt es zwischen Patientinnen, deren Behandlung ab- geschlossen ist und jenen, deren Be- handlung noch bevorsteht (Mittelwert 76 versus 66), zwischen Patientinnen mit Ersterkrankung und Rezidiv (70 versus 64) sowie zwischen Patientin- nen mit Brustkrebs und denen mit Ovarialkarzinom und anderen gynä- kologischen Tumoren (68 versus 59 beziehungsweise 58).

Kenntnisstand und Vorsorgeverhalten

Ihren Kenntnisstand vor Diagnose- stellung schätzen zwei Drittel der Pati- entinnen als „einigermaßen“ bis „sehr gut“ ein. Als primäre Informations- quelle nennen sie die Massenmedien, verweisen aber auch auf Erfahrungen und Gespräche im Familien- bezie- hungsweise Freundeskreis.

Von den Patientinnen jüngeren und mittleren Alters (unter 70 Jahre) un- tersuchen 54 Prozent ihre Brust regel- mäßig selbst, und immerhin 71 Pro- zent gehen zu den empfohlenen gynä- kologischen Früherkennungsuntersu- chungen. In der Altersgruppe ab 70 Jahren liegen die entsprechenden An- teile lediglich bei 39 beziehungsweise 45 Prozent der Patientinnen.

Patientinnen fürchten auch soziale Folgen

Im Rückblick auf die Zeit vor ihrer Erkrankung äußern die Patientinnen eine überwiegend positive Einschät- zung der Prognose von Krebserkran- kungen. Ängste und Befürchtungen werden erst nach Mitteilung der Dia- gnose evident. Dabei stehen weitge- hend unabhängig von der Art des Tu- mors eindeutig die Angst vor der Aus- breitung der Krankheit (80 Prozent) und dem Tod (57 Prozent) im Vorder- grund. Diese Befürchtungen werden dicht gefolgt von der Angst vor Ne- benwirkungen der Therapie (50 Pro- zent) und der Angst, leiden oder Schmerzen ertragen zu müssen (36 Prozent).

Die sozialen Folgen der Krankheit stellen vor allem für jüngere Patientin-

nen unter 50 Jahren eine Bedrohung dar (Tabelle 2).

Zwei Drittel haben Angst, ihr Fa- milienleben sowie ihre berufliche oder finanzielle Situation könne negativ beeinflusst werden. 15 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe äußern die Sorge, die Krankheit könne ihr Se- xualleben beeinträchtigen. Eine Störung ihres Selbstwertgefühls (Aus- sehen, Akzeptanz durch andere) be- fürchten 35 Prozent der jüngeren Frauen.

Angst und Unkenntnis

verhindern schnelle Diagnose

Die ersten Zeichen der Krebserkran- kung entdecken die Patientinnen überwiegend selbst (7, 10), vor allem bei Brustkrebs (70 Prozent). Im Durchschnitt vergeht nach Ent- deckung der ersten verdächtigen Sym- ptome eine Woche, bis die Frauen einen Arzt aufsuchen. Ein Viertel al- ler Patientinnen zögert den Arztbe- such jedoch um mindestens einen Monat hinaus; darunter befinden sich überdurchschnittlich viele jüngere Frauen unter 50 und solche, die ihr Krankheitswissen als mangelhaft ein- stufen. Damit scheinen Angst und Unkenntnis gleichermaßen einer

´ Tabelle 2C´

Soziale Ängste und Befürchtungen der Patientinnen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung

Problem Altersgruppe (Jahre) Alle

< 50 50 – 69 > 70

Beziehung/Lebensplanung negativ beeinflusst 66 % 47 % 16 % 49 % Mein Partner wird nicht damit fertig werden. 24 % 20 % 4 % 20 % Ich werde aufhören müssen zu arbeiten. 26 % 17 % 3 % 18 % Ich werde mich nicht mehr um meine Kinder

kümmern können. 26 % 10 % 2 % 13 %

Meine Familie wird nicht damit fertig werden. 23 % 10 % 10 % 13 % Mein Sexualleben wird beeinflusst werden. 15 % 12 % 4 % 13 % Ich werde in finanzielle Schwierigkeiten geraten. 16 % 11 % – 11 %

Mein Partner wird mich zurückweisen. 13 % 6 % 1 % 8 %

Selbstwertgefühl gemindert 35 % 23 % 11 % 25 %

Mein Aussehen wird sich verändern. 24 % 18 % 7 % 19 %

Die Leute werden ihr Verhalten mir gegenüber ändern. 17 % 7 % 5 % 10 % Mehrere Antworten waren möglich.

(3)

schnellen Abklärung verdächtiger Be- funde im Wege zu stehen. Aber auch zwischen Arztbesuch und Mitteilung der Diagnose vergeht bei 36 Prozent der Mammakarzinompatientinnen und 51 Prozent der Ovarialkarzinom- patientinnen eine Woche oder mehr.

In 17 Prozent der Fälle gibt es sogar Wartezeiten von einem Monat oder darüber.

Mitteilung der

Diagnose muss Raum für Fragen bieten

18 Prozent aller Befragten und nahezu ein Viertel der jüngeren Patientinnen äußern sich ausgesprochen unzufrie- den mit dem Ablauf der Dia- gnosestellung. Die Mitteilung erfolgt zumeist durch den Gynäkologen (42 Prozent) oder Chirurgen (27 Prozent), ganz überwiegend im persön- lichen Gespräch (in zwei Drit- tel der Fälle unter vier Augen, in einem Drittel in Anwesen- heit anderer Personen).

Die Anwesenheit Dritter wird, wenn es sich nicht um Angehörige oder Freunde handelt, überwiegend abge- lehnt. Die Frauen kritisieren auch die teilweise lange Zeit des Wartens auf die endgülti- ge Diagnose sowie die Art,

wie die Diagnose mitgeteilt und erklärt wurde. Besonders wurde die mangel- hafte oder wenig hilfreiche Information durch den Arzt und die fehlende Mög- lichkeit, ausreichend Fragen zu stellen, kritisiert. Am deutlichsten fällt die Kri- tik bei den jüngeren Patientinnen unter 50 Jahren und den gebildeteren und ge- sundheitsbewussteren Frauen aus.

Zufriedenheit mit der Behandlung überwiegt

Zwischen Diagnosestellung und Be- handlungsbeginn vergeht im Durch- schnitt eine Woche. Bei 35 Prozent der erkrankten Frauen begann die Be- handlung erst nach Ablauf der zweiten Woche. Jede siebte Patientin emp-

fand, die Behandlung habe verzögert begonnen.

Mit ihrer Pflege und Betreuung so- wie ihren Erfahrungen mit Ärzten und Pflegepersonal im Krankenhaus sind die Patientinnen fast ausnahmslos zu- frieden (Tabelle 1). Erwartungen und tatsächliche Erfahrungen mit den ein- zelnen Therapieformen stimmen bei etwa 40 bis 50 Prozent der Befrag- ten überein. Positiver als erwartet

empfinden die Frauen vor allem Ope- ration, Strahlen- und Hormonthera- pie. Unzufrieden sind 15 bis 18 Pro- zent allerdings mit ihrer Aufklärung über die zu erwartenden Nebenwir- kungen der verschiedenen Therapie- verfahren.

Jede siebte Patientin beklagt die unzureichende Kommunikation zwi- schen Klinik und Hausarzt, gelegent- lich auch zwischen den verschiedenen Krankenhausabteilungen.

Die Mehrheit der Frauen – vor al- lem 73 Prozent der unter 50-jährigen – möchte in die Therapieentscheidung mit einbezogen werden. Doch nur 61 Prozent geben an, mit ihnen sei vor Behandlungsbeginn über die verschie- denen Therapieoptionen gesprochen worden.

Krankheitsbewältigung und Information

bei Nachsorge wichtig

Im Hinblick auf die Nachsorge bean- standen 15 Prozent (22 Prozent der Brustkrebspatientinnen) das unzurei- chende psychologische Betreuungsan- gebot. 14 Prozent (23 Prozent der Pati- entinnen mit Ovarialkarzinom) vermis- sen praktische Ratschläge für die Krankheitsbewältigung und Genesung, und 19 Prozent (und sogar 39 Pro- zent der Ovarialkarzinompatientinnen) wünschen sich mehr Informationen über ihre Heilungschancen.

Etwa die Hälfte der Patientinnen vermutet, ihre Behandlung und Betreu- ung sei von den Strukturveränderungen im Gesundheitswesen beeinflusst wor- den. 23 Prozent (und 30 Prozent der in onkologischen Fachpraxen behandel- ten Patientinnen) sehen sogar einen

„starken Einfluss“. Zwar hat jede zwei- te Patientin im Anschluss an die Thera- pie eine Kur oder Anschlussheilbe- handlung angetreten, doch ebenso viele wünschen sich mehr Rehabilitations- maßnahmen. Vor allem sieht ein Drittel der Patientinnen die verordnete Kur oder Anschlussheilbehandlung als zu kurz an. Um einen eigenständigen Bei- trag zur Krankheitsbewältigung und zur

„Stärkung des Immunsystems“ zu lei- sten, greift jede zweite Patientin – dar- unter überdurchschnittlich viele jünge- re, gebildete und berufstätige Frauen – zu ergänzenden Maßnahmen wie Ent- spannungs- und Meditationstechniken, Naturheilverfahren, Diät und Vitamin- zufuhr.

Hohe Teilnahmebereitschaft an klinischen Studien

22 Prozent der Patientinnen (27 Pro- zent an akademischen Einrichtungen) wurden im Verlauf ihrer Erkrankung von ihrem Arzt gefragt, ob sie an einer Studie teilnehmen wollen. Die Einwilli- gungsquote ist mit 77 Prozent hoch. Nur jede siebte Frau lehnt die Einbeziehung in eine Studie – zumeist aus Furcht vor suboptimaler oder überflüssiger Be- handlung – strikt ab. Jedoch wünschen sich 55 Prozent der Patientinnen vor ei- ner Teilnahme nähere Informationen.

A

A3194 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 47½½½½24. November 2000

80

50

0

n = 768 Prozent

Auftreten eines Tumorrezid ivs

W arte

n auf d ie D

iagnose

N

ach der Operation

V or d

er O peration

N

ach der Chemotherapie R

ückkehr aus d er K

linik

V or d

er C hemotherapie

B ei der N

achuntersuchung

W

ährend der Bestra hlung

V or d

er Bestra hlung 67

55 52 51 45 40

32 2318 17 Grafik 1

Antworten der Patientinnen auf die Frage, zu welchem Zeit- punkt der Krankheitskarriere ihrer Meinung nach Unterstüt- zung am nötigsten sei. Mehrere Antworten waren möglich.

Die Angaben von 768 Patientinnen wurden ausgewertet, von 31 Patientinnen wurde die Frage nicht beantwortet.

(4)

Mehr Unterstützung gewünscht

Als kritischste Phase der Erkrankung, bei der Unterstützung am wichtigsten sei, bezeichnen zwei Drittel der Patien- tinnen das Auftreten eines Tumorrezi- divs (Grafik 1). Solche Unterstützung erfahren die erkrankten Frauen, auch während des gesamten Krankheitsver- laufs, vor allem von Angehörigen und Freunden. Nur etwa halb so

oft ist den Betroffenen pro- fessionelle Hilfe wirklich nützlich. Selbsthilfegruppen spielen eine geringe Rolle, obwohl 34 Prozent der Pati- entinnen angeben, in ihrer Klinik sei auf solche Grup- pen hingewiesen worden (Gra- fik 2).

Etwa jede fünfte Patien- tin, und ein noch höherer Prozentsatz der jüngeren Frauen, wünscht für sich selbst mehr familiäre und professionelle Unterstüt- zung. Die Patientinnen sehen aber auch die Probleme, die ihren Familien durch die ei- gene Erkrankung entstehen.

18 Prozent der Befragten ge- ben an, dass ihre Familien durch die Krankheit, vor al- lem durch den damit verbun- denen Einkommensausfall, in finanzielle Schwierigkei-

ten geraten sind. Aber nur 15 Prozent der Familien erhalten Unterstützung von außen. Fast ein Drittel der Frau- en, deren Familien nicht unterstützt werden, wünschen solche Hilfe; ver- mehrt äußern jüngere Patientinnen diesen Wunsch.

Psychosoziale Folgen nicht ausschließlich negativ

Bei den Auswirkungen der Krankheit auf ihre persönlichen Beziehungen, nehmen die Patientinnen häufig einen positiven Effekt wahr. So geben 40 Prozent an, die Beziehung zu ihrem Partner habe sich durch die Krankheit gebessert, und jeweils ein Drittel der Patientinnen sieht die gleiche Tendenz in der Beziehung zu den Kindern und

zu Freunden. Lediglich gegenüber dem Arbeitgeber überwiegen die ne- gativen Auswirkungen.

Vier von fünf Patientinnen befas- sen sich aktiv mit ihrer Krankheit, vor allem indem sie Informationen und Befunde sammeln und über ihre Krankheit sprechen. Fast drei Vier- tel der Frauen gewinnen der Krank- heit auch positive Aspekte ab: Sie haben durch die Krankheit ihr Le-

ben mehr als bisher zu schätzen ge- lernt und nehmen kleinere Proble- me nicht mehr so schwer. Mehr als ein Drittel der Betroffenen fühlt sich allerdings müder als zuvor und macht sich mehr Gedanken um die Zukunft. Jede zweite Frau und be- sonders viele Rezidivpatientinnen müssen ihre Aktivitäten im Alltag ein- schränken.

Selbstwertgefühl und Sexualität beeinträchtigt

Knapp 30 Prozent der Frauen fühlen sich nicht mehr so attraktiv, feminin und selbstbewusst wie früher und kön- nen sich nicht mehr so gut mit ihrem Körper identifizieren. Jede zweite jün- gere Frau und 40 Prozent der Frauen

zwischen 50 und 69 Jahren geben an, ihre Sexualität sei durch die Krankheit und/oder die Behandlung beeinträch- tigt worden. Patientinnen mit Ova- rialkarzinom berichten deutlich häufi- ger über derartige Folgen als Brust- krebspatientinnen (52 versus 38 Pro- zent). Allerdings hat auch jeder vier- te Partner Schwierigkeiten, mit der Krankheit seiner Frau umzugehen, vor allem wenn die Frauen jünger sind oder wenn ein Krankheitsrezidiv vor- liegt.

Resümee

Die „Caring about Women and Can- cer“-Umfrage hat eindrucksvoll die Komplexität und die Individualität der psychosozialen Belastungen und Be- dürfnisse von Frauen mit Brustkrebs und gynäkologischen Tumoren aufge- zeigt. Deutlich wird, dass jüngere Pa- tientinnen durch die Krankheit vor be- sondere Probleme gestellt werden, da bei ihnen Selbstwertgefühl, Partner- schaft, Familienleben und Lebenspla- nung sehr stark belastet werden. Dies bestätigen die klinische Erfahrung und die Ergebnisse von Untersuchungen an kleineren Patientengruppen (12, 13).

Die jüngeren Frauen sind es auch, die für sich und ihre Familien die meiste Unterstützung einfordern, private und vermehrt auch professionelle Hilfe.

Ein hoher Unterstützungsbedarf be- steht nach den Ergebnissen der CAWAC-Umfrage während sämtlicher Krankheitsphasen. Besonders stark ist das Hilfsbedürfnis, wenn es zu einem Tumorrezidiv kommt. Diese Situation stellt eine enorme psychosoziale Bela- stung dar (1). Besonders Patientinnen mit Ovarialkarzinom wünschen, nach Abschluss ihrer Behandlung besser über ihre Heilungschancen und Mög- lichkeiten der Krankheitsbewältigung informiert zu werden.

Angesichts des großen allgemeinen Unterstützungsbedarfs der Patientin- nen fällt der geringe Stellenwert von Selbsthilfegruppen auf: Dieses vieler- orts bestehende Hilfsangebot, dessen wertvoller Beitrag zur Entlastung von Patientinnen und deren Familien zwei- felsfrei dokumentiert ist (6), wird von den Frauen kaum wahrgenommen.

Bei der Diagnose Während der Behandlung

Nach dem Krankenhaus-

aufenthalt 11

43 91

17 47

82

9 31

58 n = 799

Selbshilfe-Patienten-

gruppen Ärzte/Pflegepersonal

Familie/Freunde 100

50

0 Prozent

Grafik 2

Antworten der Patientinnen auf die Frage, wer ihnen während ihrer Erkrankung eine wirkliche Hilfe gewesen sei.

Mehrere Antworten waren möglich. Die Angaben von 799 Patientinnen wurden ausgewertet (766 Antworten zum Dia- gnosezeitpunkt, 661 zur Behandlungsphase und 467 zur Zeit nach Entlassung).

(5)

A

A3196 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 47½½½½24. November 2000

Hier sind Ärzte und Pflegepersonal ge- fordert, die Betroffenen mehr als bisher über den Nutzen der Selbsthilfegrup- pen aufzuklären und etwaige Be- rührungsängste abzubauen.

Die Befragungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich im jüngeren Alter aufgrund der höheren Kommunika- tionsbereitschaft bessere Ansatzpunkte für eine ärztliche Aufklärungsarbeit er- geben. Jüngere Frauen zeigen mehr Ei- genverantwortung, setzen eher die Empfehlungen zu regelmäßigen Früh- erkennungsuntersuchungen um, möch- ten besser über die Krankheit infor- miert und stärker in die Therapiepla- nung einbezogen werden. Behandelnde Ärzte sollten daher vermehrt berück- sichtigen, dass Patientinnen von einer sachgerechten Diskussion über Thera- pieoptionen profitieren: Sie können sich mit den getroffenen Therapieent- scheidungen auch langfristig identifi- zieren und die Behandlungsmaßnah- men überzeugt mittragen (5, 9). An- dererseits belegen die Umfrageergeb- nisse große individuelle Unterschiede bezüglich des Informations- und Mit- entscheidungsbedürfnisses. Der Arzt muss entsprechend abwägen, sodass die Patientin im Einzelfall nicht überfor- dert wird (8).

Viele Patientinnen haben vor Be- handlungsbeginn sehr unklare Vorstel- lungen von ihrer Therapie und wün- schen, besser über die Nebenwirkungen aufgeklärt zu werden. Die betreuenden Ärzte sollten daher mehr Wert auf eine sorgfältige Vorbereitung und Informa- tion legen; dies kann antizipatorische Angst nehmen und die Verträglichkeit der Behandlung verbessern (3).

Im organisatorischen Bereich ist die Kommunikation zwischen Klinik und Hausarzt und die Koordination zwi- schen den verschiedenen an der Be- handlung beteiligten Klinikabteilungen weiter zu verbessern. Kommt es bei der Diagnoseabklärung oder bei der Thera- pieplanung zu Verzögerungen, sollten die Patientinnen möglichst umgehend darüber informiert werden.

Erfreulich offen zeigen sich die Pa- tientinnen bezüglich einer Teilnahme an klinischen Studien. Diese grundsätz- liche Bereitschaft sollte im Interesse ei- ner Verbesserung der Therapie mehr als bisher genutzt werden.

Unter Mitwirkung der Mitglieder des Deutschen Exper- tenrats: Prof. Dr. Wolfgang Eiermann, Dr. Cornelia Hauck, Prof. Dr. Else Heidemann, Prof. Dr. Hans-Jochen Illiger, Dr. Heide Jahn, Dr. Monika Keller, Monika Rak, Dr.

Mahdi Rezai, Ute Rockel, Simone Schiffner-Backhaus, Al- muth von Wietersheim.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 3191–3196 [Heft 47]

Literatur

1. Bull AA, Meyerowitz BE, Hart S, Mosconi P, Apolone G, Liberati A: Quality of life in women with recurrent breast cancer. Breast Cancer Res Treat 1999; 54:

47–57.

2. Cohen MZ, Kahn DL, Steeves RH: Beyond body image:

the experience of breast cancer. Oncol Nurs Forum 1998; 25: 835–841.

3. Cull A: Psychological effects of anti-cancer therapy.

In: Emesis in anti-cancer therapy – mechanisms and treatment. London: Chapman & Hall 1993: 211–228.

4. Keller M: Belastungen und psychosoziale Interventio- nen bei Brustkrebspatientinnen und Angehörigen im Krankenhaus. Geburtsh Frauenheilk 1998; 58:

M26–M30.

5. Meyerowitz BE: Quality of life in breast cancer pa- tients: the contribution of data to the care of patients.

Eur J Cancer 1993; 29A (Suppl 1): 59–62.

6. Montazeri A, Gillis CR, McEwen J: Tak Tent. Studies conducted in a cancer support group. Support Care Cancer 1997; 5: 118–125.

7. Nemoto T, Natarajan N, Smart CR, Mettlin C, Murphy GP: Patterns of breast cancer detection in the United States. J Surg Oncol 1982; 21:183–188.

8. Rowland JH, Massie MJ: Breast cancer. In: Holland JC:

Psychooncology. New York: Oxford University Press 1998: 380–401.

9. Schain WS, d'Angelo TM, Dunn ME, Lichter AS, Pierce LJ: Mastectomy versus conservative surgery and ra- diation therapy. Psychosocial consequences. Cancer 1994; 73: 1221–1228.

10. Schleicher UM: Entdeckung des Mammakarzinoms – Statistisch-epidemiologische Untersuchung zum der- zeitigen Stand. Röfo Fortschr Geb Röntgenstr Neuen Bildgeb Verfahr 1995; 163: 469–473.

11. Schover LR: Sexuality and body image in younger women with breast cancer. J Natl Cancer Inst Mono- gr 1994; 16: 177–182.

12. Schover LR: Psychosexual issues in pre-menopausal breast cancer. 12thAnnual International Breast Can- cer Conference: Miami; FL 1995: March 16–18.

13. Wang X, Cosby LG, Harris MG, Liu T: Major concerns and needs of breast cancer patients. Cancer Nurs 1999; 22: 157–163.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Manfred Kaufmann Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Universitätsklinikum der

Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt/Main E-Mail: M.Kaufmann@em.uni-frankfurt.de

Unter den bisherigen Therapieregi- men nach Inselzelltransplantationen bei Diabetes mellitus Typ 1 werden nach einem Jahr nur circa acht Pro- zent der betroffenen Patienten insu- linunabhängig. Ein kanadisches Trans- plantationsteam konnte nun bei sie- ben konsekutiven Patienten nachwei- sen, dass durch Transplantation aus- reichender Mengen an Inselzellen und Verzicht auf Glucocorticoide in der erforderlichen Immunsuppression weitaus höhere Erfolgsraten möglich sind.

Alle Patienten erhielten im Mittel 11 547 Inselzelläquivalente pro kg/KG von zwei Spendern, ein Patient benötigte zwei weitere Spender, um anhaltend insulinunabhängig zu wer- den. Eine Immunsuppression wurde durch Kombination aus Sirolimus,

Tacrolimus und Daclizumab erzielt.

Bei allen Patienten konnte nach einem Jahr ohne Gabe von Insulin eine aus- gezeichnete metabolische Kontrolle mit nur geringen Schwankungen der Plasmaglucose ohne Auftreten von Hypoglykämien erreicht werden. acc

Shapiro AMJ: Islet transplantation in seven patients with type I diabetes mellitus using a glucocorticoid-free immunosuppressive regimen. N Engl J Med 2000; 343:

230–238.

Dr. Shapiro, Department of Surgery, University of Al- berta Hospitals, Mackenzie Health Sciences Center, 8440 112 Street, Edmonton, AB T6G 2B7, Kanada.

Inselzelltransplantation bei Typ-1-Diabetes mellitus auch ohne Glucocorticoide erfolgreich

Referiert

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wegfall von gegenstandslosen oder nicht bewährten Übergangs- und Schlussbestimmungen... Wichtige Änderungen im

[r]

Schon Baden- Württemberg hat einen Auslän- deranteil von 10 Prozent, Berlin sogar von etwa 12 Prozent (an der Spitze der Berliner Bezirk Kreuz- berg mit 44 Prozent).. 77 Prozent

Zwar sind die Ausgaben nach der ersten Punktwertanhebung gestiegen, doch halten die Krankenkassen und die KBV die nunmehr beschlossene er- neute Anhebung für angemessen und

Eine Verkrampfung der Atemmuskulatur (Bronchospasmen) kann verstärkt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass im Urin, Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Krämpfe,

Die Medizini- sche Hochschule Hannover hat zusammen mit dem Zen- tralinstitut für die kassenärzt- liche Versorgung (ZI), Köln, eine Machbarkeits- und Eva- luationsstudie zum

Gegenüber diesen Bereichen, für die auch noch freiwillige Helfer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren gesucht werden, erwartet er für den Rettungsdienst in den nächsten Jahren

Wir können jedoch zunehmend feststellen, daß sich unsere Ärzteklientel nach kritischer Prüfung von scheinbar günsti- gen PC-Lösungen für d-i-med entscheidet&#34;, kommentiert