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Archiv "Arztzahlen: Strukturänderungen dringend nötig" (12.04.2002)

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Klammheimliche Freude

Mit einer gewissen „klamm- heimlichen Freude“ nimmt man als seit zwanzig Jahren niedergelassener Allgemein- arzt zur Kenntnis, dass uns demnächst ein Ärztemangel droht. Hat man doch die ei- genen Kinder vor dem Beruf gewarnt (Ärzteschwemme) und geraten, lieber Lehrer zu werden. Nun sind sie den- noch Jungärzte und staunen über den immer dicker wer- denden Stellenanzeigenteil des DÄ. Haben es also Politi- ker, Hobby- und Feierabend- funktionäre der Ärzteschaft und nicht zuletzt die Kran- kenkassenlobby geschafft, den Arztberuf so mies zu ma- chen, dass er nicht mehr at- traktiv erscheint?

Bleibt zu hoffen, dass die nachfolgende Ärztegenerati- on aus der neuen Situation

die richtigen Konsequenzen zieht. Dann würden Begriffe wie „Einkaufsmodell“ und

„Lotse“ plötzlich in ganz an- derem Lichte erscheinen, als es sich ihre Erfinder gedacht haben. Dann könnte eine ge- schrumpfte und damit nicht mehr erpressbare Ärzteschaft den Spieß umdrehen und sich dieKrankenkassen „einkau- fen“, die für die Behandlung ihrer Versicherten faire Ho- norare garantieren. Die „Lot- sen im Gesundheitssystem“

wären dann nicht mehr nur die geduldeten Disease Man- ager, sondern sie könnten sich wie ihre Namensvettern, die Flug-Lotsen, bei Honorar- verhandlungen als kleine wichtige und nicht mehr ge- geneinander ausspielbare Gruppe entsprechend durch- setzen. Das wäre ein „Lotsen- streik“ in der Art, wie es uns die französischen Ärzte wohl

vormachen. Dies mag alles etwas polemisch erscheinen, aber es entspringt der Verbit- terung des mit immer neuen Reglementierungen um den Rest seiner ohnehin spärli- chen Freizeit gebrachten All- gemeinarztes.

Dr. med. Helmut Kees, Kirschenweg 20, 72076 Tübingen

Strukturänderungen dringend nötig

. . . Als ich vor 20 Jahren mit der klinischen Medizin be- gonnen habe, mit teilweise zehn Bereitschaftsdiensten der Stufe D in der Unfallchir- urgie pro Monat, hatten wir trotzdem noch Freude an der Arbeit und dem Gefühl, pati- entengerecht zu arbeiten.

Was es damals noch nicht gab, war der Verschlüsse- lungswahnsinn und der Do-

kumentationswirrwarr, der den heutigen Jungmediziner zum Verwaltungsgehilfen de- gradiert. Der Patient ist ei- gentlich nur noch Nebensa- che! Auch im Bereich der Weiterbildung werden zur Befriedigung pekuniärer Gelüste der Weiterbildungs- organisation immer neue, teure Hürden aufgebaut: auf A-Diplom folgt B-Diplom, auf Zertifizierung folgt Re- zertifizierung, auf Qualifika- tion folgt Requalifikation.

Die nächste Hürde auf dem Weg zur Anerkennung einer Gebietsbezeichnung, Zusatz- bezeichnung oder gar Wei- terbildungsermächtigung be- steht in den von uns finan- zierten Landesärztekam- mern, die teilweise mit Lauf- zeiten von 13 Monaten (selbst erlebt) zu schwer nachvollziehbaren Entschei- dungen kommen.

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Wie kann die Lösung dieser Probleme aussehen? Es ist si- cherlich schwierig, aber wir begreifen wahrscheinlich erst, wenn die Stellenangebote im DÄ Telefonbuchcharakter er- reicht haben, dass hier Struk- turänderungen dringend not- wendig sind. Wir brauchen Entlastung von Verwaltungs- tätigkeiten und Fortbildungs- hindernissen, wir brauchen flache Hierarchien und Ab- schaffung der Gerontokratie, wir brauchen praxisorien- tiertes Studium unter enga- gierter Anleitung, um uns auf das zu konzentrieren, was un- sere Aufgabe ist: patientenge- rechte, bedarfsgerechte Be- handlung auch unter ökono- mischen Gesichtspunkten.

Dr. med. Martin Karl, An der Marter 1, 91096 Möhrendorf

Arztzahlen deutlich zurückfahren

. . . Solange ÄiP zu Minimal- gehältern arbeiten müssen, gibt es hier keinen Mangel, sondern Überfluss, denn sonst könnten sie mehr fordern. So- lange Assistenzärzte bereit sind, unbezahlte Bereitschafts- dienste zu leisten, gibt es hier keinen Mangel, sondern Überfluss. Die Krankenhäuser können das nicht bezahlen?

Richtig, denn es gibt zu viele, die sich um die zu kleinen Geldtöpfe streiten müssen.

Ein ständiger Kampf um ab- sinkende Punktwerte, Arznei- mitteldeckelung und Budgets beweist, dass es zu viel Nie- dergelassene gibt. Es fehlen Ärzte im Osten? Falsch! Es gibt dort nur keine angemes- sen bezahlten Arztstellen!

Solange man sich nicht verin- nerlicht, dass die heutigen Arztzahlen und Krankenhäu- ser deutlich zurückgefahren werden müssen (zum Bei- spiel auf das Niveau von 1975), weil die Volkswirt- schaft nicht bereit ist, mehr zu bezahlen, wird man die derzeitigen Probleme nicht in den Griff bekommen.

Die Patienten haben zwar manchmal in den Praxen ge- grummelt, jedoch bisher alle Politiker belohnt, die ihnen

niedrigere Ausgaben bei der Krankheit versprachen.

Dr. rer. pol. Gert-Peter Winkler, Neumannstraße 49,

60433 Frankfurt/Main

Mammographie

Zu dem Medizinreport: Mammogra- phie-Screening: „Das ,Wie‘ spaltet die Fachwelt“ von Klaus Koch in Heft 7/2002:

Klarstellung

Auch die Unterzeichner sind dafür, dass die Brustkrebs- Früherkennung verbessert werden sollte, bezweifeln aber, dass das Mammogra- phie-Screening-Modell wirk- lich eine Verbesserung dar- stellt. Wir teilen die Beden- ken, dass die dem Modell zu- grunde liegenden Daten der älteren Screening-Studien zum Wert eines reinen Rönt- genscreenings überinterpre- tiert und zu unkritisch auf Deutschland übertragen wur- den. Daneben haben vor al- lem Zweifel an der Qualität der Durchführung des Mo- dells dazu geführt, dass wir dieses Projekt nicht mehr mittragen können. Einige der Darstellungen von Frau Rei- chel, der Projektleiterin, müs- sen wir hier klarstellen: die von ihr berichtete Teilnahme- rate von 47 % reduziert sich erheblich bei genauem Hin- sehen. Bei einem Teil der als Teilnehmerinnen gezählten Frauen wurde bisher nur ein Termin vereinbart, bei einem anderen Teil handelt es sich nicht um Frauen, die zum Screening eingeladen wurden (wie es das Modell vorsieht), sondern um Frauen, die im Zentrum vorstellig wurden und aufgenommen wurden, obwohl bei einem nicht uner- heblichen Anteil Symptome vorlagen; darunter Frauen mit fortgeschrittenem, meta- stasiertem Mammakarzinom!

Mehr als 60 % der vom Scree- ning selektierten Frauen wur- den an unseren Kliniken wei- terbehandelt, und die Rate der Frauen mit tastbaren Knoten überstieg 50 %. Die- se Patientinnen brauchen eine

kurative Medizin, nicht ein Screening. Dass dieser Anteil von Frau Reichel angezwei- felt wird, liegt vielleicht daran, dass sie die Daten nicht kennt, da im Screening-Zen- trum eben keine ärztliche Untersuchung durchgeführt wird (einer unserer Kri- tikpunkte!).

Bei den Sitzungen des Steue- rungskreises waren immer mindestens einer, meistens beide Unterzeichnenden an- wesend. In diesem Kreis ha- ben wir von Beginn an ver- sucht, in internen Diskussio- nen Qualitätsverbesserungen zu implementieren – was lei- der an dem Widerstand der Projektleitung gescheitert ist.

Unsere Sorgen bezüglich der fehlenden Qualitätskontrol- len der Versorgungskette wurden nicht ernst genom- men: es ist weder für die inva- sive Diagnostik noch für die Operationen und die systemi- schen Therapien eine Qua- litätssicherung etabliert; nach wie vor fehlt ein Register, und die nicht im Screening dia- gnostizierten Karzinome, die über 80 % aller Mammakar- zinome in unserer Region aus- machen, werden nicht erfasst.

Die fehlende Bereitschaft zur internen Transparenz lässt viele Fragen offen, zum Bei- spiel, warum entgegen dem Projektplan bei einem Teil der Frauen mit benigner Hi- stologie offene Biopsien (Operationen) durchgeführt wurden. Sicher kann es dafür Erklärungen geben, Abwei- chungen vom Projektproto- koll gehören aber offen dis- kutiert!

Was die weitere Verankerung des Modells in Wiesbaden und die Vermutung von Herrn Heyl angeht, es sei

„eine ganze Menge Politik im Spiel“, so ist auch hier Klar- stellung notwendig: die Dr.- Horst-Schmidt-Klinik und das St. Josefs-Hospital haben in den letzten Jahren über 80 % aller Mammakarzinom- Patientinnen in Wiesbaden betreut (über 1 300 Patientin- nen pro Jahr, davon mehr als 500 Primäroperationen) und verfügen über große Erfah- rung bei der minimalinvasi-

ven Diagnostik (mehr als 1 200 Patientinnen pro Jahr).

Entsprechend stellten beide Kliniken acht der zehn für das Modellprojekt akkredi- tierten Operateure. Die Kli- nik von Herrn Heyl wurde zu einem Zeitpunkt aufgenom- men, zu dem sie nicht über die geforderte Erfahrung ver- fügte (mindestens 50 Karzi- nomoperationen pro Jahr).

Die Integration dieser Klinik in das Projekt stellt einen der wenigen „politischen Kom- promisse“ dar, auf den wir eingingen, um den Frauen, die sich am Screening beteili- gen wollten, eine freie Arzt- wahl zu ermöglichen – und, um das Projekt nicht von An- fang an durch „politische Dis- kussionen“ zu belasten. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als wir noch dachten, dass durch interne Diskussion die Schwachstellen des Projektes verbessert werden könnten.

Heute wissen wir, dass dies leider nicht möglich ist, son- dern offensichtlich eine hohe Motivation besteht, an einem

„Weitermachen“ ohne Selbst- kritik festzuhalten.

Priv. Doz. Dr. med. Andreas du Bois, Klinik für Gynäkologie &

Gynäkologische Onkologie, Dr.-Horst- Schmidt-Kliniken, Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden, Prof. Dr. med.

Gerald Hoffmann, Frauenklinik, St.- Josefs-Hospital, Solmsstraße 15, 65189 Wiesbaden

Ortsbezeichnung

Stellvertretend für eine Reihe weite- rer Zuschriften zu dem Leserbrief

„Korrektur“ von Dr. med. Wolfgang Furch in Heft 9/2002:

Sehr empfehlenswert:

Besuch in Torun/Thorn

Nach Ihrer Ansicht war die Copernicus-Stadt Thorn bis 1945 eine deutsche Stadt.

Ob Sie sich nicht doch geirrt haben?

Nach mir vorliegenden Ge- schichtsquellen kehrte Thorn im Januar 1920 an Polen zurück und war erst wieder am 7. September 1939 deutsch und am 1. Februar 1945 wieder polnisch. Wenn A

A1010 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 15½½½½12. April 2002

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der geehrte polnische Kolle- ge Kasimir Bryndal 1929 ge- boren wurde, dann ist er, wie das DÄ korrekt geschrieben hat, in der polnischen Stadt Torun geboren. Über eins sind wir uns sicher sofort ei- nig, Torun/Thorn ist eine sehr schöne Stadt und befin- det sich auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.

Ein Besuch dieser ehrwürdi- gen Stadt ist sehr empfeh- lenswert.

Dr. med. Gustav Bekker, Denkmalsplatz 3, 04910 Elsterwerda

Disease

Management

Zu dem „Seite eins“-Beitrag

„Warten auf Leitlinien“ von Norbert Jachertz in Heft 10/2002:

Fragen

Dem Willen des Gesetzge- bers zufolge sollen die Kran- kenkassen demnächst ihren Versicherten Disease-Man- agement-Programme, beson- ders bei chronischen Krank- heiten, anbieten. Diese sollen leitliniengestützt und evi- denzbasiert sein. Wie Recht Sie mit Ihrer Kritik haben,

„dass allgemein anerkannte Leitlinien noch nicht existie-

ren“, kann ich am Beispiel so genannter „Hämorrhoiden“

zeigen.

Sind Hämorrhoiden eine akute, intermittierende oder chronische Krankheit? Wie zuverlässig ist die Diagnose von Hämorrhoiden? Wie häufig finden sich bei dem Symptom „Blutung ex ano“

neben so genannten Hämor- rhoiden Zweit- oder Drittlä- sionen anal, perianal, im Rektum oder im Kolon?

Welche Untersuchungspositi- on (Linksseiten-, Knie-Ellen- bogen, Knie-Brust- oder Steinschnittlage, in Horizon- talposition oder auf kippba- rem Untersuchungsstuhl?) gestattet die zuverlässige Diagnose von Hämorrhoi- den? Wie viele Patienten mit und ohne Hämorrhoiden muss ich gesehen haben, um befähigt zu sein, Hämorrhoi- den zu diagnostizieren? Gibt es eine verbindliche Klassifi- kation von Hämorrhoiden?

Bekanntlich sprechen die Amerikaner meist nur von

„internal“ oder „external hemorrhoids“ entsprechend ihrer Lokalisation oberhalb oder unterhalb der linea den- tata, während in Europa eine Einteilung in vier Grade ver- breitet ist. Gibt es eine evi- denzbasierte Therapie von

Hämorrhoiden? Auf alledie- se Fragen lautet die Antwort:

„Wir wissen es nicht.“ Wie sollen dann evidenzbasierte Leitlinien für das Disease- Management-Programm, für Hämorrhoiden, formuliert werden?

Übrigens ist in Großbritanni- en ein solches Anliegen am Mangel an empirischen Be- weisen gescheitert. Die engli- schen Autoren waren beson- ders über die Bereitschaft der englischen Wissenschaft- ler überrascht, Maßnahmen zu empfehlen, über deren Wirksamkeit sie sehr wenig wussten.

Eine ganz andere Frage darf bei den Überlegungen über evidenzbasierte, leitlinienge- stützte Disease-Manage- ment-Programme nicht ver- gessen werden: So sehr die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen derartige

Regularien stimulieren, bleibt dann noch genügend Freiheit für Einzelpersonen, neue Wege der Diagnostik und Therapie für Krankhei- ten zu entdecken? Nehmen wir als Beispiel die Ulkus- krankheit. Ein Australier wunderte sich über Bakterien im Magenschleim, entdeckte Helicobacter pylori und revo- lutioniert die Ulkustherapie auf der ganzen Welt. Wenn neue Erkenntnisse aufgrund rigider Organisationsstruktu- ren nicht mehr möglich sind, dann ist jede Entwicklung in der Medizin blockiert und da- mit auch jeder Weg zur Ko- stensenkung. Die Ent- deckung von Helicobacter pylori hat die Behandlungs- kosten für die Ulkuskrank- heit erheblich gesenkt.

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Henning Rohde, Friesenplatz 17 a, 50672 Köln

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 15½½½½12. April 2002 AA1011

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E-Mail

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