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Archiv "Ausuferung der Arztzahlen — Auflösung des Arztbildes" (20.04.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Spezialisierung KURZBERICHTE

der alle wichtigen Maßnahmen mit ihm bespricht und der ent- scheidet, wenn die Meinungen der hinzugezogenen Spezialisten divergieren. Er gibt, wenn er den Spezialisten hinzuzieht, nicht die Verantwortung an ihn ab, sondern läßt sich beraten und entscheidet nach seinem Gewissen. Er muß ausreichend kompetent sein, auch wenn es ihm auf Spezialge- bieten an Wissen fehlt. Denn die ärztliche Behandlung sollte im- mer etwas Einheitliches sein, da- mit trotz aller Technisierung die psychische Führung des Kranken nicht Not leidet. Nur mit einer sol- chen Einstellung werden wir der Desintegration entgegenwirken und zu einer zugleich effizienten und patientenorientierten inter- disziplinären Zusammenarbeit in der Medizin kommen.

Professor Dr. med. Gustav-Adolf von Harnack, Düsseldorf

DR. FLEISS' BLÜTENLESE

Berufsethik

H. Nothnagel (1814-1906) zu den Tierversuchen:

„Für die Erhaltung der Ge- sundheit . . . hat die Medizin durch Jahrtausende so gut wie nichts getan. Erst die neue und neueste Zeit ist an die Lösung dieser Aufgabe gegangen... Erst als die Physik und Chemie, das Tierexperiment, die patho- logische Histologie die fe- sten Anhaltspunkte schufen, von denen aus die Klinik ih- re Beobachtungen leiten konnte, da erst begann auch eine wissenschaftliche Be- handlung ... Die Geschich- te lehrt: für die Medizin führt der Weg zum Können nur durch das Kennen — beide aber sollen getragen sein von höchster sittlicher, von echt menschlicher Gesin- nung."

Ausuferung der Arztzahlen — Auflösung

des Arztbildes

Die „Ärzteschwemme als ord- nungspolitisches Problem" stand auf der Tagesordnung des IV. Köl- ner Kolloquiums. Die beiden Ver- anstalter Profs. Dr. Philipp Her- der-Dorneich (Forschungsinstitut für Einkommenspolitik, Universi- tät Köln) und Dr. Alexander Schul- ler (Institut für Soziale Medizin, FU Berlin) hatten am 16. und 17. Fe- bruar wieder eine hochkarätige Gruppe von Kennern mit fundier- ten Referaten versammelt, dies- mal, um die verfahrene Situation einer ideologisierten Bildungs- und Universitätspolitik der siebzi- ger Jahre auszuleuchten. Wie Herder-Dorneich zunächst andeu- tete, muß der aus den Fugen gera- tenen Gesundheits- und Bildungs- politik, die zu dem Leistungsüber- maß in der Versicherung und ei- ner explosiv wirkenden Ärzte- Überzahl führte oder führen wird, auch der ordnungspolitische Aspekt entgegengestellt werden.

Laut Herder-Dorneich dauert es mindestens ein Jahrzehnt, bis derartige Mechanismen „grei- fen". Die liberalistische Konzep- tion, die auf die selbstregulativen Heilungskräfte vertraue und da- von ausgegangen sei, daß sinken- de Einkommensvolumina bei ver- mehrtem Ärzteangebot den Zu- strom der Bewerber abbremsten, habe versagt. Die Gesetze des

„Marktes" seien auf diesem Sek- tor nur teilweise gültig. Auf den Nachwuchs wirke nach wie vor das hohe Status-Image der Heil- berufe. Alle Lösungsversuche, die vom Verdacht lediglich zeitlicher Aufschiebungen und Dehnungen des Studiums nicht freigespro- chen werden könnten, seien fehl- geschlagen. Die Bildungspolitik habe es bisher abgelehnt, Steue- rungsaufgaben für die Berufspoli- tik wahrzunehmen.

Man muß sich einmal die Zahl vor- stellen: Laut Mitteilung des stell- vertretenden KBV-Hauptge- schäftsführers Hanns Wirzbach werden bis zum Jahr 1990 von den Universitäten 40 000 Ärzte „er- zeugt", die nicht notwendig sind zur Sicherung des Versorgungs- status-quo.

Durchgreifende Steuerungsmög- lichkeiten in einer derart gemisch- ten Problemzone wie in dem von

Partikular- und Gruppeninteres- sen bestimmten Heilwesen schei- nen illusionär, vor allem, wenn Bil- dungs- und „Chancen"-Freiheit, politisch und juristisch abgesi- chert, noch so hoch im Kurs ste- hen. Schwierig vor allem, wo die Körperschaften des Öffentlichen Rechts einen so diffizilen Weg steuern müssen zwischen Aus- führung gesetzlicher Aufträge und Wahrnehmung berufspoliti- scher Interessen. Warnungen sind zudem politisch höchst verdäch- tig.

Warnern schlägt das Argument entgegen, sie würden einen „clo- sed shop" einrichten und Pfründe der beati possidentes absichern.

Auf die Probleme sinkender Qua- lität in der Ausbildung und später auch in der Versorgung wies der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte, Dr.

Horst Sebastian, hin: „Die berufs- ständische Selbstverwaltung wird dadurch in einen Loyalitätskon- flikt gebracht zwischen der Soli- darität mit den bereits im Beruf stehenden (Zahn-)Ärzten einer- seits und der Integrationsver- pflichtung gegenüber dem Nach- wuchs andererseits."

Der Staat beziehungsweise der Gesetzgeber solle sich abkehren von seiner dirigistischen Interven- tionspolitik und von deren Folgen.

Aber, das waren die Fragen im Raum, wie denn?

Günter Spielmeyer, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht Kassel, umriß die rechtlichen Schwierigkeiten und Unmöglich- keiten einer wirkungsvollen 1252 (32) Heft 16 vom 20. April 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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1971 19n 1970

1976

Zahl der Approbationen:die Entwicklung seit 1976

Studenten im Approbationen ersten Fachsemester

Anzahl in Tausend 10 —

9—

8 —

7

6—

5 —

4—

3 —

2 —

1972 1973

1978 1979

0—

1974 1975 1976

1981 1982 GRAFIf,

1980

Quelle für die Zahlenangaben: Tätigkeitsbericht der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

„Folgen der Ärzteschwemme"

Steuerungsmöglichkeit. Der Staat interveniere durch Verlängerung des Studiums, aber er subventio- niere das System wie kein ande- res. Was zudem rechtlich möglich sei, sei politisch noch längst nicht opportun. Eine zahlenmäßige Zu- lassungsbeschränkung für Kas- senärzte oder deren Wiederein- führung gleiche einem „objekti- ven Eingriff in die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung, der einem Eingriff in die ärztliche Be- rufsfreiheit nahekommt". Spürba- re Steuerungsmöglichkeiten mit ihren Restriktionen, Pauschalie- rungen und Plafondierungen: lan- deten die nicht wieder in der Plan- wirtschaft, würden zu Herrschafts- privilegien einer neuen Clique?

Die Situation ist, wie Frau Ministe- rialrat M. Schleicher vom Bundes- gesundheitsministerium einwarf, in Wirklichkeit noch schlimmer, als es die neuesten Zahlen der KBV vermuten lassen. In Latein- amerika studierten viele junge Leute, die eines Tages zurückkeh- ren würden. Ostblockländer hät- ten für Söhne gutbetuchter Eltern in Bukarest und Budapest teure deutschsprachige Studiengänge eingerichtet. Genaue Zahlen über diese Rückwanderer hat noch nie- mand ermittelt.

Wie Prof. Schoene ausführte, stei- gere sich zwar die depressive Hal- tung in den ersten Semestern, aber jeder hege die stille Hoff- nung, nach dem dritten Lebens- jahrzehnt in eine Nische mit aus- kömmlicher Beschäftigung zu rut- schen.

Der Widerspruch zwischen den Aussichten in der Medizin und der nach wie vor ungebrochenen At- traktivität dieses Fachs wirkt unlo- gisch, fast schizophren. Schoene:

„Gesundheit wird weithin verstan- den als ein Wert, der allen ande- ren Werten vorgeordnet ist — inso- fern also als ein absoluter Wert.

Daraus folgt, ... daß der Bedarf an gesundheitlichen Leistungen prinzipiell nicht begrenzbar ist;

denn jede Einschränkung eines hier möglichen Angebots an Lei-

stungen wird sogleich mit dem Odium des Lebensbedrohenden, der unterlassenen Hilfeleistung oder auch der vorsätzlich fahrläs- sigen Körperverletzung assozi- iert ... "

Die zukünftige Medizinergenera- tion setzt auf das steigende Ge- sundheitsbewußtsein, auf die Ge- sundheits-Utopie und -Hysterie gegen Krankheit und Sterben. Auf jeden Fall wird in den nächsten Jahren die „Grüne Medizin" wu- chern, werden neue Krankheiten (zur Legitimation neuer Heilme- thoden und Rechtfertigung hoher Ärztezahlen) erfunden werden, hauptsächlich auf psychosomati- schem Gebiet. Zwischen Gesund- heitswelle und Ärztezahlen dürfte ein Circulus vitiosus entstehen, die Grenzen zwischen Ärzten und Heilpraktikern dürften sich verwi- schen beziehungsweise würden von interessierten Seiten ver- wischt werden, so vor allem Pro- fessor Dr. med. Ulrich Kanzow.

Auflösungsverfahren von vielen Seiten

Dem Arztbild beziehungsweise dem Arztberuf drohen Auflö- sungsgefahren von vielen Seiten.

Die Quantität zwingt nicht nur zur immer genaueren Teilung des Geldes, sondern auch der Zeit.

Prof. Dr. F. Geigant, Hannover, der die sehr komplizierte Stellung des Arztes zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebersituation heraus- arbeitete, merkte an: „Durch Hochspielen der Arbeitszeitfrage werden die in der deutschen Rechtsordnung beheimateten Flaschengeister des Kassenarzt-

‚Amtes' und der ,arbeitnehmer- ähnlichen Person' endgültig ent- fesselt".

Es ist bemerkenswert, daß in die- sem düsteren Medico-Panorama Dr. Eberhard Weinhold, der Vor- sitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, nicht den Mut verlor: Ein bei der Zulas- sung zum Studium maßgeblich berücksichtigtes Bewährungs- praktikum, verfeinerte Niederlas- sungsberatung, kooperative Pra- xisformen, Betonung der Vorsor- gemedizin in der Haus- und famili- enärztlichen Versorgung, Entla- stung der Krankenhäuser durch Übernahme von Kompetenzen und Leistungen aus der klinischen Medizin und der institutionalisier- ten pflegerischen Versorgung in die ambulante häusliche Kranken- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 16 vom 20. April 1984 (35) 1253

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Die Zahl der in der Bundesre- publik Deutsch- land lebenden Ausländer ist seit 1981 und 1982 wieder leicht zurückge- gangen Co

Ausländische Mitbürger

Ausländer in der Bundesrepublik in Millionen

1983

Jugoslawien Italien

Griechenland

Asien Österreich Spanien

Afrika Amerika

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

und Alten-Versorgung und Weiter- entwicklung der Gemeinschafts- formen waren seine Vorschläge, die die noch vorhandenen Ni- schen ausleuchteten.

Weinhold scheute sich vor dem brisanten Vorschlag nicht: „Anrei- ze zum früheren Ausscheiden äl- terer Ärztinnen und Ärzte aus dem aktiven Berufsleben können die Neuniederlassung von mehr Ärz- ten begünstigen und gleichzeitig durch Übergangssozietäten die Versorgungsstruktur und die Kon- tinuität der persönlichen ärzt- lichen Versorgung erhalten".

Einige aufschlußreiche Ver- gleichszahlen aus dem Referat von Prof. Dr. G. Petersen, Darm- stadt, zur generellen akademi- schen Situation: „Zwischen 1971 und 1977 lag die jährliche Zu- wachsrate in der freiberuflichen Ärzteschaft bei 2,1, bei den Rechtsanwälten bei 5,3, bei den Apothekern bei 4,2, bei den Di- plompsychologen bei 38,2 und bei den Steuerberatern bei 38,7 Pro- zent"(!). Demgegenüber führte

Kanzow an, die Anstiegszahl von etwa 64 000 Ärzten in den letzten 18 Jahren hätte 1947/48 noch zur Versorgung der gesamten Bevöl- kerung in der Bundesrepublik ausgereicht.

Prof. Alexander Schuller diagno- stizierte am Ende, die ärztlich frei- berufliche Mitte stünde zwischen den zentralistischen Staatspla- nungen und den populistischen Tendenzen der Basisbewegungen und müsse einen „Zweifronten- Krieg" führen. Überleben sei nur möglich durch Okkupierung neu- er Aufgabenfelder und deren Um- strukturierung zu Berufsfeldern, wie etwa Prävention, psychosozia- le Betreuung, Umwelt-, Arbeits- und Verkehrsmedizin. Die Ärzte- schaft müsse eine gemeinschaft- liche „Offensiv-Politik" entwik- keln. Das alles klang ziemlich idea- listisch, aber wer findet Auswege, wenn er sich den Idealismus neh- men läßt?

Dr. Ekkhard Häussermann

Ausländeranteil 7,5 Prozent

Viel Gefühl und wenig Fakten be- herrschen die Diskussion um das sogenannte Ausländerproblem — wenn's ein Problem ist. Hier die Zahlen:

In der Bundesrepublik und West- Berlin leben 4,5 Millionen Auslän- der (Stand Ende 1983). Davon sind Türken

1,55 Millionen = 34,4 Prozent Jugoslawen

0,61 Millionen = 13,6 Prozent Italiener

0,57 Millionen = 12,7 Prozent Griechen

0,29 Millionen = 6,4 Prozent Österreicher

0,17 Millionen = 3,7 Prozent Spanier

0,17 Millionen = 3,7 Prozent

Der Ausländeranteil an der Ge- samtbevölkerung liegt bei rund 7,5 Prozent. Von Überfremdung kann da eigentlich keine Rede sein, schon gar nicht von einer mit Türken (etwa 2,5 Prozent der Be- völkerung). Problematischer frei- lich wird es in industriellen Bal- lungsgebieten. Schon Baden- Württemberg hat einen Auslän- deranteil von 10 Prozent, Berlin sogar von etwa 12 Prozent (an der Spitze der Berliner Bezirk Kreuz- berg mit 44 Prozent). 77 Prozent der Ausländer leben in nur vier Bundesländern: Nordrhein-West- falen, Baden-Württemberg, Bay- ern und Hessen.

Bis 1977 bewegte sich der Auslän- der-Wanderungssaldo in etwa zyklisch mit der Konjunkturent- wicklung. Seit 1978 nicht mehr.

Trotz Wirtschaftsflaute nahm der Wanderungssaldo (das ist die Dif- ferenz zwischen Zu- und Abwan- derungen) zu, insgesamt um

1254 (36) Heft 16 vom 20. April 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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