A 1438 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 27–28|
9. Juli 2012 Diagnostische Manuale zur Klassifi-kation der malignen Lymphome, wie die 2001 erstmals veröffentlichte und 2008 aktualisierte WHO-Klassifika - tion der myeloischen und lymphati- schen Neoplasien, stellen den Ver- such dar, eine gemeinsame Sprache unter Experten zu finden – im Wissen um ihre zeitliche Begrenztheit ange- sichts ständig neuer Erkenntnisse zu biologischen Merkmalen und sich än- dernder Therapiestrategien.
Das Buch basiert auf der WHO- Klassifikation hämatologischer Neo- plasien mit Schwerpunkt indolente Lymphome und gibt in neun Kapiteln einen aktuellen Überblick über die biologischen Charakteristika und kli- nischen Therapieempfehlungen der indolenten B-Zell- und peripheren T-Zell-Lymphome. Neben den Her - ausgebern haben zehn Hämatoonko- logen und ein an der oben genannten WHO-Klassifikation aktiv beteiligter Pathologe Beiträge zu diesem Buch geschrieben. Bei den in der Regel chronisch verlaufenden hämatologi- schen Neoplasien können Heilungen trotz unbestreitbarer Fortschritte in der medikamentösen Therapie nur selten erzielt werden. Als wichtige Faktoren für die Information und ge-
meinsame Therapieentscheidung bei Patienten mit indolenten Lympho- men betonen die Herausgeber in ih- rem Vorwort: „Die richtige Therapie- indikation, ein Therapiekonzept, das eine lange Remission gewährleistet und dennoch eine akzeptable Le- bensqualität erlaubt, und Behand- lungsalternativen für die zu erwarten- den Rezidive.“ Die Beachtung dieser Aspekte und individueller Patienten- HÄMATOONKOLOGIE
Aktueller und fundierter Überblick
merkmale ist von großer Bedeutung – besonders in frühen Stadien der indolenten Lymphome, bei denen häufig keine zwingende Therapie - indikation besteht und eine „Watch- and-wait“-Strategie gerechtfertigt ist.
Die ersten beiden Kapitel, die sich ausführlich mit aktuellen As- pekten der WHO-Klassifikation so- wie Diagnostik und prognostischen Faktoren bei indolenten Lympho- men beschäftigen, sind sehr infor- mativ und werden durch Tabellen, Abbildungen und (immun-)histolo- gische Darstellungen anschaulich illustriert. Ausführlich wird auf Merkmale und Besonderheiten bei einzelnen Entitäten indolenter Lymphome eingegangen. Dabei werden offene Fragen zur aktuellen Klassifikation ebenso angespro- chen – zum Beispiel klinische Rele- vanz der Unterscheidung folliku - lärer Lymphome in Grad 3 a und 3 b oder chronischer lymphatischer Leukämien in zwei Krankheiten an- hand des Mutationsstatus – wie die derzeit noch geringe Bedeutung zellbiologischer prognostischer Fak- toren für die Therapieentscheidung bei einzelnen Patienten. Auch auf ein heute in Leitlinien zu indolenten Lymphomen häufig unzureichend behandeltes Thema wird ausführ- lich eingegangen: die Diagnostik nach Therapieende beziehungswei- se im weiteren Krankheitsverlauf (Nachsorge). Dabei wird sowohl auf sinnvolle Intervalle in der Dia - gnostik als auch auf die zu häufig durchgeführten Computertomogra- phien mit der damit verbundenen Strahlenbelastung hingewiesen.
Einer weitgehend einheitlichen Struktur folgen die Kapitel zu den verschiedenen Entitäten der indo- lenten B-Zell-Lymphome und auch das Kapitel neun zu der biologisch, histologisch und auch klinisch hete- rogenen Gruppe der peripheren T-Zell-Lymphome. Diese Abschnit- te des Buches sind jedoch recht un- terschiedlich in der Ausführlichkeit der Darstellung von beispielsweise Ätiologie und Pathogenese, heute gebräuchlichen Stadieneinteilungen und etablierten Therapiestrategien.
Christian Buske, Stefan Mahlmann (Hrsg.): Indolente Lymphome.
Deutscher Ärzte- Verlag, Köln 2011, 170 Seiten, gebunden, 79,95 Euro Deutschland überfordert, und es
wäre ein wesentlicher Grund, von dieser Therapieoption in den Hän- den von Nichtärzten abzusehen.
Nicht nachvollziehbar ist die Aus- sage, dass zwischen dem Eintreffen der Sanitäter und der Applikation 1,2 beziehungsweise 4,8 Minuten vergingen, das würde bedeuten, dass die Applikation nicht am Not- fallort, sondern erst in der Klinik erfolgte, womit der Vorteil der prä- klinischen Anwendung nicht zum Tragen käme.
Prof. Dr. med. Peter Sefrin, Sektion für präklini- sche Notfallmedizin, Klinik und Poliklinik für Anäs- thesiologie der Universität Würzburg, 97080 Würzburg
P ARTIZIP A TION
Patienteninformatio- nen sind oft unvoll- ständig oder irrefüh- rend (DÄ 13/2012:
„Patientenpartizipa- tion: Informiert ent- scheiden können“
von Heike E. Krüger-Brand).
Beste verfügbare Evidenz als Grundlage
Das Beispiel Schildwächter- Lymphknoten-Biopsie (SNB) bei Patienten mit einem Melanom der Haut zeigt, dass die Partizipation der Patienten an der Entscheidungs- findung nicht auf Behandlungsme- thoden beschränkt bleiben darf, sondern auf diagnostische Entschei- dungen ausgeweitet werden muss.
Auch für diagnostische Maßnah- men muss gelten, dass die beste verfügbare Evidenz Grundlage der Empfehlung für deren Einsatz ist;
umso mehr, wenn diese Methode umstritten ist. Nur dann sind die Rechte der Patienten gewahrt und eine partizipative Entscheidungsfin- dung („shared decision making“) möglich. Um zu gewährleisten, dass künftig Patienten auf der Basis der neuen Melanom-Leitlinie sach- lich und ausgewogen aufgeklärt werden, haben wir deshalb eine Ini- tiative . . . gestartet.
Prof. Dr. med. Friedrich A. Bahmer, 28203 Bremen
Dr. med. Jürgen Tacke, 50969 Köln P n s r
„ t s von Heike E Krüger-
B R I E F E / M E D I E N
Das Immunsystem ist eine „system- übergreifende, funktionelle Dienst- leistungseinheit“, die Gewebeschä- den erkennt und repariert, symbioti- sche, kommensale oder parasitäre Mikroben kontrolliert und gealterte oder krankhaft veränderte Zellen aussortiert. Mit dieser anschauli- chen Beschreibung werden in der dritten, umfassend überarbeiteten Neuauflage des Buchs „Klinische Immunologie“ die Aufgaben des Immunsystems eingeführt. Die Neu- auflage zeichnet sich nicht nur durch gute Lesbarkeit und hervor - ragende Gestaltung aus. Sie bringt den Leser in Bezug auf Erkenntnis- se der Grundlagenforschung, der molekularbiologischen Technik und Diagnostik und der Therapien, bei denen das Immunsystem beein- flusst wird, auf den aktuellen Stand der Wissenschaft.
Selbst als Überarbeitung der 1996 erschienenen zweiten Auflage ist dies ein Mammutprojekt. Denn die wissenschaftliche Erkenntnis darüber, wie das Immunsystem sei- ne vitalen Aufgaben erfüllt, ist seit- her explodiert. So ist etwa seit der Jahrtausendwende die angeborene Immunität des Menschen in den Mittelpunkt gerückt: Früher als phylogenetisch älteste Form der Immunabwehr lediglich in einem Nebensatz erwähnt, ist die angebo- rene Immunität inzwischen ein ei- gener Forschungszweig geworden.
In einem zu Anfang des Buches er- gänzten Kapitel wird die frühere Sichtweise korrigiert: Mechanis- KLINISCHE IMMUNOLOGIE
Komplexes Wissen hervorragend dargestellt
men und vielfältige Effekte von Elementen des angeborenen Im- munsystems werden erläutert. Dazu gehören zum Beispiel die Toll-like- Rezeptoren (TLR), von denen der erste 1997 beim Menschen entdeckt worden ist. Sie stimulieren nicht nur die unspezifische Abwehr, son- dern stellen auch die Weichen für die Bildung spezifischer Immunre- aktionen und des immunologischen Gedächtnisses. Jetzt werden TLR als Zielstrukturen für Medikamente erforscht.
Rezeptorantagonisten und mono- klonale Antikörper gehören zu den größten therapeutischen Neuerun- gen der klinischen Immunologie:
Die Biologika werden bei Auto- immunerkrankungen, Malignomen, allergischen Reaktionen und Im- mundefekten untersucht und ange- wandt. Der in den letzten Jahren vollzogene Transfer von Grundla- genwissen in die Klinik hat die Im- munologie von einem Randgebiet zu einem zentralen Bestandteil der Medizin werden lassen.
Mit einem großen Autorenteam trägt die Neuauflage „Klinische Im- munologie“ dieser Entwicklung Rechnung: als Lehrbuch und als Nachschlagewerk für jeden Arzt, der sich für normale und pathologi- sche Immunprozesse des menschli- chen Körpers interessiert.
Nicola Siegmund-Schultze
Hans-Hartmut Peter, Werner J. Pichler, Ulf Müller-Ladner (Hrsg.): Klinische Immunologie.
3. Auflage, Urban & Fischer, Elsevier GmbH, Mün- chen 2012, 818 Seiten, gebunden, 149,99 Euro Ergänzt werden diese Kapitel je-
weils durch ein Literaturverzeich- nis und mehr oder weniger ausführ- liche Hinweise auf aktuell laufende beziehungsweise geplante klinische Studien zur Optimierung der Thera- piestrategien auf nationaler und in- ternationaler Ebene. Eine Zusam- menfassung mit den aktuellen, nicht immer evidenzbasierten The- rapieempfehlungen für indolente Lymphome hätte sich der interes- sierte Leser nicht nur am Ende der
Kapitel zum follikulären und Man- telzell-Lymphom gewünscht.
Trotz dieser Kritikpunkte ist das Buch sehr informativ und vermittelt Hämatoonkologen, aber auch Kol- legen anderer Fachdisziplinen, wie Innere Medizin, Pathologie, Radio- logie, Strahlentherapie und Nukle- armedizin, einen aktuellen und fun- dierten Überblick über alle für die Diagnostik und Therapie indolenter Lymphome relevanten klinischen Aspekte. Wolf-Dieter Ludwig
Deutsches Ärzteblatt