Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Arteriitis cranialis
O
Die kauabhängigen Gesichts- schmerzen bei der Arteriitis cranialis dürfen nicht mit dem blitzartig ein- schießenden und nur sekundenlang anhaltenden stechenden Schmerz der idiopathischen Trigeminusneur- algie (Tic douloureux) verwechselt werden, der oft durch Sprechen oder Berühren eines umschriebenen Areals am Oberkiefer ausgelöst wird. Narben im Versorgungsgebiet eines Trigeminusastes, meist des er- sten, zeigen schon bei der Inspek- tion, daß es sich um eine Zoster- neuralgie handelt. Bei ihr ist der Schmerz anhaltend brennend und streng auf das Versorgungsgebiet des betroffenen Trigeminusastes beschränkt.Vom akuten Glaukomanfall läßt sich der ischämische, bewegungsabhän- gige Gesichtsschmerz bei der Arte- riitis cranialis anamnestisch leicht unterscheiden.
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Muskel- und Gliederschmerzen bei beschleunigter BSG machen die Differentialdiagnose zur Polymyosi- tis erforderlich. Bei ihr sind die be- troffenen Muskeln stets paretisch, später auch atrophisch. Die Kreati- ninphosphokinase ist im Gegensatz zur Polymyalgia rheumatica stets er- höht. Elektromyographie und Mus- kelbiopsie bestätigen die Diagnose.C)
Hinsichtlich der akuten Sehstö- rungen ist nach Ausschluß einer pri- mär okulären Erkrankung an eine Optikusmalazie anderer Ursache, vor allem die arteriosklerotische Op- tikusmalazie zu denken. Hierbei ist der ophthalmologische Befund mit Papillenödem und nachfolgender Optikusatrophie nicht von dem bei der Arteriitis cranialis zu unterschei- den. Hinweise geben das Fehlen von Kopfschmerzen und BSG-Beschleu- nigung. Eine sichere Differentialdia- gnose ist allein durch eine Tempo- ralarterienbiopsie möglich (3).Zu beachten ist auch, daß akut auf- tretende Hemianopsien infolge einer Ischämie des Okzipitallappens von vielen Kranken zunächst als Erblin- dung eines Auges fehlinterpretiert werden.
Therapie und Prognose
Die Therapie der Wahl ist eine initial hochdosierte Kortikoidbehandlung, zum Beispiel täglich 80-100 mg Prednisolon, mit langsamer Dosisre- duktion auf eine Erhaltungsdosis unter der Cushing-Schwelle. Die weitere Dosierung richtet sich nach den Beschwerden und der BSG-Be- schleunigung. Innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der Therapie bessern sich Kopfschmerzen und Polymyalgie schlagartig. Dies darf aber nicht zu einer raschen Dosisre- duktion verleiten. In der Regel ist eine langfristige mehrmonatige Dauermedikation mit geringen Do- sen, zum Beispiel täglich 5 bis 10 mg Prednisolon, erforderlich. Zur Zeit ist noch nicht endgültig geklärt, ob durch eine langfristige immunsup- pressive Behandlung mit Azathio- prin die Kortikoidbehandlung abge- kürzt werden kann. Eine gewissen- hafte medikamentöse Einstellung und Überwachung verhindert zuver- lässig das Auftreten von Erblindung und anderen ernsten Komplikatio- nen. Ist eine Optikusmalazie aber eingetreten, ist die Erblindung auch unter einer hochdosierten Kortikoid- behandlung irreversibel. Die Pro- gnose der Arteriitis cranialis quoad vitam ist günstig. Eine Verminde- rung der Lebenserwartung läßt sich statistisch nicht feststellen (5).
Literatur
Garzoli, G., und Leu, H. J.: Zur Pathologie der Polymyalgia rheumatica sive erteriitica, VASA 6 (1977) 128-136 - Goder, G.: Durchblutungsstö- rungen des Auges und Biopsie der Arteria tem- poralis, Abhandlungen auf dem Gebiete der Augenheilkunde, Bd. 36, Leipzig: VEB Thieme, 1968 - Hollenhorst, R. W., Brown, J. R., Wag- ner, H. P., and Chick, R. M.: Neurologic as- pects of temporal arteritis. Neurology (minn.) 10 (1960) 490-498 - Hollwich, F., Schiffer, H.- P., und Weihmann, J.: Arteriitis temporalis, Kli- nisches Bild, Prognose und Therapie, Klin.
Mbl. Augenheilkunde 167 (1975) 62-69 - Nor- ton, B. T., Magath, T. B.. and Brown, G. E.: An undiscribed form of arteritis of the temporal vessels, Proc. Staff. Meet. Mayo Clin. 7 (1932) 700 701
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med. Hans Schliack Neurologische Klinik der
Medizinischen Hochschule Karl-Wiechert-Allee 9 3000 Hannover 61
FÜR SIE GELESEN
Brust-Vorsorge-
untersuchung der Frau
Zur Früherkennung des Mamma- karzinoms sollte die Zusammenar- beit zwischen Arzt und Patientin weiter intensiviert werden. Das gilt vor allem für die regelmäßige Selbst- untersuchung der Brust. Die Einstel- lung dazu (500 Frauen) wurde mit einem Fragebogen und psychome- trischen Tests erfaßt. Die ärztliche Untersuchung der Brust wird von vier Fünftel der Frauen als „sehr wichtig" erachtet. Das gilt beson- ders für Frauen mit höherem Schul- abschluß, überdurchschnittlicher In- telligenz und extravertierten Persön- lichkeitseigenschaften. Brust-Vor- sorge-Aufklärungs-Kampagnen soll- ten sich vor allem an weniger gebil- dete und introvertierte Frauen rich- ten. Die Hälfte der Frauen sprach sich für halbjährliche Brust-Vorsor- geuntersuchungen aus, bei den jün- geren Frauen mit höherem Schulab- schluß waren es noch mehr.
Selbstuntersuchungen der Brust werden von einem Drittel regelmä- ßig, einem Fünftel gar nicht und vom Rest unregelmäßig durchgeführt.
Ein Fünftel bezeichnet solche Unter- suchungen als „belastend", ein Drit- tel als „nicht bblastend" und der Rest als „beruhigend". Mit zuneh- mendem Lebensalter werden die Frauen häufiger durch das Auffin- den eines Knotens in der Brust ver- ängstigt. Das gilt besonders für Frauen mit geringerer Bildung.
Nach Auffinden eines schmerzhaf- ten Knotens wollten zwei Drittel der Frauen umgehend den Arzt aufsu- chen, ein Drittel hingegen eine Wo- che und länger abwarten. Im und unter dem Mamillenbereich erwarte- ten weniger als 3 Prozent der Frauen eine Knotenbildung, obwohl etwa 17 Prozent aller Mammakarzinome in diesem Bereich lokalisiert sind. Ins- gesamt ist nach dieser Studie mehr verständliche Laieninformation not- wendig. Enn
Wenderlein, J. M.:
Brust-Vorsorgeuntersuchung der Frau Fortschr. d. Med. 95 (1977) 2117
Universitäts-Frauenklinik Erlangen, Universi- tätsstraße 21/23,8520 Erlangen
3040 Heft 52 vom 29. Dezember 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT