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Archiv "Untauglicher Versuch über die „Wirksamkeit“: I." (15.04.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Der Pharmakologe W. Rummel ant- wortet dem Philosophen R. Spae- mann, der öffentlich gegen den Wirksamkeitsnachweis im Arznei- mittel-Gesetzentwurf Stellung ge- nommen hat. Das Fachgebiet, auf dem sich die beiden Experten tref- fen, ist die Juristerei. Auf diesem Gebiet sind wir alle Betroffene, also auch Zuständige. Es ist des- halb nicht fair, wenn W. Rummel R.

Spaemann quasi nahelegen möch- te, sich doch nicht in anderer Leu- te Angelegenheit einzumischen. Ob Spaemanns Versuch wirklich „un- tauglich" ist, ist eine Frage der Lo- gik.. Diese gehört ebenso zur Rechtspflege wie zur Naturwissen- schaft und sei es nur, damit man die Grenzen ihrer Gültigkeit erken- ne.

Die Gewährleistung von „Wirksam- keit" wird von Spaemann als typi- sches Anliegen absolutistischer Rechtsauffassung hingestellt. In seiner Kritik sucht W. Rummel dies durch den Hinweis auf die Existenz der FDA (im demokratischen Mu- sterstaat der USA) zu entkräften, wobei er exakt darauf hinweist, daß diese amerikanische Behörde „bei neu angemeldeten Arzneimitteln"

den Wirksamkeitsnachweis ver- langt. Er vergaß hinzuzufügen, daß daneben alle in den US-Pharmako- pöen verzeichneten Arzneimittel, also auch die Homöopathika und Phytotherapeutika, „legal stan- dard" haben, das heißt den Schutz des Gesetzes genießen und keiner erneuten Zulassung bedürfen. Da- von abgesehen ist das Verlangen des Staates, für die Wohlfahrt „to- tal" zu sorgen, durchaus ein abso-

FORUM

lutistisches Rechtsgebaren. Der uns vorliegende Gesetzentwurf ent- spricht diesem Verlangen vor allem durch die Einführung „des Wirk- samkeitsnachweises" — und zwar für alle Arzneimittel, die sich in Zu- kunft auf dem Markt befinden sol- len. Daß das nicht geht, weiß W.

Rummel ebenso wie der Gesetz- geber, der Ausnahmeregelungen plant, um der schwierigen Materie gerecht zu werden. „Wie schwierig es bisweilen ist, die therapeutische Wirksamkeit von Arzneimitteln nachzuweisen, ist niemand klarer als denen, die sich professionell damit befassen." W. Rummel sagt es.

Er vergißt hinzuzufügen, daß die Wirksamkeitsbeurteilung einer The- rapie Recht und Pflicht aller Ärzte ist und durchaus keine Erfindung einer Fachdisziplin, wie zum Bei- spiel der Pharmakologie. Die Wirk- samkeitsbeurteilung ist seit eh und je das Anliegen vor allem der prak- tizierenden Ärzteschaft.

Alle „nichtsuggestiven", daß heißt hier „pharmakologisch nachgewie- senen" Arzneiwirkungen einfach al- len „suggestiven" gegenüberzu- stellen ist eine unbegründbare Simplifizierung zum Nachteil aller jener Arzneimittel, die den Orga- nismus zur Selbstheilung anregen, weil deren Arzneiwirksamkeit schwerer nachweisbar ist. Sie wer- den pauschal als Placebo hinge- stellt. Auf diesen Sachverhalt sind zahlreiche Kritiker des verlangten Wirksamkeitsnachweises bereits eingegangen.

Auf beiden Beinen hinkt der Ver- gleich, den W. Rummel zu diesem

Kostenexpansion

meisten abseits liegt. Ein wesentli- cher Punkt zum Verständnis der heutigen Situation ist auch die Tat- sache, daß Forschungsergebnisse in unserer einseitig wirtschaftlich orientierten Zeit nur dann eine weltweite Verbreitung finden, wenn ein rentables Geschäft damit zu machen ist. Forschungsergebnisse aber, deren Bekanntwerden gar eine Umsatzschmälerung einer In- teressengruppe mit sich bringen würden, haben keine Aussicht auf Publikwerden. Von den massiven Hindernissen, die der Aufklärung über die nachteiligen Wirkungen beispielsweise des isolierten Fa- brikzuckers entgegenstehen, ahnt der harmlose Bürger, auch der Arzt, der nicht an der Kampffront steht, nicht das geringste.

Die Erwähnung dieses Sachverhal- tes war nötig, um an einem Bei- spiel zu zeigen, wie schwer es ist, die wahren Krankheitsursachen an das Licht zu holen. Werden aber solche Überlegungen in die Debat- te um die Misere im Krankheitswe- sen mit einbezogen, wird erst er- kennbar, wie weit entfernt von ei- ner echten Lösung sich die Diskus- sion abspielt. Gelänge es aber, bis zu einer echten Krankheitsvorbeu- gung (auch primäre Prävention ge- nannt) vorzustoßen (nicht zu ver- wechseln mit Früherkennung, die unter „Vorsorge" läuft), so würde es wiederum dreißig Jahre dauern, bis die Früchte sich bemerkbar machten. Es ist also bei den jetzi- gen Überlegungen einzukalkulie- ren, daß wir bereits dreißig Jahre zu spät daran sind. Jedenfalls er- scheint es sehr fraglich, ob wir es uns leisten können, weiter in der Symptomenlinderung steckenzu- bleiben, statt ernstlich an die Krankheitsursachen zu gehen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Max-Otto Bruker Facharzt

für innere Krankheiten Leitender Arzt der

Psychosomatischen Klinik in den Kliniken am Burggraben Alte Vlothoer Straße

4902 Bad Salzuflen 1

Untauglicher Versuch über die „Wirksamkeit"

Zu dem gleichnamigen Beitrag von Prof. Dr. W. Rummel in Heft 37/1975, Seite 2550 f.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 16 vom 15. April 1976 1113

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen Arzneimittel-Wirksamkeit

Thema anführt: „Aber soll man etwa die Forderung nach der Auf- klärung von Verbrechen deshalb aufgeben, weil es unter bestimmten Bedingungen sehr schwierig ist und nach Auskunft der Statistik bei ei- nem nicht geringen Prozentsatz bisher nicht möglich war'?" Nie- mand, der gegen den Wirksam- keitsnachweis Sturm läuft, will die Bemühungen der Pharmakologen bremsen, weitere Wirksamkeits- nachweise zu erbringen. Aber er- stens ist die Arzneimittelwirkung kein „Verbrechen", allenfalls wä- ren das Nebenwirkungen, die unter

„Unbedenklichkeit" fallen. Zweitens sieht der Gesetzentwurf die „Vor- beugehaft" aller jener „Verbre- cher" vor (um in W. Rummels Bild zu bleiben), deren „Kriminalität"

(sprich: Wirksamkeit) bisher nicht nachgewiesen werden konnte.

Im Grunde genommen will man „die ganze Bevölkerung einsperren, nur damit die wenigen „potentiellen Straftäter" gleich mit dingfest ge- macht sind. Jedermann genießt hier Rechtsschutz! „Die Logik die- ser Schlußfolgerung ist einfach ab- surd", diesen Satz von W. Rummel muß man auf seine eigene Argu- mentation anwenden. Ist das kein Zeichen von Absolutismus?

Solange sich die Ärzteschaft über Methoden und Maßstäbe der Wirk- samkeitsbeurteilung so wenig einig ist, wie das tatsächlich der Fall ist, gehört der Wirksamkeitsbegriff in kein Gesetz. Wenn er dennoch nach dem Willen der Mehrheit hin- ein soll, dann muß er weiterhin all- gemeinärztliches Anliegen bleiben, das heißt er muß zumindest den unterschiedlichen wissenschaftli- chen Meinungen und Auffassungen darüber gerecht werden und diffe- renziert gehandhabt werden. Sonst muß man sich den Vorwurf gefallen lassen, „absolutistisch zum Wohle des Volkes" gedacht zu haben, und das verträgt sich nicht mit unserem Grundgesetz.

Dr. med. Gottfried Büttner Arzt für Allgemeinmedizin Feldbergstraße 6

3500 Kassel-Wilhelmshöhe

. . . Ich erlaube mir, Ihnen zwei Fragen zu stellen, die für Ihre Dis- kussion entscheidend sind:

1. Können Sie mir einen metho- disch und ethisch einwandfreien kontrollierten klinischen Versuch zum Nachweis einer Wirksamkeit

— das heißt der Heilung oder Bes- serung einer behandlungsbedürfti- gen Krankheit — vorlegen? Bis- lang war dazu noch niemand in der Lage, weder die von mir befragten Pharmakologen noch das Bundes- gesundheitsministerium oder das Bundesgesundheitsamt. Die Über- schätzung der Möglichkeiten des Wirksamkeitsnachweises liegt an der Unkenntnis der Methodenlehre der klinischen Statistik.

2. Zum Doppelblindversuch habe ich mich in meiner Monographie

„Arzneimittelsicherheit und Gesell- schaft" kritisch geäußert. Meine Einwände konnte noch niemand widerlegen. Können Sie mir eine Arbeit nennen, in der die Methode des Doppelblindversuches validiert worden ist, das heißt in der nach- gewiesen ist, daß die Versuchsan- ordnung als solche nicht in die Voraussetzungen der Vergleichs- gruppe eingeht und die Ergebnisse eines solchen Versuches somit auf die offene Behandlungssitua- tion übertragbar sind? Wenn man über eine Methode diskutiert, muß man sich über ihre Aussagekraft Rechenschaft geben. Nach meinen Erhebungen liegt diese Mindestvor- aussetzung hier nicht vor.

Ich möchte Sie doch bitten, zu die- sen Fragen mit beweiskräftigen Unterlagen Stellung zu nehmen.

Privatdozent Dr. med. G. Kienle Gern. Gemeinschaftskrankenhaus Beckweg 4

5804 Herdecke

Si tacuisset Robert Spaemann, phi- losophus mansisset ... Zu deutsch: Hätte Spaemann ge- schwiegen, so wäre er einer dieser

Philosophen im Elfenbeinturm ge- blieben. Nun hat er aber zu einem Politikum Stellung bezogen in aller Öffentlichkeit, und der Professor für Pharmakologie glaubt, ihm den Rang des Philosophen in Frage stellen zu können?

Es sei einem Nichtprofessor und Philosophiedilettanten gestattet, auf die Seite Spaemanns zu treten.

Spaemann bezeichnet den ersten Zweck des derzeit verhandelten neuen Arzneimittelrechts, nämlich den Schutz vor Schäden durch stark wirkende Arzneien, als Auf- gabe des Rechtstaats; den zweiten Zweck, nämlich die Gewährlei- stung der „Wirksamkeit" jeder Arz- nei, als Bedürfnis eines totalisti- schen Staates, seinen Bürgern die Art ihrer Lebens- und Gesundheits- führung vorzuschreiben.

Es ist durchaus nicht absurd, zu bemerken, daß die US Food and Drug Administration die US-Ameri- kaner zugleich schützt und bevor- mundet, wenn und soweit sie bei ihrer Arzneiprüfung zugleich beide Anliegen durchsetzt. Da sie freilich alte Arzneien nicht mehr zu prüfen hat, kommt ohnehin der zweite Zweck nicht mehr zum Tragen ...

Rummel nennt zur Unterstützung seiner Auffassung einige Krankhei- ten, für die es spezifische Heilmittel gibt, an denen also deren Wirk- samkeit schlagend nachgewiesen werden kann. Er unterstellt, daß alle Arzneien diagnosespezifisch anzuwenden und direkt auf meßba- re Parameter wirken müßten, um wirksam zu sein. Diesen Schluß halte ich für irrig. Es stimmt nur bei

„extremen" Krankheiten. Den gro- ben Keil der stark wirksamen Arz- nei auf das noch zarte Klötzchen einer beginnenden Funktionsstö- rung (Krankheit im Frühstadium) anzusetzen ist ebenso unzweck- mäßig wie die Besserungsmaßnah- men eines Zuchthauses zur Richtschnur für die Kindererzie- hung nehmen zu wollen.

Mit Rummel hoffen wir alle auf ein Mittel gegen den Krebs, jawohl.

1114 Heft 16 vom 15. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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