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Archiv "Untauglicher Versuch über die „Wirksamkeit“: II." (15.04.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen Arzneimittel-Wirksamkeit

Thema anführt: „Aber soll man etwa die Forderung nach der Auf- klärung von Verbrechen deshalb aufgeben, weil es unter bestimmten Bedingungen sehr schwierig ist und nach Auskunft der Statistik bei ei- nem nicht geringen Prozentsatz bisher nicht möglich war'?" Nie- mand, der gegen den Wirksam- keitsnachweis Sturm läuft, will die Bemühungen der Pharmakologen bremsen, weitere Wirksamkeits- nachweise zu erbringen. Aber er- stens ist die Arzneimittelwirkung kein „Verbrechen", allenfalls wä- ren das Nebenwirkungen, die unter

„Unbedenklichkeit" fallen. Zweitens sieht der Gesetzentwurf die „Vor- beugehaft" aller jener „Verbre- cher" vor (um in W. Rummels Bild zu bleiben), deren „Kriminalität"

(sprich: Wirksamkeit) bisher nicht nachgewiesen werden konnte.

Im Grunde genommen will man „die ganze Bevölkerung einsperren, nur damit die wenigen „potentiellen Straftäter" gleich mit dingfest ge- macht sind. Jedermann genießt hier Rechtsschutz! „Die Logik die- ser Schlußfolgerung ist einfach ab- surd", diesen Satz von W. Rummel muß man auf seine eigene Argu- mentation anwenden. Ist das kein Zeichen von Absolutismus?

Solange sich die Ärzteschaft über Methoden und Maßstäbe der Wirk- samkeitsbeurteilung so wenig einig ist, wie das tatsächlich der Fall ist, gehört der Wirksamkeitsbegriff in kein Gesetz. Wenn er dennoch nach dem Willen der Mehrheit hin- ein soll, dann muß er weiterhin all- gemeinärztliches Anliegen bleiben, das heißt er muß zumindest den unterschiedlichen wissenschaftli- chen Meinungen und Auffassungen darüber gerecht werden und diffe- renziert gehandhabt werden. Sonst muß man sich den Vorwurf gefallen lassen, „absolutistisch zum Wohle des Volkes" gedacht zu haben, und das verträgt sich nicht mit unserem Grundgesetz.

Dr. med. Gottfried Büttner Arzt für Allgemeinmedizin Feldbergstraße 6

3500 Kassel-Wilhelmshöhe

. . . Ich erlaube mir, Ihnen zwei Fragen zu stellen, die für Ihre Dis- kussion entscheidend sind:

1. Können Sie mir einen metho- disch und ethisch einwandfreien kontrollierten klinischen Versuch zum Nachweis einer Wirksamkeit

— das heißt der Heilung oder Bes- serung einer behandlungsbedürfti- gen Krankheit — vorlegen? Bis- lang war dazu noch niemand in der Lage, weder die von mir befragten Pharmakologen noch das Bundes- gesundheitsministerium oder das Bundesgesundheitsamt. Die Über- schätzung der Möglichkeiten des Wirksamkeitsnachweises liegt an der Unkenntnis der Methodenlehre der klinischen Statistik.

2. Zum Doppelblindversuch habe ich mich in meiner Monographie

„Arzneimittelsicherheit und Gesell- schaft" kritisch geäußert. Meine Einwände konnte noch niemand widerlegen. Können Sie mir eine Arbeit nennen, in der die Methode des Doppelblindversuches validiert worden ist, das heißt in der nach- gewiesen ist, daß die Versuchsan- ordnung als solche nicht in die Voraussetzungen der Vergleichs- gruppe eingeht und die Ergebnisse eines solchen Versuches somit auf die offene Behandlungssitua- tion übertragbar sind? Wenn man über eine Methode diskutiert, muß man sich über ihre Aussagekraft Rechenschaft geben. Nach meinen Erhebungen liegt diese Mindestvor- aussetzung hier nicht vor.

Ich möchte Sie doch bitten, zu die- sen Fragen mit beweiskräftigen Unterlagen Stellung zu nehmen.

Privatdozent Dr. med. G. Kienle Gern. Gemeinschaftskrankenhaus Beckweg 4

5804 Herdecke

Si tacuisset Robert Spaemann, phi- losophus mansisset ... Zu deutsch: Hätte Spaemann ge- schwiegen, so wäre er einer dieser

Philosophen im Elfenbeinturm ge- blieben. Nun hat er aber zu einem Politikum Stellung bezogen in aller Öffentlichkeit, und der Professor für Pharmakologie glaubt, ihm den Rang des Philosophen in Frage stellen zu können?

Es sei einem Nichtprofessor und Philosophiedilettanten gestattet, auf die Seite Spaemanns zu treten.

Spaemann bezeichnet den ersten Zweck des derzeit verhandelten neuen Arzneimittelrechts, nämlich den Schutz vor Schäden durch stark wirkende Arzneien, als Auf- gabe des Rechtstaats; den zweiten Zweck, nämlich die Gewährlei- stung der „Wirksamkeit" jeder Arz- nei, als Bedürfnis eines totalisti- schen Staates, seinen Bürgern die Art ihrer Lebens- und Gesundheits- führung vorzuschreiben.

Es ist durchaus nicht absurd, zu bemerken, daß die US Food and Drug Administration die US-Ameri- kaner zugleich schützt und bevor- mundet, wenn und soweit sie bei ihrer Arzneiprüfung zugleich beide Anliegen durchsetzt. Da sie freilich alte Arzneien nicht mehr zu prüfen hat, kommt ohnehin der zweite Zweck nicht mehr zum Tragen ...

Rummel nennt zur Unterstützung seiner Auffassung einige Krankhei- ten, für die es spezifische Heilmittel gibt, an denen also deren Wirk- samkeit schlagend nachgewiesen werden kann. Er unterstellt, daß alle Arzneien diagnosespezifisch anzuwenden und direkt auf meßba- re Parameter wirken müßten, um wirksam zu sein. Diesen Schluß halte ich für irrig. Es stimmt nur bei

„extremen" Krankheiten. Den gro- ben Keil der stark wirksamen Arz- nei auf das noch zarte Klötzchen einer beginnenden Funktionsstö- rung (Krankheit im Frühstadium) anzusetzen ist ebenso unzweck- mäßig wie die Besserungsmaßnah- men eines Zuchthauses zur Richtschnur für die Kindererzie- hung nehmen zu wollen.

Mit Rummel hoffen wir alle auf ein Mittel gegen den Krebs, jawohl.

1114 Heft 16 vom 15. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Aber: Ein Großteil unserer Mitbür- ger läßt sich für bekannt krebsaus- lösende Genußmittel das „sauer verdiente Geld aus der Tasche zie- hen". Warum nimmt der Gesetzge- ber eine offenkundig prophylakti- sche Möglichkeit nicht wahr, da er doch seine „mündigen" Bürger zu schützen gedenkt vor Arzneimit- teln, die zwar von staatlich appro- bierten Ärzten verschrieben wer- den, aber nicht totsicher wirksam sind? Selbst wenn der Bürger hier durch eine aufbauschende Wer- bung verführt würde, ist doch der Werbeaufwand für solche Mittel eine Bagatelle, verglichen mit der Reklame der Tabakwaren- industrie.

Und man müßte in Kauf nehmen, daß man mit einer etwaigen Schar- latanerie eine Menge unscheinba- rer althergebrachter Volksweisheit und stillen Kräuterwirkens vernich- tete.

Rummel vergleicht den Wirksam- keitsnachweis mit der Jagd der Po- lizei auf Verbrecher. Das Bild ist falsch: der Verbrecherjagd ent- spricht der Nachweis der Unschäd- lichkeit. Der Wirksamkeitsnachweis, auf die Ebene der Polizei übertra- gen, das hieße jedem Bürger zur Pflicht zu machen, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen. Noch ist bei uns die Rechtslage so, daß je- der als unschuldig gilt, solange man ihm nicht das Gegenteil be- wiesen hat. Und die althergebrach- te Arznei, das homöopathische Si- mile, das Heilkraut hat ebensowe- nig wie der biedere Kleinbürger das Geld und die Verbindungen, den Nachweis seiner Nützlichkeit vor einer gestrengen Kommission zu führen.

Spaemann wehrt sich zu Recht und dankenswerterweise gegen die Be- vormundung durch den Staat, der seinen Bürgern lediglich stark wirksame Arzneien von staatlich nachgewiesener Wirksamkeit zuge- stehen möchte.

Dr. med. Theo Raspe Aegidiistraße 37 4400 Münster

Arzneimittel-Wirksamkeit

Schlußwort

Eine detaillierte Auseinandersetz- ung mit den Einwendungen der Au- toren der Leserbriefe ist hier nicht möglich. Ich beschränke mich des- halb darauf, zu verdeutlichen, wor- auf es mir in meinem Artikel „Un- tauglicher Versuch ..." ankam.

Wenn man es ablehnt, daß der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit einer neuen Substanz erbracht wird, bevor sie zur allge- meinen Anwendung als Arzneimit- tel freigegeben wird, dann hat man konsequentermaßen nur eine Alter- native: entweder man untersagt sicherheitshalber jede Neueinfüh- rung oder man läßt ohne kontrol- lierte Erprobung am Menschen (möglicherweise auch ohne Tier- versuch wegen seines begrenzten prädikativen Wertes) — der Hy- pothese eines Antragstellers ver- trauend — auf gut Glück neue Substanzen für den allgemeinen Gebrauch zu.

Der Nachweis der „Unbedenklich- keit", das heißt des Fehlens schäd- licher Wirkungen, muß dann eben- falls unterbleiben, weil es sich hier- bei um eine relative Größe handelt:

nicht eine Substanz an sich ist un- bedenklich, sondern sie ist es nur in einer in einem bestimmten Ver- hältnis zur therapeutischen Dosis stehenden Menge (siehe bei Para- celsus).

Die heutigen pharmakotherapeuti- schen Erfolge sind das Resultat der am Menschen durchgeführten Erprobungen von gestern. Alle

„probaten" Heilverfahren (medika- mentöse und operative) sind ir- gendwann einmal zum ersten Male am Menschen erprobt werden.

Das Ziel, neben dem therapeuti- schen Fortschritt für alle größt- mögliche Sicherheit für den einzel- nen zu gewährleisten, kann ohne allgemeinverbindliche Regelungen nicht erreicht werden.

Professor Dr. W. Rummel Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität 6650 Homburg

AUS DEM BUNDESTAG

Erhebung

zur Feststellung von Aufklärungslücken

Eine im Auftrag der Bundeszentra- le für gesundheitliche Aufklärung durchgeführte Fragebogenaktion zur „Erhebung und Dokumentation von Maßnahmen der Aus- und Fort- bildung zu gesundheitsrelevanten Themen" soll einer „umfassenden Bestandsaufnahme aller Aktivitäten auf dem Gebiet der gesundheitli- chen Aufklärung" dienen.

Auf Anfrage der CDU-Abgeordne- ten Frau Dr. Neumeister teilte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Fami- lie, Jugend und Gesundheit, Karl Fred Zander, mit, daß diese Er- hebung in drei Befragungswellen verlaufe und im März 1976 abge- schlossen sein sollte.

Bei der Erhebung gehe es um die Erfassung von Aktivitäten auf den drei Bereichen der Ausbildung, Fortbildung und Aufklärung. Daraus soll sich die Basis für eine Lücken- analyse ergeben, mit der festge- stellt werden könne, welche Ziel- gruppen bisher mangelhaft bedacht worden seien und wo die Kölner Bundeszentrale ihre eigenen Arbei- ten verstärken sollte.

Den Gesamtkostenaufwand der Er- hebung bezifferte Zander mit ins- gesamt 61 000 DM. Zur Kritik von Frau Neumeister, daß der Fragebo- gen Ungenauigkeiten enthalte — es sei zum Beispiel von „Heilmas- seur" die Rede, obwohl es eine derartige gesetzliche Berufsbe- zeichnung überhaupt nicht gebe —, räumte Zander ein, daß sich bei ei- ner solchen Aktion selbst bei sorg- fältiger Vorbereitung Fehler ein- schlichen, und die angesprochene Berufsbezeichnung „Heilmasseur"

sei ein solcher Fehler.

Da aber aus dem Gesamtzusam- menhang klar zu erkennen sei, was gemeint sei, sei diesem „Schön- heitsfehler" keine Bedeutung zuzu- messen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 15. April 1976 1115

Referenzen

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