A658 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 14⏐⏐3. April 2009
B R I E F E
Diese Information trifft nicht zu.
Wir haben die Einführung einer Umweltzone ausgesetzt, da wir an- dere Maßnahmen zur Reduzierung der Luftschadstoffbelastung für wirksamer halten. Weiterhin er- scheint uns die starke Fokussierung des Artikels auf den Feinstaub un- zureichend. Bei Erörterung der Luftgüteverhältnisse ist das gesamte Spektrum der mit Grenzwertrege- lungen versehenen Schadstoffe im Blick zu behalten. Unter den in Deutschland gegebenen Rahmenbe- dingungen bedeutet dies, dass eine eingehende Bewertung der Sachlage zumindest für Feinstaub, Stickstoff- dioxyd und Ozon erforderlich ist. In Nürnberg sind bisher die heute gül- tigen Grenzwertregelungen für Feinstaub stets eingehalten worden, wohingegen punktuell Überschrei- tungen des für Stickstoffdioxyd gül- tigen Jahresmittelwerts festgestellt wurden. Ebenso traten in den Außenbereichen Überschreitungen des sogenannten am Schutz der Ve- getation orientierten AOT-Werts der Ozonkonzentration auf. Eine wesentliche Verbesserung der Luft- güteverhältnisse wird sich nur durch erhebliche Einschränkungen der Emissionen erreichen lassen, z. B.
durch eine Reduzierung des Indivi- dualverkehrs, Steigerung des An- teils emissionsfreier Mobilität und rasche Modernisierung der Fahr- zeugflotte hin zu verbrauchs- und emissionsarmen Fahrzeugen.
Dr. Peter Pluschke,Stadt Nürnberg, Umweltreferat, Hauptmarkt 18, 90403 Nürnberg
Wirksamkeit ist zu überprüfen
Keine Überschreitung der Fein- staubgrenzwert im Jahre 2008 in Berlin und ein deutlicher Rückgang der Überschreitungen in Köln. Der Artikel offenbart die Widersprüch- lichkeit der Diskussion um den Nut- zen von Umweltzonen. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die beobachtete Verbesserung der Luft- qualität eher wetterbedingt denn Folge der eingeführten Umweltzo- nen ist, andererseits fordern Vertre- ter der Ärztekammern des Bundes und Niedersachsens ihre Auswei- tung. Anscheinend haben metereolo-
gische Faktoren einen deutlich größeren Einfluss auf Feinstaubkon- zentrationen in Innenstädten als ver- kehrsbeschränkende Maßnahmen.
Dies erscheint auch nicht unlogisch, da doch andere Feinstaubquellen in- nerhalb und außerhalb einer Um- weltzone nicht beschränkt werden, wie Haushalte, Industrie, Reifen- und Bremsabrieb, Schiffstransporte, Zugverkehr oder Schüttgutverla- dung etc. Eine verlässliche Zuord- nung der Staubquellen würde die Überlegungen, wo Feinstaubredukti- on wirklich sinnvoll ist, deutlich erleichtern. Messwerte von Umwelt- ämtern zumindest können nicht zwi- schen den Quellen differenzieren, wie richtigerweise im Bericht aus- geführt wird. Die einzuhaltenden Feinstaubgrenzwerte sind mithilfe
der Weltgesundheitsorganisation auf der Basis umfangreicher wissen- schaftlicher Studien zu gesundheitli- chen Wirkungen abgeleitet worden.
Die Grenzwerte beinhalten also schon gesundheitliche Aspekte, an- dernfalls würden sie auch keinen Sinn ergeben . . . Es ist schon ver- wunderlich, dass bei Einführung der Umweltzonen keine Überlegungen erfolgt sind, wie eine Wirksamkeit dieser Maßnahme belegt werden kann . . . Die Überprüfung der Wirk- samkeit ist also zu fordern, aber bitte mit wissenschaftlich geeigneten Me- thoden und Instrumentarien.
Literatur beim Verfasser
Dr. Michael Spallek,
Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor e.V., Thielallee 69, 14195 Berlin
INSULINTHERAPIE
Zusammenfassung einer Neuauswer- tung des Diabetes Control and Compli- cations Trials (DCCT) (DÄ 6/2009: „Intensi- vierte Insulintherapie ist nicht überlegen“ von Ernst Chantelau).
Irreführend
Chantelaus Darstellung einer Publi- kation (Diabetes 2008; 57: 995–
1001) über die statistische Neube- rechnung einiger Daten des für die Behandlung des Typ-I-Diabetes hochrelevanten Diabetes Control and Complication Trials (DCCT) ist irre- führend und tendenziös. Worum geht es? Aus einer 1995 veröffentlichten Analyse der Retinopathiedaten der
DCCT (Diabetes 1995; 44: 968–83) wurde seinerzeit abgeleitet, dass bei Vergleich von Patientenkohorten der konventionell und intensiviert be- handelten Studiengruppen, die je- weils identische mittlere HbA1c- Werte hatten, das Retinopathierisiko in den konventionell behandelten Gruppen höher war, d. h. dass die in- tensivierte Insulintherapie einen zu- sätzlichen Effekt unabhängig vom HbA1czu haben schien. Eine Er- klärung für diesen Effekt ließ sich schon damals aus den Daten nicht ableiten, insbesondere keine signifi- kanten Unterschiede in den 7-Punkt- Blutzuckertagesprofilen. Diese Da- ten waren offenbar das Ergebnis ei- nes statistischen Irrtums, wie jetzt in der Publikation eingeräumt wird.
Damit ändert sich aber nichts bezüg- lich der Beurteilung der intensivier- ten Insulintherapie für die klinische Praxis:
Die intensivierte Insulintherapie (ICT) führt im Vergleich mit der konventionellen Insulintherapie (CT) zu einer deutlichen HbA1c-Senkung, die erreichten HbA1c-Werte sind er- heblich und hochsignifikant unter- schiedlich (7,2 vs. 9,1 Prozent!).
Dieser HbA1c-Unterschied be- dingt relevante und hochsignifikante Differenzen in Inzidenz und Progres- sion von Retinopathie und Nephro- pathie. Diese Unterschiede sind fast Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden
aufmerksam gelesen. Sie können jedoch nur veröffent- licht werden, wenn sie ausdrücklich als „Leserbrief“
bezeichnet sind. Voraussetzung ist ferner die vollständige Anschrift des Verfassers (nicht nur die E-Mail-Adresse).
Die Redaktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail-Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen sollen,
zu kürzen. DÄ
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ausschließlich (95,8 bis 99,9 Pro- zent) auf die Unterschiede im HbA1c-Level zurückzuführen.
Aus und folgt, dass die ICT der CT sehr wohl überlegen ist und zu einer relevanten Risikoreduktion führt. Die ICT hat lediglich keine aus dieser Studie ableitbaren, vom HbA1c-Wert unabhängigen, zusätzli- chen, positiven Effekte.
Dass die mikrovaskulären Kom- plikationen des Diabetes eine multi- faktorielle Pathogenese auch unter Einschluss nicht beeinflussbarer Ri- sikofaktoren haben, ist bekannt. In der Gesamtkohorte aller Patienten, damit unabhängig von der Therapie und der Zuordnung zur Primär- oder Sekundärpräventiongsgruppe, ist die Assoziation zwischen dem HbA1c- Wert (beziehungsweise der glykämi- schen Exposition unter Einschluss des Zeitfaktors) und dem Komplika- tionsrisiko im Sinne einer epidemio-
logischen Analyse zwangsläufig schwächer. Darauf bezieht sich der von Chantelau genannte 11-Prozent- Wert, der aber für die Bewertung der DCCT-Ergebnisse irrelevant ist.
Dr. med. Jürgen Krug,Medizinische Klinik West, Behandlungseinrichtung Diabetes mellitus Typ1/Typ 2 (DDG), Klinikum St. Georg, Nikolai-Rumjanzew-Straße 100, 04207 Leipzig
Missverständnis
Im oben genannten Artikel referiert Prof. Ernst Chantelau die Ergebnisse einer erneuten Auswertung der Daten des Diabetes Control and Complica- tions Trials (DCCT Studie). In einem im April 2008 in „Diabetes“ erschie- nenen Artikel hatten die Autoren um John M. Lachin die Ergebnisse einer 1995 publizierten epidemiologischen Auswertung teilweise als statischen Artefakt beschrieben. In seinem Bei- trag formuliert Prof. Chantelau drei
Aussagen, die der Arbeit von John M. Lachin zu entnehmen seien:
Eine intensivierte Insulintherapie war einer konventionellen Insu- lintherapie hinsichtlich des Risikos für eine mikrovaskuläre Folgeer- krankung des Diabetes nicht über- legen.
Die kumulative Inzidenz für eine Retinopathieprogression während der DCCT betrug in Abhängigkeit vom HbA1c-Niveau fünf Prozent, sieben Prozent und 22 Prozent.
Nur elf Prozent des Risikos für diabetische Folgeschäden (Retinopa- thie, Neuropathie, Nephropathie) konnten auf die glykämische Expo- sition zurückgeführt werden.
Keine dieser Aussagen kann der refe- rierten Publikation entnommen wer- den. Richtig ist vielmehr,
dass auch in der DCCT-Studie Personen mit einer intensiven Insu- lintherapie sehr viel häufiger einen