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Archiv "Untauglicher Versuch über die „Wirksamkeit“: Zu einem Artikel des Philosophen Robert Spaemann zum Nachweis der Arzneimittelwirksamkeit" (11.09.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

„Der Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Neuordnung des Arz- neimittelrechts verfolgt insbeson- dere drei Zwecke: 1. Die Patienten sollen vor schädlichen Nebenwir- kungen geschützt werden, „die über ein nach den Erkenntnissen der Medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen". 2.

Es soll ihnen „Wirksamkeit" der Arzneimittel gewährleistet werden.

3. Für den Fall dennoch eintreten- der Schädigung soll ein „Arznei- mittelentschädigungsfonds" aus Beiträgen der Arzneimittelindustrie errichtet werden." Der erste Zweck entspreche den klassischen Aufga- ben des Rechtsstaates und der dritte den klassischen Aufgaben des Sozialstaates. „Der zweite Zweck gehört zu den klassischen Aufgaben des absolutistischen und des totalitären Staates, seine Un- tertanen auf den Weg zum richti- gen Leben, zu Gesundheit und Glück zu führen, den die Inhaber der Staatsgewalt für den wahren Weg halten."

So beginnt Robert Spaemann, der Münchener Philosoph, einen Artikel über die geplante Novellierung des Arzneimittelgesetzes, erschienen in der „Deutschen Zeitung/Christ und Welt". Nun bedürften die Ansichten eines, wenn auch nicht unbekann- ten, Philosophen über Arzneimittel- probleme nicht unbedingt einer fachlichen Kommentierung, wenn es sich um eine vereinzelte Auffas- sung, verkündet im kleinen Kreis, handelte. Doch Spaemann gibt Meinungen wider, die immer wie- der in der Öffentlichkeit anklingen.

Nehmen wir uns unter diesem Aspekt seines Artikels an:

Von der polemisch-demagogischen Formulierung abgesehen, die Logik dieser Schlußfolgerung ist einfach absurd. Die zum Schutz des Ver- brauchers in den USA eingesetzte Nahrungs- und Arzneimittel-Behör- de (Food and Drug Administration), die zu überprüfen hat, ob bei neu angemeldeten Arzneimitteln der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unschädlich- keit erbracht ist, erfüllt demnach eine klassische Aufgabe eines ab- solutistischen und totalitären Staa- tes!

„Gibt es ausreichende Verfahren, um die Wirksamkeit eines Medika- mentes zu prüfen?" Um die Beant- wortung dieser Frage geht es (wie manchem anderen in der Öffent- lichkeit) Robert Spaemann. Seine Antwort lautet, kurz gesagt: Nein.

Die Realität sieht aber anders aus.

Es sollte auch einem Laien mög- lich sein, sich das klarzumachen.

Er versuche sich einmal vorzustel- len, es gäbe noch kein Mittel ge- gen Lungenentzündung, gegen ho- hen Blutdruck, gegen die Tuberku- lose, gegen die Epilepsie, gegen die perniziöse Anämie usw. und eines seiner Kinder sei an einer Tuberkulose schwer erkrankt oder leide an einer Epilepsie. Eines Ta- ges werden von verschiedenen Herstellern Arzneimittel gegen Tu- berkulose bzw. gegen Epilepsie als neu entdeckt angeboten. Nur eini- ge davon können für sich in An- spruch nehmen, daß ihre therapeu- tische Wirksamkeit in einer kon- trollierten klinischen Erprobung objektiviert wurde. Sicherlich wür- de Robert Spaemann (und jeder andere) den Mitteln den Vorzug ge-

Auseinandersetzungen über die geplante Novellierung des Arzneimittelgesetzes ent- zünden sich — bis in die jüngste Zeit hinein — oft an dem geforderten Wirksam- keitsnachweis und der klini- schen Prüfung. Einen gera- dezu exemplarischen Angriff versuchte der Münchner Phi- losoph Robert Spaemann in einem Zeitungsartikel. Darauf bezieht sich der folgende Beitrag unmittelbar; indirekt wendet sich der Verfasser damit natürlich auch an die (offenbar nicht kleine) Schar ähnlicher Kritiker. Der Autor ist stellvertretender Vorsit- zender der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzte- schaft.

ben, deren Wirksamkeitsnachweis erbracht wurde. Oder, gesetzt den Fall, es gäbe noch keinen Impfstoff gegen die Kinderlähmung, und morgen träte ein Hersteller auf und behaupte, er habe einen solchen Impfstoff entdeckt. Würden dann einfach gutgläubig Hunderttausen- de von Kindern damit geimpft? In Wirklichkeit — wir alle wissen es — sind diese segensreichen Entwicklungen anders gelaufen.

Die Forscher in den Laboratorien und die Ärzte in den Kliniken, de- nen wir diese Fortschritte verdan- ken, sind mit Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, daß ohne den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit es ethisch unvertret- bar wäre, Erwartungen zu wecken, deren Erfüllbarkeit nicht erwiesen ist.

Robert Spaemann (und leider auch andere) hingegen will glauben ma- chen, es sei eine Fiktion anzuneh- men, „wir verfügten über Prüfungs- verfahren, die es gestatten, Wirk- samkeit' von Arzneimitteln zuver- lässig zu objektivieren".

... Denn: „Nachweislich spielt der Glaube sowohl des Patienten als

Untauglicher Versuch über die „Wirksamkeit"

Zu einem Artikel des Philosophen Robert Spaemann zum Nachweis der Arzneimittelwirksamkeit

Walter Rummel

2550 Heft 37 vom 11. September 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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auch des Arztes im HeilungsprozeH eine entscheidende Rolle". Er darf sicher sein, daß diese Trivialität auch denen bekannt ist, die sich hauptberuflich mit der Entwicklung neuer Arzneimittel abmühen. Die Informationen über die Rolle sug- gestiver Faktoren beim Zustande- kommen eines therapeutischen Ef- fektes - auf die auch Spaemanns Gewährsmann Kienle zurückgreift - entstammen den jahrelangen, umfangreichen Untersuchungen über den Placebo-Effekt, d. h. den suggestiven Anteil der Arzneistoff- Wirkung. Diese Studien sind nicht etwa mit dem Ziel durchgeführt worden, nachzuweisen, daß die Wirksamkeit von Arzneimitteln nicht objektivierbar sei. Es handelt sich vielmehr um methodisch kriti- sche Untersuchungen aus jenen Forscherkreisen, die sich mit den Voraussetzungen zur Erfassung von Arzneimittelwirkungen am Men- schen intensiv beschäftigt haben.

Eines der lehrreichen Ergebnisse dieser Forschungen ist zum Bei- spiel die Erkenntnis, daß bei Gabe eines Schmerzmittels bei bestimm- ten Schmerzen der Anteil an der erzielten Wirkung, der dem Medi- kament zukommt, im Durchschnitt nur 60 Prozent beträgt und daß 30 Prozent auf die suggestive Kompo- nente entfallen. Ein anderes Bei- spiel: Bei der Prüfung eines Medi- kamentes gegen die Reisekrank- heit hat sich gezeigt, daß bei leich- tem Seegang der suggestive Anteil an der erzielten Wirkung groß, bei schwerem aber sehr klein ist.

Das Resultat dieser Untersuchung ist exemplarisch und stimmt mit ei- ner allgemeinen ärztlichen Erfah- rung überein: je stärker psychische Faktoren für Krankheitserscheinun- gen verantwortlich sind, um so wir- kungsvoller ist der suggestive An- teil bei therapeutischen Maßnah- men, und je stärker organische Ver- änderungen das Krankheitsgesche- hen bestimmen, um so unentbehrli- cher wird der nichtsuggestive An- teil der Medikation. Unpäßlichkei- ten der verschiedensten Art, wie etwa sogenannte "nervöse Herz- beschwerden", werden auf eine

Arznei mittei-Wi rksam keit

Medikation, bei der der suggestive Anteil die Hauptkomponente dar- stellt, gut ansprechen. Es muß so- gar festgestellt werden, daß die Verordnung von Arzneimitteln, bei denen die nichtsuggestive Kompo- nente sehr stark ist, in solchen Fäl- len nicht angezeigt ist. Wenn es hingegen darum geht, einem Pa- tienten mit Angina-pectoris-Anfäl- len zu helfen, dann kommt der

nichtsuggestiven Komponente des

Nitroglycerin-Präparates die ent- scheidende Bedeutung zu.

~ Je ernster die Situation, je vita- ler die Bedeutung des Arzneimit- tels, um so entscheidender wird der nichtsuggestive und um so uner- heblicher wird der suggestive An- teil seiner Wirkung.

Wie schwierig es bisweilen ist, die therapeutische Wirksamkeit von Arzneimitteln nachzuweisen, ist niemand klarer als denen, die sich professionell damit befassen. Aber soll man etwa die Forderung nach der Aufklärung von Verbrechen, deswegen aufgeben, weil es unter bestimmten Bedingungen sehr schwierig ist und nach Auskunft der Statistik bei einem nicht gerin- gen Prozentsatz bisher nicht mög- lich war?

Wir alle hoffen auf ein wirksames Medikament gegen den Krebs. Je- der möchte sich aber davor be- wahrt sehen, daß er und seine An- gehörigen das Opfer von Scharla- tanen werden, die ihm sauer ver- dientes Geld für Mittel, deren nichtsuggestiver Anteil gleich Null ist, aus der Tasche ziehen.

Auch Robert Spaemann ist (wie je- dem anderen) zu wünschen, daß bei ihm im Ernstfall nur Medika- mente zur Anwendung kommen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. - Si tacuisses ...

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Walter Rummel 665 Homburg/Saar

Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität des Saarlandes

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

AUS DEM BUNDESTAG

Bedingungen für die Anwerbung koreanischer

Krankenschwestern

Eine wesentliche Voraussetzung für die Beschäftigung koreanischer Krankenschwestern in deutschen Krankenhäusern ist es, daß für jede angenommene Bewerberin ein schriftlicher Arbeitsvertrag in deut- scher und in koreanischer Sprache ausgestellt wird. Diese Regelung geht auf eine Verfahrensabsprache zurück, die zwischen der Deut- schen Krankenhausgesellschaft, Düsseldorf, und der Korea Over~

seas Development Corporation, Seoul, getroffen worden ist. Darauf wies der Parlamentarische Staats- sekretär des Bundesarbeitsministe- riums, Hermann Buschfort, in der Beantwortung einer Kleinen Anfra- ge des SPD-Bundestagsabgeord- neten Erwin Stahl (Kempen) hin.

Die mit der koreanischen Gesell- schaft vereinbarte Verfahrensab- sprache sieht darüber hinaus vor, daß die koreanischen Kranken- schwestern neben dem Arbeitsver- trag ein Merkblatt zum Arbeitsver- trag sowie Informationsmaterial über die Beschäftigungsbedingun- gen und ihren Arbeitsplatz in kore- anischer Sprache erhalten.

ln einem Einzelfall sei bekannt ge- worden, daß die Information des koreanischen Krankenpflegeperso- nals nicht ausreichend gewesen war, dieser Mangel sei aber inzwi- schen von der Krankenhausgesell- schaft abgestellt worden.

Die Bundesregierung fördert ge- genwärtig in der Akademie Klau- senhof, Kreis Borken, eine Inter- natsschule speziell für koreanische Krankenschwestern, die in einem vierwöchigen Lehrgang unterrich- tet werden. Die Kurse dienen vor allem dem Erlernen der deutschen Sprache, der Unterrichtung über

die allgemeinen Lebensbedingun-

gen in der Bundesrepublik und der Unterweisung in arbeitsrechtlichen

Fragen. HC

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 37 vom 11. September 1975 2551

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