Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Aber: Ein Großteil unserer Mitbür- ger läßt sich für bekannt krebsaus- lösende Genußmittel das „sauer verdiente Geld aus der Tasche zie- hen". Warum nimmt der Gesetzge- ber eine offenkundig prophylakti- sche Möglichkeit nicht wahr, da er doch seine „mündigen" Bürger zu schützen gedenkt vor Arzneimit- teln, die zwar von staatlich appro- bierten Ärzten verschrieben wer- den, aber nicht totsicher wirksam sind? Selbst wenn der Bürger hier durch eine aufbauschende Wer- bung verführt würde, ist doch der Werbeaufwand für solche Mittel eine Bagatelle, verglichen mit der Reklame der Tabakwaren- industrie.
Und man müßte in Kauf nehmen, daß man mit einer etwaigen Schar- latanerie eine Menge unscheinba- rer althergebrachter Volksweisheit und stillen Kräuterwirkens vernich- tete.
Rummel vergleicht den Wirksam- keitsnachweis mit der Jagd der Po- lizei auf Verbrecher. Das Bild ist falsch: der Verbrecherjagd ent- spricht der Nachweis der Unschäd- lichkeit. Der Wirksamkeitsnachweis, auf die Ebene der Polizei übertra- gen, das hieße jedem Bürger zur Pflicht zu machen, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen. Noch ist bei uns die Rechtslage so, daß je- der als unschuldig gilt, solange man ihm nicht das Gegenteil be- wiesen hat. Und die althergebrach- te Arznei, das homöopathische Si- mile, das Heilkraut hat ebensowe- nig wie der biedere Kleinbürger das Geld und die Verbindungen, den Nachweis seiner Nützlichkeit vor einer gestrengen Kommission zu führen.
Spaemann wehrt sich zu Recht und dankenswerterweise gegen die Be- vormundung durch den Staat, der seinen Bürgern lediglich stark wirksame Arzneien von staatlich nachgewiesener Wirksamkeit zuge- stehen möchte.
Dr. med. Theo Raspe Aegidiistraße 37 4400 Münster
Arzneimittel-Wirksamkeit
Schlußwort
Eine detaillierte Auseinandersetz- ung mit den Einwendungen der Au- toren der Leserbriefe ist hier nicht möglich. Ich beschränke mich des- halb darauf, zu verdeutlichen, wor- auf es mir in meinem Artikel „Un- tauglicher Versuch ..." ankam.
Wenn man es ablehnt, daß der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit einer neuen Substanz erbracht wird, bevor sie zur allge- meinen Anwendung als Arzneimit- tel freigegeben wird, dann hat man konsequentermaßen nur eine Alter- native: entweder man untersagt sicherheitshalber jede Neueinfüh- rung oder man läßt ohne kontrol- lierte Erprobung am Menschen (möglicherweise auch ohne Tier- versuch wegen seines begrenzten prädikativen Wertes) — der Hy- pothese eines Antragstellers ver- trauend — auf gut Glück neue Substanzen für den allgemeinen Gebrauch zu.
Der Nachweis der „Unbedenklich- keit", das heißt des Fehlens schäd- licher Wirkungen, muß dann eben- falls unterbleiben, weil es sich hier- bei um eine relative Größe handelt:
nicht eine Substanz an sich ist un- bedenklich, sondern sie ist es nur in einer in einem bestimmten Ver- hältnis zur therapeutischen Dosis stehenden Menge (siehe bei Para- celsus).
Die heutigen pharmakotherapeuti- schen Erfolge sind das Resultat der am Menschen durchgeführten Erprobungen von gestern. Alle
„probaten" Heilverfahren (medika- mentöse und operative) sind ir- gendwann einmal zum ersten Male am Menschen erprobt werden.
Das Ziel, neben dem therapeuti- schen Fortschritt für alle größt- mögliche Sicherheit für den einzel- nen zu gewährleisten, kann ohne allgemeinverbindliche Regelungen nicht erreicht werden.
Professor Dr. W. Rummel Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität 6650 Homburg
AUS DEM BUNDESTAG
Erhebung
zur Feststellung von Aufklärungslücken
Eine im Auftrag der Bundeszentra- le für gesundheitliche Aufklärung durchgeführte Fragebogenaktion zur „Erhebung und Dokumentation von Maßnahmen der Aus- und Fort- bildung zu gesundheitsrelevanten Themen" soll einer „umfassenden Bestandsaufnahme aller Aktivitäten auf dem Gebiet der gesundheitli- chen Aufklärung" dienen.
Auf Anfrage der CDU-Abgeordne- ten Frau Dr. Neumeister teilte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Fami- lie, Jugend und Gesundheit, Karl Fred Zander, mit, daß diese Er- hebung in drei Befragungswellen verlaufe und im März 1976 abge- schlossen sein sollte.
Bei der Erhebung gehe es um die Erfassung von Aktivitäten auf den drei Bereichen der Ausbildung, Fortbildung und Aufklärung. Daraus soll sich die Basis für eine Lücken- analyse ergeben, mit der festge- stellt werden könne, welche Ziel- gruppen bisher mangelhaft bedacht worden seien und wo die Kölner Bundeszentrale ihre eigenen Arbei- ten verstärken sollte.
Den Gesamtkostenaufwand der Er- hebung bezifferte Zander mit ins- gesamt 61 000 DM. Zur Kritik von Frau Neumeister, daß der Fragebo- gen Ungenauigkeiten enthalte — es sei zum Beispiel von „Heilmas- seur" die Rede, obwohl es eine derartige gesetzliche Berufsbe- zeichnung überhaupt nicht gebe —, räumte Zander ein, daß sich bei ei- ner solchen Aktion selbst bei sorg- fältiger Vorbereitung Fehler ein- schlichen, und die angesprochene Berufsbezeichnung „Heilmasseur"
sei ein solcher Fehler.
Da aber aus dem Gesamtzusam- menhang klar zu erkennen sei, was gemeint sei, sei diesem „Schön- heitsfehler" keine Bedeutung zuzu- messen.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 15. April 1976 1115