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Archiv "Von schräg unten: Misstrauen" (20.09.2013)

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VON SCHRÄG UNTEN

Misstrauen

Dr. med. Thomas Böhmeke

E

in neuer Patient kommt zu mir in die Praxis. Solche ersten Begegnungen verlangen viel Empathie. Es gilt, in kurzer Zeit eine persönliche Beziehung auf- zubauen und das Gefühl zu vermit- teln, in guten Händen zu sein. Zudem ist eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die frei ist von Zwängen, Disso- nanzen und Misstönen.

„Herr Doktor Böhmeke, ich habe gehört, dass Sie ein guter Arzt sind, daher schenke ich Ih- nen mein Vertrauen!“ Danke für das Kompliment, dafür will ich Ihnen nicht nur meine Expertise schen- ken, sondern auch mein Misstrauen. „Wie bitte?!“

Misstrauen. „Das ist, mit Verlaub, etwas sonderbar.“

Nein, das ist es nicht. Schauen Sie, Sie haben bei mei- nen Angestellten Ihre Medikation angegeben. Ich glau- be aber nicht, dass diese Aufstellung komplett ist.

„Doch, das ist sie, ich habe alles richtig angegeben!“

Trotzdem bin ich misstrauisch. Könnte es nicht doch sein, dass er zusätzlich, vielleicht auch unregelmäßig etwas einnimmt? „Na ja, wenn Sie das so sagen . . . Sie haben Recht, ich nehme öfter Johanniskraut ein.“ Se- hen Sie. „Das ist aber ein pflanzliches Präparat, das macht doch nichts.“ Mitnichten. Johanniskraut ist ein wirksamer Induktor des Zytochroms P 450 3A4 und beeinflusst die Wirksamkeit verschiedener Substanz- gruppen, wie Antibiotika, Blutdruck- und Blutfettsen- ker, um nur einige zu benennen. „Oh! Das war mir nicht bewusst!“

Machen wir weiter. Sie haben einen Arztbrief mitge- bracht, ausweislich der gestellten Diagnosen sind Sie Alkoholiker mit Leberschaden. Stimmt das? „Sie mei- nen die Diagnose C2-induzierte Hepatopathie? Darüber

habe ich mich auch ge- ärgert, weil ich nie Alko- hol getrunken habe. Wie kommt so etwas zustande?“

Sie hatten damals einen erhöh- ten Wert der Gamma-GT. „Ja, aber später hat sich herausgestellt, dass ich Gallensteine habe. Ich hielt dann die Vordiagnose nicht mehr für wichtig.“ Kann sie aber werden. Wenn Sie beispielsweise eine Versicherung ab- schließen wollen, bei der diese Diagnose von Relevanz ist, kann sie Ihnen teuer zu stehen kommen.

Machen wir weiter. In Ihrem Anamnesebogen steht auch, dass Sie vor 30 Jahren einen Herzinfarkt durchgemacht hätten. „Ach, das ist schon lange her, da hatte ich mal Brustschmerzen, man hat mir damals ge- sagt, das sei ein Herzinfarkt.“ Auch daran möchte ich zweifeln. Die koronare Herzerkrankung ist in ihrem Wesen chronisch-progressiv, dass zwischenzeitlich kei- ne kardiale Komplikation aufgetreten ist, spricht für ein anderweitiges Problem als die Korrektheit der Diagno- se. „Sie haben Recht! Letztes Jahr bekam ich deswegen einen Herzkatheter, und der war völlig in Ordnung!“

Das ist schön für Sie. Es wäre ja auch gemein, wenn man Ihnen nach jedem Brustschmerz den Führerschein für eine Weile wegnehmen würde, auch wenn Sie gar nicht koronarkrank sind.

Nun können Sie sehen, wie nützlich eine gesunde Portion Misstrauen ist. „Herr Doktor Böhmeke! Ich darf, ganz ohne Verlaub, sagen: Das ist wunderbar!“

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

S C H L U S S P U N K T

[64] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 11110

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Heft 38

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20. September 2013

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