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Archiv "CDU-Parteitag: Denkanstöße von der eingeladenen Jugend" (10.12.1981)

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CDU-Parteitag: Denkanstöße von der eingeladenen Jugend

Die Rückkehr zur Macht sei für die CDU greifbar geworden, ist in letzter Zeit auch von jenen zu hören, die kritisch zur Union stehen. Die Union versucht diesen Stimmungsum- schwung zu nutzen: Der 30. CDU- Bundesparteitag Anfang November in Harnburg sollte ein Signal des Aufbruchs sein. Unter dem Motto

"Unser Land braucht einen neuen

Anfang" hatten die Veranstalter - neben der Verabschiedung eines 21 Seiten umfassenden Leitantrags - die Diskussion mit rund 500 Jugend- lichen vorgesehen.

Mit dieser zuvor als "Experiment"

apostrophierten Einladung erhoffte der Initiator Helmut Kohl, mehr Po- pularität unter den Jugendlichen zu gewinnen und etwas von jener Staubschicht abzutragen, die dem Parteiimage "konservativ" im Streit mit dem Zeitgeist zuteil wurde.

Trotzdem oder gerade deshalb hatte die Union in ihrem Leitantrag zum Parteitag keine neuen Rezepte anzu- bieten. Vier Schwerpunkte standen auf dem Programm: Friedenspolitik, Erneuerung der sozialen Marktwirt- schaft, Zukunftschancen für Ju- gendliche sowie die Zielvorstellung einer "menschlichen und über- sehaubaren Ordnung in Staat und Gesellschaft". Im Vordergrund stand dabei immer wieder das The-

ma "Angst"; besonders auffallend

bei Kohl. Er sprach vom Glaubens- verlust, der zwangsläufig zu immer mehr Lebensangst führen müsse, und er nannte die Skeptiker, die kei- ne Autorität anerkennen· würden und denen eine "Brücke ... über den Graben ihrer Angst" gebaut werden müsse. Deutlich wurde da- bei die Absicht, mit denen ins Ge- spräch zu kommen, die viele Partei- strategen schon so lange im Profil der großen Partei vermissen: Die kri- tische Jugend. Mit erstaunlicher Selbstsicherheit und "erfrischender Unbekümmertheit", wie es ein Be- obachter formulierte, erfüllten dann auch die jugendlichen Gäste die

Rolle, die man ihnen zugedacht hat- te. Als "nicht zu viel und nicht zu wenig" sei ihre Kritik im Plenum an- gekommen, meinte ein Gastdele- gierter schmunzelnd.

Der Jugend ging es in den Diskus- sionsforen vor allem um die Glaub- würdigkeit des Staates und der Uni- on selbst: Grundsätze wie beispiels- weise die vielgepriesene Subsidia- rität würden durch die Praxis immer wieder mit Füßen getreten. Dort, wo

"Subsidiarität" zu verwirklichen sei, wie beispielsweise in selbstverwalte- ten Jugendzentren, werde die aktive Jugend mit dem Negativ-Begriff "al- ternativ" abgetan. Statt Parteidemo- kratie und Verantwortung auf viele tragende Säulen zu verteilen, kom- me es zur Ämterhäufung frei nach dem Grundsatz "möglichst viele Äm- ter besetzen, daß andere sie mir nicht wegnehmen können". Die Ju- gendlichen ernteten großen Beifall unter den Delegierten. Biedenkopf, der zuvor eine eineinhalb Stunden lange Rede gehalten hatte (ein Ju- gendlicher meinte "Wenn Sie 30 Mi- nuten kürzer gesprochen hätten, hätten Sie sechs andere Meinungen von uns hören können"), antwortete freimütig: "Das Verhältnis oben - unten: Aus unserer Sicht jedenfalls ist es nicht so!" Der Applaus, den ihm die Jugendlichen schenkten, war nicht ohne Zynismus.

Beim Thema Soziale Marktwirt- schaft zeigte sich Blüm sehr enga- giert. Die Marschrichtung in der So- zialpolitik kennzeichnete er so:

..,.. Weniger Staat, mehr Selbstver- waltung

..,.. Betonung des Gerechtigkeitsprin- zips (Leistung und Gegenleistung) ..,.. Statt Flickwerk neue Prinzipien und Perspektiven.

Kohl sprach von "zumutbarer Eigen- beteiligung bei Krankheitskosten".

Bei der Verabschiedung des Leitan- trags waren den meisten Delegierten

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen TAGUNGSBERICHT

solche Formulierungen dann aller- dings doch zu konkret. Mit Hinweis auf das gesundheitspolitische Pro- gramm- es ist schon drei Jahre alt- wurde ein Zusatzantrag der Mittal- standsvereinigung zur direkten fi- nanziellen Mitverantwortung der Krankenversicherten im Krankheits- fall abgelehnt. Was blieb, war das Versicherungsprinzip "Leistung und Gegenleistung", das "weder durch eine Einheitsversicherung noch durch die Ausdehnung des Versor- gungsstaates auf die Sozialversiche- rung beseitigt werden" dürfe. Mehr flächendeckend als dem Detail ver- bunden war auch die übrige sozial- politische· Argumentation.

Die Einführung eines Erziehungs- geldes für Mütter mit Kleinkindern allerdings (die CDU spricht von 400 DM monatlich in den ersten fünf Jahren mit Rentenanrechnung) wird sicher noch öfters zu Diskussionen Anlaß geben. Auch der Vorschlag Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich wird die Gewerk- schaften beschäftigen müssen.

Als Resümee läßt sich ableiten, daß trotz Fehlens eines großen Alterna- tivkonzeptes in aktuellen Fragen, wie beispielsweise der Haushaltssa- nierung, in der Detailarbeit einige Munition für den politischen Schlag- abtausch mit SPD und FDP gewon- nen werden konnte- weniger durch den Leitantrag, der im Prinzip nichts Neues brachte, als durch die kriti- schen Beiträge der Jugendlichen.

Die Dialogform war außerdem ein geglückter Anfang, Jugendlichen die Aufgeschlossenheit der Union deutlich zu machen; allerdings nicht ohne die Gefahr, daß hinter der neu- en Form kein neuer Inhalt steckt und dem "freundlichen" Schlagab- tausch mit den jugendlichen Gästen eines Tages "Alibifunktion" ange- hängt werden könnte. Hoffentlich war es kein Symptom dafür, als der Tagungsleiter Jürgen Echternach am zweiten Arbeitstag im Anschluß an eine Rede Stoibers ins Mikro- phon routiniert sagte: Am Applaus haben Sie gemerkt, Herr Stoiber,

"daß man Sie verstanden hat". Der Applaus zuvor war sehr dünn gewe-

sen. ck

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 50 vom 10. Dezember 1981 2411

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