Geteilte Ansichten
über eine vereinigte Nation Ein Buch über Deutschland
Herausgegeben von Wilhelm von Sternburg
Medizin-Zulassungs-Test
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Linke Drehung
Siegfried Wachtel, Andrej Jendrusch: Das Linksphäno- men, Eine Entdeckung und ihr Schicksal, Sachbuchverlag Linksdruck, Berlin, 1990, 173 Seiten, 80 Abbildungen, Bro- schur, 19,80 DM
Hat die Natur bei allem, was sie an Drehungen, Kur- ven, Schleifen und Spiralen hervorgebracht hat, der lin- ken Drehung den Vorzug vor der rechten gegeben? Beim kurvigen Vogelflug, beim Bau von Schneckenhäusern, in der Struktur der DNS und vieler anderer organischer Grund- bausteine, beim Zerfall klein- ster Atombestandteile und nicht zuletzt in der Konstruk- tion auch der menschlichen Gehirnwindungen?
In frühester Jugend — es muß wohl im Alter von zehn bis zwölf Jahren gewesen sein
— entdeckte Siegfried Wach- tel, daß er und seine Freunde bei der Ski-Abfahrt am heimi- schen Hang ein Hindernis — einen nicht-gefrierenden Bach — stets und ohne Aus- nahme in einer Linkskurve umfuhren. Versuche, die Kurve ganz bewußt rechts- herum zu fahren, erwiesen sich als äußerst schwierig, und die Eleganz der linken Kurve wurde von den jungen Sportlern nie erreicht. Heute, etwa 50 Jahre später, ist aus dem jungen Ski-Fahrer ein
„Dr. Dr." geworden; Doktor der Medizin und der Philoso- phie, Arzt, Gesundheitspoliti- ker und Wissenschaftler zu- gleich. Seine damalige Ent- deckung hat er im Laufe sei- ner (ostdeutschen) Karriere nie aus den Augen verloren, ebensowenig wie die aus ihr entstandene neugierige Fra- ge: „Ist die Natur Linkshän- derin?" „Das Linksphäno- men" — gemeinsam verfaßt
mit Andrej Jendrusch — han- delt von Wachtels Leben mit dieser Entdeckung und zu- gleich von vielen Beobachtun- gen in verschiedenen Wissen- schaftsdisziplinen, die seine These stützen, daß die Natur die linke Drehung bevorzuge
— weit mehr, als rein stati- stisch zu erwarten sei. Span- nend sind die beschriebenen Fälle, gefunden in Tier- und Menschenwelt, in der Biolo- gie und der Physik kleinster und größerer Teile. Interes- sant ist auch der Ausflug in das Rechts-Links-Verständ- nis in der Kulturgeschichte.
Irritierend und störend sind hingegen der Autoren private Klagen über das „Un- verständnis" und die „fehlen- de Unterstützung eigener Ar- beiten" durch Wissenschafts- und Staatsapparat.
„Neues Denken" — ist
„links" die generelle Rich- tung der Entwicklung in der Natur, von Wandel und Fort- schritt? Hier überziehen die Autoren eindeutig. Ein Bei- spiel: Ich entdecke in frühe- ster Jugend, daß mein Gum- miball die Farbe „Rot" hat.
Und dann sehe ich etwas an- deres Rotes: das menschliche Blut. Nun frage ich mich: Ist Rot die Farbe der Welt? Auf die gleiche Weise wie beim Gummiball und beim Blut schaue ich mir ein Leben lang die Dinge dieser Welt an. So entdecke ich überall rote Far- ben: in der Pflanzenwelt, bei Tieren, am und im menschli- chen Körper, in künstlich er- schaffenen Gegenständen und irgendwann „weiß" ich dann: Meine Hypothese stimmt. Ich tanze den Fox- trott immer noch lieber rechtsherum, die Linksdre- hung war mir schon im Tanz- kurs vor 15 Jahren keine rechte Freude. Und auch
„blaues Blut" ist sicherlich nicht jedem geheuer.
Achim Brosziewski, Köln
Denkanstöße
Wilhelm von Sternburg (Hrsg.): Geteilte Ansichten über eine vereinigte Nation, Ein Buch über Deutschland, Verlag Anton Hain im Athe- näum Verlag, Frankfurt/M., 1990, 336 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Ganzleinen mit Schutzumschlag, 38 DM
45 Jahre nach dem Zwei- ten Weltkrieg gibt es in Euro- pa wieder einen geeinten und souveränen deutschen Staat.
Erstaunlich war nicht nur die Geschwindigkeit, so der Her- ausgeber Wilhelm von Stern- burg, „mit der sich die politi- sche Machtstruktur auf unse- rem Kontinent verändert hat, sondern auch die Gelassen- heit, mit der die Deutschen und ihre Nachbarn die Lö- sung der ,deutschen Frage' zunächst hingenommen ha- ben". Die Aufsätze, die für dieses Buch geschrieben wur- den, weisen jedoch darauf
hin, daß die Freude über eine friedliche Revolution der Freiheit und der Selbstbe- stimmung Reflexionen über Deutschland und die Deut- schen nicht ausschließen.
Die Historiker, Schriftstel- ler und Journalisten, die in der Anthologie zu Wort kom- men, haben sich schon seit Jahren mit der deutschen Ge- schichte und Politik beschäf- tigt. Ihre Essays sind histo- risch-politische Abhandlun- gen oder tagesaktuelle Tat- sachenberichte und gleichzei- tig auch sehr persönliche Ge- danken, in denen sie ihre Sor- gen und Wünsche angesichts eines neuen Zeitalters in der europäischen Gemeinschaft ausdrücken. Das Buch prä- sentiert dem Leser keine fer- tigen Patentrezepte zum Um- gang mit der neuen Bundes- republik, sondern es gibt Denkanstöße, die dazu bei- tragen, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Gisela Klinkhammer, Köln
Dt. Ärztebl. 88, Heft 25/26, 24. Juni 1991 (139) A-2333