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Archiv "Die Verantwortung der Intellektuellen für den Mißbrauch von Rauschmitteln" (12.02.1981)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Psychotrope Stoffe

Die Verantwortung der Intellektuellen für den Mißbrauch von Rauschmitteln

Die Szene hat sich geändert. Frü- her waren bestenfalls Ärzte und das klinische Personal gefährdet.

In Künstlerkreisen galt der Ge- brauch von Rauschmitteln mehr als Kavaliersdelikt. Heute ma- chen uns die Rauschmittel viel zu schaffen, und die Halluzinogene haben dabei ganz besondere Probleme aufgeworfen.

Ihr Suchtpotential ist gering; sie machen nicht im eigentlichen Sinne der WHO-Definition süch- tig und demnach auch weder physisch noch psychisch abhän- gig. Wen verwundert es darum, daß die Barden der Erweiterung des Gefühlslebens, des Bewußt- seins und der Gedankenwelt in den Halluzinogenen endlich die

„erlaubte" Droge zu finden hoff- ten? Sie berufen sich dabei auf so klingende Namen wie Baude- laire, Maupassant, Benn, A. Hux- ley und E. Jünger.

In den 60er Jahren nahm folge- richtig mit Dr. Leary und der von ihm propagierten „wissenschaft- lich" kontrollierten Anwendung von LSD die Hippie-Bewegung im psychologischen Seminar von Harvard ihren Ausgang!

Man kann angesichts dieser Tat- sachen die Verantwortlichkeit der Intellektuellen in dieser Frage schlechthin nicht leugnen. Wie soll man da, allemal jungen Men- schen, begreiflich machen, daß das, was anerkannte Heroen der Geisteswelt und der Literatur als bewußtseinserweiternd, Einsich- ten vermittelnd und befreiend von den Fesseln jedweden Zwan- ges so großartig beschreiben, nicht für den allgemeinen Ge- brauch bestimmt sein kann?

Jünger meint zwar, daß die

„Phantastika", wie die Halluzino- gene synonym der Literatur be- zeichnet werden, nicht zu einer

Massenbedrohung werden könn- ten wie Tabak, Alkohol, Tabletten und Morphium. Hier irrt er: Wir finden immerhin gelegentliche Hinweise auf LSD und ähnliche Stoffe in der Kiste der Kampfstof- fe unter der Bezeichnung „Sabo- tagegifte". Wer kennt in diesem Zusammenhang nicht die Alp- träume der Verantwortlichen für die Trinkwasserversorgung?

Rauschmittel und Gefährdungen durch sie sind ubiquitär. Wir kön- nen uns vor ihnen auch nicht schützen wie etwa vor Infek- tionskrankheiten. Wer weiß ei- gentlich, wo die Grenze zu unge- fährlichen Stoffen zu ziehen ist?

Alle Mittel, die in der Lage sind, die Psyche und die Befindlichkeit des Menschen zu beeinflussen, sind prinzipiell in Gefahr, miß- braucht zu werden. Auf dem Bo- den dieser Einsicht entgleitet das Problem der Prävention der ärzt- lichen Kontrolle und geht über in die der Administration unserer Gesellschaft. Ärztliches Handeln ist hier nur noch in Verbindung mit therapeutischem Vorgehen bei der akuten Vergiftung mög- lich; allenfalls noch bei der Reha- bilitation, soweit körperliche Dys- funktionen zu beheben sind.

Prävention dagegen wird Sache des Verschlusses einschlägiger Stoffe und der Aufklärung und Überzeugung gefährdeter Perso- nenkreise im menschlichen Um- feld. — Zu unklar formuliert, zu wenig präzise? Das menschliche Umfeld, das sind die Familie, die Schule, der Ausbildungsplatz, der Arbeitsplatz. Schnelle Erfolge sind da nicht zu erringen, und der Weg wird lang und dornig sein, bis so etwas wie eine Prävention der Rauschmittelsucht erreicht sein wird. Es bedarf nämlich der Bewußtseinsänderung.

A. Huxley, der Prophet der Hallu- zinogene, hat zuviel, zu optimi-

stisch und zu mißverständlich Prophetien über den Einsatz von Drogen zur Steigerung der visio- nären Erlebnisfähigkeit des Men- schen in die Welt gesetzt, gar noch ihren Einsatz propagiert, wo die Aufgaben der Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten bewältigt werden müssen.

Viel nüchterner wird das von E.

Jünger gesehen: „Die Drogen sind Schlüssel, sie werden frei- lich nicht mehr erschließen, als unser Inneres verbirgt." Traurig ist wohl der dran, der im Inneren nichts vorfindet: da muß der Trip zur Frustration führen, und das ist, nach allem, was wir wissen, die Erfahrung des Durchschnitts- menschen.

Um nicht mißverstanden zu wer- den: Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will, sofern es nicht mit den Gesetzen kollidiert oder die Freiheiten anderer be- einträchtigt, ist ein hohes Gut, das in unserer Verfassung garan- tiert wird. Das gilt nicht zuletzt für die Freiheit des Forschers, des Künstlers und Literaten. Damit aber gerade diese Freiheit erhal- ten bleiben kann, bedarf es wohl neuer Strategien, die letztlich im Verantwortungsbewußtsein der Erfahrenen gründen. Wer Visio- nen verbreitet, muß sich auch darüber Rechenschaft ablegen, wie derlei bei Individuen an- kommt, die der allgemeinen menschlichen Erfahrung nach als für sich nicht voll verantwort- lich betrachtet werden können;

zu dieser Gruppe kann einer auch noch lange nach der Ertei- lung des aktiven Wahlrechts ge- hören! Wolfgang Forth

Literatur

(1) Hofmann, A.: LSD, mein Sorgenkind, Klett-Cotta, Stuttgart (1979) — (2) Jünger, E.: Annäherungen, Klett-Cotta im Ullstein Taschenbuch (1980) — (3) Heim, U., und Weger, N.: Grundzüge der Wehrtoxikolo- gie, in: Wehrmedizin (E. Rebentisch Hgb.), Urban & Schwarzenberg, München/Wien/

Baltimore (1980) — (4) Lewin, L.: Phantasti- ka, 2. Auflage, G. Stilke, Berlin (1927), Nachdruck bei Gerstenberg, Hildesheim (1973)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 12. Februar 1981

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