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Archiv "Sexualerziehung: Wer zuerst kommt" (28.04.2000)

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K

inder machen ist ganz einfach. Man setze sich eine Kochmütze auf, schlage ein Ei in einen Topf,

schütte einen guten Schuss Sa- menzellen aus der Flasche hin- ein, rühre mit dem Schneebe- sen um und warte neun Mona-

te. An dieser Stelle bricht das Stück der Siebtklässler erst einmal abrupt ab, denn aufs Stichwort stürzen zwei gleich-

altrige Zuschauerinnen em- pört auf die Bühne und wollen dem Theaterdirektor wegen Publikumsverdummung ans Leder. Der entschuldigt sich für die „Verwechslung von zwei Theaterstücken“ und kündigt an, nun aber werde man das Wunder des Lebens zeigen, wie es wirklich ent- steht. Und das, vom ersten Rendezvous im Park über das Liebesspiel unter der Bett- decke bis zum langen Marsch der Spermien zur Eizelle, wird dann auch eindrucksvoll gebo- ten. Der Hennefer Lehrer Hans-Georg Dahlberg suchte

A-1164 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 17, 28. April 2000

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Sexualerziehung

Wer zuerst kommt

Zwölfjährige, die Neunjährige über Liebesspiel, Zeugung und Geburt aufklären? An der Gesamtschule

im rheinischen Hennef hat dieses gewagte Experiment funktioniert – so gut, dass das selbst geschrie-

bene Aufklärungs-Theaterstück der Schüler per Video und Begleitheft nun in ganz Nordrhein-Westfa-

len als neues Unterrichtsmedium für den Sexualkundeunterricht bereitgestellt wird.

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A-1165 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 17, 28. April 2000

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

für das schwierige Thema Se- xualität einen neuen Zugang speziell für sehr junge Zu- schauer, die durch ungefilter- te, ungeprüfte Informationen aus allen möglichen Medien verwirrt werden. Dahlberg wollte mit sachlich korrekter, aber zugleich auch lustiger Präsentation dagegenhalten:

„Kinder wollen ja einfach auch was zu lachen haben.“

Und so wurde er als Leiter der Theater-AG zum Regisseur in Sachen Aufklärung. Das Schicksal des Stücks legte er von Anfang an vertrauensvoll in die Hände der 20 Kinder – darunter nur ein Junge –, die sich auf die Ausschreibung meldeten. Alle Dialoge des Stücks „Happy Birthday – ein Mensch entsteht“ schrieben die Siebtklässler selbst. Dabei verarbeiteten sie auf zum Teil höchst einfallsreiche Weise die Fachinformationen, die ih- nen zuvor eine Spezialistin gab: die Malteser-Ärztin Dr.

Ursula Sottong. Ihre konven- tionellen Aufklärungs-Mate- rialien und die geduldigen Antworten auf alle Fach- fragen verwandelten die Kin- der in ein karges, aber ausdrucksvolles Bühnenbild nebst Tanz-Action, angekleb- ten Spermien-Schwänzen und einem Raketenstart-Count- down vor dem Samenerguss.

Tanz vor der Befruchtung

An dieser Stelle lieh die Truppe großzügig bei Woody Allens „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten“, doch Dahlberg bremste sei- nen eigenen Perfektionismus und ließ seine Jung-Schau- spieler an der ganz langen Leine agieren. Die Folge: Ein Dutzend Samenzellen-Dar- steller in T-Shirts mit X oder Y auf der Brust tanzen vor der Befruchtung schon mal im Eileiter Bailando, einen in der Hennefer Diskothek ge- rade aktuellen Ohrwurm. Er- staunlich jedoch, dass bei al- lem Spektakel die biologi- schen Informationen auf ei- nem Niveau transportiert werden, das selbst Erwachse- ne noch lernen lässt – etwa,

dass die Spermien im Zer- vixschleim bestimmte Zucker als Kraftquelle finden, um die lange Wanderung zum Ei durchzustehen. Die einschlä- gige Dialogzeile: „Wir folgen einfach der Zuckerspur! – Du denkst aber auch nur ans Es- sen!“

Keine Chance für Peinlichkeit

Irritationen, die unter El- tern oder Aufsichtsbehörden durch die Darstellung körper- licher Liebe hätten ausgelöst werden können, vermieden die Projektleiter Dahlberg und Suttong schon im Ansatz.

„Niemand braucht zu spielen, was er nicht will“, gab der Re- gisseur als Parole aus – und so findet der Sex ganz keusch unter einem Laken statt.

Nach vorheriger kirchlicher Trauung übrigens, die auf den Einwand eines Kindes in das Skript eingefügt wurde.

Wenn auch zwischen Junge und Mädchen im Bett keiner- lei Stress aufkommt, die Sper- mien in der Gebärmutter er- leben ihn dafür umso drama- tischer: „Wer zuerst kommt, den belohnt das Leben“, ruft die schnelle Y-Samenzelle der X-Konkurrentin zu. Und das Gelächter aller Zuschauer gibt Peinlichkeit keine Chan- ce.

Das professionell produ- zierte Videoband der Auf- führung zusammen mit einer Dokumentation der Entste- hung, Interviews mit den Pro- tagonisten und einem didakti- schen Begleitheft ist vom Mal- teser Hilfsdienst als neues Me- dium zur Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen heraus- gebracht worden. Denn Dahl- berg und Suttong wollen auch andere Schulklassen und ihre Lehrer ermuntern, den Staub von den Sexualkunde-Bü- chern zu fegen und neue Wege dabei zu gehen, sich angstfrei und lustvoll auf eines der wichtigsten Themen im Leben vorzubereiten.

Kontaktadresse: Malteser Hilfsdienst, Generalsekretari- at, Kalker Hauptstraße 22-24, 51103 Köln, Telefon: 02 21/

98 22-01. Oliver Driesen

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