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Archiv "Mißbrauch der Psychologie" (30.05.1974)

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Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

Mißbrauch

der Psychologie

Einige Aufregung gab es, als kürz- lich dem „Rheinischen Merkur" ein Fragebogen in die Hände fiel, den das hessische Sozialministerium denjenigen Bewerbern um einen Medizinstudienplatz zuschickt, die mit Hilfe einer Verpflichtung zu späterer Amtsarzttätigkeit ange- nommen werden wollen, wie es der Länderstaatsvertrag über die Ver- gabe von Studienplätzen vorsieht.

Einige Fragen, die der „Rheinische Merkur" zitierte, haben in der Tat mit dem Medizinstudium auf den ersten Blick ebensowenig zu tun wie mit dem Beruf des Amtsarztes, so die nach der Todesursache der Eltern oder nach dem Spitznamen in der Schule. Einige Fragen be- zeichnete der „Rheinische Merkur"

und nach ihm eine Gruppe von hessischen CDU-Landtagsabgeord- neten in einer Anfrage an den So- zialminister gar als „Gesinnungs- schnüffelei": Zugehörigkeit zu Ver- einen oder Verbänden, Freizeitbe- schäftigung, Stellungnahmen zu den Begriffen „Ordnung" und „Au- torität" — das verbunden mit der Frage „Wie war die Erziehungshal- tung Ihrer Eltern?". Auf den Be- rufswunsch schließlich zielt die Frage, ob der Bewerber den Amts- arzt als „Verwalter" oder als „Poli- tiker" ansehe.

„Gesinnungsschnüffelei" — das mag ein sehr hartes Wort sein, aber es ist zweifellos zu kritisieren, daß hier eine Behörde bereits das erste Blatt einer Personalakte mit Angaben füllt, die — von neun- zehn- bis einundzwanzigjährigen Gerade-Abiturienten niederge- schrieben — noch eine Generation später jedem Vorgesetzten zugäng- lich, für jeden Kreistag als Beurtei- lungsgrundlage verwendbar und si- cherlich auch zum Mißbrauch ver- leitend sein werden.

In einer polemischen Antwort setz- te sich Sozialminister Dr. med.

Horst Schmidt zur Wehr. Die Be- antwortung dieser Fragen sei frei-

willig. (Aber was folgt aus einer Weigerung? Die leichtere Zulas- sung zum Studium etwa?) Und der Fragebogen sei geradezu harmlos gegenüber dem, was in der Privat- wirtschaft üblich sei; er sei nichts anderes als ein „von Fachpsycho- logen ausgearbeitetes und von Fachpsychologen auszuwertendes"

Hilfsmittel zur Beurteilung der Be- werber, damit man später die rich- tigen, die geeigneten Ärzte in den Amtsarztstellen sitzen habe.

So leicht sollte sich der Sozialmini- ster die Antwort nicht machen, zu- mal er selbst Arzt, ja Amtsarzt ist.

Denn erstens ist es ein großer Un- terschied, ob solche Fragen im pri- vatwirtschaftlichen oder im öffentli- chen Dienstbereich gestellt (und aufbewahrt) werden. Zweitens ist der Zeitraum zwischen Fragestel- lung und Dienstbeginn überaus lang. Gerade jungen Akademikern sollte man das Vorrecht zuerken- nen, in diesen Jahren zwischen zwanzig und ixundzwanzig heftige geistige Entwicklungs- und Er- kenntnissprünge zu machen — wer das in dieser Zeit nicht tut, setzt sich ohnehin dem Verdacht vorzei- tiger Verkalkung aus. Damit aber ergibt sich drittens, daß keines- wegs derjenige, der heute den Fra- gebogen ausfüllt, noch derselbe ist, der in sechs oder acht Jahren als Amtsarztbewerber diese seine Personalakte beim Dienstherrn ein- reicht. Und viertens: Gesinnungser- forschung mag (siehe das Radika- lenproblem im öffentlichen Dienst) bisweilen notwendig sein. Man sollte sie aber ehrlich als solche betreiben und nicht mit der Voka- bel „Psychologie" kaschieren!

An einer Stelle seiner Antwort war Dr. Schmidt allerdings ganz unpo- lemisch: Den Angriff wegen der Frage nach dem Verständnis des Begriffs Amtsarzt („Verwalter oder Politiker") beantwortete er ehrlich damit, daß nach seiner Auffassung die Aufgaben eines Amtsarztes im modernen Gesundheitsamt politi- sche sind. Für diese Ehrlichkeit sollte man dankbar sein und zu- gleich energisch fordern, dies dann aber auch gründlich zu definieren:

Was ist das Politische an der ärztli- chen Aufgabe im allgemeinen und der amtsärztlichen Aufgabe im be- sonderen? Der gestandene Amts- arzt Dr. Horst Schmidt hat hier si- cher ganz präzise Vorstellungen.

Als Politiker sollte er aber wissen, daß man so etwas nicht verkürzt in

DIE GLOSSE

Nostalgisches

Selbst die Gangster waren früher humaner. Schnellfeuer- gewehre, Sprengsätze und Geiselnahmen verschmähten sie:

Um die Jahrhundertwende betrat ein gut gekleideter Herr um die Mittagszeit einen Berliner Laden. Der Kauf- mann war allein. Der Kunde hielt ihm einen übergroßen Zylinder hin und verlangte, ihn mit Sirup zu füllen. Es ginge um eine Wette. Kopf- schüttelnd füllte der Kauf- mann den Zylinder. Kosten- punkt: acht und ein halber Groschen. Der Herr legte ei- nen Taler hin. Der Kaufmann öffnete die Kasse, um 2,15 Mark rauszugeben. Da stülp- te ihm der Herr den vollen Zylinder über den Kopf. Der Kaufmann konnte nun weder sehen noch schreien. Der Kunde verschwand unbehin- dert mit der Ladenkasse.

Wenn schon geklaut wird, dann auf die süße Tour.

Bernhard

einer Polemik zum Ausdruck brin- gen kann, ohne auf allen Seiten Mißverständnisse zu provozieren.

Als Interviewfrage für Zwanzigjäh- rige ist das Thema viel zu heikel und umfassend — und mit „Psy- chologie" schon gar nicht ent- schuldbar. bt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 22 vom 30. Mai 1974 1601

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