Schach
Bahnbrechend
Ernst Strouhal: acht x acht.Zur Kunst des Schach- spiels, Springer-Verlag, Wien, New York, 1996, 161 Abbil- dungen, 463 Seiten, 138 DM
„Am anderen Morgen teilte mir nun mein Reit- knecht mit, der erwähnte Bi- schof habe Schach gespielt, und dies Wort traf empfind- lich mein Herz wie ein Pfeil und brachte mir eine Wunde der Entrüstung bei. Zu einer Stunde daher, die mir passend schien, suchte ich den Mann auf und schalt ihn heftig, in- dem ich folgendermaassen anhob: Mit geschwungener Hand führe ich die Ruthe, be- gierig Streiche dort zu erthei- len, wo sich mir ein Rücken darböte. Und jener erwiderte,
er werde sich bei dar- gethaner Schuld der Strafe nicht entzie- hen. Geziemte es sich wohl und war es deine Sache, sagte ich, den Abend mit dem eitlen Schachspiel hinzu- bringen und jene Hand, die den Leib des Herrn darbietet, und die zwischen Gott und dem Volke vermittelnde Zunge durch Befleckung ei- ner schändlichen Kurzweil zu ent- ehren? Zumal die kirchliche Disciplin bestimmt, daß Bi- schöfe, die sich dem Spiel ergeben, suspendiert werden sollen (aleatori Epi- scopi deponantur).“
So berichtet Kardinal Da- miani 1061 in einem Brief an Papst Alexander II. über eine
Reise mit dem Bischof von Florenz, als sie abends in eine Herberge einkehrten und er sich schon zur Ruhe zurück- gezogen hatte, der Bischof aber noch in der Schenke
blieb. Als Buße mußte jener schließlich dreimal den Psal- ter lesen und die Füße von zwölf Armen waschen. Die Strafpredigt wirkte Wunder, der Bischof ließ vom sündi- gen Schachspiel und wurde später sogar selbst Papst.
Dies und schier unendlich viel anderes erfahren wir im gerade erschienenen, bahn- brechenden, mit dem Staats- preis für das schönste Buch Österreichs ausgezeichneten Schachgeschichts- und -kunst- werk „acht x acht“ von Dr.
Ernst Strouhal, der an der Lehrkanzel für Philosophie (Felix Austria mit solch köst- lichen Benennungen!) der Wiener Hochschule für An- gewandte Kunst wirkt.
Ein schöneres Weih- nachtsgeschenk für einen Schachliebhaber kann man sich kaum vorstellen.
Helmut Pfleger, München
A-3157 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 48, 29. November 1996 (13)
S P E K T R U M BÜCHER