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Archiv "Friedrich Schiller: „Alle acht Tage ein anderer“" (12.06.2009)

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A1258 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009

E

in abgewetzter Lederhut als Ausgangspunkt einer literari- schen Spurensuche. Zwei wie La- kritze aussehende Handwärmer aus Keramik als Auslöser einer poeti- schen Auferweckung. Eine Schnupf- tabakdose als ästhetisches Modell.

Das hört sich nach starkem Tobak an.

Nach Haydn und Darwin nun Schiller – schon wieder Schiller.

Das letzte Schiller-Jahr liegt gerade vier Jahre zurück. 2005 wurde der Dichter in Marbach und Weimar an- lässlich seines 200. Todestages als erster Berufsschriftsteller gewürdigt (dazu DÄ, Heft 22/2005). Nun steht der 250. Geburtstag auf der Agenda, und das schwäbische Marbach, wo Friedrich Schiller 1759 das Licht der Welt erblickte, schickt sich an, einmal mehr zum Mekka der Litera- turfreunde zu werden.

In dem Städtchen am Neckar, wo mit dem Schiller-Nationalmuseum, dem Deutschen Literaturarchiv und dem 2006 eröffneten Literaturmuse- um der Moderne (LiMo) das Herz der deutschen Literaturaufarbeitung schlägt, geht es nun förmlich ums Ganze, der Mensch und Autor Friedrich Schiller wird dekonstru- iert und neu zusammengesetzt – das allerdings höchst fragmentarisch und scheinbar willkürlich. „Autop- sie Schiller“ ist die Jahresausstel- lung im LiMo überschrieben. Mit ihr kann das ewige Schiller-Licht weiterflackern, bis der Altbau des Nationalmuseums am Geburtstag seines Namensgebers am 10. No- vember nach umfangreichen Reno- vierungsarbeiten wieder öffnet – mit einer neu konzipierten Schiller-

Dauerausstellung. Tief unten in den schummrigen Räumen des LiMo haben die Kuratorinnen um Mu- seumschefin Heike Gfrereis ihre Fundstücke inszeniert. In neun kreisrunden Vitrinen wird Schiller von Kopf bis Fuß, von den Locken bis zu den Schuhschnallen, durch- leuchtet. Das geschieht bar jeder chronologischen Ordnung und springt thematisch grenzüberwin- dend von Motiv zu Motiv.

Es gilt, den Faden, der von Schil- lers Mutter gesponnen worden sein soll und nun unter Glas ruht, aufzu-

nehmen, um sich einen Weg durch das assoziative Labyrinth der knapp 400 Exponate zu bahnen. Die These, dass Schillers Hab und Gut viel mehr auf die Literatur als auf den echten Menschen verweise, lässt sich nicht immer so stringent be- stätigen wie beim Spazierstock, der auf direktem Wege zu Schillers Ge- dicht „Der Spaziergang“ führt. Um die Mehrzahl der Bezüge aufde- cken zu können, muss der Literatur- freund verschlungenere Wege zu- rücklegen.

So leitet das knallrote Stirnband, das Schiller gegen Kopfschmerzen anlegte, über Briefe und Textstellen, in denen über Kopfschmerzen ge- klagt wird, zur Pose des Melancho- likers, in der er sich häufig darstel- len ließ. Ein aufgeschlagenes Buch aus Schillers Bibliothek legt eine andere Fährte aus. Es zeigt Homer mit Stirnbinde. In dem Ausstel- lungskapitel, das von einer Weste Schillers eingeleitet wird, geht es um Haltung, die es zu bewahren galt. Es geht um die Art des Dich- ters, mit großer Geste zu deklamie- ren, allerdings auch um seine Steif- heit beim Gehen.

Der Spiegel, in den der Dichter geschaut hat, fordert auf, zu überle- gen, was er gesehen hat. Riech- fläschchen und Mokkatassen be- kunden das Bedürfnis nach innerer Reinigung, die der ausgebildete Arzt nicht nur häufig vollzogen und empfohlen, sondern als Modell der Läuterung auch seiner Literatur ein- verleibt hat. Wer schließlich bei Schillers Schuhschnallen angekom- men ist, wird einen Dichterfürsten entdecken, der oft nur unter Ge- stampfe seine Gedanken zu Papier bringen konnte. In dem kleinen Neckarstädtchen kann man sich glücklich schätzen, dass eine Fü- gung des Schicksal ihnen diesen Sohn in die kommunale Wiege ge- legt hat. Als Schiller vier Jahre alt war, zog die Familie ins nahe Lorch.

Der Dichter kehrte nie in seine

Heimat zurück. I

Ulrich Traub Informationen: Die Ausstellung „Autopsie Schiller“ ist bis

zum 4. Oktober, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 0 71 44/84 80, Internet: www.dla-marbach.

de. Buch zur Ausstellung 15 Euro. Das Schiller-Nationalmu- seum wird am 10. November wiedereröffnet. Schillers Ge- burtshaus wurde Anfang Februar mit einer neuen Ausstellung wiedereröffnet. Informationen zum Schillerjahr 2009:

www.schillerjahr2009.de, www.schillerjahr-bw.de.

Akropolis oberhalb von Marbach:das neue Literaturmuseum der Moderne (LiMo), erbaut von David Chipperfield; im Hinter- grund das Schiller-Nationalmuseum

Geburtshaus Fried- rich Schillersin der Marbacher Altstadt, das mit einer neuen Ausstellung im Feb- ruar wiedereröffnet worden ist

FRIEDRICH SCHILLER

„Alle acht Tage ein anderer“

Das schwäbische Städtchen Marbach, wo der Dichter 1759 das Licht der Welt erblickte, schickt sich an, einmal mehr zum Mekka der Literaturfreunde zu werden.

Fotos:Ulrich Traub

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