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Archiv "Arbeitszeiten im Krankenhaus: Fast am Ziel" (16.08.2002)

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B

ereitschaftsdienst ist Arbeitszeit.

Dass diese am 3. Oktober 2000 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für eine Region in Spanien de- finierte Vorgabe bald auch in Deutsch- land Gültigkeit erlangt, daran zweifelt kaum noch jemand. Fraglich ist viel- mehr, ob der Gesetzgeber abwartet, bis der EuGH ihn zwingt, das Arbeitszeit- gesetz anzupassen, oder ob er vorher aus eigenem Antrieb aktiv wird.

Der Marburger Bund sieht mittler- weile einen parteiübergreifenden Kon- sens, dass auf Grundlage des EuGH-Urteils die Dienstpläne in den Kliniken geändert werden müssen. So hätten Horst See- hofer (CSU) und Friedrich Merz (CDU) ihm zugesichert, im Falle eines Regierungswechsels den Bereitschaftsdienst als Arbeits- zeit zu werten und 500 Millionen Euro für neue Ärzte bereitzu- stellen, betont Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzen- der des Marburger Bundes. Dass auch Bundesgesundheitsministe- rin Ulla Schmidt (SPD) nach der Bundestagswahl am 22. Sep- tember die zügige Umsetzung des EuGH-Urteils vorantreiben wolle, sei beim diesjährigen Deutschen Ärztetag Ende Mai in Ro- stock deutlich geworden. Wichtiger noch: Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe in einem Inter- view entsprechende gesetzliche Maß- nahmen für die nächste Legislatur- periode angekündigt. Gleich gerichtete Aussagen gebe es auch von den beiden gesundheitspolitischen Experten der FDP im Bundestag, Dr. rer. pol. Dieter Thomae und Detlef Parr.

Nun neigen Politiker dazu, in Wahl- kampfzeiten mehr zu versprechen, als sie später einlösen – besonders, wenn

die Einlösung der Versprechen Geld kostet. Ministerin Schmidt schlägt mitt- lerweile eine „pragmatische Umset- zung“ des EuGH-Urteils vor und spielt auf Zeit, indem sie mögliche Umset- zungsmodelle erst erproben und ar- beitsrechtlich prüfen lassen will. Sollte sich die Bundesregierung nicht zu einer Novellierung des Arbeitszeitgesetzes durchringen können, so ist absehbar, dass – wie es Usus zu werden scheint – die Recht sprechende Gewalt der gesetzgebenden Gewalt eine Gesetzes-

änderung oktroyiert. Sowohl beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt als auch beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sind derzeit Verfahren zum ärztlichen Bereitschaftsdienst in Deutschland anhängig:

❃ Dem Bundesarbeitsgericht (BAG) liegt ein Fall aus Hamburg (Az.: 8 TaBV 10/01) zur Beurteilung vor. Dort hatten Ärzte und der Betriebsrat am 28. Februar einen Sieg errungen, als das Landesarbeitsgericht Hamburg dem Krankenhaus Rissen verbot, weiterhin Bereitschaftsdienste anzuordnen, wenn

damit die höchstzulässige Arbeitszeit – in die auch Bereitschaftsdienste einzu- rechnen seien – überschritten wird. Die Leitung des Krankenhauses legte Revi- sion ein, sodass das Verfahren nun vom Bundesarbeitsgericht entschieden wer- den muss.

❃ Der Europäische Gerichtshof be- fasst sich seit dem 26. April mit einem Streitfall (Az.: 3 Sa 611/01) aus Kiel.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig- Holstein hatte sich nicht festlegen wol- len, ob der von Dr. med. Norbert Jäger am Städtischen Krankenhaus Kiel ge- leistete Bereitschaftsdienst als Arbeits- zeit oder als Ruhezeit zu bewerten ist.

Das Gericht hatte den Rechtsstreit stattdessen dem EuGH vorgelegt, um in einer Vorabentscheidung eine Rechtsklärung von Grundsatzfragen zu erreichen (Fragenkatalog im Textka- sten). Es komme für die Entscheidung darauf an, ob die nationale Regelung in

§ 5 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz gegen die Richtlinie 93/104 EG verstoße, indem sie davon ausgehe, dass Bereit- schaftsdienst (soweit nicht eine Heranziehung erfolgt) als Ruhe- zeit anzusehen ist.

Richter des Bundearbeitsge- richts haben sich in Veröffent- lichungen bereits einschlägig zum Thema Bereitschaftsdienst geäußert. Birgit Reinecke vom 3. BAG-Senat „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ schrieb im

„Personalbuch 2002“: „Im Er- gebnis werden Gesetzgeber, Ta- rifvertragspartner und Arbeits- geber nicht umhinkönnen, die Arbeitszeitgestaltung an der Rechtsprechung des EuGH aus- zurichten und Bereitschaftsdien- ste unabhängig vom Ausmaß der tatsächlich anfallenden Arbeitsleistung als Arbeitszeit zu werten.“ Harald Schliemann vom 4. BAG-Senat „Tarif- vertragsrecht“ äußert sich in seiner Ver- öffentlichung „Arbeitszeitrecht“: „In- dessen kann die gesetzliche Zuordnung zur Ruhezeit . . . nicht mehr aufrecht- erhalten werden, weil sie nicht mehr den europäischen Vorgaben ent- spricht.“ Dennoch wird das Bundes- arbeitsgericht wohl abwarten, bis der Europäische Gerichtshof sein Urteil zur Vorlage des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein fällt. ✁ T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2153

Arbeitszeiten im Krankenhaus

Fast am Ziel

Gesetzgeber, Tarifvertragsparteien und Arbeitgeber

werden sich schon bald veranlasst sehen, die Bereitschafts-

dienste der Krankenhausärzte als Arbeitszeit zu werten.

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In der Regel durchläuft eine Rechts- klärung beim EuGH alle Verfahren (schriftliche und mündliche Stellung- nahmen, Verfassen der Schlussanträge, Urteil) und dauert eineinhalb bis zwei Jahre. Das Prozedere könnte sich je- doch erheblich verkürzen, wenn die Richter die Auffassung vertreten, dass bereits ein EuGH-Urteil zu einem ver- gleichbaren Streitfall vorliegt, auf das sie Bezug nehmen können. Das EuGH- Urteil zum Bereitschaftsdienst in Spa- nien wird eventuell als ein solches Mu- sterverfahren angesehen.

Dass der EuGH für Deutschland ein ähnliches Urteil fällt wie für Spanien, daran zweifelt kaum jemand. Selbst die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die lange Zeit auf die angeblich begrenzte Anwendbarkeit der Ent- scheidung vom 3. Oktober 2000 hin- wies, hat sich mittlerweile auf die abseh- baren neuen Verhältnisse eingestellt und rechnet vor, dass bei einer völligen Anrechnung der Bereitschaftsdienste auf die reguläre Arbeitszeit der Kran- kenhausärzte rund 27 000 zusätzliche Planstellen im klinikärztlichen Dienst geschaffen werden müssten. Dies kostet nach DKG-Angaben rund 1,7 Milliar- den Euro jährlich.

Die Anerkennung des Bereitschafts- dienstes als Arbeitszeit wäre ein weite- rer Schritt in Richtung humane Arbeits- zeiten für Krankenhausärzte, nachdem das Arbeitszeitgesetz in seiner jetzigen Fassung bereits an immer mehr Kran- kenhäusern eingehalten wird – wohl

auch, weil die Gewerbeaufsichtsämter vermehrt prüfen und weil die Medien immer häufiger plakativ die Arbeitsbe- lastungen der Ärzte in den Kranken- häusern kritisieren.

Die große Mehrheit der Kranken- hausärzte – Montgomery spricht von rund 80 Prozent – befürwortet die sich langsam anbahnende Entwicklung hin zu kürzeren Arbeitszeiten in den Kliniken.

Darauf lassen auch die Reaktionen auf einen in Heft 19/2002 des Deutschen Ärzteblattes abgedruckten Beitrag („48- Stunden-Woche im Krankenhaus – Be- drohliche Konsequenzen in den chirurgischen Fä- chern“) schließen, in dem vier Assistenzärzte der Chirurgie an der Me- dizinischen Hochschule Hannover (MHH) davor warnen, dass eine unkri- tische Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes sich negativ auf Forschung, Lehre und Krankenver- sorgung an den Univer- sitätskliniken auswirken könnte. Dr. med. Harald Schrem und Kollegen plädieren für ein alterna- tives Arbeitszeitmodell, das sie „48 + 12“ nennen.

Auffallend viele Ärztin- nen und Ärzte äußerten in Leserbriefen ihren deutlichen Unmut über den Artikel und sind erbost, dass die Chirurgen dem Vorstand der MHH sogar schriftlich mit- teilten, dass sie mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten wollen (vgl. dazu die Diskussion in diesem Heft).

Das Geschäft

der Arbeitgeber besorgen

„Endlich findet eine Diskussion über adäquate Arbeitsbedingungen für Ärz- te statt, endlich hat man zumindest an- satzweise das Gefühl einer steigenden Solidarisierung der jungen Ärztegene- ration für bessere Arbeitsbedingungen, da treten die Universitätskollegen an die Öffentlichkeit und fordern wieder längere Arbeitszeiten“, schreibt Dr.

med. Tim Hülskamp aus Hamburg.

Ähnlich argumentiert Frieder Bock, Anästhesist aus Frankfurt: „Mehr Stel-

len für Ärzte in den Kliniken, struk- turierte Weiterbildung im regulären Dienst, Forschung und Lehre auf eigens dafür eingerichteten Stellen – durch- setzbar wäre dies alles, wenn die Ärzte- schaft sich einig wäre, aber natürlich nicht, wenn derartige Artikel das Ge- schäft der Arbeitgeber besorgen und den eigenen Kollegen in den Rücken gefallen wird.“ Ulf Schubert vom Berli- ner Arbeitskreis „Junge Ärzte“ empfin- det den Beitrag von Schrem und Kolle- gen als „ebenso anachronistisch wie naiv“. Der Autor wolle offenbar auch weiterhin gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen – und das in einer Phase, „in der eine nüchterne und teilweise ratio- nale Sicht der katastrophalen Lage in den Krankenhäusern selbst bis in die Reihen der Politik und Krankenhaus- träger eingezogen ist“.

Dass der Artikel „48-Stunden-Wo- che im Krankenhaus – Bedrohliche Konsequenzen in den chirurgischen Fächern“ dringend einer Relativierung bedarf, meint Dr. med. Jan Scherlitz, Krankenhaus Reinbek: „Nahezu alle vom Autor gezogenen Schlüsse sind nur dann zwingend, wenn von einer stellenneutralen Umsetzung des Ar- beitsrechts gesprochen wird.“ Es kön- ne aber nicht in der Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte im Gesundheits- system liegen, die Arbeit auf beliebig wenige Personen zu verteilen. Dies sei Sache der Politik. Auch Dr. med. Chri- stoph Emminger, Vorsitzender des Marburger Bundes, Landesverband Bayern, kritisiert die politisch Verant- wortlichen: Nicht die rigorose und un- kritische Umsetzung des Arbeitszeitge- setzes erzeuge einen Ausbeutungsme- chanismus mit zahlreichen Implikatio- nen, wie Schrem und Kollegen in ihrem Beitrag schreiben, sondern die Tat- sache, „dass der Gesetzgeber nahezu zeitgleich mit dem Arbeitszeitgesetz die Budgetierung der Ausgaben für die Krankenhäuser gesetzlich und auf dem Weg der Verordnung festschrieb und damit allen Kliniken die (per- sonal)wirtschaftlichen Grundlagen zur Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes entzog“. Dabei sei es „natürlich eine Illusion“, wie Dr. med. Karl Schade aus Nürnberg ergänzt, „ohne Stellenmeh- rung vernünftige Arbeitszeiten durch- zusetzen“.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A2156 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bun- des, zu 32-Stunden-Marathondiensten von Krankenhausärzten:

„Das wäre etwa so, als wenn Ihnen der Pilot Ihres Flugzeugs sagt, er fliege schon zum vierten Mal in seiner Ruhezeit die Strecke Mallorca–Köln/Bonn.“ Foto: Archiv/Bernhard Eifrig

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„Glaubt der Autor im Ernst, dass er nach einem vollen Arbeitstag (zum Bei- spiel als Chirurg im OP) einen kriti- schen Patienten besser versorgen kann als ein ausgeruhter Kollege?“ fragt Dr.

med. Stephan Orlemann, Rödermark, nach der Leistungsfähigkeit von Ärzten.

Studien hätten gezeigt, dass ein Chirurg nach einem Dienst bei standardisierten Operationen die gleichen Fehler macht wie ein alkoholisierter Kollege mit 1,0 Promille, berichtet Dr. med. Herbert Mitsch, der wie viele andere Leserbrief- schreiber überzeugt ist, dass „nur ein ausgeruhter Arzt die erforderliche Sorg- falt und Qualität in der Patientenversor- gung gewährleisten kann“. Niemand sei unersetzbar, auch ein Universitätsarzt nicht, formuliert es Dr. med. Gunnar Wasner vom Universitätsklinikum Kiel.

Die konsequente Umsetzung des Ar- beitszeitgesetzes bringe eine längst überfällige Entlastung der Ärzte von unmenschlichen Arbeitsbedingungen und schütze die Patienten vor den Feh- lern völlig übermüdeter Chirurgen, meint Heiko Siebert aus Freiburg.

Der Ruf nach mehr Arbeit konterka- riere die Bemühungen, den ärztlichen Beruf für Studienabgänger wieder at- traktiv zu gestalten, schreiben Carsten Hafer und weitere sieben Assistenzärz- te des Zentrums Innere Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover,

die klarstellen wollen, „dass die Positi- on der chirurgischen Assistentenvertre- ter nicht (!) für alle MHH-Ärzte zu- trifft“. Vielmehr müsse nun die einmali- ge Gelegenheit genutzt werden, mithil- fe des Arbeitszeitgesetzes und unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils ei- ne „visionäre Umgestaltung“ kranken- hausinterner Betriebsabläufe in die Wege zu leiten. „Forschung und Lehre müssen, wie in anderen Ländern auch, Bestandteil der regulären Arbeitszeit werden“, fordern die Assistenzärzte.

Mehr Stellen, gekoppelt mit intelligen- ter Arbeitsorganisation – beispielsweise mithilfe von Rotationsplänen bezüglich Stationsdienst, OP- und Lehrtätigkeit sowie eine Freistellung für Forschungs- projekte –, sind für Anke Becker aus Berlin ein Weg, um in Zukunft sowohl die Patientenversorgung, die studenti- sche Ausbildung als auch die Facharzt- Weiterbildung zu verbessern. Dr. med.

Holger Schmidt-Endres ist überzeugt, dass viel weniger Überstunden für Krankenhausärzte anfielen, wenn sie von nichtärztlichen Tätigkeiten entla- stet würden: „Blutabnahme durch MTAs, Ausfüllen von Formularen und Organisation von Untersuchungstermi- nen durch eine eigene Sekretärin, Orga- nisation der Befunde und Erstellen von Arztbriefen mithilfe eines Kranken- hausinformationssystems, Legen von

Zugängen und Assistenz bei Operatio- nen durch die Pflege“, schlägt er vor.

Viele Leser werfen die Frage auf, mit welcher Intention die Hannoveraner Assistenzärzte der Chirurgie mit ihrem Plädoyer für längere Arbeitszeiten an die Öffentlichkeit getreten sind. „Für die Bekundung ihres kollektiven Ar- beitnehmerwillens, der autoaggressive Züge trägt, wird Prof. Dr.Axel Haverich (Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der MHH, Anm.

der Redaktion) seine Mitarbeiter ge- schlossen ins Nachtgebet aufnehmen“, mutmaßt Dr. med. Malika Sekkal, Frankfurt/Main. Noch krasser formu- liert es Niels Oppitz aus Edling: „Dass es so weit kommen konnte (während die Zahl der beschäftigten Ärzte seit Jahren konstant bleibt, steigt die anfallende Ar- beit durch kürzere Liegezeiten und ex- ponentiell steigenden Verwaltungsauf- wand), haben wir keinesfalls dem Ar- beitszeitgesetz, sondern (unter ande- rem) Kollegen wie denen an der MHH zu verdanken. Statt sich zu emanzipie- ren und sich gegen die zunehmende Be- lastung zu wehren, kriechen sie weiter brav vor Chefärzten und Verwaltung und flehen gar um längere Arbeitszei- ten.“ Dr. med. Tim Hülskamp, Ham- burg, äußert zwar Verständnis für „die Abhängigkeitsverhältnisse der nach Habilitation strebenden akademischen Chirurgenkollegen“, empfindet den Beitrag aber als einen Rückschritt in die

„gänzlich falsche Richtung“.

Die Reaktionen der Leser auf die im Deutschen Ärzteblatt Heft 19/2002 ab- gedruckten Vorschläge von Assistenz- ärzten der Chirurgie an der MHH lassen den Schluss zu, dass der überwiegende Teil der Ärzteschaft die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sowie die Umset- zung des EuGH-Urteils zum Bereit- schaftsdienst als längst überfällig be- trachtet. Humane Arbeitszeiten haben demnach für die meisten Kranken- hausärzte absolute Priorität – sowohl im Sinne einer adäquaten Patientenversor- gung als auch für die persönliche Le- bensqualität. Der Marburger Bund, der sich seit dem 3. Oktober 2000 vehement für die Abschaffung der Bereitschafts- dienste einsetzt – obwohl dies mit Ein- kommensverlusten für die Ärzte ver- bunden sein dürfte –, kann sich in sei- nem Kurs bestätigt fühlen. Jens Flintrop T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2157

Fragen an den Europäischen Gerichtshof

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat dem EuGH einen Fragenkatalog (Az.: 151/2002, Eingang: 26. April 2002) vorgelegt, um in einer Vorabentscheidung eine Rechtsklärung von Grund- satzfragen zum Thema ärztlicher Bereitschaftsdienst zu erreichen. Die Fragen:

1.Handelt es sich bei einem Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer in einem Krankenhaus ab- leistet, generell um Arbeitszeit im Sinne des Artikel 2 Ziff. 1 RiL 93/104 EG, und zwar auch insoweit, als es dem Arbeitnehmer in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist zu schlafen?

2.Verstößt eine Regelung im nationalen Recht, mit der Bereitschaftsdienst als Ruhezeit bewertet wird, soweit nicht eine Inanspruchnahme erfolgt, dergestalt, dass sich der Arbeitnehmer in einem Krankenhaus in einem ihm zur Verfügung gestellten Raum aufhält und auf Aufforderung die Arbeit aufnimmt, gegen Artikel 2 Ziff. 1 und 2 RiL 93/104 EG?

3.Verstößt eine nationale Regelung, die eine Kürzung der täglichen Ruhezeit von elf Stunden in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen dergestalt zulässt, dass Zeiten der Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen Artikel 2 RiL 93/104 EG?

4.Verstößt eine nationale Regelung, die es zulässt, dass in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung zugelassen werden kann, dass Ruhezeiten bei Be- reitschaftsdienst und Rufbereitschaft den Besonderheiten dieser Dienste angepasst werden, insbe- sondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieser Dienste zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen Artikel 2 RiL 93/104 EG?

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