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Archiv "Überlange Arbeitszeiten im Krankenhaus: Wer haftet bei Fehlern?" (14.02.2014)

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A

uch in Krankenhäusern führt Personalmangel zu langen Ar- beitszeiten und gesteigerter Belas- tung. Nicht selten leidet das Perso- nal an Schlafmangel. Ruhezeiten werden dabei oft (bewusst) nicht eingehalten. Teilweise arbeiten Ärzte 50 bis 59 Stunden, manche sogar 60 bis 79 Stunden pro Woche.

Solche Arbeitszeiten sorgen nicht nur für Unzufriedenheit innerhalb der Belegschaft, sondern fördern das Risiko von belastungsbedingten Behandlungsfehlern.

Grundsätzlich gilt gemäß § 3 I Arbeitszeitgesetz (ArbZG) eine Regelarbeitszeit von acht Stunden pro Werktag. Bei einer Sechstage- woche gilt somit eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden.

Die tägliche Arbeitszeit kann je- doch auf zehn Stunden verlängert werden, wenn ein entsprechender Ausgleich dahingehend geschaffen wird, dass innerhalb von sechs Ka- lendermonaten oder innerhalb von

24 Wochen ein Durchschnitt von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird.

Durch Tarifvertrag kann die werktägliche Arbeitszeit auch über zehn Stunden verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Bereit- schaftsdienst fällt (§ 7 I ArbZG). Al- lerdings ist auch hier zu berücksich- tigen, dass der Arbeitnehmer maxi- mal 48 Stunden pro Woche inner- halb eines Ausgleichszeitraums von zwölf Kalendermonaten arbeiten darf (§ 7 VIII ArbZG). Da die 48 Stunden bereits durch die Ableistung von zwei regulären Diensten und zwei Bereitschaftsdiensten erreicht werden, liefe dies faktisch auf eine Zweitagewoche der Ärzte hinaus.

Von besonderer Bedeutung ist da- her die in § 7 IIa, VII ArbZG vorge- sehene Möglichkeit, die Arbeitszeit durch Tarifvertrag beziehungsweise aufgrund eines Tarifvertrags auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern. Danach kann die 48-Stunden-Grenze für die wöchent- liche Arbeitszeit auch ohne Zeitaus- gleich überschritten werden. Dies er- fordert, dass regelmäßig und in er- heblichem Umfang Bereitschafts- dienst anfällt. Hierfür ist jedoch eine schriftliche Einwilligung des Arbeit- nehmers erforderlich, wobei bei Ver- weigerung der Einwilligung oder bei deren Widerruf kein arbeitsrechtli- cher Nachteil entstehen darf (§ 7 VII Nr. 3 ArbZG). Eine Arbeitsanwei- sung, die gegen gesetzliche Vorga- ben verstößt, ist unwirksam und muss von dem betroffenen Arzt nicht befolgt werden. Daher hat eine Arbeitsverweigerung keine (wirksa- men) arbeitsrechtlichen Konsequen- zen. Mangels schuldhafter Pflicht- verletzung rechtfertigt sie insbeson- dere keine Abmahnung oder gar eine verhaltensbedingte Kündigung.

Eine gesetzliche Grundlage be- züglich einer Anordnung von Über- stunden findet sich zunächst in

§ 14 II Nr. 2 ArbZG, wonach unter

anderem bei unaufschiebbaren Be- handlungsarbeiten von den grund- sätzlichen Vorgaben abgewichen werden darf. Im Rahmen einer ta- rifvertraglichen oder arbeitsvertrag- lichen Vereinbarung ist der Arbeit- geber daher grundsätzlich frei, Überstunden anzuordnen, sofern die Vorschriften des Arbeitszeitge- setzes eingehalten werden.

Hinsichtlich der Ruhezeiten ist

§ 5 ArbZG einzuhalten. Danach muss den Arbeitnehmern nach Be- endigung der täglichen Arbeitszeit eigentlich eine ununterbrochene Ru- hezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden, bevor sie wieder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden dürfen. Für klinisches Perso- nal lässt § 5 III ArbZG allerdings ei- ne Ruhezeit von 5,5 Stunden bis zum nächsten Arbeitsantritt ausrei- chen. Die gemäß § 3 ArbZG zulässi- ge tägliche Höchstarbeitszeit bleibt hiervon aber unberührt.

Übernahmeverschulden des Arztes

Kommt es zu einem Behandlungs- fehler, der auf eine Übermüdung des Arztes zurückzuführen ist, stellt sich die Frage nach der Haftung.

Bei einem Behandlungsfehler, der auf einen Konzentrationsmangel und Übermüdung zurückzuführen ist, liegt regelmäßig ein Übernahme- verschulden des Arztes und die Haf- tung des Klinikträgers wegen eines Organisationsverschuldens nahe.

Für den übermüdeten Arzt kommt nur eine deliktische Haftung in Be- tracht, wenn er merkt, dass er an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit an- gelangt ist und dennoch tätig wird.

Obwohl das Arbeitszeitgesetz ei- gentlich nur ein Schutzgesetz nach

§ 823 II BGB zugunsten der Arbeit- nehmer und nicht zugunsten der Pa- tienten ist, haftet der Arzt aufgrund einer unerlaubten Handlung, da das ArbZG den Patienten gerade davor schützen soll, dass ihn übermüdete Ärzte behandeln und damit unmittel- ÜBERLANGE ARBEITSZEITEN IM KRANKENHAUS

Wer haftet bei Fehlern?

Bei einem Behandlungsfehler, der auf Übermüdung zurückzuführen ist, liegen regelmäßig ein Übernahmeverschulden des Arztes und die Haftung des

Klinikträgers wegen eines

Organisations verschuldens nahe.

Foto: mauritius images

2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 7 I 14. Februar 2014

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Die Bundesländer haben 2013 erstmals wieder mehr Geld in die Krankenhäuser investiert als im Vorjahr. Ist das die erhoffte Trend- wende, was die Investitionsfinanzierung der Kliniken betrifft?

Baum: Nein, mit 2,72 Milliarden Euro liegt die Investitionsmittelbereit- stellung der Länder weiterhin weit unter dem Niveau, das notwendig wäre, die Kliniken auf einem modernen Stand zu halten und ihnen ei- ne zukunftsgerichtete Ausstattung zu ermöglichen. Die leichte Erhö- hung im Jahr 2013 um 110 Millionen Euro bei einer jährlichen Unter- deckung von circa drei Milliarden Euro ändert daran nichts. Notwendig wären nach Einschätzung aller Experten mindestens sechs Milliarden Euro jährlich.

Die fehlenden Mittel werden derzeit zum Teil von den Trägern der Krankenhäuser aufgebracht. Da eine Refinanzierung von Investitionskos- ten in den von den Kassen bezahlten Vergütungen per Gesetz ausge- schlossen ist, schlagen sich die Folgekosten der aus Fremdkapital be- ziehungsweise eigenen Mitteln getätigten Investitionen in Form von Zins- und Abschreibungslasten in den Bilanzen der Krankenhäuser nie- der und führten mit dazu, dass immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen auswiesen. Die Tatsache, dass zwischenzeitlich fast 50 Prozent der

Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, macht deutlich, dass hier ein verhängnis- voller Strudel in die Verluste wirkt.

Über Jahre wurden die Betriebskosten der Krankenhäuser nicht sachgerecht refi- nanziert und die Investitionen aus den öf-

fentlichen Mitteln nicht, wie im Gesetz vorgesehen, bedient. Die Verantwor- tung für diese schlechte Finanzlage liegt nicht bei den Krankenhäusern.

Dass die Fallpauschalen und Pflegesätze keine Investitionskostenanteile enthalten, ist gesetzlich vorgegeben. Die Verantwortung für die Investiti- onsmittelausstattung tragen, ebenfalls gesetzlich vorgegeben, die Länder.

Es wird Zeit, dass Bund und Länder die hausgemachte Misere der Krankenhausfinanzierung stoppen und sicherstellen, dass die unabweis- baren Betriebskosten der Krankenhäuser und die dringend notwendigen Investitionsausstattungen auch tatsächlich und bedarfsgerecht refinan- ziert werden. Dies ist umso dringlicher, weil sich mit dem Auslaufen des Artikels 14 des Investitionsförderprogramms im Jahr 2015 für die Kran- kenhäuser in den neuen Bundesländern eine weitere dramatische Ver-

schlechterung anbahnt. JF

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft bare Schutzwirkung entfaltet. Ein

sogenanntes Übernahmeverschulden wird also immer dann zu bejahen sein, wenn der Arzt tätig wird, ob- wohl er nicht in der Lage ist, die Therapie zuverlässig und lege artis durchzuführen. Gerade bei der Über- schreitung der zulässigen Arbeitszeit kann ein Übernahmeverschulden in- diziert sein und zu einer Umkehr der Beweislast führen.

Bei einer Überschreitung der Vorschriften des ArbZG wird regel- mäßig der Anscheinsbeweis zum Tragen kommen, denn das Risiko, bei Operationen einen Fehler zu be- gehen, ist nach der allgemeinen Le- benserfahrung höher, wenn die Ru- hezeiten nicht eingehalten werden.

Dabei sind jedoch immer die Kon- stitution und das jeweilige Bedürf- nis nach Ruhepausen des behan- delnden Arztes zu berücksichtigen.

Daher gelten grundsätzlich die in- zwischen allgemein anerkannten Regeln zur Beweislast im Arzthaf- tungsrecht. Der reine Gesetzesver- stoß gegen das ArbZG ist allein nicht ausreichend, um eine Haftung des Arztes zu begründen. Ein Ver- stoß gegen das ArbZG führt aber zu einer Beweiserleichterung zuguns-

ten des Patienten. Der Arzt kann sich dann zum Beispiel nicht allein dadurch entlasten, dass er eine wei- tere Schicht auf Veranlassung des Klinikträgers oder seines Vorge- setzten übernehmen musste. Es hat stets eine Überprüfung des Einzel- falls zu erfolgen, ob es dem Arzt in der konkreten Situation zumutbar war, den Antritt ohne die Einhal- tung der gesetzlichen Ruhezeiten zu verweigern. Da im Einzelfall auch Notsituationen denkbar sind, die ein Tätigwerden trotz Müdigkeit rechtfertigen könnten, ist stets ent- scheidend, was von einem ord- nungsgemäß und pflichtbewusst handelnden Arzt in gleicher Lage erwartet werden kann.

Organisationsverschulden des Klinikträgers

Der Krankenhausträger ist als Ar- beitgeber des Arztes zur Einhaltung der Vorgaben des ArbZG verpflich- tet. Er hat seine Klinik so zu organi- sieren, dass die Vorgaben des ArbZG eingehalten werden. Der Träger kann sich in dem Fall des Verstoßes gegen das ArbZG des- halb nur schwer entlasten, denn ein solcher indiziert auch ein Organisa-

tionsverschulden des Klinikträgers.

Eine Entlastung kann beispielswei- se nicht damit begründet werden, dass das Klinikum aufgrund des Kostendrucks im Personalbereich unterbesetzt ist. Auch der Ausfall eines Arztes ist von dem Klinikträ- ger in seiner Planung einzukalkulie- ren. Der Einsatz von übermüdetem Personal ist keine Alternative. Dem Krankenhaus obliegt grundsätzlich die Pflicht, zu gewährleisten, dass die behandelnden Ärzte körperlich und geistig in der Lage sind, ihre ärztlichen Aufgaben lege artis vor- zunehmen. Unterlässt der Klinikträ- ger schuldhaft alle von ihm zu ver- langenden zumutbaren Anstrengun- gen zur bestmöglichen medizini- schen Betreuung und Versorgung des Patienten, so hat der Kranken- hausträger dem Patienten den Scha- den zu ersetzen und nicht selten ein entsprechendes Schmerzensgeld zu zahlen. Damit setzen sich Klinikträ- ger oder Chefärzte, die Anordnun- gen unter Verstoß gegen das ArbZG treffen, ebenfalls Haftungsrisiken wie auch Regressansprüchen des geschädigten Arztes aus.

Rechtsanwalt Steffen Reppel, LL.M., MJI Fachanwalt für Arbeitsrecht, Siegen

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 7 I 14. Februar 2014

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