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Archiv "Fluoride sollten zur Behandlung der Osteoporose in der täglichen Praxis nicht mehr angewendet werden" (18.01.1990)

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(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHTE

Fluoride sollten zur Behandlung der Osteoporose in der

täglichen Praxis nicht mehr angewendet werden

Wir haben kürzlich an dieser Stelle auf die Risiken der Fluorid- therapie der Osteoporose und auf die bevorstehende Eröffnung der Er- gebnisse der beiden Doppelblindstu- dien in den USA hingewiesen. Diese wurden auf der Konferenz der ICCRH und ASMBR in Montreal vom 9. bis 14. September 1989 vorge- tragen und verbieten bis auf weiteres die Fluoridtherapie der Osteoporose.

Wie ist diese Situation entstanden?

Empirisch entstanden...

.11Die Fluoridtherapie der Osteo- porose wurde 1961 durch Untersu- chungen von Rich und Mitarbeiter begründet. Es wurde das Konzept entwickelt, daß durch eine Stimula- tion der den Knochen anbauenden Osteoblasten eine Verstärkung knö- cherner Reststrukturen bewirkt wer- de; hierdurch sollte eine Zunahme der bei Osteoporose verminderten Knochenmasse und eine Verbesse- rung der biomechanischen Qualität des Knochens in der Weise erzielt werden, daß eine Reduktion oder Prävention osteoporotischer Fraktu- ren erfolge.

Aufgrund dieser Annahmen ist die Fluoridtherapie der Osteoporose in der Bundesrepublik Deutschland seit 20 Jahren im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern vom Bun- desgesundheitsamt allgemein als ärztliche Behandlungsmaßnahme zugelassen. Die zugrundeliegenden Annahmen waren durch kontrollier- te Studien zu Wirksamkeit und Risi- ko der Fluoride nicht abgesichert worden; die Fluoridtherapie wurde aufgrund ärztlich-empirischer Emp- fehlungen führender deutschsprachi- ger Osteologen (Jesserer, 1978; Kuh- lencordt, 1974; Dambacher 1976;

Ziegler, 1989) zur „bewährten The- rapie der manifesten Osteoporose"

(Ziegler, 1989) hierzulande.

aber nicht begründet

Das Ergebnis der beiden ameri- kanischen Doppelblindstudien hat gezeigt, daß Annahmen und langjäh- rige Empfehlungen zur Fluorid- therapie nicht hinreichend begrün- det waren. Der Umfang des hier- durch entstandenen Schadens läßt sich gegenwärtig noch nicht bestim- men. Vor den beiden vom National Institute of Health (NIH, Bethesda) an der Mayo Clinic in Rochester (Riggs und Mitarbeiter) und dem Henry Ford Hospital in Detroit (Kleerekoper und Mitarbeiter) durchgeführten Studien gab es im we- sentlichen nur vier Untersuchungen:

Vor Einführung der modernen Methoden der Mineralsalzbestim- mung war die Bestimmung der Kno-

chenmasse am Röntgenbild nicht möglich, so daß die Reduktion der Frakturrate, die ja auch für den Pa- tienten der schicksalsbestimmen- de Parameter ist, zur Bestimmung des Therapieerfolges herangezogen wurde.

Die Untersuchung von Inkovaa- ra und Mitarbeiter (1975) ergab eine Frakturzunahme, die erste retro- spektive Studie von Riggs und Mitar- beitern (1982) zeigte eine Abnahme.

1986 publizierten Dambacher und Mitarbeiter eine deutliche Zu- nahme von Wirbelkörperfrakturen unter Fluoridtherapie gegenüber Unbehandelten, während 1988 veröf- fentlichte Ergebnisse von Mamelle und Mitarbeitern eine statistisch nicht überzeugende Reduktion von Wirbelfrakturen ergab.

10. Internationale Konferenz

über kalziumrequlierende Hormone und

11.Jahrestagung der American Society for Bone und Mineral Research

Osteoporose '89, Hannover

Was tun nach Eröffnung der beiden USA-Studien zur Fluoridtherapie der Osteoporose?

Dambacher, Zürich; Ziegler, Heidelberg:

„Studienergebnisse seriös; weitere Studien erforderlich; möglicherweise als na- tionale Studie mit mehreren Therapiearmen, bis zu neuen Ergebnissen Fluoride weiter verordnen."

Hesch, Hannover:

„Studienergebnisse gegenwärtig unanfechtbar; weitere Studien über gültige In- dikationen erforderlich; bis dahin ,nil nocere`, keine neuen Therapien mit Fluori- den; laufende Therapien eventuell abbrechen."

Fazit:

Verunsicherung von Patienten und Ärzten; Prävention und Frühdiagnostik för- dern; Frühtherapie entwickeln. Für und Wider der Fluoridtherapie beobachten;

allgemeine Maßnahmen zu Behandlung fortgeschrittener Osteoporosen anwen- den und . . „nil nocere"!

A-142 (58) Dt. Ärztebl. 87, Heft 3, 18. Januar 1990

(2)

Die jetzt geöffnete erstmalige Doppelblindstudie von Riggs und Mitarbeitern zeigt eine deutliche Zu- nahme des Kalksalzgehaltes der Wir- belsäule, nicht aber am peripheren Knochen. Die Frakturrate an der Wir- belsäule wird unter Fluoridtherapie nicht verbessert. Die Anzahl periphe- rer Knochenbrüche ist unter Fluorid- therapie dreimal häufiger als bei Osteoporosekranken, denen zur Kon- trolle nur Kalziumcarbonat gegeben wurde, so daß insgesamt Fluorid- therapierte mehr Knochenbrüche als nicht mit Fluoriden therapierte Osteoporosekranke aufweisen.

Die zweite Doppelblindstudie von Kleerekoper und Mitarbeitern zeigt bei den fluoridtherapierten Osteoporosekranken gegenüber den Kontrollen keinen Anstieg der Kno- chenmasse. Der durch Wirbelkör- perbrüche vermutete Verlust an Körpergröße ist in der Gruppe der mit Fluoriden Therapierten größer:

Auch in dieser Studie findet sich ei- ne zwei- respektive dreifache Zunah- me von Frakturen an den oberen oder unteren Extremitäten. Die au- ßerhalb des Knochensystems liegen- de Nebenwirkungsrate war in beiden Studien höher bei den Fluoridthera- pierten gegenüber den Kontrollpa- tienten. Die Autoren beider rando- misiert-doppelblind durchgeführten Studien schließen, daß fluoridthera- pierte Osteoporosekranke insge- samt, bei mehr extraossären Neben- wirkungen, eine höhere Frakturrate als nicht mit Fluoriden Therapierte aufweisen und daß Fluoride nicht ge- eignet sind zur Therapie der manife- sten Osteoporose.

.Fluoride obsolet

IM

Eine definitive wissenschaftliche Beurteilung der Ergebnisse dieser beiden im Auftrage des NIH durch- geführten Doppelblindstudien ist erst nach endgültiger Publikation der Einzeldaten möglich. Fluoride be- halten nach wie vor eine gewisse Be- deutung in der experimentellen Osteologie. So gilt es in geeigneten Studien, den Wert neuer galenischer Zubereitungen zu prüfen, wie zum Beispiel „slow release"-Fluoride, wie kürzlich von Pak und Mitarbeitern (1989) beschrieben. Auch Versuche

mit niedrig-dosierten Fluoriden so- wie intermittierende Applikation und Kombinationsbehandlungen, schließlich besondere Indikationen wie frühe Formen der Osteoporose oder Prävention der Steroidosteopo- rose können von Interesse werden.

Alle diese jetzt offenen Probleme sind aber wissenschaftliche Frage- stellungen, welche nur im Rahmen von experimentellen, radomisiert- kontrolliert durchgeführten Studien aufgegriffen werden können.

Angesichts der Eindeutigkeit der Ergebnisse der beiden amerikani- schen Studien ist aber keine der ge- genwärtig zugelassenen Behand- lungsindikationen zur Prävention oder Therapie der Osteoporose mit Fluoriden mehr zu halten. Man kann den Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland nur dringend raten, Flu- oride bis zum Vorliegen neuer Stu- dienergebnisse nicht mehr zu verwen- den und begonnene Therapien nach Abwägung von Schaden und Nutzen —

„nil nocere" — zu beenden. Eine auf- schiebende Diskussion erscheint an- gesichts von Risiko und nachgewiese- nem Schaden ethisch und rechtlich unangemessen. Nachtrag: Die Dis- kussion des Sachverhaltes bei „Osteo- porose '89" am 21. August 1989 in Hannover ergab unterschiedliche Meinungsbildungen, die in der Abbil- dung zusammengefaßt sind.

Vom 12. bis zum 14. Oktober 1989 fand im Bonner Wissenschafts- zentrum das zweite Statusseminar der AIDS-Forschungsförderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie statt. Bei dieser alle zwei Jahre stattfindenden Tagung präsentieren die im Rahmen des AIDS-Forschungsschwerpunktes des Bundesministeriums für Forschung und Technologie geförderten Ar- beitsgruppen den Stand und die Er- gebnisse ihrer Untersuchungen. An der diesjährigen Veranstaltung nah- men über 300 Wissenschaftler und Beobachter teil. Der Forschungs- schwerpunkt AIDS im langfristig an-

Literatur

Dambacher, M. A., Haas, H. G.: Therapie der Osteoporose mit Fluorid. Dtsch. Med. Wschr.

101 (1976), 504-506

Dambacher, M. A., J. Ittner, P. Ruegsegger:

Long term fluoride therapy of postmenopausal osteoporosis. Bone 7 (1986), 199-205.

Inkovaara, J., Heikinheimo, R., Jarvinen, K., Ka- surinen, U., Hanhijarvi, H., lisalo, E. BrMed J 3 (1975), 73-74

Jesserer, H.: Metabolische Osteopathien. In: In- nere Medizin in Praxis und Klinik. Hornbostel, Kaufmann, Siegentaler Hrsg. (1978), 919-921 Kuhlencordt, F., Kruse, H. P.: Was ist gesichert in der Therapie der Osteoporose und Osteoma- lacie? Internist (Berl.) 15 (1974), 588-593 Mamelle, N., P. J. Meunier, R. Dusan, M. Guil- laume, J. L. Martin, A. Gaucher, A. Prost, G.

Zeigler, P. Netter: Risk-benefit ratio of sodium fluoride treatment in primary vertebral osteo- porosis. Lancet 132,8607 (1988), 361-365.

Pak, C., K. Sakahee, J. Zerwekh, C. Parcel, R.

Peterson, K. Johnson: Safety and effective treat- ment of osteoporosis with intermittent slow re- lease sodium fluoride: augmentation of vertebral bone mass and inhibition of fractures. J Clin Endocrinol Metab 68 (1989), 150-159.

Rich, C., Ensinck, J.: Effect of sodium fluoride an calcium metabolism of human beings. Nature 191 (1961), 184-185

Ziegler, R. Östrogene und Osteoporose. Ge- burtshilfe und Frauenheilkunde 49 (1989), 82-84.

Professor Dr. med.

Rolf Dieter Hesch Dr. med. Hajo Harms

Dr. med. Ernst-Friedrich Rittinghaus Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung für

Klinische Endokrinologie Konstanty-Gutschow-Straße 8 3000 Hannover 61

gelegten BMFT-Programm „For- schung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit" besteht seit 1983.

Seitdem wurden knapp 100 Millio- nen DM für rund 100 Forschungs- vorhaben in diesem Bereich zur Ver- fügung gestellt.

Die über achtzig Präsentationen des diesjährigen Statusseminars wer- den vollständig in einem Berichts- band dokumentiert, der voraussicht- lich im Laufe der ersten drei Monate des Jahres 1990 erscheinen wird.

Schon vorher wird eine populärwis- senschaftliche Zusammenfassung der Ergebnisse, erstellt von Prof. Dr.

Karin Dr. Mölling, in Form eines Be-

Statusseminar zur deutschen AID S-Forschung

Dt. Ärztebl. 87, Heft 3, 18. Januar 1990 (59) A-143

Referenzen

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