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Archiv "HIV-Infektion: Frauenspezifische Aspekte sind unterrepräsentiert" (26.11.2004)

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eltweit sind mehr als die Hälfte aller HIV-Infizierten Frauen und Mädchen. In Deutschland liegt der Anteil des weiblichen Ge- schlechts an der Infektionskrankheit zwar deutlich niedriger, aber auch hier wurde in 2003 jede vierte Neuinfektion bei einer Frau festgestellt. Dennoch ist eine „frauenspezifische“ Sichtweise der HIV-Infektion lange Zeit außer Acht gelassen worden, obwohl der Immunde- fekt geschlechtsbezogene Unterschiede aufweist, deren Wurzeln nicht nur in der Pathophysiologie, sondern auch im psychosozialen Bereich liegen. So haben HIV-infizierte Frauen weniger Kon- takte zum Gesundheitssystem, sind zu einem geringeren Anteil in Studien vertreten und erhalten seltener eine suffiziente Therapie.

Der Welt-Aidstag, der seit 1988 von der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) am 1. Dezember ausgerufen wird, will mit dem Motto

„Frauen, Mädchen, HIV und AIDS“ diese Defizite bewusst machen. Als Beispiel für ge- schlechtsspezifische Unterschiede nennt Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer, Prä- sident der Deutschen Aids-Gesellschaft (DAIG) und Sprecher des Kompetenz- netzes HIV/AIDS, die Viruskonzentrati- on im Blut. Bei HIV-infizierten Frauen beobachte man initial eine niedrigere Viruslast als bei Männern, obwohl die Zeitspanne bis zur Ausbildung von Aids bei beiden Geschlechtern vergleichbar ist. „Ob dieser Unterschied die Wahl und den Zeitpunkt der Therapie beeinflus- sen sollte, ist nicht erforscht“, sagte Brockmeyer.

Ebenso unklar seien die Neben- und Wechselwirkungen der aktuellen anti-

retroviralen Therapien, obwohl inter- nationale klinische Studien Hinweise darauf geben, dass bestimmte Medi- kamente bei Frauen andere Nebenwir- kungen hervorrufen als bei Männern.

„Es besteht dringender Forschungsbedarf“, betonte Brockmeyer. In Deutschland gibt es bisher kaum Daten zu diesem Thema. Dies soll sich mit einer Studie, die das Kompetenznetz HIV/AIDS ini- tiiert hat, ändern.

Expertise für Osteuropa

Auch gibt es geschlechtsspezifische Symptome, die auf eine kürzlich erfolgte Infektion mit HIV hinweisen können, aber als solche häufig nicht erkannt werden. Dies sind bei Frauen rezidivie- rende vaginale Infektionen, patholo- gische Zervixabstriche und therapie- resistente Entzündungen des kleinen

Beckens. Nach der aktuellen Studien- lage scheinen auch niedrige Serumalbu- minspiegel und hohe Konzentrationen des C-reaktiven Proteins für HIV-infi- zierte Frauen eine schlechte Prognose zu bedeuten.

Die meisten HIV-positiven Frauen in Deutschland sind zwischen 20 und 40 Jahre alt und damit im gebärfähigen Alter. Eine HIV-Infektion des Kindes war bei den etwa 250 Schwangerschaf- ten, die hierzulande pro Jahr von be- kannt HIV-infizierten Frauen ausge- tragen werden, aufgrund der medi- kamentösen Prophylaxemöglichkeiten eine Seltenheit. Dennoch wurden in 2004 bereits 19 HIV-Infektionen bei Kindern von Migrantinnen diagnosti- ziert. Das Robert Koch-Institut in Berlin appelliert daher an die Gynäkologen, al- len Schwangeren einen HIV-Test anzubieten.

Auch hinsichtlich der Sexualaufklärung seien es vor allem die Frauen, die Informationen zum Schutzverhalten weiter- geben, sagt Ulrich Hei- de, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS- Stiftung. Der Schutz durch Kondome sei das Mittel der Wahl, um einer Infektion vorzu- beugen. Dies verlange von Frauen einiger Kulturkreise ein ver- ändertes Rollenverhal- ten, gekennzeichnet durch Offen- heit, Verweigerung von ungeschütztem Geschlechtsverkehr, Erkennen und Durchsetzen der eigenen Wünsche und Bedürfnisse.

„Frauen brauchen auch aus biologi- schen Gründen besonderen Schutz vor HIV“, erläutert Joyce Dreezens-Fuhrke von der Deutschen Aids-Hilfe. Studien hätten gezeigt, dass die Wahrscheinlich- keit für eine HIV-Infektion bei unge- schütztem Geschlechtsverkehr für Frau- en doppelt so hoch ist wie für Männer.

Deshalb müssten frauenspezifische Aspekte verstärkt bei der Entwicklung von Impfstoffen berücksichtigt werden.

Inzwischen steigen die Infektions- raten in Osteuropa und Zentralasien weiter rapide an, und Menschen sterben, M E D I Z I N R E P O R T

HIV-Infektion

Frauenspezifische Aspekte sind unterrepräsentiert

Mit dem Motto „Frauen, Mädchen, HIV und AIDS“ will der Welt-Aidstag das Bewusstsein für eine geschlechtsorientierte Sichtweise der HIV-Medizin schärfen.

Im Rahmen eines Aids-Präventionsprojekts verteilt eine Street-Workerin Kondome an Prostituierte in Krakau, Polen.

Fotos:IHRD

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A3242 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4826. November 2004

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weil der Zugang und/oder die Admini- stration der antiretroviralen Therapie- Regime nach aktuellem Kenntnisstand nicht gewährleistet sind. Bei einer HIV- Infektion ist die genaue Einhaltung von komplexen Therapieplänen jedoch es- senziell, um einen Behandlungserfolg zu erzielen und Resistenzbildungen zu vermeiden. Aus Betroffenheit über die Situation haben die Deutsche Aids- Gesellschaft und das Kompetenznetz HIV/AIDS die Initiative für einen Expertenpool gestartet. Unter ihren Mitgliedern konnten 17 Wissenschaftler gewonnen werden, die ehrenhalber in einem einwöchigen Seminar die Grund- lagen der HIV-Therapie an Kollegen in Russland und Osteuropa weitergeben.

Vorab werden die ausreisenden Ärzte in einem Workshop auf die Kultur und die Situation im Zielland vorbereitet.

Tabuisierung durchbrechen

In vielen Entwicklungsländern, aber auch in Ländern Osteuropas spielt die HIV-Prävention bei Prostituierten eher eine untergeordnete Rolle. Dort, wo die Frauen und Männer kaum Zugang zu Präventions- und Betreuungsprogram- men haben, kann die Verbreitung des HI-Virus nach Angaben der WHO zwi- schen 60 und 90 Prozent liegen. In den Ländern, wo im Umfeld von Prostitution gezielt durch Prävention interveniert werden konnte, zum Beispiel in Thailand und Kambodscha, ließen sich die Infek- tionsraten hingegen drastisch senken.

Ein (Online-)Leitfaden, den die WHO in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Technische Entwicklung (GTZ) und Netzwerken von Prostituierten aus der ganzen Welt innerhalb der letzten ein- einhalb Jahre entwickelt hat, soll die Gesundheitsgefahren der Männer und Frauen und ihrer Kunden reduzieren helfen. Der Leitfaden – auch „Toolkit“

genannt – enthält eine Mischung aus praktischen Anleitungen, Daten und Analysen sowie mehr als 130 Dokumen- te, Handbücher und Forschungsstudien rund um das Thema HIV-Prävention. Er richtet sich an Organisationen, Selbst- hilfegruppen und Einzelpersonen, die im Umfeld von Sexarbeit tätig sind. Ein anderes Dokument des „Toolkits“, das Programm-Manager bei der Konzeption

von Projekten unterstützen soll, enthält Informationen zum Gesundheitsschutz bei Prostitution (making sex work safe).

Der GTZ-Seniorberater für HIV/Aids, Thomas Kirsch-Woik, beschreibt das Toolkit als „lebenden Werkzeugkasten“, der ständig aktualisiert werden kann.

Bislang sei es schwierig gewesen, ein weltweites Netzwerk aus Prostituierten

aufzubauen, weil viele Staaten sich der Thematik gegenüber verschlössen.

„Erst langsam brechen Tabuthemen wie Prostitution oder Migration auf“, so Kirsch-Woik. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn Martina Merten Das HIV/Aids-Toolkit kann unter www.who.int/hiv/

toolkit/sw heruntergeladen werden. Von 2005 an liegt es auch als CD-ROM und in gedruckter Form vor.

M E D I Z I N R E P O R T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4826. November 2004 AA3243

H

erbstzeit ist gelbe Zeit – nein, keine Panik, es ist momentan kein be- sonders aggressives hepatotoxisches Influenzavirus unterwegs – ich meine das Ausstellen gelber, so genannter Arbeitsunfähigkeitsbeschei- nigungen. Triefende Nasen, verquollene Augen, dampfende Ohren lassen selbst Tätigkeiten in publikumsfernen Arbeitsstätten nicht zu.Außerdem ist das Ausstellen einer AU ein probates Mittel, die Arzt-Patienten-Beziehung zu festigen und die Autorität als Arzt zu unterstreichen. Jedenfalls war das früher so. Heute bekomme ich, kaum ist die Tinte auf der AU trocken, einen mehrseitigen Fragebogen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zugeschickt. Akribische Fragen zu meinen diagnostischen Kriterien haben mich gelehrt, keine klinischen Diagnosen mehr zu stellen. Wehe, ich mache den Fehler, eine Pneumonie nur mit dem Stethoskop nachzuweisen! Das wird sofort mit der Aufforderung gekontert, mich 20 Zeilen lang über Art, Menge, Größe, Farbe, Geschlecht und Nationalität der von mir auskultier-

ten Rasselgeräusche zu äußern. Habe ich aber eine Verschattung im Rönt- gen-Thorax als Argument parat, wird dies problemlos akzeptiert, Strahlen- belastung hin, Ressourcenverschwendung her. Also packe ich mein Stetho- skop erst gar nicht an und überweise bei gegebenem Verdacht fleißig zum Radiologen. Und alle sind zufrieden: der Patient, dem die Segnungen unser hochtechnischen Medizin zuteil werden, der Medizinische Dienst, der die zweifelsfreie Wahrheitsfindung den Kassen melden kann; nur der Radiolo- ge stöhnt über die kaum zu bewältigenden Schlangen vor seinen Röntgen- geräten: Fulminante Wartezeiten drohen. Um diese zu umgehen, wird jede AU als Notfall etikettiert.

Zwischen all den Influenza-Geschädigten kommt aber ein Patient in die Sprechstunde, der über Bluthusten berichtet. Jetzt brauche ich ganz schnell ein Röntgenbild: Ist es nur eine hämorrhagische Bronchitis oder etwa eine Tuberkulose? Gar ein Bronchialkarzinom? Oder eine hämorrhagische Klebsiellen-Pneumonie? Hektisch telefoniere ich die Radiologen durch, aber alle Röntgen-Apparate sind mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegt, die al- le als Notfälle daherkommen. Glücklicherweise lässt sich mein Radiologe doch noch erweichen, diesen ech- ten Notfall ganz unbürokratisch sofort zu durchleuch- ten. Wohl dem, der daran denkt, seine Apparate auch für diejenigen zu gebrauchen, die es wirklich bitter nötig haben. Dr. med. Thomas Böhmeke

Notfälle

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