A 810 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 16|
20. April 2012STUDIEN IM FOKUS
Seit einigen Jahren gibt es Hinwei- se darauf, dass die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) vor Mali- gnomen schützt. Die These wird jetzt mit einer umfangreicheren Da- tenbasis aus drei neuen Studien (1, 2, 3) unterstützt. Sie waren ur- sprünglich daraufhin konzipiert, die Wirksamkeit von ASS bei der Pri- mär- und Sekundärprophylaxe kar- diovaskulärer Erkrankungen zu un- tersuchen. Der neuen Analyse aus 51 Studien mit 69 224 Patienten zu- folge senkt die tägliche Einnahme von ASS auch das Risiko, an Krebs zu sterben um 15 Prozent (1). Bei ASS-Einnahme länger als 5 Jahre wurde das Risiko sogar um 37 Pro- zent vermindert. Es gab eine prä- ventive Wirkung für Frauen und Männer. Infolge der reduzierten Krebstodesfälle war auch die An-
zahl der nichtvaskulär bedingten Todesfälle um 12 Prozent vermin- dert. Dieser Vorteil wurde aller- dings in den ersten Jahren durch ei- ne erhöhte Rate an schweren Blu- tungen aufgehoben. In der zweiten Analyse von fünf großen randomi- sierten Studien kommen die Auto- ren zu dem Ergebnis, dass ASS in der Dosierung ≥ 75 mg täglich auch das Risiko einer Metastasenbildung vermindert (Hazard Ratio für Mali- gnome mit Fernmetastasen 0,64;
p = 0,001). Eine dritte Analyse be- stätigt die Ergebnisse für seltenere Krebserkrankungen, für die in ran- domisierten Studien bislang keine signifikanten Zusammenhänge ge- funden worden waren (3).
Fazit: Die tägliche Einnahme von Acetylsalicylsäure schützt offenbar
vor Malignomen und deren Metas- tasierung. Allerdings ist auch das Risiko für gastrointestinale Blutun- gen erhöht.
Die Frage, ob der Nutzen von ASS für die Krebsprävention die Risiken überwiegt, wird internatio- nal diskutiert, lässt sich aber bis- lang noch nicht beantworten.
Rüdiger Meyer
1. Rothwell PM, Price JF, Fowkes GR, et al.:
Short-term effects of daily aspirin on can- cer incidence, mortality, and non-vascular death: analysis of the time course of risks and benefits in 51 randomized controlled trials. Lancet 2012; e-pub ahead of print:
doi: 10.1016/S0140-6736(11)61720-0.
2. Rothwell PM, Wilson M, Price JF, et al.: Ef- fect of daily aspirin on risk of cancer me- tastasis: a study of incident cancers during randomized controlled trials. Lancet 2012.
doi: 10.1016/S0140-6736(12)60209-8.
3. Algra AM, Rothwell PM: Effects of regular aspirin on long-term cancer incidence and metastasis: a systematic comparison of evidence from observational studies versus randomized trials. Lancet 2012 doi:
10.1016/S1470-2045(12)70112-2.
MALIGNOMPROPHYLAXE
Aspirin schützt vor krebsbedingtem Tod und Metastasen
Bei einer chronischen, unheilbaren Krankheit, welche eine regelmäßi- ge Medikamenteneinnahme erfor- derlich macht, ist die Adhärenz der Patienten von entscheidender Be- deutung für den Therapieerfolg.
Beim Glaukom, das bei den über- wiegend älteren Patienten in der Regel mit Augentropfen behandelt wird, die den Augeninnendruck senken sollen, sind die regelmäßige Applikation der Tropfen, die erneu- te Rezeptur und die augenärztlichen Kontrollen essenziell, um eine Pro- gression der Schädigung des Seh- nerven und damit eine mögliche Erblindung zu vermeiden. Non- Compliance gilt als größte Schwach - stelle in der medikamentösen Glau- komtherapie.
In den USA hat eine Forscher- gruppe aus Ophthalmologen und Psychologen bei typischen Glau-
kompatienten, nämlich älteren Pa- tienten im Durchschnittsalter von 70 Jahren, mit Hilfe einer Kombi- nation von Testverfahren (Califor- nia Verbal Learning Test, Verbal Fluency Subtest, Geriatric Depres- sion Scale-15 Item und Geriatric Anxiety Inventory) die mentale Be- findlichkeit und die psychische Leistungsfähigkeit evaluiert. Frühe- re, im Konzept ähnliche Studien hatten den Schwerpunkt ihrer Un- tersuchungen eher auf die Gesamt- heit der Glaukompatienten und weniger auf die älteren unter ihnen gelegt.
In der aktuellen Studie hatten 44 % der Patienten eine Einschrän- kung in einer oder mehreren kogni- tiven Fähigkeiten: Bei 20 % lag ei- ne Erinnerungsstörung vor, und bei statistisch jedem achten Studien- teilnehmer fanden die Untersucher
Anzeichen für eine leichte bis mit- telgradige Depression.
Fazit: Gedächtnisstörungen seien bei Glaukompatienten häufig, resü- mieren die Autoren. Die regelmäßi- ge Applikation von Augentropfen aber ist bei eingeschränktem Ge- dächtnis unwahrscheinlich. Der Augeninnendruck lässt sich neue- ren Studien zufolge auch operativ mit gutem Erfolg senken (2). So könnte die Glaukomchirurgie bei kognitiven Störungen von Patien- ten eine sinnvolle Alternative zur Medikation sein, zumindest dann, wenn die zu erwartende Lebenszeit nicht Jahrzehnte beträgt.
Dr. med. Ronald D. Gerste 1. Yochim B, Mueller A, Kane K, et al.: Preva-
lence of cognitive impairment, depression, and anxiety symptoms among older adults with glaucoma. J Glaucoma 2012; 21:
250–4.
2. Landers J, Martin K, Sarkies N, et al.: A twenty-year follow-up study of trabecu- lectomy: risk factors and outcomes. Oph- thalmology 2012; 119: 694–702.
GLAUKOM