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Archiv "Hausärztetag: Zufrieden mit der Politik, Kritik an der KBV" (13.10.2000)

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wei Jahre nach der Regierungsüber- nahme durch die rot-grüne Koali- tion zog der Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA) eine überwiegend positive Bilanz.

Beim 23. Hausärztetag Ende Septem- ber in Ulm sagte Eberhard Mehl, seit Mitte des Jahres neuer Hauptge- schäftsführer des Berufsverbandes:

„Der BDA hat vieles im Gesetzge- bungsprozess und in der Selbstverwal- tung durchgesetzt.“ BDA-Vorsitzen- der Professor Dr. med. Klaus-Dieter Kossow sprach sogar von einem Erfolg,

„dessen Ausmaß nur ermessen kann, wer die Diskussion in den letzten drei Jahrzehnten verfolgt hat und all die Wi- derstände gegen die Entwicklung der Allgemeinmedizin erlebt hat“.

Eigenständiger Honoraranteil als wichtigste Neuerung

Vor allem stimmt den Hausärztever- band froh, dass es seit dem Gesund- heitsreformgesetz einen eigenständigen Honoraranteil für die hausärztliche Versorgung gibt. Eine Neuerung im Honorargefüge, die andererseits zahl- reiche Fachärzte in wirtschaftliche Be- drängnis stürzt. Aus Sicht des BDA war diese Regelung jedoch überfällig, um die Hausärzte mittelfristig vom Ende der Einkommensskala wegzubringen.

Positiv bewertet der BDA auch die Errichtung eines hausärztlichen Fach- ausschusses bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Damit ist zwar nicht die ursprünglich geforderte Entscheidungskompetenz für die haus- ärztlichen Angelegenheiten verbun-

den. Immerhin können der BDA und weitere Hausarztvertreter aber an der Entscheidungsfindung mitwirken.

Dritter Punkt in der Erfolgsbilanz:

Der Hausarzt ist jetzt als Begriff im So- zialrecht verankert. Dazu Kossow: „Die vertragsärztliche Bedarfsplanung sieht vor, dass die hausärztliche Tätigkeit im Regelfall durch weitergebildete Allge- meinärzte durchgeführt wird. Auf In- ternisten soll künftig nur dann zurück- gegriffen werden,

wenn es nicht genü- gend Allgemein- ärzte gibt.“ Diese Möglichkeit ist al- lerdings nicht un- wahrscheinlich.

Zwar strebt der Gesetzgeber die Umkehrung der be- stehenden Verhält- nisse in 60 Prozent Hausärzte und 40 Prozent Fachärzte an. Auch ist die strukturelle und fi- nanzielle Förde- rung der allgemein- medizinischen Wei- terbildung in Klinik

und Praxis inzwischen geregelt.

Tatsächlich droht das Programm aber an den Gegebenheiten im Krankenhaus zu scheitern. So räumte Professor Dr.

med. Jörg-Dietrich Hoppe, der Präsi- dent der Bundesärztekammer, als Gast- redner auf dem Hausärztetag ein, dass die Krankenhäuser auf Dauer nicht in der Lage sein könnten, genügend Wei- terbildungsstellen für die Allgemein- medizin vorzuhalten.

Die Einführung der DRGs (Diagnos- tic Related Groups) nach dem australi- schen Vorbild werde den wirtschaftli- chen Druck auf die Krankenhäuser er- höhen. „Das wird auch den Weiterbil- dungsgedanken zurückdrängen“, fürch- tet Hoppe. „In Zukunft wird deshalb vielleicht die Weiterbildung in der Allge- meinmedizin hauptsächlich in der ambu- lanten Versorgung stattfinden müssen.“

Eine Aussicht, die die Hausärzte offen- bar gar nicht so schrecklich finden, denn Hoppes Prognose wurde mit viel Beifall bedacht. Ohnehin vertreten viele Allge- meinärzte die Auffassung, dass Hausärz- te nur in der ambulanten Versorgung je- ne Fälle in ausreichender Zahl vorfin- den, die für ihre spezifische Weiterbil- dung von Relevanz sind.

Die positive Einschätzung der aktu- ellen Lage der Hausärzteschaft endete in Ulm bei den Berührungspunkten zur Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Geschäftsführer Mehl nahm das „Stim- mungsbarometer der letzten zwei Jah- re“ zu Hilfe, um den Tiefpunkt der Wertschätzung gegenüber der KBV auf

den 20. September dieses Jahres zu da- tieren. An diesem Tag publizierte der BDA seine Kritik am neuen Einheitli- chen Bewertungssmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM), in den die Hausärz- te große Hoffnungen gesetzt hatten, von dem sie nun aber enttäuscht seien.

Mehl nannte den EBM-Entwurf „fach- arztfreundlich“ und glaubt, „dass hier mithilfe eines scheinbar objektiven Be- wertungssystems den Hausärzten sehr P O L I T I K

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A2670 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000

Hausärztetag

Zufrieden mit der Politik, Kritik an der KBV

Der Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands sieht deutliche Fortschritte in der Stellung der hausärztlichen Versorgung. Das Verhältnis zur Kassenärztlichen Bundes- vereinigung ist hingegen auf einem Tiefpunkt angelangt.

Klaus-Dieter Kossow:

„Erfolge trotz aller Wi- derstände gegen die All- gemeinmedizin.“

Eberhard Mehl: „Nie- mand glaubt ernsthaft an die Aufstockung der Ge- samtvergütung.“

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subtil Honoraranteile weggenommen werden sollen“. Der EBM-Entwurf be- inhalte ein enormes Gefahrenpotenzial für die Hausärzteschaft, weil die haus- ärztlichen Leistungen sehr stark in Komplexziffern zusammengefasst wür- den, während die fachärztlichen Ka- pitel weiterhin eine

große Anzahl von Einzelleistungen enthielten.

„Niemand glaubt ernsthaft“, führt Mehl in seiner Kri- tik am EBM aus,

„dass es zu einer Aufstockung der Gesamtvergütung kommt, wenn die fachärztliche Lei- stungsmenge EBM- systembedingt ex- plodiert. Nein, wir werden erleben, dass die Leistungs-

mengenexplosion im fachärztlichen Be- reich zunächst einmal durch kommuni- zierende Honorarröhren den haus- ärztlichen Vergütungsanteil belasten wird.“ Der neue EBM werde die Lei- stungsmengenentwicklung bei den Fachärzten nicht aufhalten, eher för- dern. Deshalb werde der BDA den Be- wertungsausschuss auffordern, „end- lich in der EBM-Reform die Struktur- komponente des hausärztlichen Über- weisungsanteils für viele fachärztliche Leistungen einzuführen“.

Die berufspolitische Breitseite gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung blieb nicht ohne Reaktion. Wie Hoppe war auch Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm Gast beim Ulmer Hausärz- tetag. Und der Vorsitzende der KBV nutzte die Gelegenheit, die harsche Kri- tik des BDA zurechtzurücken. „Ihr Misstrauen gegen der KBV, sie sei fach- arztlastig und stehe nicht zu Vereinba- rungen, ist falsch“, sagte Richter-Reich- helm. „Dieser neue EBM“, fuhr der KBV-Vorsitzende fort, „wird Vorschrif- ten zum Überweisungsverhalten zwi- schen haus- und fachärztlicher Versor- gung enthalten und bestimmte hoch spezialisierte Leistungen von einem Überweisungsgebot abhängig machen.“

Auch zu den Befürchtungen der Hausärzte, letztendlich doch wieder

Honoraranteile an die Fachärzte zu ver- lieren, nahm Richter-Reichhelm Stel- lung: „Ich kann nicht akzeptieren, dass immer wieder der Eindruck vermittelt wird, als wolle sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung durch einen neuen EBM oder durch die Ausweitung des

K.O.-Kataloges (Leistungen, die entweder Haus- oder Fachärzte nicht abrechnen dürfen, die Red.) von der mit den Krankenkassen ge- meinsam auf gesetz- licher Grundlage vereinbarten Auf- teilung der Gesamt- vergütung in einen hausärztlichen und in einen fachärztli- chen Anteil zugun- sten der Fachärzte wieder verabschie- den. Dieser Gesamtvergütungsanteil ist rechtsverbindlich im Bewertungsaus- schuss beschlossen

worden und wird von der Kassenärzt- lichen Bundesverei- nigung in keiner Weise in Frage ge- stellt.“ Richter- Reichhelm bekam Beifall in Ulm, ob- wohl die Hausärzte zu Beginn seiner Ausführungen er- kennbar reserviert blieben. Vor allem machte der KBV- Vorsitzende Punk- te, weil er einerseits nicht vor der Kritik

des BDA einknickte, andererseits aber gemeinsame Positionen formulierte.

Ausgehend vom zentralen Thema des Hausärztetages, nämlich der Frage, ob der Arztberuf in Gefahr sei, steuerte Richter-Reichhelm zielgenau auf den Wettbewerb der Krankenkassen als der eigentlichen Bedrohung für die unab- hängige Stellung des Arztes hin. Er verwies dabei auf die selektive Ver- tragsgestaltung – beispielsweise in der Integrationsversorgung. Auch die Krankenhäuser brächten hier eigene

Interessen ins Spiel. Für sie sei die Inte- grationsversorgung der Schrittmacher für die seit langem propagierte Um- strukturierung der Krankenhäuser in Gesundheitszentren sowohl für die am- bulante als auch stationäre fachärztli- che Versorgung. Richter-Reichhelm appellierte an den BDA wie auch an die ärztlichen Berufsverbände allge- mein, ein „Gegenszenario“ gemeinsam mit den ärztlichen Körperschaften zu entwickeln. Ärztekammern und Kas- senärztliche Vereinigungen dürften nicht in innerärztlichen Grabenkriegen zerrieben werden.

„Gatekeeper“ – aber kein klassisches Primärarztsystem

In einem solchen Szenario sieht der BDA die Rolle des Hausarztes nach wie vor als die eines Gatekeepers. Offen bleibt, wie verbindlich und einflussreich eine solche Position letztlich sein soll.

Der Gesetzgeber hat sich trotz aller Stärkung der hausärztlichen Versor- gung nicht zu einem Primärarztsystem klassischer Prägung durchringen kön- nen. Die freie Arzt- wahl bleibt. Aber ebenso bleiben die vielfältigen Proble- me mit der Kran- kenversichertenkar- te als einem „unli- mitierten Bezugs- scheinsystem zu be- grenzten Kosten“.

Kossow wirbt des- halb für Fallmanage- ment durch Haus- ärzte. Wo Hausärzte die Behandlungsfälle steuerten, sei die Versorgung kostengünstiger.

Der Allgemeinarzt, sagte Kossow abschließend, müsse im Hinblick auf seine künftige Stellung sein ärztliches Handeln nach dem Stand der Wissen- schaft planen und begründen können;

er müsse „in der Behandlungssituation Wissenschaft und Ethik praktisch gelin- gend anwenden und fähig sein, auf dem Boden anerkannter Wertesysteme, Therapie zu reflektieren, zu planen und durchzuführen“. Josef Maus P O L I T I K

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A2672 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000

Manfred Richter-Reichhelm: „Das Misstrauen gegenüber der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung ist un- begründet.“ Fotos: Johannes Aevermann

Jörg-Dietrich Hoppe: „Die Weiterbil- dung in der Allgemeinmedizin muss vielleicht überwiegend in der ambu- lanten Versorgung stattfinden.“

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