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Archiv "13. Deutscher Hausärztetag in Kiel: „Schallende Ohrfeige für die Allgemeinmedizin“" (11.10.1990)

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ZT 3 . DEUTSC HER BPA

im HAUSARZTETAG 1990

BERUFSVB PRAKTISCI- UND ÄRZTE

ALLGEMEIN -DEUTSCHL,

„Der Hausarzt im Programm der Parteien" — so das Motto der öffentlichen Veranstaltung zum Auftakt des 13. Deutschen Hausärztetages am 19. Oktober 1990 im Maritim-Hotel zu Kiel. Auf dem Podium (v.l.n.r): Dr. med. Rolf-Eckart Hoch, Bundesvorsitzender des BPA;

Dieter-Julius Cronenberg, F.D.P.-MdB, Bundestagsvizepräsident; Dr. med. Karl Becker, CDU/CSU-MdB; und Günther Heyenn, SPD-MdB Foto: Matthias Ohlmer, Kassel

13. Deutscher Hausärztetag in Kiel

„Schallende Ohrfeige

für die Allgemeinmedizin"

Berufsverband der Allgemeinärzte

plädiert unverdrossen für Pflichtweiterbildung

E

er 13. Deutsche Hausärz- tetag des Berufsverbandes der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedi- zin Deutschlands (BPA) e.V. vom 19.

bis 21. September in Kiel war gewiß kein Anlaß, um in (berufspolitische) Jubels türme auszubrechen. Zu sehr hatte sich in den letzten Wochen und.

Monaten die politische Großwetter- lage, was die Realisierung der allge- meinärztlichen Grundanliegen be- trifft, verschlechtert. Dies gilt insbe- sondere im Hinblick auf zwei Dauer- forderungen des Allgemeinärzte- Verbandes und der wissenschaft- lichen Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM): die Verankerung einer mindestens dreijährigen Pflichtwei- terbildung in der Allgemeinmedizin als Voraussetzung für die Zulassung in der haus-/primärärztlichen Versor- gung als Kassenarzt und die institutio- nelle Verankerung des Faches Allge- meinmedizin an allen bundesdeut- schen Universitäten und Hochschulen sowie den Ausbau und die finanzielle Förderung des Faches Allgemeinme- dizin in Forschung und Lehre (heute gibt es zwei Lehrstühle und rund 110 Lehrbeauftragte).

Einen Silberstreif am Allge- meinarzt-Himmel sah der Berufsver- band der Praktischen und Ärzte für Allgemeinmedizin noch im Mai 1990, als der jüngste (93.) Deutsche Ärztetag in Würzburg als oberstes Beschlußorgan der Gesamtärzte- schaft nach elfjähriger kontroverser Debatte sich mit großer Mehrheit ebenfalls für eine dreijährige Pflicht- weiterbildung als Zulassungsvoraus- setzung für niedergelassene Kassen- ärzte (Allgemeinärzte) aussprach.

Damit, so glaubten jedenfalls die im BPA engagierten ärztlichen Berufs- politiker, sei der Durchbruch gelun- gen, um mit einer in diesem Punkt verbundenen Allianz von Allgemein- arztverbänden (BPA; FDA), Kassen- ärztlicher Bundesvereinigung, Spit- zenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung und mit dem Druck der öffentlichen Meinung die Politik zu veranlassen, die gesetzli- chen Voraussetzungen für die Um- setzung des einheitlichen Votums für die Pflichtweiterbildung auch in der Allgemeinmedizin zu schaffen.

Auch im politischen Raum wa- ren bis dato die Vorzeichen günstig, hatten doch führende Sozial- und Gesundheitspolitiker jedweder Pro- venienz mit warmen Worten ihr In- teresse für eine qualitativ hochste- hende allgemein-/hausärztliche Ver- sorgung landauf landab bekundet.

Der Umfall Blüms

Schließlich war es kein geringe- rer als der für das Kassenarztrecht und die gesetzliche Krankenversi- cherung federführende Bundesar- beitsminister Dr. Norbert Blüm, der sich ebenfalls als eifriger Verfechter der allgemeinärztlichen Forderun- gen noch vor Jahresfrist rühmte. Be- reits vor drei Jahren gab der CDU- Minister gegenüber dem damaligen Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Prof. Dr.

med. Siegfried Häußler, das schriftli- che Versprechen, im Zuge einer schon damals geplanten Änderung der Zulassungsverordnung für Ärzte die dreijährige Weiterbildung in der Allgemeinmedizin als Zulassungs- voraussetzung festzuschreiben.

Was die BPA-Delegiertenver- sammlung in Kiel in Rage brachte:

Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm fiel Ende August 1990 schlicht um, indem er seinen ursprünglichen Absichten schriftlich abschwor. Der BPA befürchtet nun, daß zumindest in dieser Legislaturperiode nichts mehr in Sachen Zulassungsvoraus- setzung für niedergelassene Kassen- ärzte läuft und die Politik das Thema auf die lange Bank schiebt oder ganz abhakt.

Obwohl Blüm noch am 24. April 1989 seine Mitstreiterin auch in Sa- chen Allgemeinmedizin, die Bundes- gesundheitsministerin Prof. Dr. Ur- sula Lehr, wissen ließ: „Alles andere als eine mindestens dreijährige Wei- terbildung in der Allgemeinmedizin vor der Niederlassung ist eine Scheinqualifikation und eine Schein- lösung" und dieses Urteil auch vor der Vertreterversammlung der KBV vom 1. Mai 1989 erneuerte, machte Blüm nun — fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit — klammheimlich ei- nen Rückzieher.

In einem Brief (vom 31. August 1990) an die Vorsitzenden des Hart- mannbundes, des NAV (Verband der niedergelassenen Ärzte) und an den

„Praktikerverband" BPA verwies Blüm auf die beharrlich abweichende Haltung des für das ärztliche Berufs- Dt. Ärztebl. 87, Heft 41, 11. Oktober 1990 (19) A-3095

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recht allein zuständigen Bundesmi- nisters für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und auf die für die Weiterbildung im Rahmen der fö- deralen Kompetenzenverteilung aus- schließlich zuständigen Bundeslän- der. Diese haben inzwischen die EG- Richtlinie Allgemeinmedizin (vom September 1986) in nationales Recht umgesetzt und — entgegen der For- derungen der Ärzteschaft und der Krankenkassen — sich am Minimal- standard der EG von zwei Jahren spezifischer Ausbildung als Zulas- sungsvoraussetzung für die prakti- sche ärztliche Tätigkeit orientiert.

Für den Verband der Allgemein- ärzte und die DEGAM sind die jetzt auch vom Bundesarbeitsminister vorgebrachten verfassungsrechtli- chen Bedenken allesamt nicht stich- haltig und lediglich politisch „vorge- schoben". Der Hinweis auf die Län- derkompetenzen durch Blüm bleibt nach der Interpretation des BPA

„ohne nachhaltige Wirkung", wenn die Gesamtdauer von Medizinstudi- um plus obligatorischer Weiterbil- dung nicht vorschnell und ohne zwingenden Grund bereits vor zwei Jahren per Koalitionsabsprache (CDU/CSU, FDP) auf das starre Li- mit von höchstens acht Jahren fixiert worden wäre.

Das Abrücken Blüms von seiner ursprünglichen Haltung ist, so der BPA, um so unbegreiflicher und ein unverzeihlicher Affront gegen die Allgemeinmedizin, die Kassen- ärzte und die Krankenkassen, als zwingende Qualitäts- und Kostenge- sichtspunkte mit einem auf untersten EG-Level herabgestuften „Euro- praktiker" total vernachlässigt wür- den.

Zudem würde wegen mangeln- der politischer Entscheidungsbereit- schaft der in der ehemaligen DDR bewährten mindestens fünfjährigen Pflichtweiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin der Todesstoß versetzt (wogegen sich die vier neu gegründeten BPA-Landesverbände und die Allgemeinarzt-Fachgesell- schaft der ehemaligen DDR ener- gisch zur Wehr setzen). Es sei Aus- fluß „gesundheitspolitischer Verant- wortungslosigkeit", mit einer willkür- lich gegriffenen Obergrenze von acht Jahren nicht wieder gutzumachende

Qualitätsabstriche beim Zugang zum Arztberuf zu machen, so Dr. med.

Rolf-Eckart Hoch, praktischer Arzt aus Sprendlingen/Rheinhessen, Bun- desvorsitzender des BPA.

Politisches Pinktim

• Die Forderungen lassen an Deutlichkeit nichts vermissen: Der Hausärztetag plädiert für ein „unver- brüchliches Junktim zwischen Re- form der Weiterbildung einerseits und allgemeinmedizinischer Pflicht- weiterbildung andererseits". Dem- nach ist der BPA nur dann bereit, die strukturierte (freiwillige) vierjäh- rige Weiterbildung in Allgemeinme- dizin auf eine dreijährige Pflichtwei- terbildung zu reduzieren, wenn die Zulassungsverordnung umgehend geändert wird, so daß ab 1995 nur noch weitergebildete Ärzte zu einer allgemeinkassenärztlichen Tätigkeit zugelassen werden dürfen.

Der BPA-Kongreß betonte, daß die Allgemeinmedizin und Allge- meinärzte keine Sonderrolle oder Sonderbehandlung im Gesamtsy- stem der Versorgung erbitten. Es müsse aber ein Fach, das den ganzen Menschen zum Behandlungsziel er- ldärt habe, mit jenen Fächern gleich behandelt werden, die nur ein Organ behandeln, die aber als Berufszu- gangsvoraussetzung eine vierjährige Pflichtweiterbildung voraussetzen.

• An die Bundesregierung und den Bundesarbeitsminister hat die BPA-Versammlung appelliert, un- verzüglich die Vorarbeiten zur Än- derung der Zulassungsverordnung in Angriff zu nehmen, damit diese spä- testens zum 1. Januar 1992 in Kraft treten kann. Die EG-Richtlinie All- gemeinmedizin könnte dann europa- rechtskonform zum 1. Januar 1995 umgesetzt werden, ohne daß ent- scheidende Qualitätsverluste zu La- sten der Patientenversorgung hinge- nommen werden müßten. Die EG- Richtlinien sähen zudem nur Min- destnormen vor, die im nationalen Recht durchaus erweitert werden könnten.

• Um eine zeitlich straffere Weiterbildung zu erreichen und trotz anhaltender Stellenknappheit bei der Weiterbildung in Kliniken

und Praxen einigermaßen über die Runden zu kommen, schlägt der BPA vor, Pflichtweiterbildungssemina- re einzuführen, die über die Weiter- bildungszeit verteilt zu absolvieren sind. Eine entsprechende Gestaltung des Weiterbildungs-Curriculums soll den Erwerb von Qualifikationsnach- weisen erleichtern, damit auf dieser Basis bestimmte, eng umrissene Lei- stungen in der Kassenarztpraxis ab- gerechnet werden können. Der BPA schlägt folgende Struktur des Wei- terbildungsganges in der Allgemein- medizin vor:

—eineinhalb Jahre Allgemein- medizin, darauf anrechenbar ein hal- bes Jahr ausschließlich Innere Medi- zin und ein weiteres halbes Jahr In- nere Medizin oder sonstige Fächer;

—ein Jahr Innere Medizin im Stationsdienst und

—ein halbes Jahr Chirurgie, wo- bei drei Monate Gynäkologie, HNO, Orthopädie oder Urologie anrechen- bar sein sollten.

In den Pflichtweiterbildungsse- minaren sollten folgende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden:

Problemorientiertes Patientenmana- gement; Psychosomatik, Pharmako- therapie, Gruppentherapie; Präven- tion, einschließlich der Frauen- und Kindervorsorge; Geriatrie, häusliche Rehabilitation, Pflege, neue Verfah- ren, Ethik; Berufs-, Sozialrecht, Wirtschaftlichkeitsfragen, Koopera- tion und Praxisführung.

Um die Finanzierung auf mehre- re „Pötte" zu verteilen, sollte eine Stiftung gegründet werden, die von den Krankenkassen, den Kassenärzt- lichen Vereinigungen und mögli- cherweise aus Mitteln der öffentli- chen Hand sowie der Industrie ge- speist werden soll. Für die Teilnah- me an den Seminaren sollten die Weiterbildungsassistenten freige- stellt werden.

• Nachdrücklich widerspricht der BPA Plänen, den nichtärztlichen Psychotherapeuten den direkten Zu- gang zur Patientenbehandlung zu Lasten der Krankenkassen zu eröff- nen. Eine eigenständige Patienten- behandlung durch psychologische Therapeuten berge die Gefahr einer inadäquaten Behandlung, vital (vgl.

dazu „Kurzberichte" in diesem Heft). Dr. Harald Clade A-3096 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 41, 11. Oktober 1990

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