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Archiv "EG-Richtlinie Allgemeinmedizin: Der Bundesarbeitsminister hat das Wort" (12.11.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

EG-Richtlinie Allgemeinmedizin

Der Bundesarbeitsminister hat das Wort

Die am 1. August 1986 bekannt- gegebene „Richtlinie des Rates über eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin" wird zwar seit- her diskutiert — kontrovers, wie man sich denken kann. Für Aufregung sorgte sie aber erst in letzter Zeit.

Schuld daran ist offenbar, daß sich Bundes- und Ländergesundheitsmi- nister damit beschäftigt haben und darüber nachdachten, welche Kon- sequenzen sich aus der Richtlinie für die Bundesrepublik ergeben. Das ist verständlich, denn im Vorspann der Richtlinie wird der Eindruck er- weckt, es handle sich um ein gene- relles Anliegen einer zusätzlichen spezifischen Ausbildung in der All- gemeinmedizin Beim weiteren Stu- dium zeigt sich aber, daß es auf lan- ge Sicht gesehen lediglich darum geht, Zulassungsvoraussetzungen für eine kassenärztliche Tätigkeit als praktischer Arzt festzulegen, die noch dazu erst am 1. Januar 1995 in Kraft treten. Auf die Bundesrepu- blik übertragen geht es also um eine Vorbereitungszeit für die Kassenzu- lassung, die weder der Ausbildung zum Arzt nach Artikel 74 Nr. 19 Grundgesetz, noch der Weiterbil- dung des Arztes nach Landesrecht zugeordnet werden kann. Zuständig ist demnach allein der Bundesmini- ster für Arbeit, der die EG-Richtli- nie in das Kassenarztrecht und die Zulassungsordnung umzusetzen hat.

Dabei bleibt es dem Gesetz- und Verordnungsgeber überlassen, ob er sich als Voraussetzung für die Kas- senzulassung als praktischer Arzt mit den Anforderungen der EG- Richtlinie begnügt oder höhere An- forderungen stellt. Dies hätte aller- dings keine Wirkung gegen die Inha- ber von Dokumenten anderer EG- Staaten. Alle an das Bundesgesund- heitsministerium gerichteten Prote- ste sollten also schnell an die richtige Adresse umgeschrieben werden.

So viel zur Zuständigkeit.

Umstritten ist vor allem, ob die in der EG-Richtlinie verlangte Zeit von zwei Jahren in der Bundesrepu-

blik vor oder nach der Approbation abzuleisten ist. In den anderen EG- Staaten spielt das keine Rolle, weil sie den Begriff „Approbation" nicht kennen. Der Streit ist müßig. Im Vorspann der Richtlinie ist die Fra- ge beantwortet: „Dabei ist unerheb- lich, ob diese Ausbildung in der All- gemeinmedizin im Rahmen der Grundausbildung des Arztes im Sin- ne des einzelstaatlichen Rechts oder außerhalb derselben erfolgt."

Es kann also kein Zweifel sein, daß die Zeit als „Arzt im Prakti- kum" (AiP), die ab 1. Juli 1988 in der Bundesrepublik abzuleisten ist, grundsätzlich als kompatibel zu gel- ten hat. Es müssen allerdings zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die AiP-Zeit muß gegliedert sein, und es müssen mindestens sechs Monate im Krankenhaus und sechs Monate in einer Allgemeinpraxis abgeleistet werden. Wenn ein Arzt im Prakti- kum keine Stelle in einer Allgemein- praxis findet, müssen die sechs Mo- nate in einer Allgemeinpraxis nach der Approbation abgeleistet wer- den, sofern eine Kassenzulassung als praktischer Arzt angestrebt wird.

Damit verlängert sich die Vorberei- tungszeit bereits auf zweieinhalb Jahre. Die Differenz gegenüber der Forderung Häußler/KBV verkürzt sich damit auf sechs Monate. Dar- über sollte man reden. Die Entschei- dung darüber wird allerdings eine rein politische sein.

Prof. Dr. Dr. h. c.

Hans Joachim Sewering, München

Des Volkes Wille?

Auf den ersten Blick scheint es ein starkes Argument zu sein, das die Deutsche Gesellschaft für Hu- manes Sterben jetzt für ihre Anlie- gen ins Feld führt: Bei einer Emnid- Umfrage im September bejahten 45 Prozent die Frage: „Sollte den Ärz- ten die Tötung unheilbar Kranker

auf deren Wunsch erlaubt sein?"

1975 , als Emnid die gleiche Frage zum ersten Mal stellte, waren es nur 19 Prozent. Gleichzeitig ging der Anteil der Befragten, die prinzipiell gegen die Tötung unheilbar Kranker sind, von 38 auf 21 Prozent zurück.

Die dritte Gruppe blieb mit 34 gegenüber damals 38 Prozent etwa gleich groß. Das sind diejenigen, welche die Tötung unheilbar Kran- ker nur dann erlaubt sehen wollen, wenn Patient und Angehörige es wünschen — etwas, das der DGHS nicht so ganz in den Kram paßt.

Denn sie fordert das Recht auf

„Selbstbestimmung" : nur der er- klärte, gefestigte Wille des Betroffe- nen soll gelten; ein Mitentschei- dungsrecht von Angehörigen oder Behindertenorganisationen oder gar von Ärzten lehnt die DGHS ab.

Was sie nicht daran hindert, die beiden Befürwortergruppen zu 79 Prozent aufzuaddieren (45+34) und beide für sich in Anspruch zu neh- men — so in einem Offenen Brief an den Bundeskanzler und die Frak- tionsvorsitzenden. Man könne sich über diesen Willen der Mehrheit nicht einfach weiter hinwegsetzen, heißt es da; auch nicht über jene 74 Prozent, die sich bei derselben Um- frage für eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe ausgesprochen ha- ben. Mandatsträger, die glaubten, daß „eine besserwisserische Minder- heit das Recht hat, drei Vierteln der Bevölkerung ihren Willen aufzu- zwingen, sollten sich offen zu ihrer Moraldiktatur bekennen".

Eigentlich erstaunlich, daß sol- ches dem DGHS-Präsidenten Hans Henning Atrott aus der Feder läuft, der doch als Politikwissenschaftler sicherlich weiß, daß die Väter des Grundgesetzes aus guten Gründen die Institution des Plebiszits nicht wollten; aus Gründen, von denen ei- nige sogar auch mit der Thematik der DGHS zu tun haben. Bei der Vorstellung der Umfrage-Ergebnis- se kam Atrott ähnliches über die Lippen: in einer Demokratie müß- ten die Politiker dem Volkswillen folgen, egal, ob die Politiker das Ge- wünschte für moralisch halten.

Wer sich mit der DGHS einläßt, muß sich dies eindringlich klar ma- chen: sie negiert alle religiösen, poli- A-3104 (24) Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

tischen, rechtlichen, gesellschaft- lichen, ethischen Kriterien, nach de- nen das „Selbstbestimmungsrecht des Menschen" über sein eigenes, individuelles Leben in Frage gestellt werden könnte. Den einzelnen Ärz- ten will die DGHS eine „Gewissens- klausel" einräumen. Daß der Be- rufsgruppe Ärzte aber das Recht zum Töten Kranker auf deren Wunsch gewährt werden soll, ist, nach der neuen Weltärztebund- Deklaration (DÄ 45), unethisch.

Einiges muß man der DGHS zu- gestehen. Sie will dazu beitragen, Sterben überhaupt „humaner" zu machen, mit Seminaren zur Sterbe- begleitung, Ratschlägen für Ange- hörige und mit der Forderung, die Krankenkassen sollten die häusliche Pflege Sterbenskranker erleichtern.

Mit Professor Julius Hackethal will die DGHS nichts mehr zu tun ha- ben. Und ein Argument ist nicht zu widerlegen: die Möglichkeit eines Mißbrauchs spreche noch nicht per se gegen den Versuch, eine gesetzli- che Regelung zu finden.

Nun war aber gerade der mög- liche Mißbrauch schon immer um- stritten. Die DGHS hat stets versi- chert, sie lasse ihre „Patientenverfü- gung" oder ihre Broschüre „Men- schenwürdiges und selbstverant- wortliches Sterben" solchen unter ihren Mitgliedern nicht zukommen, bei denen „Willensfähigkeit" nicht vorausgesetzt werden könne. Dem- entsprechend soll auch die ange- strebte gesetzliche Regelung nicht für Menschen gelten, die „infolge geistigen Gebrechens ihren Willen nicht (mehr) hinreichend äußern können". Damit würden also zum Beispiel Alzheimer-Patienten, die zusätzlich an einer unheilbaren so- matischen Krankheit leiden, von dem „Recht auf Sterbehilfe" ausge- nommen — ist das denn „human"?

Eben deswegen, sagt die DGHS, sollte man „vorsorgen" und rechtzeitig eine „Patientenverfü- gung" hinterlegen. — Bei „geistigem Gebrechen" könnte man diese aber nicht mehr revidieren. Es entstünde dann doch das kodifizierte Recht des Arztes, Patienten gegen ihren Willen zu töten. Ist es „Moraldikta- tur", vor einer solchen Entwicklung zu warnen? Günter Burkart

D

er Frankfurter General- staatsanwalt Christoph Kulenkampff ließ Mitte Juni verlauten, daß ein Arzt den Tatbestand der Körperver- letzung erfüllen könne, wenn er oh- ne Einwilligung des Patienten einen

„AIDS-Test" durchführe, und zwar auch dann, wenn einvernehmlich ei- ne Blutentnahme zur Analyse ande- rer Laborparameter erfolgt sei.

Der Karlsruher Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Manfred Bruns, hatte bereits im Februar (1*) die gleiche Rechtsauffassung damit begründet, daß auch der ärztlich in- dizierte Eingriff nur erlaubt sei, wenn der Patient zuvor umfassend aufgeklärt wurde und dann eingewil- ligt habe und dies mit dem Schutz des durch Artikel 2 Absatz 1 Grund- gesetz gewährleisteten Selbstbestim- mungsrechts des Patienten erklärt.

Der „AIDS-Test" berühre die In- timsphäre des Patienten in besonde- rer Weise, zumal man sich mit AIDS

„— von einigen hier nicht interessie- renden Sonderfällen abgesehen —"

nur infizieren könne, „wenn man bei sexuellen Abenteuern kein Kon- dom oder beim Fixen eine gemeinsa- me Nadel benutzt".

Die „nicht interessierenden Sonderfälle" aber sind es, die end- lich einer Klärung bedürfen. Es ist an der Zeit, dem Selbstbestim- mungsrecht Infizierter den An- spruch potentieller Opfer auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit als gleichrangiges Rechtsgut gegen- überzustellen. Zu reden ist von den

1*) Die in Klammern gesetzten Zahlen be- ziehen sich auf das Literaturverzeichnis am En- de des Artikels

Die Verneinung der Frage einer Zulässigkeit von „AIDS-Tests"

ohne ausdrückliche Genehmi- gung des Patienten läßt den Rechtsanspruch aller im Ge- sundheitswesen Beschäftigten auf bestmöglichen Schutz vor einer HIV-Infektion im Beruf au- ßer Betracht. Es darf jedoch als sicher gelten, daß durch Ärzte, Pflege- und Laborpersonal im Hinblick auf die extreme Expo- sition alle Möglichkeiten des In- fektionsschutzes immer dann kompromißlos genutzt würden, wenn die aktuelle Gefährdung durch akzidentellen Kontakt mit Körperflüssigkeiten infizierter Patienten in jedem Einzelfall be- kannt sein würde. Dies könnte vor Beginn der Behandlung durch Laboruntersuchungen gesichert werden, die auf lega- lem Wege erreichbar scheinen.

rund 237 000 Ärzten (davon 83 000 in Krankenhäusern), 35 000 Zahn- ärzten, 223 000 Schwestern und Pflegern sowie 45 000 Helfern im Medizinisch-technischen Bereich, die in Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten der Gefahr einer HIV-In- fektion ausgesetzt sind. Wir haben lernen müssen, daß auch die akzi- dentelle Kontamination nicht nur von Schleimhäuten (Mund, Nase, Augen), sondern auch zum Beispiel

Argumente für AIDS-Tests zum Schutz von

Ärzten und Pflegekräften

Möglichst vor Beginn der Behandlung eines Patienten Suche nach einer pragmatischen Problemlösung

Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987 (25) A-3105

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