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ollte Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm je Zweifel an der Ak- zeptanz seines berufspolitischen Kurses gehabt haben, so wären diese seit dem vergangenen Wochenende eindrucksvoll widerlegt. Die 110 Dele- gierten der KBV-Vertreterversamm- lung wählten den Berliner Urologen mit überwältigender Mehrheit erneut zum Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung. Bei 100 Ja- Stimmen und nur sechs Nein-Stimmen erzielte Richter-Reichhelm mit mehr als 94 Prozent ein Traumergebnis.Sein Vorgänger im Amt, Dr. med.
Winfried Schorre, war in seinen bei- den Amtsperioden mit jeweils nur ei- ner Stimme Mehrheit ausgestattet.
Nach Schorres freiwilligem Rücktritt im Dezember 1999 war Richter-Reich- helm an die Spitze der KBV gerückt.
Richter-Reichhelm, der sich und seine berufspoli- tischen Positionen wie al- le übrigen Kandidaten auf Wunsch der Delegier- ten vor dem Wahlgang vorstellte, konnte in der Tat auf beachtliche Er- gebnisse seiner bis dato einjährigen Amtszeit ver- weisen. Mit Blick auf die Gesundheitspolitik sagte er: „Wir haben die Wei- chen gestellt, sind aber noch nicht am Ziel. Die Richtung stimmt, und wir haben große Chancen auf die Ablösung der Bud- gets.“ Nach Auffassung des alten und neuen
Vorsitzenden ist dies jedoch nicht allein auf die Arbeit der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung zurückzu- führen. Richter-Reichhelm würdigte ausdrücklich das Engagement der ärzt- lichen Verbände und des Bündnisses Gesundheit 2000 in der Auseinander- setzung um eine neue Gesundheits- politik.
„Ruhe für die Politik erst bei konkreten Ergebnissen“
Demonstrativen Applaus erhielt Rich- ter-Reichhelm für seine Ankündigung:
„Wir lassen uns nicht blenden, die Poli- tik wird nur dann Ruhe bekommen, wenn in unserem Sinne tatsächlich kon- krete Ergebnisse vorliegen!“ Dies gelte nicht zuletzt für die niedergelassenen
Ärzte in den neuen Bundesländern, die nach wie vor im Vergleich zu ihren westdeutschen Kollegen mit weniger fi- nanziellen Mitteln die ambulante Ver- sorgung sicherstellen müssen.
Neuer Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist Dr. med. Leonhard Hansen, All- gemeinarzt aus Alsdorf bei Aachen und Vorsitzender der KV Nordrhein.
Für Hansen, der im Januar 2000 in den KBV-Vorstand nachgerückt war, stimmten 96 Delegierte. Gemeinsam mit Richter-Reichhelm ist er der einzige aus dem alten KBV-Vorstand, der auch für die kommenden vier Jahre ein Man- dat erhielt.
Neu in den Vorstand gewählt wurden Dr. med. Axel Munte, Internist, Vorsit- zender der KV Bayerns (89 Ja-Stim- men), Dr. med. Wolfgang Eckert, All- gemeinarzt, Vorsitzender der KV Mecklenburg-Vor- pommern (94 Ja-Stim- men), Dr. med. Hans- Friedrich Spies, Internist, Vorsitzender der KV Hes- sen (97 Ja-Stimmen), Eberhard Gramsch, All- gemeinarzt, Vorsitzender der KV Niedersachsen (87 Ja-Stimmen), Dr. med.
Wolfgang Aubke, Inter- nist, 2. Vorsitzender der KV Westfalen-Lippe (59 Ja-Stimmen), Dr. med.
Werner Baumgärtner, All- gemeinarzt, Vorsitzender der KV Nord-Württem- berg, (70 Ja-Stimmen) und als Vertreter der außeror- P O L I T I K
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Das neue Führungsduo der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm (r.) gratuliert dem Zweiten Vorsitzenden, Dr. med. Leonhard Hansen, zu dessen Wahl. Alle Fotos aus Köln: Bernhard Eifrig
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Überzeugendes Votum für Richter-Reichhelm
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat einen neuen KBV-Vorstand gewählt. Erstmals traten dabei vorab formierte Fraktionen von Hausärzten und Fachärzten
in den Blickpunkt, die jeweils ihre Kandidaten vorschlugen.
dentlichen Mitglieder Dr. med. Theo- dor Windhorst, Chirurg aus Bielefeld (56 Ja-Stimmen).
Die Besetzung des Vorstandes nach Vertretern der Hausärzte und der Fachärzte ist bis ins Letzte ausgewogen:
Es gibt vier Allgemeinärzte und vier Fachärzte – ergänzt um den Vertreter der außerordentlichen Mitglieder. Dass diese Zusammensetzung nicht zufällig zustande kam, sondern das Ergebnis in- tensiver Beratungen im Vorfeld der Vertreterversammlung darstellte, war kaum zu übersehen. Das konzertierte Bemühen um ein Gleichgewicht zwi- schen Hausärzten und Fachärzten im neuen KBV-Vorstand offenbarte sich
auch bei der Benennung der Kandida- ten: Fast alle wurden von einem „Spre- cher der Fraktion der Hausärzte“ oder einem „Vertreter der Fraktion der Fachärzte“ vorgeschlagen. Die an-
schließenden Wahlergebnisse waren al- lesamt eindeutig.
Während ein Großteil des alten Vor- standes (unter anderem Dr. med. Ulrich Oesingmann, Dr. med. Eckhard Weis- ner und Dr. med. Jürgen Bausch) nicht mehr kandidierte, schafften zwei bishe- rige Vorstandsmitglieder den erneuten Sprung in das Führungsgremium der KBV nicht. Professor Dr. med. Wolf- gang Brech unterlag gegen Wolfgang Aubke, und Dr. med. Michael Späth konnte sich bei der Wahl des außer- ordentlichen Mitgliedes nicht gegen Theodor Windhorst durchsetzen. Im selben Wahlgang (um den letzten Bei- sitzerposten) kandidierten auch zwei Vertreter der Psychologischen Psycho- therapeuten. Sowohl Hans Jochen Weidhaas als auch Jürgen Doebert blie-
ben mit 14 beziehungsweise 7 Stimmen weit hinter Windhorst und Späth (32 Ja- Stimmen) zurück.
Ob die Psychologen bessere Aus- sichten gehabt hätten, wenn sie sich vorab auf einen Kandidaten geeinigt hätten, mag dahingestellt bleiben. Mög- licherweise waren die kassenärztlichen Delegierten im Zweifel, welcher der beiden Kandidaten nun tatsächlich die Mehrheit der Psychologenverbände hinter sich hat. Während Weidhaas sich als Vertreter der ehemaligen Delegati- ons-Psychotherapeuten auswies, be- kannte sich Doebert zu der Gruppe der früheren Erstattungspsychologen.
Dass nunmehr kein Psychologe im Vorstand der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung vertreten ist, sehen auch die Delegierten als problematisch an.
Nicht anders ist ein Antrag von Dr.
med. Wolfgang Hoppenthaller zu ver-
stehen, der im Namen der „Fraktion der Hausärzte“ den neu gewählten Vor- stand bat, die Psychologischen Psycho- therapeuten in geeigneter Weise in die Arbeit der KBV-Gremien einzubezie- hen. Die Delegierten legten ganz offen- kundig Wert auf die Feststellung, dass die angestrebte Integration der Psycho- logischen Psychotherapeuten nicht an dem Wahlergebnis scheitern solle.
„Fraktionen“: Lagerbildung oder Interessenausgleich?
Neben der Arbeit in den beratenden Fachausschüssen der KBV werden die Psychologen ihre berufspolitischen An- liegen in den Sitzungen der Vertreter- versammlungen verfolgen. Viel wird da- P O L I T I K
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Urnengang: Alle ge- wählten Kandidaten erreichten auf Anhieb die notwendi- ge Mehrheit, Stich- wahlen waren nicht erforderlich. Dennoch zogen sich die Wah- len in die Län- ge, da geheim und na- mentlich abgestimmt wurde.
Breite Unterstützung fand der Antrag von Dr. med. Wolfgang Hoppenthaller, der KBV-Vorstand möge die Psychologischen Psychotherapeuten in geeigneter Weise in die Arbeit der Gremi- en einbinden.
Dr. med. Siegmund Kalinski (KV Hessen) eröffne- te als Alterspräsident die Sitzung der KBV-Ver- treterversammlung am Samstag, dem 17. März 2001, im Kölner Maritim Hotel.
bei von der Frage abhängen, ob gemein- same Positionen mit den Kassenärzten gefunden werden können. Ähnliches gilt für die ärztlichen Delegierten: Die erstmals erkennbare Fraktionsbildung von Haus- und Fachärzten kann im posi- tiven Falle zum Interessenausgleich zwi- schen den beiden großen Blöcken bei- tragen – oder bei Konfliktsituationen zu einer unguten Lagerbildung führen.
Dies ist auch Dr. med. Michael Hammer (KV Nordrhein), dem neuen Vorsitzen- den der Vertreterversammlung, bewusst.
Sein erklärtes Ziel ist es, eine breite Ge- schlossenheit der Delegierten zu errei- chen, um dem neuen Vorstand auf diese Weise die erforderliche Rückendek- kung gegenüber den Krankenkassen und der Politik zu verschaffen.
Die Geschlossenheit der Kassenärz- teschaft ist aber auch im Hinblick auf die anstehenden innerärztlichen Aufga- ben von besonderer Bedeutung. Wenn Richter-Reichhelms Konzept zur Ablö- sung der Budgets greifen soll, muss bei- spielsweise die EBM-Reform gelingen.
Sie legt die Grundlagen für die Ein- führung von Regelleistungsvolumina mit festen Punktwerten.
Das zweite ambitionierte Ziel der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Erarbeitung eines Morbiditätsin- dex, geht damit Hand in Hand. Die KBV will mit validen Daten den ambu- lanten Leistungsbedarf nach den medi- zinischen Erfordernissen bemessen las- sen. Nach einer langen Periode des ge- sundheitspolitischen Stillstandes und
der starren Budgetierungspolitik ist es in den letzten beiden Jahren gelungen, den zunehmenden Rationierungsdruck in der Öffentlichkeit bewusst zu ma- chen.
Seit der Amtsübernahme von Ulla Schmidt als neue Bundesgesundheits- ministerin lässt die Bundesregierung zunehmend erkennen, dass sie die gra- vierenden Schwächen rein ökonomisch orientierter Budgets nicht länger ver- leugnen will. Für den frisch gekürten KBV-Vorstand ist dies eine gute Aus- gangsposition. Konkrete Unterstüt- zung für dessen Arbeit kann die Vertre- terversammlung bereits bei ihrer näch- sten Sitzung im Vorfeld des 104. Deut- schen Ärztetages in Ludwigshafen im Mai dieses Jahres leisten. Josef Maus P O L I T I K
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Der neue KBV-Vorstand von links nach rechts: Dr. med. Axel Munte, Dr. med. Wolfgang Eckert, Dr.
med. Hans-Friedrich Spies, Dr.
med. Wolfgang Aubke, Dr. med.
Werner Baumgärtner, Dr. med.
Manfred Richter-Reichhelm, Dr.
med. Leonhard Hansen, KBV- Hauptgeschäftsführer Dr. jur.
Rainer Hess, Eberhard Gramsch, Dr. med. Theodor Windhorst und der Vorsitzende der Vertreterver- sammlung, Dr. med. Michael Hammer.
Elektronische Wahlmaschine im Test
Mit der nächsten Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung dürfte die manuelle Stimmenauszählung der Vergangenheit an- gehören. Am Rande der Sitzung hatten die Delegierten und interessierte Gä- ste die Gelegenheit, eine elektronische Wahlmaschine auszuprobieren. Die Geräte werden unter anderem in Köln bei den nordrhein-westfälischen Land- tags- und Kommunalwahlen eingesetzt. Sie verkürzen das Auszählverfahren erheblich und sind relativ leicht zu bedienen. Während im Saal Manfred Rich- ter-Reichhelm und Leonhard Hansen die Wahlen für sich entschieden, siegten im Foyer des Kölner Maritim Hotels Käpt’n Blaubär und der Elefant – beide beliebte Figuren aus der WDR-Reihe „Die Sendung mit der Maus“. Die Prä- sentatoren der Wahlmaschine hatten sich diesen Gag mit Blick auf den „30.
Geburtstag“ der Fernsehmaus einfallen lassen. Das „offizielle amtliche“
Wahlergebnis sah dann so aus: Von 95 KBV-Delegierten stimmten 85 für ei- nen Einsatz der Wahlmaschine bei den nächsten Vertreterversammlungen.
Nur neun Gegenstimmen wurden registriert. Rund 87 Prozent sind damit für die Ablösung des bisherigen Wahlverfahrens mithilfe von Wahlzetteln.