Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 13⏐⏐27. März 2009 223
M E D I Z I N
Unerkannte Tako-tsubo-Myokardiopathie?
Bemerkenswert und pathophysiologisch schwierig zu er- klären ist, dass bei einem ansonsten gesunden, jungen In- dividuum, trotz der Einseitigkeit der pulmonalen Beein- trächtigung durch das Ödem eine Intubation und auch Ka- techolaminpflichtigkeit zustande kamen. Zunehmend häufig, sogar beim pneumologischen Klientel (1) sind Be- richte über eine transiente, stress-assoziierte Myokardio- pathie mit kompletter Reversibilität (Tako-tsubo-Myokar- diopathie). Es gibt Parallelen in der Beschreibung beider Krankheitsbilder: die rasche Manifestation nach einem Ereignis/Intervention, kurze Dauer der Beeinträchtigung und die generell gute Prognose. Das betroffene Patien- tenklientel differiert, Taku-tsubo ist für Frauen jenseits des reproduktiven Alters häufiger beschrieben. In den im Arti- kel abgebildeten Röntgenbildern der Akutepisonde er- scheint der Herzschatten verbreitert und linkskonfiguriert, wobei natürlich berücksichtigt werden muss, dass es sich um Liegendaufnahmen handelt. Haben Sie zufällig in der Akutsituation eine Echokardiographie anfertigen können?
Die Einseitigkeit eines Lungenödems während der Kri- se könnte in der Tat durch eine Verminderung des Surfac- tants in der betroffenen Lunge erklärt werden, auch wenn eine kardiale Ursache der Beschwerden vorläge.
Vielleicht sollte man der Differenzialdiagnose einer Tako-tsubo-Myokardiopathie beim seltenen Fall eines Reexpansionsödems nachgehen und eine Echokardiogra- phie in die diagnostische Aufarbeitung für diese Kompli- kation inkorporieren. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0223a
LITERATUR
1. Cardiovascular collapse after therapeutic bronchoscopy. Ernst A, Brookline, USA at the ERS Annual Congress, Berlin 2008.
2. Schmidt-Horlohé N, Azvedo CT, Rudig L et al.: Case report:
Fulminant unilateral pulmonary edema after insertion of a chest tube:
a complication after a primary spontaneous pneumothorax.
[Fulminantes, unilaterales Lungenödem nach Thoraxdrainage: Eine Komplikation nach Anlage einer Drainage bei primärem Spontan- pneumothorax]. Dtsch Arztebl Int 2008; 105(50): 878–81.
Dr. med. Barbara Khanavkar Krankenhaus Salzwedel Brunnenstraße 1, 29410 Salzwedel E-Mail: B.Khanavkar@altmark-klinikum.de
Schlusswort
Die Tatsache, dass ein sonst gesunder, junger Patient durch die einseitige Beeinträchtigung derart kardiopulmo- nal dekompensiert, ist in der Tat erstaunlich. In der von uns zitierten Literatur wird dies aber ebenfalls mehrfach be-
richtet. Die pathophysiologische Erklärung bleibt unklar, so wird zum Beispiel die Verschiebung großer Mengen von intravaskulärer Flüssigkeit in den Thorax (Interstiti- um und intraalveolar) als Mechanismus diskutiert (1). Die Katecholaminpflichtigkeit bei dem von uns vorgestellten Patienten bestand jedoch nur kurzzeitig bis zur pulmona- len Stabilisierung, vor Ausschleichen der Sedierung und auch nur in verhältnismäßig niedriger Dosierung.
Interessant ist die zur Diskussion gestellte Differenzial- diagnose einer stress-assoziierten, sogenannten Tako- tsubo-Kardiomyopathie. Leider können valide Parameter im Sinne einer diesbezüglichen Diagnostik nicht herange- zogen werden, da weder Elektrokardiographie, Echokar- diographie noch die entsprechenden laborchemischen Pa- rameter vorliegen beziehungsweise durchgeführt wurden.
Die erneute Aufarbeitung der Unterlagen/Dokumentation ergaben jedoch keinerlei Hinweise auf eine solche Entität.
Die bei der Tako-tsubo-Kardiomyopathie geschilderten klinischen Symptome ähnlich denen einer kardialen Ischämie lagen vor Intubation, nach Extubation und retro- spektiv auch im weiteren stationären und ambulanten Ver- lauf nicht vor (2). Ein isoliert einseitiges Lungenödem als Folge einer transienten Pumpschwäche aufgrund des im Rahmen dieser Erkrankung beschriebenen „myocardial stunning“ scheint unserer Ansicht nach eher untypisch.
Ebenso werden zum Großteil weibliche Patienten höheren Lebensalters als gefährdet angesehen (3). Ohne objektive Befunde ist die Diagnose der Tako-tsubo-Kardiomyopa- thie sicher nicht auszuschließen, scheint uns aber hier eher unwahrscheinlich. Im Falle von klinischen Hinweisen sollte diese Differenzialdiagnose unter Umständen bei solchen Verläufen durch entsprechende Diagnostik ergän- zend ausgeschlossen werden. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0223b
LITERATUR
1. Pavlin DJ, Raghu G, Rogers TR et al.: Reexpansion hypotension. A complication of rapid evacuation of prolonged pneumothorax. Chest 1986; 89: 70–4.
2. von Korn H, Yu J, Lotze U et al.: Tako-Tsubo-like cardiomyopathy:
specific ECG findings, characterization and clinical findings in an European single center. Cardiology 2009; 112: 42–8.
3. Vizzardi E, D'Aloia A, Zanini G et al.: Tako-tsubo-like left ventricular dysfunction: transient left ventricular apical ballooning syndrome.
Int J Clin Pract 2008 (published online).
4. Schmidt-Horlohé N, Azvedo CT, Rudig L et al.: Case report:
Fulminant unilateral pulmonary edema after insertion of a chest tube:
a complication after a primary spontaneous pneumothorax.
[Fulminantes, unilaterales Lungenödem nach Thoraxdrainage: Eine Komplikation nach Anlage einer Drainage bei primärem Spontan- pneumothorax]. Dtsch Arztebl Int 2008; 105(50): 878–81.
Nina Schmidt-Horlohé
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
GPR Klinikum Rüsselsheim, August-Bebel-Straße 59, 65428 Rüsselsheim E-Mail: schmidt-horlohe@gp-ruesselsheim.de
Interessenkonflikt
Die Autorinnen beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkon- flikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Fulminantes, unilaterales Lungenödem nach
Thoraxdrainage: Eine Komplikation nach Anlage einer Drainage bei primärem Spontanpneumothorax
von Nina Schmidt-Horlohé, Dr. med. Chadwick T. Azvedo,
PD Dr. med. Lothar Rudig, Dr. med. Michael Habekost in Heft 50/2008