in Gatersleben: Embryonale Stammzel- len, deren Erforschung der Bundestag deutschen Wissenschaftlern vorletzte Woche endgültig erlaubt hat, seien weit von einer Anwendung entfernt, sagt sie.
Doch bei Nabelschnurstammzellen fällt ihre Einschätzung optimistischer aus.
Wobus: „Ich würde die Zellen für mein eigenes Kind wegfrieren lassen, wenn ich in der Situation wäre.“
Auch Prof. Donald Orlic, der an den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA Stammzelltherapien gegen Herz- infarkt erforscht, hält die Idee, Nabel- schnurblut zur Eigenverwendung zu konservieren, nicht für völlig unsinnig:
„Wer weiß, was in zehn oder 20 Jahren mit Stammzellen aus Nabelschnurblut oder Knochenmark medizinisch mög- lich sein wird“, sagt Orlic.
Natürlich können auch die beiden Stammzellforscher keine Prognose ge- ben, wozu die Zellen einmal taugen könnten. Es scheint durchaus möglich, dass sich einige Typen „adulter Stamm- zellen“ irgendwann einmal für Thera- pien nutzen lassen. Auf einem gemein- sam von der Universität Heidelberg und der University of California in San Diego veranstalteten Stammzell- Kongress verdichteten sich die Hin- weise, dass zumindest ein Typ adul- ter Stammzellen ausgesprochen wand- lungsfähig zu sein scheint: „mesenchy- male Stammzellen“, die sich aus Kno- chenmark, aber auch aus Nabelschnur- blut gewinnen lassen. Schon länger ha- ben Forscher die Vermutung, dass diese Zellen pluripotent sind, also in der La- ge, sich in ganz verschiedene Gewebe des Körpers zu entwickeln.
Einen direkten Beleg für diese Fähigkeit lieferte in Heidelberg Graca Almeida-Porada von der University of Nevada in Reno (USA). Ihre Gruppe hatte aus menschlichem Knochenmark mesenchymale Zellen gewonnen und dann über 3 800 der Zellen einzeln in je- weils ein eigenes, kleines Kulturgefäß sortiert. 24 Zellen überlebten die Pro- zedur und begannen sich zu vermehren.
Die Nachkommen von acht dieser 24 Zellen haben die Forscher dann in Fö- ten von Schafen injiziert. Nach der Ge- burt der Tiere fand die Gruppe, dass sich in zwei Tieren Nachkommen der menschlichen Zellen zu Blut-, Leber- und Hautzellen entwickelt hatten, wei-
tere Gewebe untersucht die Gruppe noch. „Das legt nahe, dass mesenchy- male Stammzellen tatsächlich pluripo- tent sind“, sagt Almeida-Porada.
Klinische Studie mit
mesenchymalen Stammzellen
Für diese Zellen spricht auch, was Dr.
Allan Smith vom US-Biotechnologie- unternehmen Osiris in Heidelberg vor- stellte: Danach scheinen mesenchymale Stammzellen auch bei allogener Trans- plantation keine Abstoßungsreaktion auszulösen. Smith hofft, vorgefertigte Stammzellpräparate entwickeln zu können, die es unnötig machen, für je- den Patienten eigene Stammzellen zu entnehmen. Das Unternehmen bereitet eine klinische Studie vor, die überprü- fen soll, ob mesenchymale Zellen Me- niskusschäden im Knie reparieren kön- nen. „Wenn die Behörden zustimmen, wollen wir in drei Monaten beginnen“, sagt Smith.
Doch kennzeichnend ist, dass diese Versuche nicht auf autologen Nabel- schnurzellen, sondern auf allogenen Stammzellen aus dem Knochenmark beruhen. Und das wird auf Jahrzehnte hinaus so bleiben, weil Herzinfarkt, Parkinson, Diabetes mellitus Typ 1 und andere Krankheiten, die auf der Liste der Stammzellforscher stehen, eine Ge- meinsamkeit haben: Von den Betroffe- nen wird auf Jahrzehnte hinaus keiner eigene Nabelschnurzellen haben.
Alleine diese Tatsache sorgt dafür, dass Forscher, die heute nach Stamm- zelltherapien suchen, gezwungen sind, sich auf andere Zellquellen zu konzen- trieren. Diese Logik macht es noch un- wahrscheinlicher, dass sich die Investiti- on in eigene Nabelschnurstammzellen lohnt: Wer daran glaubt, dass es tatsäch- lich in absehbarer Zeit Stammzellthera- pien geben sollte, muss auch davon aus- gehen, dass diese Therapien nicht auf eigenes Nabelschnurblut angewiesen sein werden. Sonst wären sie für fast al- le Patienten nutzlos. Klaus Koch P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 19½½½½10. Mai 2002 AA1277
Wer rasch große Höhen erklimmt, ris- kiert eine akute Höhenkrankheit mit der Entwicklung eines Lungenödems.
Nur umgehender Abstieg, Sauerstoff- zufuhr und Senkung des Blutdrucks können Komplikationen verhindern.
Ohne Behandlung stirbt etwa die Hälfte der Betroffenen. Prof. Peter Baertsch, Sportmediziner am Heidel- berger Universitätsklinikum, hat ge- meinsam mit Wissenschaftlern aus Zürich und Seattle geklärt, welcher Mechanismus dem Lungenödem zu- grunde liegt (JAMA 1. 5. 2002). Mit der Studie wurde die bisherige Ver- mutung ausgeräumt, dass entzündli- che Reaktionen in der Lunge mit für die Entstehung des Lungenödems in großen Höhen verantwortlich sind.
Bei zehn Bergsteigern, die zum Höhenödem neigen, und bei sechs nicht vorbelasteten Personen wurden Herz- und Lungenfunktion während
eines Bergaufstieges untersucht – je- weils bei 450 Metern und auf dem Gipfel bei 4 600 Metern. Bei Studien- teilnehmern, die nach 24 Stunden auf dem Gipfel ein Ödem entwickelten, fanden sich in der Ödemflüssigkeit Erythrozyten und große Proteinmo- leküle, dagegen keine Leukozyten oder andere Zeichen einer Entzün- dung. „Nun verstehen wir auch, war- um Cortison, das Entzündungsreak- tionen hemmt, bei der Behandlung des Höhenlungenödems keine Wir- kung hat“, sagt Baertsch.
Welche Personen eine Höhen- krankheit entwickeln, lässt sich trotz Simulation im Hochdrucklabor nicht voraussagen. Auch langjährige Berg- steiger und Ausdauertrainierte kön- nen betroffen sein. „Schützen kann ei- ne langsame Anpassung an die Höhe, also etwa 500 Meter Aufstieg pro Tag“, empfiehlt Baertsch. AT