Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Das Lungenödem
Das Lungenödem ist stets Ausdruck der gestörten Kapillarpermeabilität in der Lunge. Zum Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren kann es kommen, wenn:
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der Kapillardruck (Norm 8-10 mm Hg) höher als der kolloidosmotische Druck (Norm 25 mm Hg) ansteigtoder
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der kolloidosmotische Druck unter den Kapillardruck fällt oder8
die alveolo-kapilläre Membran durch toxische Substanzen durchlässig wird.Als Vorstadium eines manifesten Lungenödems ist das sogenannte Asthma cardiale zu betrachten, bei dem es zu einem interstitiellen Ödem mit auskultatorisch feinblasigen Rasselgeräuschen kommt. Bei
manifestem Lungenödem ist die Anfüllung der Alveolen mit Flüssigkeit und feuchten Rasselgeräuschen
zu verzeichnen (alveoläres Ödem), wobei durch Einreißen des Alveolarepithels das reichliche Sputum blutig tingiert sein kann. Als letztes Stadium ist das sogenannte sprudelnde Lungenödem zu nennen, bei welchem die Flüssigkeitsansammlung in den Alveolen und Bronchiolen zu einer starken Schaumbil- dung und zum Abhusten von schaumig-blutigem Sputum führt.
..,. Ad 1): Die häufigste Ursache des Lungenödems ist die akute Linksherzinsuffizienz. Hier bedingt die rasche Zunahme der Restblutmenge im linken Ventrikel des Herzens einen Anstieg des enddiastoli- schen Druckes. Konsekutiv steigt damit der Druck im linken Vorhof und Pulmonai-Kapillarsystem an, so daß es bei zunächst noch guter Funktion des rechten Ventrikels zum Anstieg des Kapillardruckes über den kolloidosmotischen Druck und zum Flüssigkeitsaustritt in die Alveolen kommt. Ursachen der akuten Linksherzinsuffizienz sind meist Myokardinfarkt, tachykarde Herzrhythmusstörungen, hyperto- ne Krisen; aber auch Myokarditis, akute Dekompensation bei Klappenvitien, toxische Myokardschädi- gungen, seltener bradykarde Herzrhythmusstörungen .
..,. Ad 2): Bei der renalen Insuffizienz kommt es meist in der Folge einer Überwässerung zu einem Anstieg des intrakapillären Druckes, während der kolloidosmotische Druck durch die krankheitsbeding- te Hypoproteinämie und durch die Hypervolämie vermindert ist. So kommt es zu einem Abfall des kolloidosmotischen Druckes unter den mäßig erhöhten Kapillardruck. Zusätzlich begünstigen eine urämische Myokard- und Kapillarschädigung das Auftreten eines Lungenödems, das durch das relativ lange Bestehen eines interstitiellen Ödems (fluid lung) charakterisiert ist.
..,. Ad 3): Beim toxischen Lungenödem kommt es entweder zu einer Permeabilitätsstörung oder zu einer vollständigen Zerstörung des alveolären Epithels. Ursächlich hierfür sind Giftgase, Barbiturate, Urämie, allergische Reaktionen, Immunerkrankungen (Goodpasture-Syndrom) sowie auch Bakterien, Viren und aspirierter Magensaft (HCI) anzusehen.
Symptomatik
Die hochgradige Atemnot des Patienten steht beim Lungen- ödem klinisch ganz im Vor- dergrund. Meist wird eine sit- zende Stellung eingenom- men, wobei die auxiliare At- mung bei der bestehenden
Diagnose
Auskultatorisch findet sich über den Lungen zu Beginn des Lungenödems ein feinbla- siges, später ein grobblasiges und gurgelndes Rasseln, das oft von einer spastischen Komponente begleitet wird.
Therapie
Furosemid (Lasix) 40-80 mg i. v., eventuell nach 30 Minu- ten wiederholen. Eventuell unblutiger Aderlaß (wechsel- seitiges Abbinden der unteren Extremitäten, Puls muß tast- bar bleiben, cave bei prätibia-
DEUTSCHES ARZTEBLATT
Heft12
vom24.
März1977
791Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Symptomatik
Tachypnoe eingesetzt wird. Im Mund findet sich oft rötlicher Schaum.
Oft pektanginöse Schmerzen und Schwächegefühl (ver- mehrte Atemarbeit)
Unruhe mit Todesangst
Diagnose
Perkussorisch besteht eine Verkürzung des Lungenklopf- schalls.
Über dem Herzen hört man häufig einen Galopprhythmus mit betontem zweitem Pulmo- nalton. Auch tachykarde Ar- rhythmien sind anzutreffen.
Das Herz ist meist verbreitert und weist einen linksverlager- ten Spitzenstoß auf.
Gelegentlich ist ein erhöhter Blutdruck im Sinne einer hy- pertonen Krise, meist jedoch eine Hypotonie anzutreffen.
Therapie
len Ödemen!). Der blutige Aderlaß ist heute verlassen worden, da das gut wirksame Furosemid zur Verfügung steht und sich der Verlust von Sauerstoffträger beim Lun- genödem sehr ungünstig aus- wirkt.
Steroide 100 mg i. v.
Novodigal 0,2 mg i. v. oder La- nitop 0,2 mg i. v. oder Stroph- anthin 1 /8 mg i. v., nach 30 Mi- nuten zu wiederholen (Vor- sicht Rhythmusstörungen!).
Catapresan 150 mg i. v. oder Hypertonalum 150-300 mg i. v. bei krisenhaftem Blut- druckanstieg.
Valium 5-10 mg i. v. zur Se- dierung, bei Schmerzen auch zum Beispiel Dolantin spezial 100 mg i. v.
Bei rezidivierendem Lungen- ödem, bei toxischem Lungen- ödem, Herzrhythmusstörun- gen, Urämie, Magensaftaspi- ration (Mendelson-Syndrom) sofortige Klinikeinweisung.
Dr. med. Albrecht Heller Medizinische
Universitätsklinik Köln (Direktor: Professor Dr. med.
Rudolf Gross)
Josef-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41
792 Heft 12 vom 24. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT