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Magnetooptische Kurzzeituntersuchungen an Supraleitern

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Kurzzeituntersuchungen an Supraleitern

Diplomarbeit von Daniel Schmidt

Konstanz, den 23. August 2002

Universit¨at Konstanz Fachbereich Physik Lehrstuhl Prof. Dr. P. Leiderer

(2)

1. Einleitung 1

2. Theoretische Grundlagen 3

2.1. Supraleitung . . . 3

2.1.1. Eine kurze Einf¨uhrungin die Theorien der Supraleitung. . . 3

2.1.2. Supraleiter im Magnetfeld - Das Bean-Modell . . . 5

2.1.3. D¨unne supraleitende Schichten im senkrechten homogenen Magnetfeld 9 2.1.4. Die Dynamik der Flußwirbel . . . 11

2.1.5. Mag netische Flußlawinen . . . 12

2.2. Mag netooptik . . . 13

2.2.1. Der Faraday-Effekt . . . 13

2.2.2. Die Abbildung magnetischer Flußverteilungen . . . 14

2.3. Lokale Erw¨armungdes Supraleiters mittels fs-Laserpuls . . . 16

3. Experimenteller Aufbau 20 3.1. Der Kryostat . . . 20

3.2. Das Ti:Saphir-Lasersystem . . . 22

3.3. Das Polarisationsmikroskop . . . 24

3.4. Der Pump-Probe-Aufbau . . . 26

3.5. Herstellung der Proben und deren Eig enschaften . . . 27

3.6. Die Durchf¨uhrung des Versuchs . . . 30

4. Versuchsergebnisse 31 4.1. Stand der Forschung . . . 31

4.2. Messungen mit Strichfokus in YBa2Cu3O7δ . . . 33

4.2.1. Das Eindringverhalten des magnetischen Flusses entlang der Strich- fokuslinie . . . 36

4.2.2. Das Phasendiag ramm bei Strichfokusmessung en . . . 41

4.3. Messungen mit Punktfokus in MgB2 und YBa2Cu3O7δ . . . 45

4.3.1. Das Phasendiag ramm bei Punktfokusmessung en . . . 45

4.3.2. Flußlawinen in MgB2 . . . 47

5. Zusammenfassung und Ausblick 51

A. Justage des fs-Pulsverst¨arkers (TSA) 53

B. Ger¨ate des Versuchsaufbaus 59

Symbole 60

i

(3)

Literaturverzeichnis 62

Danksagung 67

(4)

Kurz nach Entdeckungder Supraleitungdurch Kammerlingh-Onnes im Jahre 1911 [Kam11] wurde deren m¨ogliche technische Anwendung erkannt. Dennoch ist bis heute ein wirtschaftlicher Einsatz auf Grund der immer noch erforderlichen niedrigen Temperaturen eher selten. Lange Zeit schien es sogar so, als w¨are es unm¨oglich, ein supraleitendes Material zu finden, dessen kritische Temperatur oberhalb von 23.2 K liegt, wie sie bei Nb3Ge gefunden wurde [Tes74]. 1986 schließlich sorgte eine Entdeckung von Bednorz und M¨uller f¨ur Aufsehen. Diese konnten erstmals bei BaLa4Cu5O5(3δ), das heißt f¨ur einen Vertreter einer f¨ur Supraleiter v¨olligneuen Materialklasse, einen starken R¨uckgang des elektrischen Widerstandes knapp unterhalb von 30 K und einen ¨Ubergang in die supraleitende Phase bei 10 K zeigen [Bed86]. Daraus schlossen sie, daß es auch Materialien mit deutlich h¨oheren ¨Ubergangstemperaturen als 23.2 K geben muß. Der dadurch ausgel¨oste Boom in der Erforschungder Supraleiter brachte schon ein Jahr sp¨ater einen großen Erfolg. Wu et al. entdeckten bei YBa2Cu3O7δ eine kritische Temperatur von 92 K [Wu87] und damit ein System, das auch oberhalb des Siedepunktes von Stickstoff supraleitend ist. Heute noch wird nach weiteren Verbindungen mit m¨oglichst hohen kritischen Temperaturen gesucht. Die Rekordhalter sind derzeit Quecksilberverbindungen wie z.B. HgBa2Ca2Cu3O8+δ oder HgBa2Ca3Cu4O10+δ mit einer ¨Ubergangstemperatur von bis zu 155 K, allerdings bei einem Druck von ¨uber 10 GPa [Chu93, Iha93]. Trotz dieser Erfolge sieht man in YBa2Cu3O7δ auf Grund seiner unkomplizierten Eigenschaften immer noch das gr¨oßte Anwendungspotential.

Ein weiterer Supraleiter, der heute ebenfalls verst¨arkt erforscht wird ist MgB2. Das Material ist zwar schon l¨anger bekannt, doch wurden erst vor einem guten Jahr seine supraleitenden Eigenschaften entdeckt [Nag01]. Seine Sprungtemperatur liegt bei nur 39 K, jedoch l¨aßt es sich noch einfacher als YBa2Cu3O7δ bearbeiten und ist somit auch f¨ur die Industrie sehr interessant.

Die technischen Anwendungsm¨oglichkeiten f¨ur Supraleiter sind vielf¨altig. Gerade in Bereichen der passiven HF-Bauteile, die zum Beispiel im Mobilfunk oder in der Satelliten- kommunikation Verwendungfinden, k¨onnten Supraleiter Grundlagen f¨ur wirtschaftlichere Technologien sein. Bei allen diesen Technologien ist es wichtig zu wissen, wie sich die supraleitenden Materialien im Magnetfeld verhalten. Um zum Beispiel m¨oglichst hohe G¨uten bei HF-Bauteilen zu erreichen, sollte sich der magnetische Fluß, der durch Mikro- wellenfelder induziert wird, im Supraleiter m¨oglichst gar nicht bzw. nur sehr langsam bewegen. Ein anderes Einsatzgebiet f¨ur Supraleiter w¨aren Strombegrenzer. Bei diesen muß der magnetische Fluß, der hier durch den Transportstrom induziert wird, oberhalb der kritischen Stromdichte aber sehr schnell in den Supraleiter eindringen, um m¨oglichst viel Energie zu dissipieren und so den Supraleiter in seinen normalleitenden Zustand zu bringen. So k¨onnte ein Supraleiter zu hohe Str¨ome nahezu instantan begrenzen.

1

(5)

Mittels des magnetooptischen Faraday-Effekts l¨aßt sich die f¨ur diese Aspekte so wichtige magnetische Flußdynamik in supraleitenden Filmen untersuchen. Diese Methode bringt dabei eine Reihe von Vorteile mit sich. So l¨aßt sich die Flußverteilungsowohl ¨ortlich sehr gut aufl¨osen (µm-Bereich), als auch durch eine geeignete Pump-Probe-Technik im Picosekundenbereich zeitaufgel¨ost bestimmen. Diese zeitliche Aufl¨osungwird nur durch die Dynamik der verwendeten Indikatorschicht, die sich auf dem Supraleiter befindet, begrenzt. Auch das ¨ortliche Magnetfeld kann im Bereich von mT und besser bestimmt werden. Vor allem jedoch werden durch diese Methode die Proben nicht zerst¨ort. Bislang wurde die magnetische Flußdynamik im Nanosekundenbereich lediglich in YBa2Cu3O7δ-Filmen untersucht [Bol02]. Ich werde in dieser Arbeit neben Messungen an YBa2Cu3O7δzus¨atzlich Ergebnisse erster Ultrakurzzeituntersuchungen an MgB2 vorstellen.

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2.1. Supraleitung

2.1.1. Eine kurze Einf¨uhrung in die Theorien der Supraleitung

1957 entwickelten Bardeen, Cooper und Schrieffer eine mikroskopische Theorie (BCS- Theorie) zur Erkl¨arungdes Mechanismus, der in vielen Substanzen bei tiefen Temperaturen einen Energieaustausch zwischen den Leitungselektronen und dem Ionengitter verhindert [Bar57] und so einen verlustfreien Stromfluß erm¨oglicht. Dieses Ph¨anomen nennt man Su- praleitung. Grundlegend daf¨ur ist, daß sich beim ¨Ubergang in den supraleitenden Zustand eine anziehende Wechselwirkungzwischen zwei Leitungselektronen im Festk¨orper ausbil- det, welche die Coulomb-Abstoßungstets ¨ubertrifft und so das Elektronenpaar in einen gebundenen Zustand ¨uberf¨uhrt.

Diese Idee war nicht gerade neu, denn sie wurde bereits 1950 von Fr¨ohlich beschrieben.

Dieser zeigte, daß zwei Leitungselektronen durch Austausch eines virtuellen Phonons eine anziehende Kraft aufeinander aus¨uben k¨onnen. Weitere ¨Uberlegungen Coopers zeigten, daß die anziehende Wechselwirkungzweier Elektronen, auch wenn sie noch so schwach ist, das Elektronenpaar in einen gebundenen Zustand ¨uberf¨uhren kann. Bei einem klas- sischen Zweik¨orperproblem muß bekanntlich die St¨arke der anziehenden Wechselwirkung einen bestimmten minimalen Schwellenwert ¨uberschreiten, bevor es zur Ausbildungeines gebundenen Zustands kommt. Daß f¨ur zwei Leitungselektronen eine derartige Schwelle nicht zu existieren braucht, liegt am Einfluß der restlichen Leitungselektronen des Fest- k¨orpers, die zusammen mit den Ionenr¨umpfen des Gitters die abstoßende Coulombkraft der beiden Elektronen abschirmen. Ein solches Elektronenpaar tr¨agt somit die Ladung des Suprastroms und wird Cooper-Paar genannt.

Cooper-Paare sind Bosonen. Sie besitzen die Bindungsenergie 2∆ und befinden sich alle im Grundzustand. F¨ugt man den Cooper-Paaren eine Energie vom Betrag gr¨oßer oder gleich der Bindungsenergie zu, so werden sie, da es keine angeregten Zust¨ande f¨ur Cooper-Paare gibt, aufgebrochen und das System befindet sich nicht mehr in der supraleitenden Phase.

Daher kann man aus der Bindungsenergie pro Elektron ∆ die obere kritische Stromdichte jc = 2ens

2∆/m f¨ur den Suprastrom berechnen. Darin ist ns die Ladungstr¨agerdichte, e die Elementarladungundm die effektive Masse der Ladungstr¨ager.

Schon 1950 wurde von Ginzburgund Landau eine makroskopische Theorie zur Supralei- tungaufgestellt [Gin50]. Sie beruht darauf, daß es sich bei der Supraleitungum eine echte thermodynamische Phase handelt. Diesen Sachverhalt hatte man mit Hilfe des Meißner- Ochsenfeld-Effekts entdeckt [Mei33]. Dieser Effekt zeigt, daß ein Supraleiter ein idealer Diamagnet ist. Er verdr¨angt ein ¨außeres Magnetfeld stets aus seinem Inneren, egal ob man ihn zuerst unterTc abk¨uhlt und dann das Magnetfeld anlegt, oder ob man zuerst das

3

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Magnetfeld anlegt und ihn dann unterTc abk¨uhlt (siehe Abbildung2.1). In beiden F¨allen erreicht der Supraleiter immer den gleichen Zustand, d.h. der Zustand h¨angt nicht vom Wegab, auf dem er erreicht wurde. Dieses Verhalten rechtfertigte eine thermodynamische Behandlung, da der Zustand durch die ¨außeren Parameter (Magnetfeld H, Temperatur T und Druck p) beschrieben werden kann.

Abbildung 2.1.:

Phasendiagramm eines Su- praleiters: Bei einem Mate- rial, das supraleitend werden kann, ist es unerheblich, auf welchem Weg ein Zustand er- reicht wird. Daraus wird er- sichtlich, daß Supraleitung nicht nur ideale Leitf¨ahigkeit bedeutet, sondern ein thermodynamischer Zustand ist.

T

c

B

c

Temperatur T

Magnetfeld B

1

B (T)

c

Zustand A Zustand B

2

Der ¨Ubergang zwischen normalleitender und supraleitender Phase ist, da erst in der zweiten Ableitungder thermodynamischen Potentiale eine Unstetigkeit auftritt, nach der Ehren- festschen Klassifikation ein Phasen¨ubergang zweiter Ordnung. Darauf basierend f¨uhrten Ginzburgund Landau in ihrer Theorie einen Ordnungsparameter Ψ ein, der beim Pha- sen¨ubergang zur Normalleitung hin verschwindet. Durch diesen Parameter kann man die Differenz der magnetischen Beitr¨age zur freien Enthalpie im supraleitenden gs und im normalleitenden Zustand gn durch eine Taylor-Entwicklungnach Ψ darstellen

gs−gn=a|Ψ|2 + 1

2 b|Ψ|4 + . . . .

In die Entwicklungskoeffizienten gehen die kinetische Energie der supraleitenden Ladungs- tr¨ager, die Kondensationsenergie und die Beitr¨age der magnetischen Feldenergie ein. Die Dichte der Ladungstr¨ager, die den Suprastrom tragen, ist dann durch das Betragsquadrat des Ordnungsparameters | Ψ|2= ns gegeben. Diese Ladungstr¨agerdichte variiert ¨uber ei- ner L¨ange ξ, der sogenannten Koh¨arenzl¨ange.

Eine andere wichtige L¨angenskala in der Beschreibung der Supraleitung ist die Londonsche EindringtiefeλL. Sie wurde von den Br¨udern Fritz und Heinz London in ihrer ph¨anomeno- logischen Theorie zur Supraleitung schon 1935 eingef¨uhrt [Lon35] und ist ein Maß f¨ur das exponentielle Abfallen des Magnetfeldes zum Innern des Supraleiters hin. In dieser Theorie stellten London und London zwei ph¨anomenologische Materialgleichungen auf, um eine Be- ziehungzwischen Stromdichte und elektrischem bzw. magnetischem Feld herzustellen, die im Einklangmit der unendlich hohen Leitf¨ahigkeit des Supraleiters steht. Sie erweiterten mit diesen zwei Gleichungen die Maxwell-Gleichungen, die damit auch bei der Beschrei-

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bungder Eigenschaften und Ph¨anomene von Supraleitern zu jeder Zeit uneingeschr¨ankt erf¨ullt sind. Die ideale Leitf¨ahigkeit wird durch die erste Londonsche Gleichung

∂t(Λj) =E (2.1)

beschrieben, wobei Λ = m/(nsq2) eine materialabh¨angige Gr¨oße1 und E die elektrische Feldst¨arke ist. Die zweite Londonsche Gleichung

∇ ×j) =B (2.2)

ber¨ucksichtigt den idealen Diamagnetismus. B ist die magnetische Flußdichte. Die Lon- donsche Eindringtiefe berechnet sich dann nach λL =

Λ/µ00 ist die magnetische Feldkonstante).

2.1.2. Supraleiter im Magnetfeld - Das Bean-Modell

Eine der wichtigsten Vorhersagen der Ginzburg-Landau-Theorie war die Existenz zwei- er verschiedener Arten von Supraleitern. In der Theorie unterscheiden sie sich durch den sogenannten Ginzburg-Landau-Parameterκ, der das Verh¨altnis zwischen Londonscher Ein- dringtiefe und Koh¨arenzl¨ange darstellt. Ist κ = λL

2, so spricht man von einem Supraleiter erster Art. Ist dagegen κ >√

2, so handelt es sich um einen Supraleiter zwei- ter Art. Diese beiden Supraleiterarten verhalten sich im Magnetfeld unterschiedlich. Beim Supraleiter erster Art gibt es, wie auch aus Abbildung 2.1 ersichtlich, ein kritisches Magnet- feld, bei dem der Supraleiter in die normalleitende Phase ¨ubergeht. Befindet sich der Su- praleiter f¨ur TemperaturenT < Tc in einem Magnetfeld unterhalb vonBc(T), so befindet er sich in der Meißner-Phase. Das bedeutet, wie oben schon beschrieben, daß er das Magnet- feld vollst¨andigaus seinem Inneren verdr¨angt2. Beim Supraleiter zweiter Art gibt es zwei verschiedene kritische MagnetfelderBc1(T) undBc2(T), wobei immerBc1(T)< Bc2(T) ist.

Unterhalb von Bc1 ist auch ein Supraleiter zweiter Art in der Meißner-Phase und ist von einem solchen erster Art nicht zu unterscheiden. Beide sind ideale Diamagneten. Die Phase zwischenBc1 und Bc2 nennt man Shubnikov-Phase [Shu37]. In dieser Phase ist es energe- tisch g¨unstiger, wenn sich im Inneren des Supraleiters normalleitende Bereiche ausbilden, in denen der magnetische Fluß konzentriert ist. Der Fluß tritt dabei quantisiert auf. In Abbildung2.2 ist dieser Sachverhalt vergleichend f¨ur beide Arten schematisch dargestellt.

Die in der Shubnikov-Phase auftretende Flußquantisierungkann mathematisch durch Kom- bination der beiden Londonschen Gleichungen 2.1 und 2.2 dargestellt werden:

C

j·dl+

S

B ·ds=0 n∈N0,

wobei C ein geschlossener Pfad um die Fl¨ache S ist, welche senkrecht zum Magnetfeld im Supraleiter steht und einen nicht supraleitenden Bereich beinhaltet. Die Summe auf der

1qist hier die Ladung der supraleitenden Ladungstr¨ager (q= 2e).

2Abgesehen von der Londonschen EindringtiefeλL.

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Bc

B

T

normalleitender Zustand

Tc

supraleitender Zustand

a)

B

T

Shubnikov-Phase

ZFC (B ,T )0 0 FC

Meissner- Phase

Bc2

Bc1

normalleitender Zustand

Tc

b)

Abbildung 2.2.: Schematische Darstellung der Phasendiagramme: a) von Supraleitern erster Art und b) von Supraleitern zweiter Art.

linken Seite nennt man Fluxoid. Sie kann nur den Wert eines ganzzahligen Vielfachen des Flußquants Φ0 =h/2e= 2.07·1015T m2 annehmen (h ist das Plancksche Wirkungsquan- tum). Wenn C sehr groß wird, darf der linke Summand vernachl¨assigt werden und der magnetische Fluß ist quantisiert. Experimentell wurde dies 1961 von Doll und N¨abauer [Dol61] sowie von Deaver und Fairbank [Dea61] best¨atigt. Um die Gesamtoberfl¨ache dieser Bereiche zu maximieren, muß der Fluß minimiert werden, das heißt in jedem dieser Berei- che ist genau ein Flußquant enthalten. Man spricht dann von sogenannten Flußschl¨auchen oder Flußwirbeln.

Jeder einzelne Flußschlauch ist von Str¨omen, die den feldfreien Supraleiter vom Magnetfeld abschirmen, den sogenannten Abschirmstr¨omen, umgeben und besitzt einen normalleiten- den Kern. Die Cooper-Paar-Dichte und damit der Ordnungsparameter geht zum Zentrum dieser Wirbel hin gegen Null (siehe Abbildung 2.3).

Abbildung 2.3.:

Schematische Darstellung ei- nes Schnitts durch einen Fluß- schlauch: Aufgetragen sind Cooper-Paardichte ns = |Ψ |2, B- Feld und AbschirmstromjS. Zus¨atz- lich sind auch die relevanten L¨an- genskalen λL und ξ eingezeichnet.

x l

L

B

r n

S

j

S

Die Flußschl¨auche bilden bevorzugt ein Gitter aus gleichseitigen Dreiecken, ein sogenanntes Abrikosov-Gitter [Abr57], da der Supraleiter so die geringste Enthalpie besitzt. Mit Hilfe

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Abbildung 2.4.: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Flußquantengitters nach der Dekoration mit Eisenkolloiden: Eingefrorener Fluß beim ausgeschaltetem Magnetfeld in Blei mit 6.3 Atomprozent Indium bei einer Temperatur von 1.2 K [Buc93].

der Dekorationsmethode konnte dies 1967 von Eßmann und Tr¨auble erstmals experimentell veranschaulicht werden (siehe Abbildung2.4) [Eßm67].

In Abschnitt 2.1.1 habe ich bereits geschildert, daß es unerheblich ist, auf welchem Weg der Supraleiter in einen Zustand in der Meißner-Phase gelangt. Dasselbe gilt bei einem idealen Supraleiter zweiter Art f¨ur einen Zustand in der Shubnikov-Phase. Ideal ist aber ein Supra- leiter nur dann, wenn er keine Defekte besitzt und damit der Ordnungsparameter Ψ ¨uberall im Supraleiter (außer im Randbereich) gleich groß ist. Solch einen idealen Supraleiter her- zustellen ist praktisch unm¨oglich, da die supraleitenden Schichten, die auf einem Substrat aufwachsen, aufgrund von Gitterfehlanpassungen nicht defektfrei sind. Ist die Ausdehnung der Defekte in der Gr¨oßenordnungder Koh¨arenzl¨ange ξ, dann bilden sie sogenannte Pin- ningzentren. F¨ur einen Flußschlauch ist es energetisch g¨unstig, auf solch einem Zentrum lokalisiert zu sein. Dies hat zur Folge, daß sich kein gleichm¨aßiges Abrikosov-Gitter ausbil- den kann und somit die magnetische Flußverteilung im Supraleiter von der Vorgeschichte abh¨angt. Deshalb muß man in der Regel bei Supraleitern zweiter Art die Wege unterschei- den, auf denen ein Zustand in der Shubnikov-Phase erreicht wird. In Abbildung2.2b sind diese beiden Wege eingezeichnet. Beim ersten Weg, der auch Feldk¨uhlung(field cooling;

FC) genannt wird, wird zuerst ein Feld angelegt und dann der Supraleiter abgek¨uhlt. Da- bei verteilen sich die Flußschl¨auche im Mittel homogen, lokal allerdings befinden sie sich auf den Pinningzentren. Beim zweiten Weg ist die Vorgehensweise umgekehrt. Zuerst wird der Supraleiter abgek¨uhlt und anschließend ein Feld angelegt, was zur Folge hat, daß nie eine homogene Flußverteilung ereicht wird. Dieser Weg wird auch Nullfeldk¨uhlung(zero field cooling; ZFC) genannt. Bei allen Messungen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgenommen wurden, wurde im Nullfeld gek¨uhlt. Daher untersuchen wir jetzt genauer, was bei ZFC im Supraleiter abl¨auft.

Wird an den Supraleiter bei T < Tc ein ¨außeres Magnetfeld angelegt, werden Abschirm- str¨ome im Inneren induziert. Erreicht dieser Strom die kritische Stromdichtejc, so dring en

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Abbildung 2.5.: Anschauliche Darstellung der magnetischen Feld- und Stromdich- teverteilung nach dem Bean-Modell: An eine unendlich ausgedehnte, supraleitende Platte wird ein homogenes, ¨außeres Magnetfeld, das parallel zur Plattenebene orientiert ist, angelegt(a - c). Da Bc1 vernachl¨assigt wird, dringt magnetischer Fluß mit einem konstanten Gradienten in den Supraleiter ein. Dies induziert einen Abschirmstrom mit einem konstanten, magnetfeldun- abh¨angigen Wertjc. Wird das Feld wieder reduziert(d - f ), verl¨aßt der Fluß den Supraleiter am Rand. Dort wird dann ein entgegengerichteter Abschirmstrom induziert. [Bea62, Bea64]

Flußschl¨auche ins Innere des Supraleiters ein. Auf Grund der Lorentzkraft FL = j×B bewegen sie sich in Richtung Probenmitte [Cam72b, Cam72a]. Die Pinningkraft Fp, die mit dem Abstand der Flußschl¨auche zueinander zunimmt, wirkt dabei der Lorentzkraft entgegen. Die Verteilung der Flußdichte ist damit am Probenrand maximal und nimmt zum Inneren der Probe hin ab.

Durch das Amp`eresche Gesetz rotB = µ0j ist neben den mikroskopischen Abschirmstr¨o- men um die einzelnen Flußschl¨auche ein makroskopischer Abschirmstrom mit dem Fluß- gradienten verbunden. Dieser makroskopische Abschirmstrom entspricht dem kritischen Stromjc, den ein Supraleiter noch tragen kann, ohne das sich Flußschl¨auche bewegen. Das Kr¨aftegleichgewicht dieses metastabilen, kritischen Zustandes stellt sich folgendermaßen dar:

FL+Fp =jc×B +Fp = 0. (2.3) 1962 wurde von Charles Bean [Bea62, Bea64] unter der Annahme, daß Bc1 vernachl¨as- sigbar klein und der kritische Strom jc magnetfeldunabh¨angig ist, ein einfaches Modell entwickelt, das sowohl diesen kritischen Zustand als auch die durch die Pinningkr¨afte auf- tretende Hysterese in der Magnetisierung beschreibt. In Abbildung 2.5 ist die Feld- und

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Stromdichteverteilungin einer supraleitenden Platte anschaulich nach dem Bean-Modell dargestellt.

Es gibt auch noch andere Modelle zur Beschreibung dieser Verteilungen, die zum Beispiel die Abh¨angigkeit von jc vom lokalen B-Feld und andere Parameter ber¨ucksichtigen. Sie alle zu nennen, w¨urde den Umfangdieser Arbeit aber bei weitem ¨ubersteigen. Da es sich bei den Supraleitern, die bei dieser Arbeit benutzt wurden, ausschließlich um d¨unne Filme3 von 100500 nm Dicke im senkrechten Magnetfeld handelt, m¨ussen wir nun auf diesen speziellen Fall noch etwas n¨aher eingehen.

2.1.3. D¨unne supraleitende Schichten im senkrechten homogenen Magnetfeld Bei d¨unnen supraleitenden Filmen kommt es auf Grund der Abschirmstr¨ome am Rand zu starken Feldlinienverbiegungen und somit zu einer Feld¨uberh¨ohung. Diese Feldbeeinflus- sungl¨aßt sich ganz allgemein durch einen Entmagnetisierungstensor berechnen. F¨ur ein externes Feld parallel zu den Hauptachsen der Probe reduziert sich dann dieser Tensor zu einem Entmagnetisierungsfaktor m. Dieser Entmagnetisierungseffekt ist, wie links in Abbildung 2.6 schematisch dargestellt, in der Meißner-Phase am gr¨oßten. Das effektive Feld am Probenrand ist dann um 1/(1 −m) gegen¨uber dem externen Feld ¨uberh¨oht [Bra93b, Sch94], so daß schon f¨ur sehr kleine Felder Bc1 uberschritten wird. Sobald in der¨ Shubnikov-Phase magnetischer Fluß vom Rand her eindringt, nimmt die Entmagnetisie- rungab (siehe Abbildung2.6 rechts).

Abbildung 2.6.: Feldlinienverbiegungen am Rand d¨unner supraleitender Schichten:

An den R¨andern kommt es zu Feld¨uberh¨ohungen. Links befindet sich die gesamte Probe in der Meißner-Phase. Rechts ist schon ein Teil des magnetischen Flusses in den Supraleiter eingedrun- gen (vergleichbar mit Abbildung 2.5a).

Im Rahmen des Bean-Modells kann die Flußverteilungauch f¨ur einen d¨unnen, unendlich langen Steg analytisch hergeleitet werden. Die Dicke d dieses Steges muß kleiner als die

3Die halbe Dicke der Filme, die in dieser Arbeit verwendet wurden, war bei allen kleiner oder gleich der Londonsche Eindringtiefe [f¨ur YBa2Cu3O7−δ istλcL= 500800 nm und f¨ur MgB2istλcL= 140 nm,λabl spielt bei der verwendeten Geometrie keine Rolle(siehe Kapitel 3.5)].

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Londonsche Eindringtiefe und sehr viel kleiner als die Stegbreite sein. Die Stromdich- te j wird dann entsprechend der Geometrie so modifiziert [Bra93a, Bra93b, Zel94], daß sie innerhalb der Stegdicke d als konstant angenommen wird, also zur zweidimensionalen Stromverteilungwird. Diese modifizierte Stromdichte wird sheet current (J = d·j) g e- nannt.

Zus¨atzlich nimmt man noch einen weiteren Strom an, der im Inneren der Probe fließt. Er kompensiert die Streufelder des konstanten, kritischen Stromes, der in den ¨außeren Be- reichen, in denen das Feld eingedrungen ist, fließt. Dieser sogenannte Meißner-Strom ist kleiner als der kritische Strom und verschwindet zur Probenmitte hin. Magnetooptisch konnte der Meißner-Strom an Defekten in der supraleitenden Schicht nachgewiesen werden [Baz96, Eis99a, Eis99b, Eis01]. An solchen Defekten k¨onnen die Abschirmstr¨ome nicht mehr parallel zum Probenrand sondern nur noch um den Defekt herum fließen. Dieser ver-

¨anderte Stromverlauf wirkt sich ebenfalls auf die magnetische Flußverteilung in der Probe aus. Liegt der Defekt noch vor der Flußfront im Gebiet der Meißner-Str¨ome, bildet sich ein Ringstrom als Abschirmstrom aus. Durch diesen Ringstrom um den Defekt wird im sonst feldfreien Gebiet ein Magnetfeld induziert, obwohl dort von außen noch kein magne- tischer Fluß eingedrungen ist (siehe weißer Kreis in Abbildung 2.7 Mitte). Erreicht die Flußfront durch Erh¨ohen des ¨außeren Magnetfelds den Defekt, wird dieser komplett mit magnetischem Fluß gef¨ullt, was zu einer Konzentration des Flusses im Defekt f¨uhrt (siehe weißer Kreis in Abbildung2.7 rechts). Sitzt der Defekt am Probenrand, so dringt dement- sprechend gleich mit Anlegen des ¨außeren Feldes magnetischer Fluß in den Supraleiter ein (siehe schwarze Kreise in Abbildung2.7).

Abbildung 2.7.: Flußverteilung um Defekte: Die magnetooptischen Aufnahmen erfolgten bei unterschiedlichen ¨außeren Magnetfeldern (von links nach rechts zunehmend) und gleicher Temperatur. Je heller die Bildbereiche sind, desto mehr Fluß ist dort lokalisiert. Die schwarzen Kreise markieren exemplarisch zwei Defekte am Rand des Supraleiters, die weißen einen weiter im Probeninneren. Links: Gleich beim Anlegen des Magnetfeldes wird der Defekt am Rand mit Fluß gef¨ullt. Um den Defekt im Probeninneren sind Meißner-Strom und Ringstrom noch so schwach, daß das induzierte Magnetfeld kaum zu sehen ist. Mitte: Der Ringstrom um den Defekt macht sich bemerkbar. Rechts: Der Defekt wurde von der Flußfront erreicht.

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2.1.4. Die Dynamik der Flußwirbel

Die Bewegung der Flußwirbel wird entweder durch die LorentzkraftFL hervorgerufen, die auf Grund eines Transport- oder Abschirmstromes an einem solchen angreift, oder durch eine thermische Aktivierungder Flußschl¨auche ¨uber die PinningbarriereU0.

Ist die Lorentzkraft FL groß gegen¨uber allen anderen auf den Flußschlauch wirkenden Kr¨afte, d.h. wenn die Stromdichte j groß ist gegen¨uber der kritischen Stromdichte jc (j jc), kann man in Gleichung2.3 die PinningkraftFp vernachl¨assigen. Der Lorentzkraft FL wirkt dann eine zur Geschwindigkeit v proportionale Reibungskraft

Fff =ηv=j×B =FL

entgegen, wobei η eine viskose D¨ampfungder Geschwindigkeit des Flußschlauchs im Me- dium darstellt. Durch diese Bewegung wird ein lokales, elektrisches Feld verursacht, das proportional zu der Komponente der Stromdichte ist, die senkrecht zur FlußdichteB steht (j) [Bra92].

E =B ×v =B ×j× B η =

B2 η

·j=ρff·j

Diese Art der Flußbewegung wird Flußfließen oder auch flux-flow genannt. ρff = (B2/η) ist dabei der elektrischeflux-flow-Widerstand.

Unabh¨angig vom Modell, mit dem man den elektrischenflux-flow-Widerstand ρff berech- net, erh¨alt man immer die gleiche Abh¨angigkeit:

ρff(T)≈ρn B Bc2(T).

Dieser Widerstand setzt sich also aus dem Widerstand im normalleitenden Zustandρn, der FlußdichteB und dem zweiten kritischen Magnetfeld Bc2 zusammen und ist temperatur- abh¨angig [Tin64, Tin75, Bar65, Cle68, Hu72, Lar86].

Wenn die Kr¨afte, die auf den Flußschlauch wirken, allerdings gegen¨uber der Lorentzkraft FL nicht mehr zu vernachl¨assigen sind, wenn alsoj jc ist, kommt die zweite M¨oglichkeit der Flußbewegung zum Tragen.

Wie schon in Abschnitt 2.1.2 beschrieben, sind einzelne Flußschl¨auche oder auch ganze B¨undel von Flußschl¨auchen an Inhomogenit¨aten oder Defekte im Supraleiter gepinnt. Bei einer endlichen Temperatur k¨onnen die Flußschl¨auche auf Grund der thermischen Anre- gung die PotentialbarriereU0der Pinningzentren ¨uberwinden. Das hat sozusagen ein

”H¨up- fen“ der Flußschl¨auche von Pinningzentrum zu Pinningzentrum zur Folge [And62, And64].

Diese Art der Vortexdynamik wird flux-creep oder auch Flußkriechen genannt. Die Lor- entzkraft erniedrigt die Potentialbarriere auf einer Seite, so daß sich die Flußschl¨auche entlang des Flußdichtegradienten bewegen. Je nach ¨außerem Magnetfeld und magneti- scher Vorgeschichte des Supraleiters bewegen sie sich dann in den Supraleiter hinein oder verlassen ihn. Durch diese Bewegung wird der Gradient der Flußdichte im Supraleiter und der induzierte Abschirmstrom j verkleinert.

(15)

2.1.5. Magnetische Flußlawinen

Bei den magnetischen Flußlawinen in einem Supraleiter zweiter Art handelt es sich um ein Ph¨anomen, das, wie auch bei den anderen bekannten Lawinenarten, durch ¨Uberschreiten eines kritischen Zustandes4 oder durch eine ¨außere St¨orung5 ausgel¨ost wird. Diese ¨außere St¨orungmuß nur so stark gew¨ahlt werden, daß eine positive R¨uckkopplungdem System anhaltend Energie zuf¨uhrt und so die Lawine nicht zum Stillstand kommt. Dies kann also auch der Fall sein, wenn die St¨orungden kritischen Zustand des Systems nicht erreicht.

In Supraleitern f¨uhren die magnetischen Flußlawinen vollst¨andigoder auch nur teilweise zum Verlust der Magnetisierung. Daher sind sie eine Art thermodynamische Katastrophe f¨ur das System. In Abbildung 2.8 sieht man zum Beispiel in der Magnetisierungskurve von MgB2 bei den tieferen Temperaturen Fluktuationen, die als Anzeichen f¨ur Lawinen zu deuten sind [Joh01].

Abbildung 2.8.:

Magnetisierungskurve eines MgB2-Filmes: Bei verschie- denen Temperaturen wurde mit einem SQUID die Magnetisierung gemessen. Bei 5 und 10 K sind Fluktuationen zu sehen, die auf ab- gegangene magnetische Flußlawinen hindeuten.

Die magnetischen Flußlawinen k¨onnen durch Temperatur- oder Magnetfelderh¨ohungaus- gel¨ost werden. Dabei setzten sich Flußschl¨auche in Bewegung, wodurch Energie dissipiert wird. Die dabei dann durch den Bardeen-Stephen-Mechanismus [Bar65] entstehende W¨ar- me erh¨oht wieder die Probentemperatur adiabatisch, falls die magnetische Diffusionszeit tm des Materials kleiner als die thermische tth ist. Dadurch kann die Flußschlauchbewe- gung im Supraleiter aufrecht erhalten werden. Es findet, wie f¨ur Lawinen erforderlich, eine positive R¨uckkopplungstatt.

Das Verh¨altnis der beiden Diffusionszeiten kann durch die elektrischen Leitf¨ahigkeit σ, durch die W¨armeleitf¨ahigkeit κth und durch die W¨armekapazit¨at C ausgedr¨uckt werden [Min81, Min96a, Min96b].

τL := tm

tth =µ0κthσ

C (2.4)

Ist τL 1, also tm tth, ist eine positive R¨uckkopplunggew¨ahrleistet und die Lawine

4Wird der Neigungswinkel einer Sandhaufenoberfl¨ache zu groß, l¨ost sich eine Lawine.

5Schneebretter k¨onnen durch eine gezielte Sprengung abgehen und zu einer Lawine werden.

(16)

g eht ab. Ist aberτL 1, alsotm tth, bedeutet dies, daß die W¨arme schnell genug an die Umgebung abgegeben werden kann. Somit ist die momentane, ¨ortliche Flußschlauchvertei- lung nahezu konstant gegen¨uber der schnellen lokalen Temperatur¨anderungin der Probe, so daß die Lawine zum Erliegen kommt, da nur nochflux-flow bzw. flux-creep m¨oglich ist.

Es wird selten in der Literatur, wenn von adiabatischer Flußdynamik als Flußlawinen ge- redet wird, unterschieden, ob es sich dabei um ein mikroskopisches Ph¨anomen von einigen 1000 Flußschl¨auchen handelt, oder ob die Lawine eine makroskopisch große Dimension be- sitzt. In der vorliegenden Arbeit wurden makroskopische Flußlawinen untersucht. Diese wurden zuerst in Nb-Scheiben [Wer67] und sp¨ater dann in YBa2Cu3O7δ-Filmen [Lei93]

magnetooptisch beobachtet. In Kapitel 4 werde ich dann die experimentellen Arbeiten [Bol02], die bestehenden Modelle [Mak94, Bas97] sowie Simulationen dazu [Ara01, Joh01]

zusammen mit meinen eigenen Ergebnissen vorstellen und diskutieren.

2.2. Magnetooptik

2.2.1. Der Faraday-Effekt

1845 entdeckte Michael Faraday, daß sich die Polarisationebene von linear polarisiertem Licht beim Durchlaufen eines Glask¨orpers dreht, wenn ein starkes Magnetfeld parallel zur Ausbreitungsrichtung angelegt wird. Der Bedeutung dieser Entdeckung war er sich wohl bewußt und schrieb in seinen

”Experimental Researches“ mit berechtigtem Stolz, daß es ihm gelungen sei,

”einen Lichtstrahl zu magnetisieren und elektrisieren und eine magnetische Kraftlinie leuchtend zu machen“ [Far45]. In der Tat stellte diese Entdeckung ein Fundament der elektromagnetischen Lichttheorie dar. Sie gab auch den Anstoß zu vielen ¨ahnlichen Versuchen, unter denen die Entdeckungdes Zeeman-Effekts im Jahre 1896 die gr¨oßte Tragweite hatte.

Der Winkel ΦF, um den die Polarisationsebene gedreht wird, ist durch den empirisch gefundenen Ausdruck

ΦF =VBd

gegeben. B ist hier der parallel zur Lichtausbreitungsrichtung stehende Anteil der lokalen magnetischen Flußdichte, d die L¨ange der durchlaufenen Strecke im Medium und V die sogenannte Verdetsche Konstante. Nach Vereinbarungentspricht eine positive Verdetsche Konstante einem diamagnetischem Stoff, f¨ur den der Faraday-Effekt linksdrehend ist, wenn sich das Licht parallel zum angelegtenB-Feld ausbreitet, und rechtsdrehend, wenn es sich antiparallel zuB bewegt. Zus¨atzlich variiert die Verdetsche Konstante f¨ur ein bestimmtes Medium sowohl mit der Frequenz ν als auch mit der Temperatur T. 1884 entdeckte Kundt, daß in ferromagnetischen Stoffen die Sachlage etwas komplizierter ist, da vor allem die Magnetisierung M des Materials, genauer gesagt, die Magnetisierungskomponente Mz, die parallel zur Lichtausbreitungsteht, f¨ur die Drehungverantwortlich ist. Es soll hier aber gen¨ugen, die begrenzte, klassische Argumentation f¨ur nicht magnetische Stoffe zu umreißen.

Eine linear polarisierte Welle kann als ¨Uberlagerung einer linkszirkular und einer rechts- zirkular Polarisierten Welle angesehen werden. Die freien Ladungstr¨ager werden dann

(17)

durch die rotierenden elektrischen Felder der Wellen (der Effekt des B-Feldes der Welle ist vernachl¨assigbar) auf eine Kreisbahn gezwungen. Wenn nun ein konstantes Magnetfeld l¨angs der Ausbreitungsrichtung des Lichtes angelegt wird, erfahren die kreisenden La- dungstr¨ager zus¨atzlich noch eine Radialkraft nach innen zum Kreisbahnmittelpunkt hin oder nach außen in entgegengesetzter Richtung, je nach Polarisation der Lichtwelle und Richtungdes konstanten B-Feldes. Folglich gibt es in Abh¨ angigkeit von der Polarisation f¨ur ein bestimmtes magnetisches Feld jeweils zwei m¨ogliche Werte f¨ur den Radius der Kreisbahn, f¨ur das elektrische Dipolmoment, f¨ur die Polarisation, f¨ur die Dielektrizit¨ats- konstante und schließlich auch f¨ur den Brechungsindex. Durch die daraus resultierenden unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten entsteht zwischen den beiden zirkular polarisierten Wellen eine Phasenverschiebung, so daß die superponierte, linearpolarisierte Welle nach Durchlaufen der Strecke d im Medium eine Drehungder Polarisationsebene um den Winkel ΦF erfahren hat.

2.2.2. Die Abbildung magnetischer Flußverteilungen

Durch den im vorherigen Abschnitt 2.2.1 erl¨auterten Faraday-Effekt, ist es m¨oglich, ei- ne Abbildung einer magnetischen Flußverteilung zu gewinnen. Dies ist zwar prinzipiell auch mit dem Kerr-Effekt, bei dem die Polarisationsebene bei der Reflektion des Lichts an der Oberfl¨ache des Supraleiters gedreht wird, m¨oglich, jedoch ist der Drehwinkel sehr viel kleiner als beim Faraday-Effekt. In den Messungen dieser Arbeit wurde deshalb ein mit Seltenen Erden (RE) dotierter, ferrimagnetischer Eisengranatfilm RE3Fe5O12 auf einem Gadolinium-Gallium-Granat-Substrat als Indikatorschicht auf den supraleitenden Film ge- legt (siehe Abbildung 2.9). Entsteht in der Probe eine magnetische Flußverteilung, wie in den Abschnitten 2.1.3 bis 2.1.5 beschrieben, so ist, wenn der Abstand zwischen der Indi- katorschicht und der Probe klein genug ist (<10µm [Bol02]), die Verteilungim Eisengra- nat nahezu identisch. Als Folge davon ist die Verteilung der Magnetisierungskomponente Mz(x, y), die parallel zum einfallenden Licht ist, in der Eisengranatebene proportional zur Magnetfeldkomponente Bz(x, y), welche an der Oberfl¨ache der darunterliegenden supralei- tenden Schicht herrscht.

Dringt nun linear polarisiertes Licht senkrecht in die Indikatorschicht ein, wird die Pola- risationsebene an gewissen Stellen durch den Faraday-Effekt entsprechend der Flußvertei- lunggedreht. Durch die Polarisator-Analysatorstellungdes Polarisationsmikroskops (siehe Abschnitt 3.3) kann dann das Maß der Drehungin einem Kontrastbild mit Hilfe eines CCD-Chips sichtbar gemacht werden. Verdreht man die beiden Polarisationsfilter nicht exakt um 90 zueinander, sondern um 10 bis 20 weniger, so bekommen feldfreie Berei- che zwar in der magnetooptischen Aufnahme einen leichten Grauwert, es k¨onnen auf diese Weise aber auch kleinere negative Werte der lokalen Magnetisierungskomponente Mz von den positiven unterschieden werden. Damit h¨angt die Helligkeit der einzelnen Bildpunkte direkt von der jeweiligen Magnetfeldkomponente Bz ab.

Da sowohl YBa2Cu3O7δ als auch MgB2 schlechte Reflexionseigenschaften haben, ist die Indikatorschicht zus¨atzlich auf der Seite zum Supraleiter hin verspiegelt. So wird das ein-

(18)

Abbildung 2.9.: Schematische Darstellung der magnetooptischen Abbildung von Flußverteilungen: Durch die Magnetisierungskomponente parallel zum Lichteinfall wird auf Grund des Faraday-Effekts die Polarisationsebene des einfallenden, linear polarisierten Lichtes gedreht.

fallende Licht gr¨oßtenteils reflektiert und durchl¨auft den Eisengranat zweimal, wodurch der Kontrast verst¨arkt wird.

Um von den Intensit¨atswerten der Bildpunkte I(x, y) auf eine Magnetfeldverteilung zu kommen, ist eine Kalibrierungder Indikatorschicht notwendig. Dazu mißt man die je- weilige Intensit¨atsverteilung I(x, y) bei einem bestimmten ¨außeren Magnetfeld, ohne daß die Probe supraleitend ist. Auf diese Weise kann es nicht zu Feld¨uberh¨ohungen (siehe Abschnitt 2.1.3) kommen und man kann davon ausgehen, daß das angelegte Feld ¨uber die gesamte Probe gleich ist. Intensit¨atsschwankungen auf Grund des optischen Strahlengangs werden so auch ber¨ucksichtigt. Wie Abbildung 2.10 zeigt, kann die gemessene Kalibrie- rungskurve sehr gut durch ein Polynom f¨unfter Ordnungangen¨ahert werden. Damit erh¨alt man eine Funktion, mit deren Hilfe man von den Intensit¨atswerten der Bildpunkte auf das jeweils dort herrschendeB-Feld Bz(x, y) zur¨uckrechnen kann.

Diese magnetooptische Methode bietet eine ganze Menge an Vorteilen. Zum einen wird die Probe durch die Messungnicht zerst¨ort, da nach Beendigungder Messungohne weiteres die Indikatorschicht entfernt werden kann. Zum anderen kann eine ¨ortliche Aufl¨osungim µm-Bereich erreicht werden. Dampft man die Indikatorschicht direkt auf die Probe auf, so verbessert sich die Ortsaufl¨osungdurch die gr¨oßere N¨ahe zur Probe um eine weitere Gr¨oßenordnung. Jedoch kann die Schicht dann nicht mehr zerst¨orungfrei entfernt werden und Unebenheiten in der Probenoberfl¨ache werden in die Indikatorschicht mit¨ubertragen und ebenfalls abgebildet, da dann die Indikatorschichtdicke und damit auch der Drehwin- kel ¨ortlich variiert.

(19)

20000 30000 40000 50000 60000 -50

0 50 100

150 gemessene Daten

Polynom 5. Ordnung

B z[mT]

I [ a.u. ]

Abbildung 2.10.: Kalibrierungskurve: Dargestellt sind die jeweils gemessenen Intensit¨ats- werteI bei einem angelegten ¨außeren MagnetfeldBz, ohne daß die Probe supraleitend ist. Danach wurde ein Polynom f¨unfter Ordnung angefittet, das dann zur Umrechnung der magnetooptischen Bilder verwendet wurde.

Je nach Indikatorschicht kann eine sehr gute magnetische Aufl¨osungerreicht werden. Beim verwendeten Eisengranat k¨onnen 0.1 mT noch problemlos aufgel¨ost werden. Daneben ist bei den Messungen dieser Arbeit nat¨urlich auch die zeitliche Aufl¨osungder Magnetfeld-

¨anderung sehr wichtig. U. Bolz hat im Rahmen seiner Dissertation die Schnelligkeit der Eisengranatfilme untersucht [Bol02]. Dazu ¨atzte er aus einem YBa2Cu3O7δ-Film drei Kreise unterschiedlichen Durchmessers. Die Versuchsanordnungwar wie in Abbildung2.9 gezeigt. An die supraleitende Probe und die Indikatorschicht wurde ein ¨außeres Magnet- feld, das senkrecht zur Probe stand, angelegt. Anschließend erw¨armte er die supraleitenden Kreise mittels Laser. Dadurch konnte magnetischer Fluß in die Kreise eindringen, die somit als schnelle Magnetfeldschalter funktionierten. Die Auswertung der Daten ergab, daß der Eisengranat eine Frequenzbandbreite von ω0 = (16.1±0.1) GHz hat, was einer zeitlichen Aufl¨osung von 62 ps entspricht. Da der Eisengranat das langsamste Element im verwen- deten Versuchsaufbau (siehe Kapitel 3) ist, entspricht dieser Wert der Zeitaufl¨osungaller Messungen dieser Arbeit.

2.3. Lokale Erw¨ armung des Supraleiters mittels fs-Laserpuls

Da bei den Messungen dieser Arbeit sowohl die magnetischen Instabilit¨aten als auch die Umverteilung der magnetische Flußdichte in wenigen Nanosekunden durch Erw¨armung des YBa2Cu3O7δ-Filmes bzw. MgB2-Filmes mittels Laserpuls ausgel¨ost wurden, ist es notwendig, eine Absch¨atzungder damit erreichten Temperaturerh¨ohungim Supraleiter

(20)

durchzuf¨uhren. Bei der Erw¨armungeines supraleitenden Films mit einem fs-Laserpuls lau- fen mehrere Prozesse ab. Zun¨achst einmal wird w¨ahrend der Dauer des Laserpulses nur das Elektronensystem angeregt, wodurch heiße Elektronen im Film erzeugt werden. ¨Uber einen Zeitraum von ca. 40 ps thermalisieren die Elektronen und geben ihre Energie durch Elektron-Phonon-Wechselwirkungan das Gitter ab, was eine Temperaturerh¨ohungzur Fol- ge hat (eine ausf¨uhrlichere Beschreibungdieses Prozesses ist in Kapitel 4.2 zu finden). Will man jetzt die exakte Endtemperatur ˆT berechnen, muß man die Absorption des Laserpul- ses durch die Elektronen und die darauf folgende Erw¨armungdes Gitters simulieren. Es zeigt sich aber, daß die im folgenden besprochene Absch¨atzungder Temperaturerh¨ohung recht gut durch die experimentellen Beobachtungen best¨atigt wird, und somit die einge- f¨uhrten Vereinfachungen gerechtfertigt sind.

Gehen wir davon aus, daß ein YBa2Cu3O7δ-Film6 mit einem Laserpuls, der eine Puls- dauer von ca. 150 fs hat, bestrahlt wird. Bei einer Wellenl¨ange von λ= 620 nm7 liegt die optische Eindringtiefe α1 von YBa2Cu3O7δ (δ zwischen 0 und 0.3) ungef¨ahr bei 5070 nm [Asp89, Kir91]. Die Dicke der verwendeten supraleitenden Filme liegt aber um das zwei- bis zehnfache dar¨uber. Dies bedeutet, daß nur eine d¨unne Schicht des YBa2Cu3O7δ-Filmes erw¨armt wird. Da wir aber annehmen wollen, daß die Energie des Laserpulses homogen

¨

uber die ganze Schichtdicke d absorbiert werden soll, gilt somit die Absch¨atzungnur f¨ur d¨unnere Filme (d 330 nm). Die W¨armemenge ∆Q, die der Probe zugef¨uhrt wird, hat eine Temperaturerh¨ohung∆T von

∆T = ∆Q

cp(T)·m (2.5)

zur Folge. Die spezifische W¨armekapazit¨at cp von YBa2Cu3O7δ ist stark temperaturab- h¨angig (siehe Abbildung 2.11).

Will man nun den Temperaturanstieg∆T unabh¨angig von der durch den Laserpuls be-

Abbildung 2.11.:

W¨armekapazit¨at Cp von YBa2Cu3O7−δ: Abgebildet ist die Temperaturabh¨angigkeit der W¨armekapazit¨at [Bes95].

T [ K ] C[J/molK]P

0 50 100 150 200 250 300

0 50 100 150 200 250 300

strahlten Fl¨ache A bestimmen, muß man die Masse m durch das Produkt aus Dichte ρ

6Ich beschr¨anke mich hier auf die Betrachtung in YBa2Cu3O7−δ, da mir keine optische Daten f¨ur MgB2 zur Verf¨ugung standen.

7Eigentlich liegt die Wellenl¨ange des Lasers bei λ = 800 nm. Jedoch konnten in der Literatur nur die relevanten Gr¨oßen f¨ur 620 nm gefunden werden. Daher muß der Fehler hier in Kauf genommen und die Absch¨atzung f¨ur diese Wellenl¨ange gemacht werden.

(21)

und Volumen V = A·d, aber auch die zugef¨uhrte W¨armemenge ∆Q durch das Produkt aus der Energiedichte des Laserpulses EP uls und der Fl¨ache A in Gleichung2.5 ersetzten.

Wenn man davon ausgeht, daß die vom Laser beschienene Fl¨ache gleich der beleuchteten Supraleiteroberfl¨ache ist, k¨urzt sich die Fl¨ache A auf beiden Seiten weg. Nun muß noch wegen der Temperaturabh¨angigkeit der W¨armekapazit¨at cp uber die Gleichungintegriert¨ werden und man erh¨alt: Tˆ

T0

cp(T)dT = EP uls

ρ·d . (2.6)

Die Temperaturabh¨angigkeit der Dichte ρ wird im folgenden vernachl¨assigt, da deren ¨An- derungin dem hier betrachteten Temperaturintervall nicht sehr groß ist.

T[K]

EPuls [ mJ / cm² ]

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

0 20 40 60 80 100

120 Abbildung 2.12.:

Erreichte Endtemperatur in YBa2Cu3O7−δ durch Bestrahlung mit einem Laserpuls: Nach Gleichung 2.7 wurde f¨ur eine YBa2Cu3O7δ-Schichtdicke von d = 330 nm mit einer Starttemperatur T0 = 10 K die Endtemperatur Tˆ berechnet, wenn der Film mit einem Laserpuls mit einer Energiedichte vonEP uls bestrahlt wurde [Bol02].

Der Supraleiter ist obendrein auf einem durchsichtigen Substrat, n¨amlich auf SrTiO3, auf- gebracht. Da der Laserpuls von unten, also durch das Substrat, auf die supraleitende Schicht trifft, muß noch ber¨ucksichtigt werden, daß beim Medien¨ubergang vom Vakuum nach SrTiO3 und beim ¨Ubergang von SrTiO3 nach YBa2Cu3O7δ Reflexionen auftreten, so daß nicht die gesamte Energie des Pulses den Supraleiter erw¨armt. Der erste ¨Ubergang wird durch den Reflexionskoeffizienten RSrTiOVakuum3 = 0.04 beschrieben, der zweite durch den KoeffizientenRSrTiOYBa2Cu3 3O7−δ = 0.13, der aus den komplexen Dielektrizit¨atskonstanten f¨ur die Wellenl¨ange λ= 620 nm berechnet wurde. Somit bekommt die Gleichtung2.6 die Form

Tˆ T0

cp(T)dT = (1−RSrTiOVakuum3 )(1−RYBaSrTiO2Cu3 3O7−δ)

0.835

EP uls

ρ·d . (2.7)

In Abbildung2.12 ist die aus Gleichung2.7 errechnete Endtemperatur ˆT ¨uber der Puls- energiedichte EP uls aufgetragen. Dabei wurde von einer Starttemperatur von T0 = 10 K und einer Schichtdicke des supraleitenden Films von d= 330nm ausgegangen.

Diese Absch¨atzungist auf Grund dessen, daß die Temperaturabh¨angigkeit der Dichte ρ vernachl¨assigt wurde, vor allem aber, weil davon ausgegangen wurde, daß die gesamte La- serpulsenergie EP uls in den Supraleiter gesteckt wird (was bei den Messungen niemals der Fall war, da die vom Puls beleuchtete Fl¨ache zwei- bis dreimal so breit wie die Probe war),

(22)

nur als obere Schranke der Endtemperatur anzusehen. Dennoch wird sie durch Messungen von U. Bolz [Bol02] recht gut best¨atigt.

(23)

Die in der vorliegenden Arbeit durchgef¨uhrten Messungen erforderten sowohl eine gute Ortsaufl¨osungbis hin zum Mikrometerbereich und eine zeitliche Aufl¨osungvon Nanose- kunden als auch eine magnetooptische Sensorschicht, die Millitesla und besser aufl¨osen kann. Der schon vor meiner Diplomarbeit existierende magnetooptische Pump-Probe- Aufbau (siehe Kapitel 3.4) konnte gut den Anforderungen der jeweiligen Messungen angepaßt werden. Dazu geh¨orte zum Beispiel die Entwicklungeines vom Computer aus ansteuerbaren Shutters f¨ur den Pumpstrahlengang oder auch die Anpassung der Aufl¨osung der Optik an die Anforderung der jeweiligen Messungen. Auch die Computerprogramme zur Steuerungdes Experiments bzw. Auswertungder Daten wurden umgeschrieben oder neu programmiert. Im nun folgenden Kapitel werde ich den Aufbau mit seinen einzelnen Komponenten n¨aher erl¨autern, wobei die genaueren Angaben der verwendeten Ger¨ate in AnhangB aufgef¨uhrt sind.

3.1. Der Kryostat

F¨ur die Messungen m¨ussen die Proben auf sehr tiefe Temperaturen gebracht werden.

Dies geschieht in einem kommerziellen Helium-Verdampfer-Kryostaten (siehe Abbildung 3.1), der in der oberen und unteren Wand ein Glasfenster mit jeweils 2.5 cm Durchmesser besitzt. Die Proben werden zusammen mit der Indikatorschicht, auf deren Unterseite eine Spiegelschicht aufgedampft wurde, durch Klammern auf dem Probenhalter aus Kupfer fixiert. Dabei ist darauf zu achten, daß die mechanische Spannungin der Indikatorschicht m¨oglichst klein ist. Um die W¨arme aus der Probe gut abzuf¨uhren, ist sie durch eine

KF

Kryostat F

K

B

PH

Abbildung 3.1.: Schematische Darstellung des Kryostaten mit eingebauter Probe. Der Pro- benhalter (PH), auf dem die Probe mit der Indikatorschicht montiert ist, besitzt einen optischen Zugang (B: Bohrung), durch den die Probe mit einem Laserpuls von hinten durch das Substrat erw¨armt werden kann (F: Fenster, K: Klammer, KF: Kaltfinger) [Bol02].

20

(24)

d¨unne Indiumfolie mit dem Probenhalter kontaktiert. Der Probenhalter besitzt auf H¨ohe der Probe eine Bohrung, durch die mit einem Laserpuls durch das Substrat hindurch im supraleitenden Film die magnetische Instabilit¨at ausgel¨ost wird. Außerdem ist er am K¨uhlkopf des Kryostaten befestigt, so daß er durch die Heliumk¨uhlungbzw. durch die zus¨atzlich eingebaute Heizung innerhalb kurzer Zeit auf Temperaturen zwischen 5 und 400 K gebracht werden kann. Durch einen Temperaturregler (PID) wird die Heizspannung gesteuert. Die Temperatur des Probenhalters wird durch einen RhFe-Sensor am Ende des K¨uhlkopfes gemessen. Dadurch kann die Probentemperatur auf 0.1 K genau eingestellt werden.

Damit die Probe und der K¨uhlkopf thermisch von der außerhalb der Probenkammer herrschenden Raumtemperatur gut isoliert ist, aber auch um eine Kondensation von Gasen innerhalb der Probenkammer auf den Film zu vermeiden, wird der Kryostat vor dem Abk¨uhlen mit einer Turbomolekularpumpe und vorgeschalteter Drehschieberpumpe evakuiert. Geht man mit dem Druck dabei unter 104mbar, wird die thermische Isolierungallerdings nicht mehr wesentlich verbessert (siehe Kurve 3 in Abbildung3.2).

Um jedoch die Kondensation so gering wie m¨oglich zu halten, wird dennoch auf 105mbar abgepumpt. Da der kalte Probenhalter zus¨atzlich wie eine Kryopumpe wirkt, gewinnt man noch eine weitere Gr¨oßenordnung, so daß man letztendlich einen Druck von 106mbar erreicht.

Abbildung 3.2.:

Effektive W¨armeleitf¨ahig- keit in Abh¨angigkeit vom Druck f¨ur verschiedene Iso- lationen zwischen 300 K und 77 K. Die Kurventeile I, II und III sind unter den der Kurve 3 entsprechenden Bedin- gungen berechnet. 1 Glasfa- ser; 2 Perlit-Pulver; 3 Vakuu- misolation d = 12.5 mm, F¨ull- gas Stickstoff (entspricht ann¨a- hernd dem Fall in obigem Kam- meraufbau); 4 Santocel-Pulver mit Cu-Pulver;5Al-bedampftes Mylar; 6 Al-Folien mit Glasfa- sergewebe. [Hae81]

Der Kryostat befindet sich zwischen zwei wassergek¨uhlten Spulen, so daß das homogene Magnetfeld senkrecht auf der Probenebene und damit parallel zur c-Achse der Kristalle

(25)

steht (siehe Kapitel 3.5). Die an den Spulen angeschlossene Stromquelle liefert einen Strom von maximal 22 A bei einer Spannungvon 60 V. ¨Uber eine Eichkurve (siehe Abbildung 3.3) kann man den Strom in ein Magnetfeld B umrechnen und erh¨alt so ein Maximum von 185 mT.

Abbildung 3.3.:

Eichkurve zur Umrechnung des angelegten Stromes I in ein durch die Spulen am Probenort erzeugtes B-Feld.

Zwischen Stromquelle und Spulen ist noch ein Umpolrelais geschaltet, um bei der Kalibrie- rung der Indikatorschicht auch ein negatives Feld anlegen zu k¨onnen. Außerdem erm¨oglicht man so eine Entmagnetisierung der Spulen vor jedem Abk¨uhlen. Um vor jedem Versuchs- durchlauf die gleiche Ausgangssituation zu erreichen, wird die Probe ¨uber ihre kritische Temperatur erw¨armt, die Spulen entmagnetisiert und die Probe wieder auf die gew¨unschte Temperatur unterhalb ihrer kritischen Temperatur abgek¨uhlt.

3.2. Das Ti:Saphir-Lasersystem

Das f¨ur den Pump-Probe-Aufbau verwendete Ti:Saphir-Lasersystem von Spectra Physics besteht aus insgesamt vier Komponenten (siehe Abbildung 3.4). Es erzeugt in einem Takt von 10 Hz Laserpulse von 150 fs Pulsdauer mit einer Pulsenergie von 4 mJ. Die Wellenl¨ange kann von 720 bis 850 nm kontinuierlich durchgestimmt werden. Bei der vorliegenden Arbeit wurde der Laser bei 800 nm betrieben. Ich gebe im Anhang eine Justagehilfe an, damit sich nachfolgende Physiker schneller in dem doch etwas komplexeren System zurecht finden.

Die erste Komponente, Millennia, ist ein resonatorintern frequenzverdoppelter Nd:YVO- Laser. Er wird ¨uber zwei Diodenarrays gepumpt, deren Emission ¨uber Glasfasern in den Resonator eingekoppelt wird. Der Laser erreicht bei einer Wellenl¨ange von 532 nm eine Ausgangsleistung von 5.5 W.

Die zweite Komponente,Tsunami, ist ein modengekoppelter Ti:Saphir-Laser, der vonMil- lennia gepumpt wird. In diesem Laser entstehen in einem Takt von 82 MHz die ultrakurzen

(26)

Millennia Tsunami

Nd:Y AG

TSA

Endspiegel

Pockels- zelle 2 Pockels-

zelle 1 Dünnschicht- polarisator

Foto- diode Ti:Saphir-

Kristall Oszillo-

skop Fernrohr

Nach- verstärk

er

Beam Stretcher Beam

Compressor

Ausgang

Endspiegel l/4-Plätt-

chen

Abbildung 3.4.: Das Ti:Saphir-Lasersystem: Schematischer Aufbau [Fro99].

Laserpulse mit einer Pulsl¨ange von 80 fs. Die Pulsenergie von 12 nJ w¨urde allerdings f¨ur unsere Experimente nicht ausreichen, weshalb die einzelnen Pulse noch verst¨arkt werden.

Die dritte Komponente, der Verst¨arker oder auchTitanium:Sapphire-Amplifier (TSA), be- steht zum einen aus einem sogenannten Beam Stretcher, der die Pulse, die von Tsunami kommen, unter Ausnutzungihrer spektrale Breite zeitlich auf 200 ps aufweitet. Dies ist n¨otig, damit die hohen Feldst¨arken in den Pulsen nicht die optischen Komponenten des Verst¨arkers zerst¨oren. Dazu werden die Pulse auf zwei parallel zueinander stehende Gitter geschickt (siehe Abbildung 3.5), die dann Teile des Pulses mit unterschiedlichen Wellen- l¨angen unterschiedlich lange Wege zur¨ucklegen lassen (chirped pulse amplification). Im Anschluß daran l¨aßt eine Pockelszelle alle 0.1 s einen Puls in den Resonator. Die restli- chen Pulse werden wieder zur¨uckreflektiert und in einem Faradayisolator absorbiert. Im Resonator befindet sich ein Ti:Saphir-Kristall, der von der vierten Komponente, einem gepulsten Nd:YAG-Laser (Quanta Ray) gepumpt wird. Im Quanta Ray werden durch Q-

Short pulse

Stretched pulse Matched

grating pair

Abbildung 3.5.: Beam Stretcher: Zwei parallele Gitter vergr¨oßern die L¨ange eines Pulses aufgrund seiner spektralen Breite.

(27)

Zeit [ ns ]

AusgangderFotodiode[V]

100 200 300 400 500 600

0,00 0,05 0,10 0,15 0,20

AusgangderFotodiode[V]

Zeit [ ns ]

100 200 300 400 500 600

0,00 0,05 0,10 0,15 0,20

Abbildung 3.6.: Links: Zeitlicher Verlauf der Energie des Pulses im Resonator des Verst¨arkers.

Man sieht deutlich das Maximum der Pulsenergie nach einigen Uml¨aufen. Rechts: Kurz nach erreichen des Maximums wird der Puls mittels zweiter Pockelszelle ausgekoppelt.

Switchingkurze Pulse mit einer Pulsdauer von 80 ns und einer Repetitionsrate von 10 Hz erzeugt, wobei jeder Puls eine Energie von ca. 1.5 J hat. Die Pulse werden frequenzver- doppelt und bauen nach Durchlaufen eines Strahlteilers im Kristall des TSA-Resonators eine Besetzungsinversion auf. Diese wird vom eingekoppelten Ti:Saphir-Laserpuls bei je- dem Kristalldurchlauf nach und nach abger¨aumt, so daß sich der Puls sukzessive verst¨arkt.

Dieser Vorgang erreicht durch st¨andige Streuverluste und Abnahme der Besetzungsinversi- on nach einigen Uml¨aufen sein Maximum (siehe Abbildung3.6 links). Kurz nach Erreichen des Maximums wird die zweite Pockelszelle geschaltet (Abbildung 3.6 rechts), um den Puls aus dem Resonator auszukoppeln. Mit Hilfe einer Photodiode kann dieser Vorgang kon- trolliert werden.

Der verst¨arkte Puls wird nun in den Ti:Saphir-Kristall des Nachverst¨arkers eingestrahlt, der von der anderen H¨alfte des frequenzverdoppelten Nd:YAG-Pulses gepumpt wurde. Nach anschließender r¨aumlicher Aufweitungim Fernrohr, wird der Puls zum Schluß im sogenann- ten Beam Compressor auf die endg¨ultigen 150 fs komprimiert. Dieser Beam Compressor verwendet das gleiche Prinzip wie derBeam Stretcher, das heißt, daß unterschiedliche Wel- lenl¨angen im Puls unterschiedlich lange Wege zur¨ucklegen m¨ussen, so daß eine Verk¨urzung der Pulsdauer erreicht wird.

Die so erzeugten Pulse k¨onnen dann einzeln mittels computeransteuerbarem, mechani- schem Shutter in unseren Pump-Probe-Aufbau zur Messungeingekoppelt werden.

3.3. Das Polarisationsmikroskop

Zur ortsaufgel¨osten Abbildungder Flußverteilungen im Supraleiter ist ein Mikroskop er- forderlich, durch das die Polarisationsdrehungdurch den Faraday-Effekt in der Indikator- schicht sichtbar gemacht werden kann. Um sp¨ater die hohe Zeitaufl¨osungmittels Pump- Probe-Technik (siehe Abschnitt 3.4) zu erreichen, wird ein Teil des Laserpulses zur Be- leuchtungverwendet. Wegen der Koh¨arenz des Laserlichts machen sich aber schon kleinste

(28)

Staubpartikel auf den optischen Komponenten und deren Berandungen durch Beugungs- erscheinungen st¨orend bemerkbar. Auch ist die r¨aumliche Energieverteilung der einzelnen Laserpulse auf Grund von nichtlinearen Prozessen bei der Verst¨arkungdes Laserpulses im TSA nicht immer gleich. Somit ist zur besseren Abbildung der statischen Flußvertei- lungen und zur nachtr¨aglichen Feldkalibrierung zus¨atzlich eine 150 W Kaltlichtquelle, die

¨uber ein Glasfaserb¨undel in den Beleuchtungsstrahlengang eingekoppelt wird, unabding- bar. Auf Grund dieser beiden erforderlichen Beleuchtungsarten konnte kein kommerziell erh¨altliches Polarisationsmikroskop verwendetet werden, so daß ein aus Einzelkomponenten (Mikrobanksystem) angefertigtes Mikroskop zum Einsatz kam. Der Strahlengang wurde, um die Probe m¨oglichst homogen auszuleuchten, nach dem K¨ohlerschen Beleuchtungsprin- zip konzipiert [Oet77].

kollimierter Laserpuls

Abbildung 3.7.: Schematische Darstellung des Polarisationsmikroskops: Im Gegensatz zu den kommerziell erh¨altlichen Auflichtmikroskopen besitzt es zwei Beleuchtungseinheiten. Die Probe kann entweder mit einem kollimierten Laserpuls, der einen Durchmesser von 2 cmbesitzt, oder einer kontinuierlichen Kaltlichtquelle beleuchtet werden. Die Vergr¨oßerung wird ¨uber die Brennweite der verwendeten Achromate (4f-Anordnung) eingestellt [Bol02].

Der Laserpuls wird ¨uber einen Strahlteiler, der sich zwischen Kryostat und Objektiv befin- det, in Richtung Probe gelenkt. Dabei wird er an der Spiegelschicht hinter dem Indikator reflektiert und gelangt so durch die Objektiv- und die Okularlinse in die Kamera (siehe Abbildung 3.7). Die Objektivlinse hat, bedingt durch den großen Arbeitsabstand wegen der Lasereinkopplungund der Spulen eine feste Brennweite von 200 mm. Es handelt sich dabei, genauso wie bei den f¨ur das Okular verwendeten Linsen, um Achromate aus Kron- und Flintglas, um eventuelle polarisationsver¨andernde Nebeneffekte oder Abbildungsfehler zu vermeiden. Die gew¨unschte Vergr¨oßerungerh¨alt man dann durch geeignete Wahl der Okularlinsen.

Der Polarisator f¨ur den Laserstrahlengang sowie der Analysator sind Glan-Taylor-Prismen mit Luftspalt und einer Apertur von 20 mm. Der Polarisator im Strahlengang der Kalt- lichtquelle ist ein Folienpolarisator. Durch den Analysator entsteht auf dem CCD-Chip

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