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Archiv "VARIANTE: Auf Märchen verzichten" (22.07.1976)

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Spektrum der Woche.

Aufsätze -Notizen

Briefe an die Redaktion

brämungen auf dem Weg zum AT.

Die Übernahme einiger autogener Trainings-Rudimente in ein phanta- stisches neues Konzept birgt eher die Gefahr einer Denaturierung der hervorragend bewährten Standard- methode!

Bei vegetativ dysbalancierten, kon- zentrationsschwachen oder verhal- tensgestörten Kindern bewährt sich das AT ständig neu, weil es bei wirklich konsequentem Üben einer Sammlung der Gedanken auf das Übungsziel die Wiederher- stellung der Balance fördert, das Konzentrationsvermögen steigert, zu einer „Resonanzdämpfung der Affekte" (J. H. Schultz) beiträgt und schließlich zu einer Harmonisie- rung der Leib-Seele-Einheit führt.

Hierzu bedarf es keiner Phantasie- geschichten mit „abenteuerlichen, z. T. phantastischen Vorstellungen", sondern einer auf Erfahrung ge- stützten kundigen Anleitung. — Au- togenes Training mit Märchen? — Nein!

Autogenes Training mit Kindern?

Ja — aber richtig!

Dr. med. Gerd Iversen

Facharzt für innere Krankheiten

— Psychotherapie — Vorsitzender

der Deutschen Gesellschaft für ärztliche Hypnose und autogenes Training 2360 Bad Segeberg

Auf Märchen verzichten

Das autogene Training ist aus- schließlich auf Eigenübung des Pa- tienten aufgebaut. Auch Kinder können darauf hingewiesen wer- den, daß sie — bis auf das kurze Erklären und das gemeinsame Üben in der Gruppe — sich von Anfang an auf eigenes, konzen- triertes Üben einstellen. Wenn wir berücksichtigen, daß nur 14 bis 20 Prozent aller Schulkinder sich in einem ausgeglichenen vegetativen Zustand befinden, wissen wir, wel- che Bedeutung die exakte Vermitt- lung des autogenen Trainings zur

Prophylaxe und Therapie vegeta- tiver Funktionsstörungen und psy- chosomatischer Krankheiten — auch bei Kindern — hat. Therapie und Indikationen gehören unbe- dingt in die Hand des Arztes; er ist sich der psycho-physischen Reak- tionen bewußt.

Suggestion ist ein Ich — fremder Einfluß, der — nehmen wir das Bei- spiel des a. T. mit Märchen — hier nicht autosuggestiv zur konzentra- tiven Entspannung verarbeitet wer- den kann, sondern lediglich zur all- gemeinen Unterhaltung beiträgt.

Das ist aber sicher nicht Sinn und Aufgabe des autogenen Trainings bei Kindern. Hier möchten wir eine vegetative Gesamtumschaltung er- reichen, die psychologisch durch Vigilitätssenkung (Ich-Verlust) ge-

kennzeichnet ist.

Denken und Urteilen tritt zugun- sten eines überwiegend gefühlsmä- ßigen intensiven Erlebens zurück.

Gelingt diese „organismische Um- schaltung", kommt es zum Absin- ken der Herzfrequenz, zu einer Ab- nahme der Magenmotorik (Sonnen- geflecht) und sofort zu Beginn der Umschaltung (auch bei Kindern!) zu einem durchschnittlichen Absin- ken des Atemminutenvolumens um ca. 7,5 Prozent, wobei die 002- Konzentration in der Ausatmungs- luft etwa um elf Prozent ansteigt.

Die Hauttemperatur steigt ebenfalls an, und die Kerntemperatur sinkt (entsprechend der Tiefe des Ver- senkungszustandes) kontinuierlich ab.

Wollen wir den Kindern das a. T.

mit einem „Suggestiveinstieg" über Märchen und zusätzlich auch noch mit verschiedenen „Randaktivitä- ten" vermitteln, wird damit der pas- sive Versenkungszustand er- schwert. Die Kinder werden ange- halten, die Silbe „Om" zu summen und zu singen. Damit kommt es zu einer Anspannung der Lippenmus- kulatur — einer verzögerten Ausat- mung (Arbeitsatmung), und es wird genau das bewirkt, was wir im au- togenen Versenkungszustand ver- meiden wollen. Im „ruhevollen Wa- chen" horchen sie (nach Frau Dr.

Eberlein) auf die Geschichte, die

„verschiedene Impulse" weckt.

Schultz beantwortet die Frage, ob Kinder autogenes Training erler- nen können dahingehend, daß die Möglichkeit immer dann besteht, wenn diese nach „Lebensalter und Wesen die nötigen Voraussetzun- gen zu regelmäßigem Üben mit- bringen." Er gibt zum Beispiel in seiner Monographie den Hinweis, daß die Versuchsperson in einer ihrer „geistigen Art entsprechen- den Weise versteht, welchen Sinn die Arbeit hat." Haben wir den Ein- druck, daß ein Kind versteht, was wir ihm mit „Ruhe" oder „Entspan- nung" (entsprechend kindgemäß) erklären, ist es sicher bei konse- quenter Anleitung bald zur „kon- zentrativen Entspannung" fähig.

(Über entsprechend umfangreiche Erfolge kann ich berichten; ebenso mache ich auch auf die Arbeit von W. Luthe aufmerksam, der mit Kin- dern einer kanadischen Grund- schule arbeitete, sowie auf die Ver- öffentlichungen von Habersetzer und Schuth, die über gute Erfolge mit dem autogenen Training bei Kindern eines Kinderdorfes berich- teten.) Nutzen wir Präge- und Lern- fähigkeit des Kindes, aber auch

seine Fähigkeit, bildhafte Vorstel- lungen gut zu realisieren, können wir auf das Märchen beim autoge- nen Training mit Kindern zweifellos verzichten. (Literatur bei der Ver- fasserin.)

Dr. med. Waltraud Kruse Ärztin für Allgemeinmedizin Psychotherapie

Kirchberg 4, 51 Aachen-Walheim

IMAGE-PROBLEM

Zu dem Artikel von Fritz Dalichow: „Der Arzt im Kriminalroman" in Heft 19/1976:

Brauche ich

ein Luxus-Badezimmer?

Die Lektüre der Analyse im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT vom 6. Mai 1976 „Der Arzt im Kriminalroman"

hat mich in meiner Selbsteinschät- zung schwer erschüttert. Auch ich bin leider Facharzt. Ich fahre einen

1994

Heft 30 vom 22. Juli 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woühe Aufsätze • Notizen Briefe an die Redaktion

leuchtendroten Zweisitzer. Auf Empfehlung der Kassenärztlichen Vereinigung habe ich nach langem Bedenken meine Sprechstunden auf die Bestellpraxis umgestellt.

Die übliche technische Einrichtung einer internen Fachpraxis steht auch mir zur Verfügung. Allerdings ist mir ein Trost geblieben. Den Äs- kulapstab führe ich nicht in der Ecke der Windschutzscheibe, son- dern in der Mitte; von einer überra- genden Intelligenz ist mir nichts bekannt; ich bin leider nicht immer gelassen, sondern häufig sehr im- pulsiv; Anlagen zum Playboy habe ich leider nicht.

Es erhebt sich nun die Frage: bin ich verpflichtet, bei einer Umge- staltung meiner Praxis das als Zu- behör angeführte phantastische Badezimmer für Patientinnen ein- zurichten, um meinem Image ge- recht zu werden?

Dr. med. Klaus Reichel

Facharzt für innere Krankheiten Hindenburgplatz 11

8562 Hersbruck

HONORARPOLITIK

Die im April dieses Jahres zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) und den Bundesverbänden der Pflichtkrankenkassen geschlossene Empfehlungsvereinbarung sieht eine Begrenzung des Zuwachses der kas- senärztlichen Gesamtvergütung für die Jahre 1976 und 1977 jeweils 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr vor. Ein Leser stellt dieser Vereinbarung eine Fest- stellung des Präsidenten der Bundes- ärztekammer, Professor Sewering, ge- genüber, der in einem Interview mit

„Bild am Sonntag" kürzlich betonte,

„daß sich die wissenschaftliche Ent- wicklung der Medizin nicht an der Ent- wicklung der sogenannten Grundlohn- summe und nicht am Bruttosozialpro- dukt orientieren" könne. (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 19/1976, Seite 1274 ff.; 20/1976, Seite 1349 ff.):

Trotz

scheinbaren Widerspruchs — gemeinsamer Nenner

Hier scheinen sich zwei Auffassun- gen diametral gegenüberzustehen.

Die eine unterstellt, daß auch in Zukunft die wissenschaftliche Ent-

wicklung der Medizin weitergehen und entsprechende Aufwendungen erfordern wird. Wolle der Bürger an diesem Fortschritt teilnehmen, müsse er gegebenenfalls steigende Kosten in Kauf nehmen. Die andere Auffassung hält im Prinzip an ei- nem bestimmten Prozentsatz der Grundlohnsumme für den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversiche-

rung fest und fordert eine Anpas- sung der Arzthonorare hieran.

Die erstgenannte Ansicht ent- spricht einer hohen ärztlichen Be- rufsauffassung, welche die Früchte des medizinischen Fortschritts nie- mandem vorenthalten möchte. Da- gegen geht die Konzeption der Empfehlungsvereinbarung davon aus, daß die Belastung der der gesetzlichen Krankenversicherung angehörenden Patienten bereits dicht unter einer Höchstgrenze liegt, deren Überschreiten sozial nicht mehr zumutbar ist. Trotz des scheinbaren Widerspruchs lassen sich jedoch beide Einstellungen auf einen gemeinsamen Nenner bringen.

Ließ der Arzt sich bisher vielleicht vom Gesichtspunkt des Wün- schenswerten oder Gewünschten leiten, so soll er nach der Ver- einbarung nur das „Notwendige, Zweckmäßige und Wirtschaftliche"

tun. Mit Blickrichtung auf neuere medizinische Errungenschaften würde das heißen, daß diese dem Patienten im Bedarfsfall zugute kommen, daß jedoch vermeidbare Behandlungen unterbleiben. Es wird sich also eine „selektive Me- dizin" entwickeln. Der Arzt wählt aus, welche diagnostischen und therapeutischen Methoden er im Hinblick auf die medizinische Dringlichkeit und die entstehenden Kosten anwenden will. Dabei wird er im Einzelfall nicht umhin kön- nen, auf entbehrliche Behandlungen zu verzichten. Insbesondere bei Bagatellfällen muß er gelegentlich bereit sein, einen Patienten wieder nach Hause zu schicken. Hier wird mit dürren Worten eine Entwick- lung beschrieben, die zweifellos sehr schwer zu vollziehen sein wird. Sie fordert vom behandeln-

den Arzt im Einzelfall ein hohes Maß an Einsicht und Mut. Er wird sich, wenn nötig, zu einer unpopu- lären Verhaltensweise entschließen müssen. Andererseits muß gefragt werden, welche Alternative sich denn sonst anbietet. Bekannt sind mittelfristige Prognosen, die ein Ansteigen der Krankenkassenbei- träge auf besorgniserregende Hö- hen voraussagen. Es liegen auch langfristige Vorausschätzungen vor, wonach noch innerhalb einer Generation das gesamte Sozialpro- dukt völlig oder doch weitgehend von den Ausgaben für die medizini- sche Versorgung aufgezehrt wer- den wird. Irgendwann wird also auf Biegen und Brechen etwas Ein- schneidendes geschehen müssen.

Der medizinische Fortschritt kann nicht gestoppt werden. Anderer- seits liegen für ein Zurückgehen der Morbidität, insbesondere der Zivilisationskrankheiten, keine An- zeichen vor. Die Lösung kann da- her nur in einer Verlagerung der ärztlichen Tätigkeit auf das wirk- lich Notwendige bestehen. Es ist zu hoffen, daß auch der Patient die nötige Einsicht hierfür aufbringen wird.

Mancher praktizierende Arzt wird diese Aufgabe als unzumutbar empfinden. Er wird unter Hinweis auf sein Berufsethos vielleicht ver- langen, daß ihm andere Stellen das Selektieren abnehmen. Aber wer anders könnte dies tun als wieder- um ein Arzt? Offen kann lediglich sein, ob die Definition des „Not- wendigen" durch die Organisatio- nen bzw. Körperschaften der Ärzte selbst oder aber durch Medizinal- beamte geschehen soll. Es spricht sicher einiges dafür, daß die Über- tragung auf beamtete Ärzte ein deutlicher Schritt in Richtung auf die Staatsmedizin wäre. Deshalb war die Empfehlungsvereinbarung ein Schritt in die richtige Richtung.

Berend Feddersen Vorstandsmitglied der Deutschen

Kranken-Versicherungs-AG Aachener Straße 300 5000 Köln 41

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 22. Juli 1976 1995

Referenzen

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