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Archiv "Abtreibung: Helfen, nicht richten" (29.07.1994)

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SPEKTRUM LESERBRIEFE

mehr existiert. Diesen Frei- raum erobern zunehmend Politiker, Ökonomen und Ju- risten. Wir Ärzte werden so zu Vollzugsgehilfen, wenn wir nicht unsere eigene Berufs- auffassung artikulieren und vertreten. Diesen Umstand hat Hoerster erschreckend klar herausgearbeitet.

In der psychotherapeu- tischen Arbeit sehe ich jetzt schon eine latente Angst und ein sich vertiefendes Mißtrau- en „den" Ärzten gegenüber.

Durch die holländischen Ver- hältnisse initiiert, werden vor allem bei Älteren reale Äng- ste geweckt und Erinnerun- gen an die Massen-Eutha- nasie der Nationalsozialisten und die Ermordung „lebens- unwerten Lebens". Die Ent- wicklung in Holland erscheint um so erschreckender, weil dort die überwältigende Mehrheit der Ärzte zur Zeit der Nazi-Besatzung geschlos- sen in den Widerstand ging, weil sie sich entschieden wei- gerten, die Fürsorgepflicht

Keine Hilfe

Vielleicht kann man ei- nem Rechtsphilosophen nicht seine absolute Ignoranz der menschlichen Embryologie vorwerfen. Aber auch ein Philosoph sollte es vermei- den, zur Definition des Le- bensrechts eines Menschen derart schwammige, vielseitig interpretierbare und mit ob- jektiven Mitteln nicht über- prüfbare Begriffe wie „Ichbe- wußtsein" und „Lebensinter- esse" heranzuziehen. Ich hal- te mich da lieber an die ein- deutigen biologischen Kriteri- en zur Beurteilung von Le- ben, die ein menschlicher Embryo auch im Frühstadium aufweist.

Genauso klar ist für mich, daß der, der lebt, auch ein Recht darauf hat — und zwar ohne spitzfindige philosophi- sche Hintertürchen. Wer auch immer einem menschli- chen Individuum, in welcher Phase seines Lebens es sich auch befindet (Embryonal- phase, Säuglingsphase, post- traumatisches Koma oder Al-

gegen die ihnen anvertrauten Patienten unter das politische Primat zu stellen.

Weiterhin sollte sich jeder Arzt mit einem Rest von Selbstachtung gegen die Ver- unglimpfung der Intensiv- Medizin als Horror-Medizin wehren und gegen die Emp- fehlung, sich durch profitable (für die Versicherung) „Te- stamente" zu schützen.

Eine willkürliche Grenze des lebenswerten Lebens zu ziehen, muß immer Angst und Terror erzeugen. Wir Ärzte, die wir in besonderem Maße für andere Menschen Verantwortung tragen, müs- sen endlich erkennen, daß ein Mensch in seiner Ganzheit erfaßt werden kann. Das heißt, mit seiner unvergleich- lich verletzbaren Entstehung

— auch der vorgeburtlichen — und seiner möglicherweise großen Hilfsbedürftigkeit im Angesicht des Todes.

Dr. med. Rolf E. Ullner, K.- Meindl-Straße 1, 84405 Dor- fen

ter mit fortgeschrittener Hirndemenz), das Recht auf Leben verweigert, erklärt die- sen Menschen für „lebensun- wert" und demaskiert sich selbst als Anhänger schon da- gewesener nationalsozialisti- scher Theorien.

So kann man uns Ärztin- nen und Ärzten jedenfalls nicht helfen, einen moralisch und ethisch vertretbaren Standpunkt zur Abtreibung zu finden und in einer Kon- fliktsituation, in der das Le- bensrecht des ungeborenen Kindes wegen drängender ökonomischer oder physisch- psychischer Probleme der Schwangeren scheinbar nicht verwirklicht werden kann, beiden, Mutter und Kind, ge- recht zu werden.

Anna-Maria Fink, Ittenba- cher Straße 31, 50939 Köln

Definitionsversuch mißlungen

Bei allem Respekt vor sei- nem Wissen und seiner Er- fahrung kann ich den Defini-

tionsversuch vom Menschen nur als ziemlich mißlungen bezeichnen, inhaltlich naiv und bedenklich in den Konse- quenzen.

Seit Jahrtausenden geht die anthropologische Diskus- sion in Medizin, Philosophie, Theologie und anderen Gei- stessparten, was das Wesen des Menschen eigentlich sei und was ihn unterscheide von anderem. Die begnadetsten Denker mußten letztendlich bekennen, daß sie es nicht wüßten und man niemals si- cher sein könnte, das Wesen des Menschen gefunden zu haben.

Wo sonst, wenn nicht bei der existentialistischen Ent- scheidung über Leben und Tod, ist es zwingend notwen- dig, nach dem Wesen des Menschen zu fragen.

Die von Herrn Hoerster benannten Axiome des Menschseins „Ichbewußt- sein" und „Rationalität" mö- gen wichtige Attribute menschlichen Daseins sein, sind aber als letztendlicher Gültigkeitsanspruch völlig unzureichend. Eine klare Ab- grenzung gerade zu den Pri- maten ist nicht gegeben, und warum ein Neugeborenes ei- ne Stunde nach der Geburt Rationalität und Ichbewußt- sein haben soll, aber eine Stunde vor der Geburt noch nicht, ist absolut uneinsichtig.

Wieso verfügt ein Frühgebo- renes mit einigen hundert Gramm Gewicht, von einer Intensivstation am Leben ge- halten, darüber, der reife Fö- tus, der morgen ohne Kompli- kationen außerhalb des Mut- terleibes leben wird, aber nicht? Woher weiß er — und dann mit Sicherheit —, daß die Leibesfrucht kein Ichbewußt- sein hat beziehungsweise der Prozeß dahin noch nicht be- gonnen habe? .. .

Dr. med. Christoph Stenzel, Franz-Hitze-Straße 25, 47807 Krefeld

Helfen, nicht richten Als eifriger Leser des Deutschen Ärzteblattes habe ich noch keine eindeutige An- weisung gefunden (auch nicht

beim BVG), worüber die Schwangere beraten werden soll.

Handelt es sich um Geld, wäre der Bankbeamte zustän- dig. Der Arzt kann sie nur über die Gefahren von Schwangerschaft und Geburt aufklären, und daß vor gar nicht so sehr langer Zeit 15 Prozent aller Frauen an die- sem Ereignis starben oder zu lebenslang Leidenden wur- den. Die Absaugung eines be- fruchteten Eies ist dagegen praktisch gefahrlos und kann ambulant durchgeführt wer- den (niemand erfährt davon).

Ein befruchtetes Ei besitzt noch kein Lebensinteresse und damit auch kein Ichbe- wußtsein, also auch keine Menschenwürde.

Die Schwangere dagegen besitzt sehr wohl ein Ichbe- wußtsein, ein Lebensinteres se und Menschenwürde.

Aufgabe des Arztes ist es, zu helfen, nicht zu richten.

Dr. med. Eckart Knaul, Bene- diktenwandstraße 4, 82393 If- feldorf/Osterseen

Schlußwort

Es ist offenkundig kaum möglich, zu einem so komple- xen und emotionsgeladenen Problem wie dem der Abtrei- bung eine gleichzeitig grundle- gende und unorthodoxe Posi- tion in der Weise, wie ich es versucht habe, auf knappstem Raum zu verteidigen. Ich darf deshalb meine zahlreichen Kritiker im wesentlichen auf folgendes hinweisen: Sämtli- che von ihnen vorgebrachten Einwände und Argumente werden von mir in meinem Buch Abtreibung im säkularen Staat. Argumente gegen den § 218 (Suhrkamp TB-Verlag

1991) ausführlich erörtert.

So widme ich einen gan- zen Abschnitt dem Thema

„Tötungsverbot und Geistes- kranke". In diesem Abschnitt setze ich mich ausdrücklich mit der Euthanasie-Praxis der Nazis auseinander und be- gründe meine entschiedene Anti-Position, daß „absolut jedem geborenen menschli-

chen Wesen ein Recht auf Leben durch Sozialmoral und A-2014 (10) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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„Halle, wie geht's?" — Programmvorschau

Montags bis freitags sendet der Südwestfunk III "Hallo, wie geht's`", eine Gesundheitsreihe, die in Zusammenar- beit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und ver- schiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen entsteht. Die Beiträge laufen jeweils von 18.35 Uhr bis 18.50 Uhr und wer- den am darauffolgenden Tag um 15 Uhr wiederholt. Die fol- gende Übersicht zeigt die Themen der nächsten Sendungen.

Montag, 1. August Hilfe für kranke Seelen — die Psychotherapie wird neu geregelt Dienstag, 2. August Das neue Psychotherapeuten-

Gesetz

Mittwoch, 3. August Die Blinddarmentzündung Donnerstag, 4. August Jugendsprechstunde bei der

Frauenärztin

Aus unserer Reihe „Ernährung":

Vegetarier Kneipp-Therapie SPEKTRUM

LESERBRIEFE / BÜCHER

Rechtsordnung einzuräu- men" ist. Genau jene Damm- bruchargumente, die — auf dem Boden meiner These vom Ichbewußtsein als dem philosophisch ausschlagge- benden Grund eines Lebens- rechts — zu dieser Position führen, versagen jedoch ge- genüber der Leibesfrucht: Es gibt keine empirische oder sonstige Evidenz für eine rea- le Gefährdung von Individu- en mit Ichbewußtsein durch eine Freigabe der Abtrei- bung. Ein ausführliches Kapi- tel meines Buches dient der Darstellung der spezifisch christlichen Grundlagen der konservativen Auffassung, wonach das menschliche Le- bensrecht mit der Befruch- tung beginnt. Ich analysiere zu diesem Zweck insbesonde- re die gemeinsame Erklärung der christlichen Kirchen Gott ist ein Freund des Menschen (1989) und bezeichne das auf den kirchlichen Lehren basie- rende Postulat eines strikten Abtreibungsverbots aus- drücklich als auf dieser Basis zwingend und in sich stimmig.

Ich ziehe jedoch in Zweifel, daß in einem modernen, sä- kularen Staat religiöse Leh- ren zur allgemein verbindli- chen Grundlage von rechtli- chen Verboten gemacht wer- den dürfen. Da selbst die hieran interessierten Kreise dies heute kaum noch offen zu fordern wagen, bleibt ih- nen als Ausweg nur, den tat- sächlich religiösen Charakter des Abteibungsverbots mög- lichst zu kaschieren.

Ein Paradebeispiel für ei- ne solche Strategie bietet der Leserbrief von Schilling: An- statt für die von ihm vertrete- ne Auffassung offen die christliche Lehre von der Per- sonalität im Sinn der Gott- ebenbildlichkeit und Beseelt- heit jedes gezeugten mensch- lichen Wesens in Anspruch zu nehmen, lenkt er von den Voraussetzungen seiner eige- nen Position ab, indem er mir einen völlig verfehlten Per- sonbegriff unterschiebt. Mein Personbegriff sei gar — in be- zug auf „die Ideologie und die Konsequenzen"(!) — mit der Nazi-Lehre vom „lebensun-

werten Leben" verwandt. Die Wahrheit ist: Ein wie auch immer gearteter Personbe- griff kommt in meinem von Schilling kritisierten Aufsatz im DÄ. . . überhaupt nicht vor und spielt auch in meinen sonstigen Schriften zum Ab- treibungsproblem keinerlei konstitutive Rolle!

Herrn Prof. Schillings Ausführungen werden auch dadurch nicht überzeugen- der, daß er sich auf unseren gemeinsamen Mainzer Kolle- gen Anzenbacher beruft, der ihn auf meinen schlimmen Personbegriff „dankenswer- terweise aufmerksam ge- macht hat". Im übrigen ist Anzenbacher keineswegs, wie Schilling behauptet, „Profes- sor für Anthropologie und Sozialethik", sondern . . ., wie jedermann aus dem Mainzer Vorlesungsverzeichnis ent- nehmen kann, „Professor für Christliche Anthropologie und Sozialethik". — Sapienti sat.

Daß man auch geradlinig und ohne im trüben zu fischen gegen mich argumentieren kann, zeigt die Kritik von Es- ser. Auf dieser Ebene wäre es sicher lohnend und sinnvoll, die Diskussion weiterzufüh- ren. Als einziger meiner Kriti- ker scheint Esser auch nicht verdrängen zu wollen, daß die vom Bundesverfassungsge- richt gutgeheißene Fristen- beziehungsweise Beratungs- regelung der Abtreibung ei- nen in sich zutiefst inkonse- quenten, faulen Kompromiß darstellt: Lebensrecht als pro- grammatisches Lippenbe- kenntnis — freies Töten als ak- zeptierte Realität. Diese In- konsequenz aufzuzeigen, war das Hauptanliegen meines Aufsatzes im DÄ. Daß dieser Punkt von meinen Kritikern durchweg ignoriert wird, zeigt einmal mehr, wie einfach es in unserer demokratischen Ge- sellschaft offenbar einer brei- ten Mehrheit fällt, durch Selbsttäuschung und Heuche- lei auch Absurditäten den An- schein des Selbstverständli- chen zu geben.

Professor Dr. Dr. Norbert Hoerster, Höchberghang 40, 97234 Reichenberg

Neueingänge

Hans Vogl: Differential- diagnose der medizinisch-kli- nischen Symptome, Lexikon der klinischen Krankheitszei- chen und Befunde, 3., überar- beitete Auflage, Ernst Rein- hardt Verlag, München/Ba- sel, 1994, XVIII, 559 Seiten, 14 Abbildungen, 22 Farbta- feln, gebunden, 128 DM

Rita Kohnstamm: Prakti- sche Psychologie des Schul- kindes, Mit einer Einleitung von Hans Aebli, 2., vollstän- dig überarbeitete und ergänz- te Auflage, Verlag Hans Hu- ber, Bern/Göttingen/Toronto/

Seattle, 1994, 255 Seiten, kar- toniert, 39,80 DM

H. Just, W. Hort, A. M.

Zeiher (Rds.): Arteriosclero- sis, New Insights into Patho- genetic Mechanisms and Pre- vention, Steinkopff Verlag Darmstadt, Springer-Verlag New York, 1994, X, 202 Sei- ten, zahlreiche Abbildungen und Tabellen, gebunden, 85 DM

Karl König: Mit körper- lich Kranken umgehen, Klei- ner Ratgeber für die Fachbe- rufe im Gesundheitswesen, Unter Mitarbeit von Peter König, Springer-Verlag Ber- lin/Heidelberg/New York/

Freitag, 5. August Montag, 8. August

London/Paris/Tokyo/Hong Kong/Barcelona/Budapest, 1994, IX, 185 Seiten, bro- schiert, 24 DM

Heinz Quak et al.: Ge- sundheit und Sicherheit in Kommunen und öffentlichen Einrichtungen, Mitteilung 17, Institut für Arbeits- und Sozi- alhygiene Stiftung, Siegfried- Kühn-Straße 1, 76135 Karls- ruhe, 1994, 73 Seiten, Abbil- dungen, kartoniert, 12 DM zuzüglich Mehrwertsteuer

Burton Anderson: Italieni- sche Weine, Über 2000 Weine und Produzenten, Ausgabe 1994/95, 7., vollständig über- arbeitete und aktualisierte Ausgabe

David Peppercorn: Bor- deaux, 1000 Chäteaux und ih- re Weine, Ausgabe 1994/95, Vorwort von Hugh Johnson, 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Ausgabe, Hallwag Verlag, Bern/Stutt- gart, Format 9,5 x 19,5 cm, 301 + 233 Seiten, 16 + 4 Karten, kartoniert, pro Ta- schenführer 29,80 DM

Hubrecht Duijker: Wein- straßen Spaniens, 41 Routen, Produzenten, Hotels, Restau- rants, Hallwag Verlag, Bern/

Stuttgart, 1994, 10,5 x 21 cm, 201 Seiten, 37 vier farbige Karten, Pappband, 29,80 DM

A-2016 (12) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

Referenzen

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