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Archiv "Pädiatrische Onkologie: Den kleinen Patienten weite Wege ersparen" (16.05.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 2016. Mai 2008 A1043

P O L I T I K

W

enn Kinder krank sind, dann sind sie meistens schlecht gelaunt. Ärzte und Krankenschwes- tern stehen auf ihrer Beliebtheits- skala nicht gerade oben. Bei Nicole Haferkamp (30) ist das anders. Als die Kinderkrankenschwester auf die Klingel der Familie Jenderzi drückt und sich wenig später die Woh- nungstür öffnet, hat man den Ein- druck, eine alte Freundin kommt zu Besuch. Sohn Leon (2) springt vor Freude um die Beine seiner Mutter herum, Hund Baki, ein kleiner, graubrauner Mischling, ist ganz aus dem Häuschen und läuft aufgeregt im Flur auf und ab. Haferkamp kennt die Familie seit Monaten. Sie hat Leon im Klinikum Oldenburg stationär mitbetreut und versorgt ihn nun ambulant im Rahmen des Pro- jekts „Verbund PädOnko Weser- Ems“ – einem Zusammenschluss von Ärzten, Pflegenden und Selbst- hilfegruppen.

Dass Leon nicht gesund ist, sieht man auf den ersten Blick. Sein run- des Gesicht ist blass, ein Großteil seiner feinen, blonden Haare ist aus- gefallen. Vor etwa einem Jahr stell- ten die Ärzte bei ihm eine folgen- schwere Diagnose: akute lympho- blastische Leukämie. Mittlerweile ist er fast am Ende des zweiten The- rapieprotokolls angelangt, und bald wird für ihn die Dauertherapie be- ginnen. Morgen soll er stationär auf- genommen werden, um erneut eine Chemotherapie zu erhalten. Des- halb nimmt Haferkamp heute schon einmal Blut ab. Außerdem stehen ein Verbandswechsel und das Spülen des Broviac-Katheters an.

Die medizinische Ausrüstung hat sie in einem Trolley dabei.

Haferkamp ist das Bindeglied zwischen Leons stationärer und am- bulanter Behandlung. Die eine Hälf- te ihrer Arbeitszeit verbringt sie mit Hausbesuchen für das mobile Team.

Die andere Hälfte arbeitet sie im Zentrum für Pädiatrische Onkologie am Klinikum Oldenburg gGmbH.

Die Versorgung durch den Verbund PädOnko Weser-Ems findet seit ei- nem halben Jahr im Rahmen eine Vertrages zur integrierten Versor- gung (IV) statt (siehe Kasten). Ziel ist eine bessere Verzahnung der Angebote in den unterschiedlichen Sektoren.

„Dadurch, dass wir zu den Kin- dern nach Hause gehen, bekommen wir viel mehr vom Umfeld mit“, sagt Haferkamp. Bei Leon sei die Behandlung bisher sehr gut verlau- fen, die Eltern seien kooperativ.

Aber es gebe auch Väter und Mütter, die alles infrage stellten, sehr ängst- lich seien und viel Unterstützung benötigten. Für die Familien ist die häusliche Betreuung aber auch noch aus anderen Gründen eine ech- te Entlastung: Sie müssen keine weiten Strecken für die Behandlung zurücklegen. Besonders wenn es den Kindern schlecht geht, ist das

von Vorteil.

PÄDIATRISCHE ONKOLOGIE

Den kleinen Patienten weite Wege ersparen

Der Verbund PädOnko Weser-Ems aus Oldenburg zeigt, wie man auch in

dünn besiedelten Gebieten die ambulante Betreuung krebskranker Kinder sichern kann.

Wichtig ist dabei auch die Verzahnung mit der stationären Therapie.

IV-VERTRAG WESER-EMS

Das Projekt „Verbund PädOnko Weser-Ems“ entstand 2001. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Ärzten, Pflegenden und Selbsthilfegruppen. Ziel war eine bessere Vernetzung der ambulanten und stationären Ver- sorgung krebskranker Kinder im relativ dünn besiedelten Weser-Ems-Gebiet in Niedersachsen. Seit 2005 förderte die José-Carreras-Stiftung den Verbund. Ende 2007 wurde dann ein Vertrag zur integrierten Versorgung (IV) geschlos- sen. Darin wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

>Finanzierung der ambulanten Betreuung: Die Kranken- kassen übernehmen die Kosten für das mobile Team.

>Bessere Vergütung: Die KV-ermächtigten Ärzte in den Verbundkrankenhäusern erhalten für die ambulante Behandlung eine Quartalspauschale für jeden Patienten.

>Koordinierung der regionalen Angebote

>Qualitätsicherung, Fortbildung, Benchmarking

Fotos:Britta Neubauer

Beim Hausbesuch:

Kinderkranken- schwester Nicole Haferkamp mit Patient Leon.

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A1044 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 2016. Mai 2008

P O L I T I K

Lange Anfahrtswege sind im ländlich geprägten Weser-Ems-Ge- biet in Niedersachsen keine Selten- heit. „Manchmal bin ich für drei Hausbesuche vier Stunden unter- wegs“, erklärt Haferkamp. Ihre Ein- satzorte reichten von der Nord- seeküste bis ins Osnabrücker Land.

Die Arbeit sei zwar anstrengend, aber durch die Kombination aus am- bulanter und stationärer Arbeit auch abwechslungsreich. Sie teilt sich mit einer Kollegin die Stelle der Verbundschwester sowie eine Stelle im Zentrum für Kinder- und Jugend- medizin des Klinikums Oldenburg.

Für das mobile Team arbeitet dar- über hinaus eine Diplom-Doku- mentarin. Die Arztstelle ist zurzeit vakant.

Für Prof. Dr. med. Hermann Mül- ler, Direktor der Klinik für Allge- meine Kinderheilkunde, Hämatolo- gie/Onkologie und Initiator des Ver- bunds PädOnko Weser-Ems ist die Vernetzung der Behandlung in der Kinderonkologie ein ganz entschei- dender Punkt – gerade in einer länd- lich geprägten Region. „Die Stre- cken muss man selbst einmal ge- fahren sein“, sagt er. Genau das hat Müller getan, als er 2001 neu an das Klinikum Oldenburg kam: Allen 13 pädiatrischen Kliniken und Abtei- lungen in der Region stattete er ei- nen Antrittsbesuch ab. Dieses Ent- gegenkommen war der Beginn des Verbunds PädOnko Weser-Ems.

Neben Ärzten und Selbsthilfegrup- pen ist auch der pädiatrische Pflege- dient „Filius“ aus Oldenburg betei- ligt. Zwei Jahre lang förderte die José-Carreras-Stiftung das Projekt.

Ende 2007 wurde mit elf Kranken- kassen ein IV-Vertrag geschlossen.

Die bessere Vernetzung ambu- lanter und stationärer Angebote hat in Weser-Ems zusätzlich an Bedeu- tung gewonnen, weil Anfang 2007 die pädiatrisch-onkologische Kran- kenhausbehandlung durch die Ver- einbarung des Gemeinsamen Bun- desausschusses (G-BA) zur Kinder- onkologie neu geregelt wurde. Nur noch spezialisierte Zentren dürfen krebskranke Kinder stationär be- handeln – in Niedersachsen gibt es nur noch fünf Standorte (siehe Kas- ten „Stationäre Versorgung“). Auch einige Mitglieder des Verbunds PädOnko Weser-Ems mussten die stationäre Versorgung einstellen. Im Prinzip sei nichts dagegen einzu- wenden, dass eine Behandlung nach Qualitätsstandards erfolge, sagt Müller. „Aber für die Abteilungen, die schließen mussten, war das ein harter Schlag“, berichtet er. Er sei froh, dass der Verbund trotzdem seine Arbeit weitergeführt habe. Olden- burg ist nun das einzig verbliebene Zentrum im Weser-Ems-Gebiet.

Die G-BA-Vereinbarung hat zu einer Zentralisierung der Kranken- hausbehandlung geführt. Aber sie bleibt auch nicht ohne Auswirkun-

gen auf die ambulante Versorgung.

Durch den Wegfall der stationären Therapie an den kleinen und mittle- ren Kliniken gehe dort mittelfristig auch die pädiatrisch-onkologische Expertise in der ambulanten Mitbe- treuung verloren, befürchtet Müller.

Die Folge: Weite Wege würden für die kleinen Patienten immer mehr zur Regel. Bisher werde die ambu- lante Versorgung zu einem Großteil von Ärzten an den Krankenhäusern vor Ort übernommen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur ambulanten Behandlung er- mächtigt worden seien. „Für die Ärzte ist das ein reines Verlustge- schäft“, moniert Müller. Die Ver- gütung nach dem Einheitlichen Be- wertungsmaßstab sei unzureichend.

Während die G-BA-Vereinba- rung die stationäre Versorgung pä- diatrisch-onkologischer Patienten stark reglementiert hat, ist die am- bulante Behandlung zurzeit nicht strukturiert und nur unzureichend finanziert. Genau hier setzt der IV- Vertrag im Weser-Ems-Raum an.

Ambulante und stationäre Behand- lung sind verzahnt. Der mobile Dienst erledigt so viele Aufgaben wie möglich. Die Vergütung der KV-ermächtigten Ärzte erfolgt mit einer Quartalspauschale. Gemeinsa- me Fortbildungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind eben- falls im IV-Vertrag vereinbart. Da- mit ist die Region Weser-Ems Vor- reiter, was die strukturierte ambu- lante Betreuung krebskranker Kin- der im ländlichen Raum angeht.

Doch Müller hat weitere Pläne:

Besonders die EDV-Vernetzung will er weiterentwickeln. Mikroskopi- sche Befunde von Blutbildern und Knochenmarkausstrichen werden bereits online zwischen den Ver- bundmitgliedern ausgetauscht. „Das erspart den Patienten und ihren El- tern lange Autofahrten“, sagt Müller.

Ein weiteres Ziel sei der Ausbau der Verbundangebote im palliativen und rehabilitativen Bereich, in der pädia- trisch-onkologischen Nachsorge und im neuroonkologischen Bereich.

Wichtig für die Zukunft sei es, dass weiterhin alle Beteiligten an einem Strang zögen – für eine bestmögliche Versorgung der Kinder. I Dr. med. Birgit Hibbeler

STATIONÄRE VERSORGUNG

Seit Anfang 2007 regelt die Vereinbarung zur Kinderonkolo- gie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die stationäre Betreuung krebskranker Kinder und Jugendlicher.

Eine Behandlung darf nur noch in einem pädiatrisch-onko- logischen Zentrum stattfinden. In der G-BA-Vereinbarung sind die Qualitätsanforderungen geregelt, die ein speziali- siertes Zentrum erfüllen muss. Dazu zählt unter anderem die personelle Ausstattung mit kinderonkologisch weiter- gebildeten Ärzten. Weitere Anforderungen beziehen sich auf die Organisation und Ausstattung der Krankenhäuser.

Viele Einrichtungen erfüllten die Kriterien des G-BA nicht.

In Niedersachsen beispielsweise gibt es nur noch fünf Städte mit einem anerkannten Zentrum: Braunschweig, Göttingen, Hannover, Oldenburg und Wolfsburg.

Lange Autofahr- ten:Haferkamps Einsatzgebiet reicht von der Nordsee- küste bis ins Osna- brücker Land.

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