A3404 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006
M E D I E N
Um Großes zu leisten, muss man wohl von sich überzeugt sein.
An Selbstvertrauen und Wagemut mangelte es Manfred von Ardenne, einem der schillernds- ten deutschen Wissen- schaftlerpersönlichkei- ten des 20. Jahrhun- derts, wahrlich nicht.
Als 1967 die erste Auf- lage seines Buches
„Theoretische und ex- perimentelle Grundla- gen der Krebs-Mehr- schritt-Therapie“ in einem DDR- Verlag erschien, schickte er Exem- plare nicht nur an die führenden Spe- zialisten in ost- und westdeutschen Krebsforschungszentren, sondern auch an eine stattliche Reihe von No- belpreisträgern, darunter Otto War- burg, Adolf Butenandt und Hans Krebs. Doch bis heute ist seine Methode der Krebsbehandlung, wie jetzt eine Biografie des naturwissen- schaftlichen Multitalents deutlich macht, umstritten.
Was Ardennes Leben so interes- sant macht, sind nicht nur seine zahlreichen, darunter viele bahnbre- chenden Erfindungen (insbesondere das vollelektronische Fernsehen und das Rasterelektronenmikroskop), son- dern auch sein Geschick, in drei unterschiedlichen Diktaturen seine Ziele konsequent zu verfolgen. Er suchte die Nähe zur Macht, um seine innovativen Ideen verwirklichen zu können. Ohne jemals Mitglied einer Partei zu werden, verstand er es, die jeweiligen totalitären Herrschafts- systeme für sich zu nutzen, sich Freiräume zu verschaffen, von denen andere nur träumen konnten. Die Pri- vatsphäre dieses genialen und zu- gleich wendigen Wissenschaftlers lässt der Biograf, der sich neben den Autobiografien seines Protagonisten auf eine Fülle von unveröffentlichten Quellen und Zeitzeugeninterviews stützt, außen vor, zeichnet dafür aber ein plastisches Bild eines schon früh auf sich aufmerksam machenden Selfmade-Wissenschaftlers und Un- ternehmers, der später im Leben vie-
le Ehrungen, aber auch immer wie- der Rückschläge und Enttäuschun- gen erfuhr. Robert Jütte
Gerhard Barkleit: Manfred von Ardenne. Selbst- verwirklichung im Jahrhundert der Diktaturen. Zeit- geschichtliche Forschungen, Band 30. Duncker &
Humblot, Berlin, 2006, 396 Seiten, kartoniert, 38A
CEDE
Interessanter
Behandlungsansatz
Der Schwerpunkt des vorgestellten Behandlungsmodells liegt auf einer interventionsorientierten Störungs- theorie, in der insbesondere die vier Komponenten Entfremdung, mangel- hafte Reflexion, Außenorientierung und defizitäres Selbstkonzept der von chronisch entzündlichen Dramer- krankungen (CEDE) betroffenen Pa- tienten beeinflusst werden sollen (Be- arbeitung dysfunktionaler Schemata).
Der Autor stellt dieses Modell als störungsspezifisches therapeutisches Vorgehen bei CEDE vor und konsta- tiert sehr gute Behandlungsergebnis- se. Demgegenüber bleiben nach Auf- fassung des Autors die CEDE-Patien- ten zu lange im rein internistischen
Sektor der Gesundheitsversorgung, der in der Reduktion oder Heilung der Erkrankung wenig effektiv sei.
Die Ergebnisse der Studie zei- gen, dass das Behandlungskonzept – bezogen auf Veränderungen psy- chologische Parameter – durchaus wirksam sein dürfte. Im Hinblick auf die Beeinflussung der CEDE vermisst man aber Angaben über einschlägige gastroenterologische Parameter und damit spezifische
Outcome-Variablen für eine Verbes- serung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung selbst. Hier hat of- fensichtlich eine Zusammenarbeit mit einer entsprechenden medizini- schen Einrichtung gefehlt (die be- handelten Patienten wurden über Zeitungsanzeigen und Radiomittei- lungen für die Studie rekrutiert).
Fazit: Ein durchaus interessanter und im Hinblick auf bestimmte psychologische Parameter gegebe- nenfalls auch erfolgreicher Be- handlungsansatz. Seine spezifische Wirksamkeit bei CEDE müsste aber noch in einem dafür geeigneten Studiendesign nachgewiesen wer-
den. Ulrich Rüger
Rainer Sachse: Psychologische Psychotherapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankun- gen.Hogrefe, Göttingen, 2006, 130 Seiten, karto- niert, 24,95A
RECHTSMEDIZIN
Aus menschlicher Sicht
Der Buchautor, scheidender Leiter der (West-)Berliner Rechtsmedizin, be- richtet über seine wichtigsten Fälle.
Die Fallsammlung ist ein bemerkens- wertes Resümee eines fast 40 Jahre währenden Berufslebens als Rechts- mediziner in Berlin. Wenn dort über den Tod Benno Ohnesorgs, den Fall Ulrich Schmückers, die Attentate auf das „Maison de France“, den von Li- byen gesteuerten Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ und die ande- ren mehr oder weniger bekannten Fäl- le referiert wird, so geschieht dies nicht nur aus dem Blickwinkel des sachlich analysierenden Rechtsmedi- ziners, sondern vor allem aus einer sehr menschlichen Sicht. Nicht selten wird die innere Zerrissenheit des Rechtsmediziners zwischen profes- sioneller Sachlichkeit und mensch- licher Anteilnahme deutlich. Die ge- schilderten Fälle lassen erahnen, war- um die Rechtsmedizin im medizini- schen Fächerkanon, gerade auch durch die Verbindung mit den naturwissen- schaftlichen Kriminalwissenschaften, zu den faszinierendsten Disziplinen überhaupt zählt. Markus A. Rothschild
Volkmar Schneider: Brisante Fälle auf dem Seziertisch. Zeitzeuge Rechtsmedizin. Militzke, Leipzig, 2005, 224 Seiten, gebunden 19,90 A BIOGRAFIE