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Archiv "Sprue/Zöliakie: Viele Fälle bleiben unerkannnt" (15.07.2002)

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ie endemischen Sprue ist ein gene- tisch determiniertes Krankheits- bild, das durch die Unverträglich- keit der Gliadinfraktion des Weizens und anderer Alkohol-löslicher Proteine von Roggen und Gerste gekennzeich- net ist (2). Die Aufnahme von Gluten mit der Nahrung führt bei den Patien- ten zu einem chronischen, aber reversi- blen, T-Zell-vermittelten Schleimhaut- schaden, der histologisch als Zottena- trophie imponiert (3). Die Entzündung kann das gesamte Intestinum betreffen.

Eine strikte Einhaltung einer gluten- freien Diät führt in der Regel zur voll- ständigen Normalisierung der Sympto- matik, während geringe Schleimhaut- schäden histologisch nachweisbar blei- ben können. Die Erkrankung ist gene- tisch mit den HLA-Allelen DQA1

*0501 beziehungsweise DQB1 *0201 assoziiert (4) und manifestiert sich zwi- schen dem 6. und 18. Lebensmonat. Als klassische Symptome zeigen sich chro- nische Diarrhoen, Anorexie, Muskel- schwund und Mangelerscheinungen.

Neuere Studien ergeben Hinweise auf eine deutliche Verschiebung des Alters- gipfels auf das fünfte bis sechste Lebens- jahr, wobei weniger als 50 Prozent der Kinder durch gastrointestinale Sympto- me auffällig wurden (5). Hierbei standen vermehrt extraintestinale Manifestatio- nen im Vordergrund. Es wurde gezeigt, dass die Erkrankung nicht auf Kinder beschränkt ist (2).

Die Häufigkeit der Diagnosestellung ist – neben der genetischen Prädispositi- on – an verschiedene Faktoren geknüpft.

So kommen laut Murray und Catassi auf einen diagnostizierten Fall mindestens fünf bis zehn asymptomatische Fälle.

Während epidemiologische Untersu- chungen in Europa die Häufigkeit der Er- krankung relativ konstant auf 1 : 130 bis 1 : 300 veranschlagen (7, 8, 9), wurde bis- her mit 1 : 10 000 eine deutlich niedrigere

Inzidenz für Nordamerika angenommen (10). Dem widersprechen die Ergebnisse neuerer Studien, die unter Inanspruch- nahme von modernen Screeningverfah- ren eine vergleichbare Krankheitswahr- scheinlichkeit (1 : 111) für den nordameri- kanischen Kontinent aufwiesen (11–13).

Wie Prof. Detlef. Schuppan (Erlan- gen) auf der Digestive Week in Atlanta betonte, ergaben sich in den letzten Jah- ren deutliche Fortschritte der diagno- stischen Möglichkeiten. Während die Europäische Gesellschaft für pädiatri- sche Gastroenterologie, Hepatologie

und Ernährung (ESPGHAN) in ihren Leitlinien zur Diagnosestellung noch 1970 einen positiven Behandlungsver- such mit glutenfreier Ernährung bei dem Verdacht auf Zöliakie forderte, die unter anderem die zweimalige Biopsie- entnahme beinhaltete (14), haben sich in den letzten Jahren verstärkt serologi- sche Testverfahren durchgesetzt.

Durch die Einführung des serologi- schen Nachweises von Anti-Myosin- Antikörpern (AEA) und Anti-Gliadin- Antikörpern (AGA) mit der Kombina- tion der Bestimmung von IgG und IgA

waren verlässliche Screeningmethoden vorhanden (15). Hierdurch wurde es möglich, auch asymptomatische Krank- heitsbilder und nicht-klassische Ver- laufsformen zu diagnostizieren.

Der routinemäßige Einsatz des AEA- Nachweises als Screeningmethode grö- ßerer Populationen war jedoch durch die relativ hohen Kosten, aufwendigen Protokolle, Variabilität der Ergebnis- se verschiedener Labors und einge- schränkter Sensitivität bei Kindern un- ter zwei Jahren sowie bei erniedrigten IgA-Spiegeln eingeschränkt.

Im Jahr 1997 konnte die Gewebe- transglutaminase (tTG = tissue trans- glutaminase) als Antigen der spezifi- schen Autoimmunantwort der endemi- schen Sprue identifiziert werden (16).

Bei der tTG handelt es sich um ein ubi- quitäres, primär zytoplasmatisches En- zym, das durch Schädigung der Zellen freigesetzt wird. Kürzlich wurde ein kommerzieller Dot blot-Test, basierend auf dem Nachweis von anti-tTG-Anti- körpern im Serum oder Vollblut verfüg- bar (17). Die Vorteile dieses neuen Ver- fahrens liegen in den relativ günstigen P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 28–29½½½½15. Juli 2002 AA1949

Sprue/Zöliakie

Viele Fälle bleiben unerkannnt

Aktuelle Studien liefern neue Erkenntnisse

zur Epidemiologie und Diagnostik dieser Erbkrankheit.

Medizinreport

Grafik

Prävalenz der einheimischen Sprue

(2)

Kosten und schnellen Verfügbarkeit (30 Minuten). In Vorversuchen konnte eine sehr gute Sensitivität (100 Prozent) und ausreichende Spezifität (96 Prozent) nachgewiesen werden.

Sollten sich die positiven Ergebnisse des tTG-ELISA-Tests bestätigen, emp- fehlen die auf der Diagestive Week versammmelten Wissenschaftler, zu un- tersuchen, ob eine Reihenuntersuchung Sinn macht. Für die Einführung eines Screenings sprechen folgende Faktoren:

(1) Nach neueren Untersuchungen han- delt es sich um eine relativ häufige Er- krankung; (2) klinische Angaben sind oft unzuverlässig, da die Erkrankung durch unspezifische extraintestinale Ma- nifestationen und gegebenenfalls eine längere Latenzzeit charakterisiert ist;

(3) die unbehandelte Erkrankung kann zu schweren Komplikationen im Sinne von sekundären Autoimmunerkrankun- gen führen, während (4) eine effektive und einfach durchzuführende Behand- lungsoption besteht (2).

Nachdem der tTG-ELISA noch in der experimentellen Phase steckt, konn- te er in der revidierten Fassung der Leit- linien der ESPGHAN noch nicht be- rücksichtigt werden. Speziell die Gefahr der falsch-negativen Ergebnisse bei Kin- dern unter zwei Jahren und niedri- gen IgA-Spiegeln lassen eine generelle Empfehlung noch nicht sinnvoll erschei- nen. Eine Empfehlung zur serologischen Untersuchung wurde daher für sympto- matische Patienten und folgende Risiko- populationen ausgesprochen:

❃ Verwandte ersten und zweiten Grades von Patienten mit Zöliakie;

❃ Patienten und deren Verwandte mit Typ-1-Diabetes mellitus;

❃ Patienten mit Sjögren-Syndrom oder anderen Bindegewebserkrankun- gen;

❃ Patienten mit Down- oder Turner- Syndrom;

❃ Patienten mit selektivem IgA-Man- gel oder einer unerklärten Anämie (18).

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Dr. med. Michael Schultz Dr. med. Claus Hellerbrand Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I Klinikum der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93042 Regensburg

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A1950 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 28–29½½½½15. Juli 2002

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er Dünndarm läßt sich weder en- doskopisch noch radiologisch aus- reichend darstellen. Konventionel- le endoskopische Verfahren erlauben es lediglich, circa 30 Prozent des Dünn- darms einzusehen. Folge ist, dass Duode- nalerkrankungen – unerkannte Blutun- gen, Karzinoid-Tumoren im frühen Sta- dium oder spezielle Formen des Morbus Crohn – übersehen werden können.

Das neue Given® Diagnostic Ima- ging System bietet durch die M2A®- Kapsel-Endoskopie erstmalig die endo- skopische Visualisierung des gesamten Dünndarms, die Darstellung der Darm-

zotten in hoher Bildqualität, eine sehr hohe Detektionsrate und ein Verfah- ren, das patientenfreundlich und leicht durchführbar ist. Die M2A-Kapsel-En- doskopie ist nach den vorliegenden kli- nischen Daten gegenüber der Push-Ent- eroskopie und der Dünndarmkontrast- Untersuchung signifikant überlegen.

Die Videokapsel mit einem winzigen Mikrokamera-Chip kann problemlos oral eingenommen werden und wird mit der Peristaltik durch den Gastroin- testinaltrakt befördert. Die Signale von

zwei Bildern pro Sekunde über sechs bis acht Stunden empfängt ein Datenre- korder, der an einem Gürtel um die Hüfte getragen wird. Für den Empfang der Signale werden am Bauch des Pa- tienten Sensoren angebracht. Die Pati- enten behalten während der Untersu- chung Ihre volle Mobilität und können somit ihrem gewohnten Tagesablauf nachgehen.

Die circa 50 000 aus dem Inneren des Körpers gesendeten Bilder werden von dem Datenrekorder als Videofilm auf eine Computer-Workstation geladen.

Die spezielle RAPID-Software ermög- licht die Bildanalyse, Auswertung und Diagnose-Erstellung. Einzelbilder oder auch kurze Video-Clips können expor- tiert werden.

Die Kapsel-Endoskopie ist derzeit zwar keine Alternative für die her- kömmliche Gastroskopie beziehungs- weise Koloskopie, aber eine sinnvolle Ergänzung; sie kann bei negativem Be- fund der oben genannten Untersuchun- gen durch die endoskopische Darstel- lung des gesamten Dünndarms signifi- kant zur Diagnose und damit zur Einlei- tung einer gezielten Therapie beitragen.

Kontraindiziert ist das Verfahren bei Patienten mit Verdacht auf gastrointesti- nale Obstruktionen und bei Patienten mit Herzschrittmacher oder anderen elektromedizinischen Implantaten be- ziehungsweise bei schwangeren Patien- tinnen, da für beide Gruppen noch keine klinischen Erfahrungen vorliegen. Der Patient sollte acht Stunden vor Beginn der Untersuchung nüchtern sein und auch nach Einnahme der Kapsel zwei Stunden nichts zu sich nehmen. Danach kann der Patient etwas Wasser trinken.

Nach vier Stunden ist die Einnahme ei- ner leichten Mahlzeit möglich. EB

Video-Endoskopie

Mit einer Kapsel den Dünndarm inspizieren

Neue Technologie schließt eine diagnostische Lücke bei Untersuchungen des Duodenums

und ist für den Patienten wenig belastend.

Das Kapsel-Endoskop ist nur etwas größer als eine Antibiotika-Kapsel Foto: Given Imaging

Referenzen

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