• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Antikörperdiagnostik bei Sprue/Zöliakie: Sinnvoll oder Ballast?" (10.09.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Antikörperdiagnostik bei Sprue/Zöliakie: Sinnvoll oder Ballast?" (10.09.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ie einheimische Sprue (= Zöliakie im Kindesalter) ist eine Krankheit mit ei- nem Zottenschwund der Dünndarm- schleimhaut, die in der Regel sowohl morphologisch wie auch klinisch auf eine glu- tenfreie Diät anspricht. Beim klinischen Voll- bild der Sprue/Zöliakie stehen die Leitsympto- me Gewichtsverlust, Durchfälle und ein Bläh- bauch als Ausdruck der Malabsorption im Vor- dergrund.

Die Durchführung einer Biopsie aus dem Je- junum oder dem distalen Duodenum wird als der diagnostische „Goldstandard“ angesehen. Kei- neswegs ist allerdings der histologische Befund mit einem Zottenschwund und einer Kryptenhy- perplasie auch bei den Zeichen einer globalen Malabsorption für eine Sprue beweisend. Zahlrei- che andere Krankheiten können ein ähnliches morphologisch-histologisches Bild aufweisen: Tro- pische Enteropathie, Immunglobulinmangel, in- testinales Lymphom, Infektionen oder Parasi- ten (Lambliasis, Cryptosporidiose), Medikamen- te (zum Beispiel Zytostatika), AIDS, Graft-ver- sus-host-Krankheit (3).

Das klinische Erscheinungsbild der Sprue hat sich in den letzten Jahrzehnten eindeutig geändert:

seltener tritt das Vollbild mit massiven Durchfällen und Gewichtsverlust auf, wesentlich häufiger sind die stillen oder oligosymptomatischen Formen.

Hierbei findet sich zwar eine abgeflachte Mukosa, klinisch aber nur gelegentlich eine Anämie, ein Ei- senmangel oder eine Osteopenie (1).

Die Sprue kommt erheblich häufiger bei fol- genden Krankheiten vor:

c Dermatitis herpetiformis Duhring (90 Pro- zent bei DH-Patienten mit granulären und zu zehn Prozent bei linearen IgA-Ablagerungen in der Haut),

c Diabetes mellitus Typ I (Prävalenz der Sprue: vier bis fünf Prozent),

c Mongolismus,

c selektivem IgA-Mangel, bei Autoimmun- krankheiten der Schilddrüse mit Hypothyreose so- wie (seltener)

cbei Kollagenosen, rheumatoider Arthritis, cEpilepsie mit zerebralen Verkalkungen, cprimär biliärer Zirrhose (PBC),

cprimär sklerosierender Cholangitis (PSC), cIgA-Nephropathie und

cmikroskopischer Kolitis (1).

Seit Jahrzehnten wurde – insbesondere bei Kindern – die Bestimmung der Gliadin-Antikör- per (AGA) eingesetzt, wobei den IgA-Gliadin- Antikörpern bei Familienuntersuchungen von großer Bedeutung sind. Die Sensitivität der AGA liegt zwischen 31 und 100 Prozent, die Spezifität zwischen 85 und 100 Prozent (1, 6, 7). Bei dem ebenfalls mit der Sprue assoziierten IgA-Mangel versagen die IgA-Gliadin-Antikörper, so daß dabei lediglich die IgG-Gliadin-Antikörper eine diagno- stische Bedeutung haben. Antikörperbestimmun- gen wurden auch eingesetzt, um die Compliance der Diät zu überprüfen: IgA-Gliadin-Antikörper werden bald nach einer glutenfreien Diät negativ, während IgG-Gliadin-Antikörper noch lange nachweisbar bleiben. Später setzte sich die Bestim- mung der Endomysium-Antikörper (EMA) als Diagnostikum mit noch höherer Sensitivität (zirka 95 Prozent) und Spezifität (100 Prozent) durch. Re- tikulin-Antikörper sind wahrscheinlich mit den EMA identisch. Nachteil der EMA, die mit Im- munfluoreszenz an Affenösophagusmuskulatur bestimmt wurden, sind die hohen Kosten.

Aufsehenerregende Entdeckung

Die Berliner Arbeitsgruppe von Dr. W. Diete- rich, Prof. D. Schuppan und Prof. E. O. Riecken machte 1997 eine aufsehenerregende Entdeckung.

Sie fand, daß das Enzym Gewebstransglutami-

A-2213

M E D I Z I N EDITORIAL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 36, 10. September 1999 (41)

Antikörperdiagnostik bei Sprue/Zöliakie

Sinnvoll oder Ballast?

Wolfgang F. Caspary, Wolfgang Holtmeier

D

(2)

nase (tTG) als das Antigen der Endomysium-Anti- körper anzusehen ist (4). Mit der Bestimmung der Antikörper gegen Gewebstransglutaminase steht inzwischen ein ELISA-Test zur Verfügung, der ei- ne quantitative Bestimmung ermöglicht. Erste Be- richte sprechen dafür, daß dieser Test ebenso gute Sensitivität und Spezifität besitzt wie der Endomy- sium-Antikörpertest (5).

Warum

Antikörperdiagnostik?

Da eine flache Dünndarmschleimhaut nicht beweisend für eine Sprue ist, kann durch einen po- sitiven Antikörpertest die Diagnose bewiesen oder muß – bei negativem Antikörpertest – angezweifelt werden; das heißt die Diagnose einer Sprue kann nur dann als gesichert gelten, wenn eine flache Dünndarmmukosa vorliegt und positive Gliadin-, Endomysium- oder Gewebstransglutaminase-An- tikörper nachgewiesen werden. Ist die Mukosa flach, die Antikörper negativ, muß an andere Krankheiten gedacht werden, die mit einer Abfla- chung der Mukosa einhergehen. Dazu gehört die kürzlich beim Erwachsenen beschriebene Autoim- mun-Enteropathie (2), eine Krankheit mit flacher Schleimhaut, profusen Durchfällen und Malab- sorption wie bei der Sprue/ Zöliakie ohne für Sprue typische Antikörper.

Es kann sich auch ergeben, daß Antikörper- tests positiv sind, die Mukosa aber völlig normal aussieht. Dann ist eine Glutenüberempfindlichkeit anzunehmen, eine sogenannte latente Sprue. Ent- weder bestand früher einmal eine Sprue, deren Schleimhaut wieder normal geworden ist oder es wird sich in Zukunft einmal eine Sprue entwickeln (potentielle Sprue). Diese Patienten müssen beob- achtet werden, da anzunehmen ist, daß sich bei ih- nen irgendwann eine Sprue entwickeln wird (6).

Die Häufigkeit der Sprue hat nach Untersu- chungen in Holland und Italien durch den häufige- ren Einsatz der Antikörpertestung zugenommen.

Es muß heute damit gerechnet werden, daß die Prävalenz 1:300 beträgt. Eine Indikation zur Anti- körpertestung sehen wir heute in Familien von Sprue-Patienten, bei Dermatitis herpetiformis, bei Typ I Diabetes mellitus und bei Mongolismus (1).

Ein Problem in der Praxis stellen die Patienten dar, die sich ohne Diagnosesicherung einer Sprue selbst eine glutenfreie Diät verordnet haben. Bei ihnen können negative Antikörpertests und eine normale Biopsie eine Sprue nicht ausschließen.

Hierbei kann dem Patienten nur durch eine Glutenexposition Gewißheit verschafft werden, ob

bei ihm tatsächlich eine Sprue vorliegt oder nicht.

Gewarnt werden soll aber davor, daß die Anti- körpertestung zur Diagnosesicherung die Biopsie ersetzen kann. Bei positiver Antikörpertestung muß immer eine Biopsie zur Diagnosesicherung

„Sprue/Zöliakie“ entnommen werden. Die Anti- körpertestung wird in der Zukunft dazu führen, daß Patienten mit einer Sprue nicht mehr so lange auf die Diagnose der allein durch Diät erfolgreich zu behandelnden Krankheit warten müssen.

Es ist zu hoffen, daß sich die Antikörper- testung bei Kindern und Erwachsenen durchsetzt, die Krankheiten haben, die sehr häufig mit der Sprue/Zöliakie assoziiert sind.

Das bei der Sprue/Zöliakie deutlich erhöhte Malignomrisiko (insbesondere intestinale maligne Lymphome) läßt sich durch Einhalten einer strik- ten glutenfreien Kost eindeutig reduzieren. Des- halb ist es ein Anliegen der Patientenorganisation der Betroffenen mit Sprue/Zöliakie, der Deut- schen Zöliakie-Gesellschaft (DZG), daß auch die Ärzte ihre Patienten mit gesicherter Sprue/Zölia- kie dazu anhalten, die glutenfreie Diät lebenslang einzuhalten. Mit einer liberalen und kurzfristigen Diäteinstellung helfen wir unseren Patienten nicht!

Die DZG feiert im Oktober 1999 ihr 25jähriges Be- stehen, das von einem internationalen Sprue/Zö- liakie-Symposium in Frankfurt vom 10. 9. – 11. 9.

1999 begleitet wird. Sie hat in Zusammenarbeit mit den Ärzten vielen Patienten bei der praktischen Durchführung einer strengen glutenfreien Diät mit wertvollem Rat geholfen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2213–2214 [Heft 36]

Literatur

1. Caspary WF, Stein J: Diseases of the small intestine. Europ J Gastroenterol Hepatol 1999; 11: 21–25.

2. Corazza GR, Biagi F, Volta U, Andreani ML, De Franceschi L, Gasbarrini G: Autoimmune enteropathy and villous atrophy in adults. Lancet 1997; 350: 106–109.

3. Daum S, Riecken EO: Diagnostik und Therapie der einheimi- schen Sprue. Med Klinik 1998; 93: 729–731.

4. Dieterich W, Ehnis T, Bauer M et al.: Identification of tissue trans- glutaminase as the autoantigen of celiac disease. Nat Med 1997; 3:

797–801.

5. Dieterich W, Laag E, Schöpper H et al.: Autoantibodies to tissue transglutaminase as predictors of celiac disease. Gastroenterol 1999; 115: 1317–1321.

6. Holtmeier W, Caspary WF: Antikörperdiagnostik bei Sprue/Zö- liakie. Z Gastroenterol 1998; 36: 587–598.

7. Riecken EO, Daum S, Schulzke J-D, Dieterich W, Schuppan D:

Gewebstransglutaminase als Autoantigen bei der einheimischen Sprue. Neue Aspekte in Diagnostik und Ätiopathogenese. Dt Med Wschr 1998; 123: 1454–1460.

Prof. Dr. med. Wolfgang F. Caspary Medizinische Klinik II

Universitätsklinikum Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 · 60590 Frankfurt

A-2214

M E D I Z I N EDITORIAL

(42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 36, 10. September 1999

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

ml (entsprechend ca. E./ml) zu keiner Zeit überschritten wird. Von einem „partiellen" Wachs- tumshormonmangel wird gespro- chen, wenn der Grenzwert von 10 ng/ml

Patienten mit sub- klinischer Zöliakie haben subjek- tiv keine Beschwerden – sie werden meist zufällig oder durch Scree- ning-Untersuchungen entdeckt, wei- sen aber die

lich ist bei der Zoeliakie nicht nur die Dünndarmschleimhaut, sondern auch die Magenschleimhaut im Sinne einer lymphozytären Gastritis mit erhöhter gastraler Permeabilität betroffen.

Die Autoren konnten zeigen, daß bei einer partiellen Zottenatrophie in 25 Prozent und bei totaler Zottenatrophie in 54 Prozent der Hämokkult-Test positiv reagiert, so daß man

Warum können die „Fachärz- te", die für zu prüfende Sub- stanzen in den jeweiligen In- dikationen geeignete Patien- ten, doch nicht die erforderli- che Zeit für eine Studie

Bei einer silenten Zöliakie oder Sprue besteht eine Schädigung der Zottenarchitektur im Dünndarm, oh- ne daß die Patienten wesentliche kli- nische Symptome aufweisen müssen,

Problemkeime wie Pseudomonaden, Kleb- siella oder Proteus signalisieren komplizierende Abflußstörungen, die den physiologischen Aus- wascheffekt durch den Harnstrom beeinträchti-

Missale G, Redeker A, Person J, Fowler P, Guilhot S, Schlicht HJ, Ferrari C, Chisari FV: HLA-A31 and HLA-Aw68 resticted cytotoxic T cell responses to a single hepatitis B