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Archiv "Nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein" (28.02.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizinische Hilfsaktionen für Rumänien nach der Revolution • Erlebnisse, Erfahrungen, Folgerungen

S. D. Costa', H. Wilms 2, K Almasan3, Bremer3, G. Bastert'

Nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein

Die großzügigen Hilfsaktionen für be- dürftige Alte, Kranke und Kinder in der So- wjetunion dürfen die öffentliche Aufmerk- samkeit nicht von einem anderen Zentrum der Not ablenken: In Rumänien ist inzwi- schen zwar mehr als ein Jahr seit der Re- volution und dem Sturz des Ceagescu- Terrorregimes vergangen; die Versor- gungslage und insbesondere die medizini- sche Betreuung der Bevölkerung aber ha- ben sich bisher nicht entscheidend ge- bessert. Viele der etwa 100 000 teils kranken und behinderten Waisenkinder, als „sozial und biologisch unnütz" von dem Kommunisten in vernachlässigte

„Heime" gepfercht, müssen trotz der An- strengungen internationaler Hilfsorganisa- tionen heute noch unter menschenunwür- digen Bedingungen leben. In den ärztli- chen Praxen und in den Krankenhäusern, deren Grundausstattung meist unzurei- chend und veraltet ist, fehlt es an den not- wendigsten Medikamenten und Hilfsmit- teln, an Instrumenten und medizintechni- schen Geräten. Die Versorgung ungezähl- ter Patienten ist bedroht. Der große Man- gel an Einweg-Spritzen — um nur ein Bei- spiel zu nennen — hat zu einem Hoch- schnellen der HIV-Infektionsrate geführt.

„Es wird wohl noch viele Jahre dauern,

U

nsere Hilfsaktionen began- nen am 25. Dezember 1989, drei Tage nach dem Sturz des Diktators Ceau- sescu, als über einen deutschen Ra- diosender in rumänischer Sprache mit der Universitäts-Frauenklinik in Temeswar Kontakt aufgenommen wurde. Zwei Tage später wurden wir vom Chefarzt der Klinik, Dr. I. Mun- teanu, angerufen, der uns eine Liste mit den am dringendsten benötigten Materialien übermittelte: An dieser

bis das dunkle Erbe dieses schrecklichen Regimes überwunden sein wird", sagte kürzlich der rumänische Botschafter in der Bundesrepublik, Radu Comsa*). Und er fügte hinzu: „Den Organisationen, die uns jetzt unterstützen, sind wir sehr dankbar, doch diese Hilfe ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein!" Dringend notwendig sei ein finanzieller Beistand der westlichen Staaten für das geschundene Land. — Da- für, daß staatliche Organe und Institutio- nen der Bundesrepublik in dieser Notsi- tuation ihre bisherige „Zurückhaltung" auf- geben und — wie möglichst viele deutsche Kliniken — nun gezielte, direkte Hilfe für namentlich ausgewiesene rumänische Krankenhäuser leisten, treten ebenso en- gagiert die gemeinsamen Verfasser des nachfolgend veröffentlichten Berichts ein.

Es sind fünf Ärzte aus Heidelberg und Freiburg, die an den ersten medizinischen Hilfsaktionen in der rumänischen Stadt Temeswar (Timisoara) teilgenommen ha- ben, wo die Revolution gegen die Ceau- escu-Diktatur am 16. Dezember 1989 begonnen hatte. Ihre „Bestandsaufnahme der Situation einiger Kliniken" von damals ist mit allen ihren Parallelen in anderen Regionen Rumäniens auch heute noch von äußerst bedrückender Aktualität. DA

Klinik fehlte praktisch alles, von Bo- denreinigungsmitteln, Spritzen, Ka- nülen bis hin zu Ultraschallgeräten und Kardiotokographen.

In Absprache mit dem Deut- schen Roten Kreuz Heidelberg wur- de ein Spendenkonto eingerichtet, und alle Kollegen aus der Umgebung wurden persönlich gebeten, für diese Hilfsaktionen zu spenden. Außer- dem wandten wir uns an pharmazeu- tische Firmen und über die Presse an die Bevölkerung Heidelbergs. Die

Antwort war überwältigend: Tau- sende Menschen spendeten Geld und Hilfsgüter, zahlreiche Firmen stellten Medikamente und medizini- sche Hilfsgüter im Millionenwert zur Verfügung. Die gesammelten 14 Tonnen wurden am 5. Januar 1990 in sechs Lastkraftwagen des DRK von Heidelberg nach Temeswar ge- bracht.

Der Empfang an der Grenze, auf der Durchfahrt durch die Dörfer und an der Klinik in Temeswar war beeindruckend: Kinder kamen an den Straßenrand und winkten uns mit dem Victory-Zeichen zu, alte Menschen verneigten sich vor dem Roten Kreuz an den Autos. Vor der Klinik sperrten Armee-Angehörige Straßen ab, und das gesamte Perso- nal der Klinik half mit, die Lastwa- gen auszuladen. Die fast grenzenlose Dankbarkeit dieser Menschen war gepaart mit Erstaunen darüber, daß der langjährige „Klassenfeind" frei- willig und selbstlos in der Not hilft.

Entsetzliche Bilder - unterernährte Kinder

In der Klinik, die uns bis ins letz- te Detail zugänglich gemacht wurde, erwarteten uns Eindrücke, die wir für unglaublich gehalten hätten.

Neugeborene lagen zu zweit in Wär- mebetten, die den Zusatz „Wärme"

gar nicht verdienen: die Raumtem- peratur betrug etwa 12 Grad Celsius;

geheizt wurde mit einem elektri- schen Heizkörper, den man aber je- de Stunde in einen anderen Raum brachte. Im Bettchen waren die Ba- bys nur durch eine Plexiglas-Vorrich- tung über dem Kopf vor der Käl- te geschützt. Auf den Korridoren brannte kein Licht, die Farbe fiel von den Wänden.

Auf der Neugeborenen-Intensiv- station gab es nur einen einzigen In- kubator für Frühgeborene, in dem

Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

2 Chirurgische Universitätsklinik Freiburg Universitäts-Kinderklinik Heidelberg

*) bei der Entgegennahme einer Medikamenten- spende der Deutschen Wellcome GmbH (36 000 Pak-

kungen eines Antibiotikums) für Rumänien im Wert

von rund 600 000 DM

Die Verfasser danken Prof. Dr. H. J. Gerigk (Heidel- berg) für Originalübersetzung und Überlassung des Dostojewskij-Zitats auf der übernächsten Seite

Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991 (25) A-637

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Eine Entdeckung, die „vergessen"

wurde

Vor nahezu siebzig Jahren, am 31. August 1921, publizier- te Professor N. C. Paulescu in der Zeitschrift „Archives Inter- nationales de Physiologie" die Arbeit "Recherches sur le röte du pancr6as dans l'assimilation nutritive", in der erstmals die Entdeckung des Insulins (Pan- crein) dokumentiert wird. Miß- verständnisse' oder Unaufrich- tigkeit verhinderten den Erhalt des Nobelpreises, der im Jahre darauf an die Kanadier F. G.

Banting und C. H. Best für die Entdeckung des Insulins ging.

In einem Brief vom 15. Okto- ber 1969 bedauerte Best, daß der Artikel Paulescus keine Berücksichtigung bei der Ab- fassung seiner eigenen, späte- ren Arbeit gefunden hatte und führte dies auf eine "fehlerhaf- te Übersetzung des Artikels"

zurück (zitiert in C. Angelescu, L. Sigarteu-Petrina: "Nicolae C. Paulescu", Ed. Stiintifica si Enciclopedica, Bukarest 1982, pp. 144). Es gilt heute als si- cher, daß Paulescu zumindest einer der Entdecker des Insu- lins war.

Das tragische an der spä- ten Entschuldigung Bests ist, daß sie in die Ara Ceau§escu fiel, in eine Zeit, in der es in Rumänien kein Insulin für Diabetiker gab . . .

Daß ein Forscher aus dem

„fernen" Rumänien damals vergessen oder nicht berück- sichtigt wurde, wundert heute kaum jemanden. Daß wir aber erst jetzt, nach vielen Jahr- zehnten kommunistischer Herrschaft, nach und nach das wahre Ausmaß der materiellen und geistigen Verwüstungen der osteuropäischen "Diktatur des Proletariats" erfahren, wirft zahlreiche überaus ernste

Fragen auf.

zwei Kinder lagen. Die anderen zehn Frühgeborenen lagen in Kinderbet- ten. Von Infusionen, Monitoren, Wärmelampen, UV-Strahlern keine Spur. Kinder wurden erst dann als geboren gemeldet, wenn sie vier bis sechs Wochen post-partum am Le- ben blieben. Sonst betrachtete man sie als „Fehlgeburt", und sie tauch- ten in keiner perinatalen Statistik auf.

In der angegliederten Kinderkli- nik boten sich uns entsetzliche Bilder von unterernährten Kindern, Bilder, wie man sie leider heute noch aus manchen afrikanischen Ländern kennt. Verlassene kleine Wesen im Krankenhaus, zweijährige Kinder ohne Namen und Geburtsurkunden, apathische, dürre Gesichter mit gro- ßen, matten Augen. Kein Kinderge- schrei, kein Spielzeug. In diesem Land, in dem trotz unglaublicher Le- bensmittelknappheit der Diktator jegliche Empfängnisverhütung mit Gefängnis bestrafte, waren der Ab- ort — häufig genug septisch — und das Verlassen der Kinder durch die El- tern zu „Kontrazeptionsmethoden"

geworden.

Während dieses ersten Besuches wurden wir von einem Fernsehteam des Süddeutschen Rundfunks beglei- tet, das ebenfalls überall Zugang hat- te. Obwohl die Journalisten grauen- volle Aufnahmen machten, war das Ausmaß dieses Elends damals nur unvollständig zu erfassen: nach kur- zer Zeit konnten die Angehörigen des Fernsehteams die vielen verlas- senen, abgemagerten und sterben- den Kinder nicht mehr filmen. Sie sagten, das sei pietätlos, und mit Tränen in den Augen könnten sie nicht arbeiten. Erschütternde Bilder wurden damals im deutschen Fern- sehen gezeigt.

Nach der Rückkehr setzten wir die Hilfsaktionen fort. Die spontane Hilfsbereitschaft der Bevölkerung für die Kinder von Temeswar war überwältigend. Privatpersonen star- teten eigene Hilfsaktionen in vie- len Orten der Bundesrepublik und brachten die gesammelten Güter nach Heidelberg. In Kindergär- ten, Schulen, Universitäten, Kran- kenhäusern und Geschäften wur- den Sammelaktionen durchgeführt.

Letztendlich konnten in einem zwei-

ten Transport über 30 Tonnen Medi- kamente, Kindernahrung und medi- zinische Geräte nach Temeswar und Umgebung gebracht werden.

Anläßlich dieses zweiten Trans- portes kam es in Temeswar zu einem ausführlichen Gespräch mit dem De- kan der Medizinischen Fakultät und mehreren Chefärzten. Es wurde über die Mängel und über die Mög- lichkeiten, gezielt zu helfen, disku- tiert.

• Dabei fiel auf, daß die rumä- nischen Ärzte die große Hoffnung hegen, wieder den Anschluß an die europäische Medizin zu finden. Man legt großen Wert auf einen direkten Kontakt und einen wissenschaftli- chen Austausch mit deutschen Ärz- ten. Erfreulich auch die Feststellung, daß die Ärzte bereits versuchen, sich zu organisieren und ihren Beitrag als Mediziner und Lehrende zu leisten, um die rumänische Medizin zu mo- dernisieren.

Die Versorgungslage ist katastrophal

Der zweite Hilfstransport aus Heidelberg war zusammen von der Universitäts-Frauen- und -Kinderkli- nik organisiert worden. Eine Kinder- ärztin begleitete ihn, um während ei- ner Woche an den Universitätsklini- ken Nr. 2 und Nr. 3 mitzuarbeiten.

Sie brachte ein ausführliches Ernäh- rungsprogramm mit, das eigens für unterernährte Neugeborene konzi- piert war; es beruhte auf Erfahrun- gen mit unterernährten Kindern in Afrika. Die aktive Mitarbeit des deutschen Kollektivs wurde von den Leitern der Kliniken nicht nur ge- stattet, sondern ausdrücklich be- grüßt.

Die Mehrzahl der Kinder in die- sen Kliniken boten das Vollbild der Rachitis mit Rosenkranz, Craniota- bes, Untergewicht, Minderwuchs und Anämie. Sie waren entweder seit ihrer Geburt hospitalisiert oder als Säuglinge stationär aufgenom- men worden. In langen Gesprächen berichteten die behandelnden Ärzte, daß 60 bis 70 Prozent aller Säuglinge (interne Statistiken) unterernährt sind und unter Vitamin- und Prote- inmangel leiden.

A-638 (26) Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991

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Links eines der letzten Fotos des Diktators Nicolai Ceau§escu. Er wähnte sich noch an jenem 22. Dezember 1989 als Herr der La-

ge, als die Revolution schon ganz Rumänien erfaßt, längst auch die Armee sich ihr ange- schlossen hatte (Foto oben). Die Bilder sind der eindrucksvollen Fotodokumentation

„Die rumänische Revolution" entnommen, die 1990 im Beltz Verlag, Weinheim und Ba- sel, in der Reihe „Psychologie heute — Buch- programm" (80 S., 16,80 DM) erschienen ist Die dystrophischen Kinder hat-

ten als Begleiterkrankungen An- ämie, Rachitis, therapieresistente, nosokomiale Infektionen, entwick- lungsneurologische Retardierung und Malabsorption. Polymorbide Kinder wie diese hatten in der Ara Ceauescu so gut wie keine Überle- benschance, und die Hilfe aus dem Westen kam für sie auch sicherlich zu spät. Die Kinder mit Dystrophie ersten bis zweiten Grades wiesen nur eine oder noch keine der Begleiter- krankungen auf und hatten dement- sprechend eine wesentlich bessere Prognose.

Die Ursachen für die Unterer- nährung mit ihren Begleiterschei- nungen sind vielfältig. Die unverän- dert katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung macht vor Kranken- häusern nicht halt. Auch in Unversi- täts-Kliniken in Rumänien fehlen Milch, vitaminreiche Nahrung, Anti- biotika, Infusionspräparate. Der Personalmangel ist zudem unbe- schreiblich (zwei Schwestern für 60 bis 70 zum Teil schwerkranke Kin- der), und die miserablen Arbeitsbe- dingungen einschließlich der Bezah- lung übersteigen jede Vorstellungs- kraft.

• Nach unserer Überzeugung sind weitere Hilfsaktionen gerade für diese zwei Universitätskliniken unbedingt erforderlich; sie können dazu beitragen, das Leben vieler Kinder zu retten. Die Entsendung von Ärzten und von Pflegepersonal in diese Kliniken ist allerdings min- destens ebenso wichtig wie die Liefe- rung von Lebensmitteln und Medi- kamenten.

• Insgesamt sollten die Hilfs- maßnahmen für Krankenhäuser in Rumänien jedoch von der Individua- lität der ersten Aktionen hinweg in eine breitere Basis gehoben werden.

„Wunschlisten" der dortigen Klini- ken gibt es seitenweise. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daß beispiels- weise ein Computertomograph zwar durchaus wünschenswert ist, um die Diagnostik zu verbessern; bei Fehlen von Strom und Anschlußsteckern aber ist seine Anwendung nicht ge- währleistet. Hier muß die dringend notwendige Hilfe also vielfach bei der Grundausstattung beginnen.

Zitat: „Außerdem habe ich in meinem Ro- man ,Die Dämonen' jene vielfältigen und ver- schiedenartigen Motive darzustellen versucht, die sogar Menschen, die reinsten Herzens und vollkommen gutmütig sind, dazu bringen kön- nen, eine solch ungeheuerliche Greueltat zu begehen. Und gerade darin besteht das Schreckliche, daß man bei uns die abscheu- lichste und gemeinste Tat tun kann, ohne auch nur für einen Moment ein Schurke zu sein! Das ist nicht nur bei uns so, sondern überall auf der Welt, immer schon seit Menschengedenken, in Zeiten des Übergangs, in Zeiten der Erschütte- rungen des menschlichen Lebens, des Zwei- fels und der Verneinung, des Skeptizismus und der Unsicherheit bezüglich der grundlegenden gesellschaftlichen Überzeugungen. Doch bei uns ist dies mehr als anderswo möglich, gera- de in unserer Zeit, und dieses Merkmal ist das krankhafteste und traurigste Merkmal unserer Gegenwart. In der Möglichkeit, sich für keinen Schurken zu halten und auch manchmal sogar wirklich kein Schurke zu sein und doch eine offensichtliche und unbestreitbare Scheußlich- keit zu begehen — darin liegt das Unheil unse- rer Gegenwart."

Fjodor M. Dostojewskij: „Eine der Heuche- leien unserer Zeit". In: „Tagebuch eines Schriftstellers", zuerst erschienen in der Zeit- schrift „Grashdanin" am 10. Dezember 1873.

• Gemeinsam mit den rumäni- schen Ärzten sollte jetzt versucht werden, die Patientenversorgung in Rumänien nachhaltig zu verbessern.

Austauschprogramme für Studenten

und Ärzte und Kooperationen zwi- schen deutschen und rumänischen Kliniken stellen Möglichkeiten dar, das Niveau der praktischen Medizin in Rumänien auf den mindest not- wendigen Stand zu bringen. Sie ge- hen über die unmittelbare materielle Hilfe hinaus, die doch nur eine kurz- fristige Linderung zu verschaffen vermag.

Schuld

und Sühne. . .?

Einige Ärzte und Zahnärzte (!) riskierten unter dem Ceau§escu-Ter- rorregime ihre Freiheit und führten Schwangerschaftsabbrüche in den Kliniken oder zu Hause unter ge- fährlichen Bedingungen durch. An- dere — regimekonforme — Ärzte aber überwachten Frauen in Fabriken im Auftrag der „Partei", damit sie, wenn einmal schwanger, diese Schwangerschaften auch austrugen.

Im Falle einer Abtreibung versetzten sie Frauen in Gegenwart von Agen- ten der berüchtigten Securitate-Ge- heimpolizei in Schock, um so zu er- A-640 (28) Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991

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Bundesgerichtshof Zulässigkeit klinischer Sektionen

Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

„Manche Unsicherheit herrscht schließlich auf dem Feld der klinischen Sektionen, das der Gesetzgeber weithin ungeregelt ließ". Diese Formu- lierung Laufs (Arztrecht, 4. Auflage, 1988 Rdz. 292) kennzeichnet tref- fend die Situation. In diese Rechtsunsicherheit stieß ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 31. Mai 1990 — IX ZR 257/89 —. Un- sere Frage lautet: Brachte diese höchstrichterliche Entscheidung die allseits gesuchte Rechtssicherheit? Worum ging es in diesem Urteil?

DEUTSCHES

1'14

ARZTEBLATT -

fahren, wer die Interruptio vorge- nommen hatte.

Die rumänischen Ärzte werden Zeit brauchen, um ihre eigene Ver- gangenheit zu verarbeiten. Kein Fremder ist befugt, über sie zu urtei- len, vor allem nicht solche, die frei leben und arbeiten durften. Es ist kaum nachvollziehbar, was es heißt, mitten in Europa, dennoch isoliert von der zivilisierten Welt, unter stän- diger Bespitzelung, unter Bedrohung von Schläger- und Mördertrupps, zu leben.

Aus Versäumnissen Lehren ziehen

Eine der häufigsten Fragen, die in Deutschland gegenwärtig gestellt wird, ist: Wie konnte es dazu kom- men, daß wir nun erst allmählich das wahre Ausmaß der osteuropäischen medizinischen Katastrophe überse- hen können?

Es gibt nicht nur eine Ursache für diesen Informationsmangel. Poli- tiker, Journalisten, rumänische und deutsche Ärzte, Aussiedler und Asy- lanten — sie haben es fast alle, aus verschiedenen Gründen, versäumt, über die seit vielen Jahren bestehen- den folgenschweren Mißstände zu berichten. Dieses Schweigen hat si- cherlich zur Weiterentwicklung der grausamen Verhältnisse beigetragen.

Daraus sollten Lehren gezogen wer- den.

Der vorliegende Bericht bezieht sich speziell auf die Zustände in Ru- mänien. Ausführliche Tatsachen- Schilderungen aus anderen Ländern Osteuropas sind jedoch ebenso not- wendig. Eine bedingungslose und wahrheitsgetreue Berichterstattung über den Zustand der dortigen ge- sundheitlichen Versorgung der Be- völkerung ist der erste Schritt zur Überwindung der Mißstände und zur Re-Integration unserer Kollegen aus diesen Ländern im noch zu schaffenden „Medizinischen Euro- päischen Haus".

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Serban D. Costa

Universitäts-Frauenklinik Voss-Straße 9

6900 Heidelberg

M

it einer Klage wandte sich ein Verbraucherschutzver- ein gegen die Bestimmung über die Durchführung der inneren Leichenschau in den „Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB)" ei- ner Universitätsklinik. Die beanstan- dete Regelung lautet:

§ 15 Innere Leichenschau

1. Die innere Leichenschau kann vorgenom- men werden, wenn sie zur Feststellung der Todesursache aus ärztlicher Sicht notwendig ist oder wenn ein wissenschaftliches Interesse besteht.

2. Von der inneren Leichenschau ist abzuse- hen, wenn ihr die verstorbene Person zu Leb- zeiten widersprochen hat. Hat die verstorbe- ne Person der inneren Leichenschau nicht ausdrücklich zugestimmt, darf sie erst nach Ablauf von acht Tagesstunden vorgenommen werden (Tagesstunden sind die Stunden von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr). Widersprechen der Ehegatte, die volljährigen Kinder, die Eltern oder die Geschwister der verstorbenen Per- son oder ihr gesetzlicher Vertreter innerhalb der genannten Frist, so ist von einer Leichen- schau abzusehen; bis zu ihrer Vornahme ist auch ein nach Fristablauf eingegangener Wi- derspruch zu berücksichtigen.

Bestehen unter den widerspruchsberechtig- ten Personen Meinungsverschiedenheiten, so geht der Wille des Ehegatten dem der volljäh- rigen Kinder, der Wille der volljährigen Kin- der dem der Eltern und der Wille der Eltern dem der Geschwister vor. Bei Meinungsver- schiedenheiten unter widerspruchsberechtig- ten Personen gleichen Grades ist von der in- neren Leichenschau abzusehen.

3. Absatz 2 gilt nicht, wenn besondere gesetz- liche Bestimmungen die innere Leichenschau vorschreiben.

4. Die innere Leichenschau wird unter Be- achtung der Ehrfurcht vor dem toten Men- schen vorgenommen und auf das notwendige Maß beschränkt.

5. Über jede innere Leichenschau wird eine Niederschrift aufgenommen, aus der hervor- geht, aus welchem Grunde die innere Lei- chenschau vorgenommen wurde und zu wel- chem Ergebnis sie geführt hat. Die Nieder- schrift ist aufzubewahren.

Das Landgericht Koblenz gab der Klage statt. Das Oberlandesge- richt Koblenz als Berufungsgericht wies dagegen die Klage ab. Die dage- gen eingelegte Revision des Ver- braucherschutzvereins zum Bundes- gerichtshof hatte keinen Erfolg.

Verbandsklage

nach dem AGR-Gesetz Die Entscheidungsgründe des Urteils sind für den juristischen Lai- en recht kompliziert. Entscheidungs- gegenstand ist eine Verbandsklage nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäfts- bedingungen (AGB-G), einer Spezi- almaterie von großer praktischer Be- deutung, aber mit spezifischen Be- sonderheiten, die jeweils der Erläu- terung bedürfen.

Abweichung von dem allgemei- nen Grundsatz, daß klageberechtigt nur der unmittelbar Betroffene ist — weswegen zum Beispiel Umwelt- schutzverbände gegen die Genehmi- gungen von Kernkraftwerken und ähnlichem nicht

klagen können, son-

dern

nur die unmittelbar betroffenen Anlieger etc. —, läßt § 13 AGB-G die Geltendmachung von Ansprüchen Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991 (29) A-641

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