Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 19⏐⏐8. Mai 2009 A907
P O L I T I K
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egen des konjunkturellen Einbruchs und der damit einhergehenden Verschlechterung der Lohn- und Beschäftigungsent- wicklung fallen die Einnahmen des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 vor- aussichtlich um 2,9 Milliarden Euro geringer aus, als noch im Oktober 2008 geschätzt. Dies hat der Schät- zerkreis der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) am 29. April bekannt gegeben. Unabhängig davon zahlt der Gesundheitsfonds den Krankenkassen jedoch die bereits zugesagten Zuweisungen in voller Höhe. Möglich ist dies dank eines Liquiditätsdarlehens des Bundes.„Aber aufgeschoben ist nicht auf- gehoben“, betonte der stellvertreten- de Vorstandsvorsitzende des GKV- Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, beim 8. DRG-Fo- rum am 29. April in Berlin. Bis Ende 2011 müsse der Gesundheitsfonds das Darlehen an den Bund zurückge- zahlt haben. Diese Verpflichtung werde sich zwangsläufig auf die Ausgabenpolitik der Krankenkassen auswirken. „Gehen Sie also davon aus, dass den Krankenhäusern ab 2010 deutlich weniger Geld zur Ver- fügung gestellt wird“, stimmte von Stackelberg die Krankenhausmana- ger auf harte Zeiten ein.
Schon jetzt sei eine extrem vor- sichtige Haushaltspolitik bei allen Beteiligten geboten, ergänzte Prof.
Dr. Herbert Rebscher, Vorstands- vorsitzender der Deutschen Ange- stellten-Krankenkasse (DAK), „und daraus resultiert genau dieSchock- starre der GKV, die Sie alle derzeit vor Ort erleben, wenn Sie mit Kassenvertretern verhandeln“. In den Budgetverhandlungen mit den Krankenhäusern und vor allem bei
den Verträgen für besondere Ver- sorgungsformen agierten die Kas- sen derzeit sehr zurückhaltend. Ein weiterer wichtiger Grund für die Ausgabenzurückhaltung sei, dass jede einzelne Kasse alles daranset- zen müsse, keinen Zusatzbeitrag er- heben zu müssen. Dieser könne im Wettbewerb tödlich sein.
Sparen ist demnach die Devise.
Eine gute Möglichkeit, um die GKV-Ausgaben im stationären Be- reich zu senken, sehen Bundesge- sundheitsministerium (BMG) und Krankenkassen nach wie vor in der Etablierung von Einzelverträgen zwischen Kassen und Krankenhäu- sern. Ein entsprechender Passus war auf Drängen der Bundesländer noch aus dem zu Beginn des Jahres in
Kraft getretenen Krankenhausfi- nanzierungsreformgesetz gestrichen worden. Jetzt steht das Thema er- neut auf der Agenda, und zwar unter dem Stichwort pay for performance.
„Wir werden über das Thema Qualität, auch unter dem Stichwort der Vergütung, noch weiter reden müssen“, sagte BMG-Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder beim DRG-Forum und kündigte bereits für den 6. Mai ein BMG-Symposium mit dem Titel „Qualitätsorientierte Vergütung im Gesundheitswesen“
an. „Wenn wir den Anspruch erhe- ben, dass wir gute Qualität ent- wickeln können und wollen, dürfen wir uns der qualitätsorientierten Ver-
gütung nicht verschließen“, meinte Schröder. Wer Qualität einfordere, müsse dafür auch entsprechende An- reize setzen. DAK-Chef Rebscher sprach sich gleichfalls dafür aus, se- lektives Kontrahieren der Kranken- kassen mit den Krankenhäusern zu ermöglichen. Er verwies aber dar- auf, dass es bisher allenfalls punktu- ell Auswahlkriterien gebe, mit denen die Qualität der Leistungserbrin- gung gemessen werden könne.
Dr. Rudolf Kösters kündigte hin- gegen an, dass sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ve- hement gegen die Einführung von Einzelverträgen zur Wehr setzen werde. „Aus den Erfahrungen, die im System vorliegen, werden sie in dieser Frage mit uns keinen Frieden
herbeiführen können“, unterstrich der DKG-Präsident und verwies auf den ruinösen Wettbewerb unter den Rehabilitationskliniken. Was das Thema pay for performanceangehe, lege die Krankenhausgesellschaft einen „Radikalalternativismus“ an den Tag. Entweder sei ein Kranken- haus in der Lage, in wirklich guter Qualität seine Leistungen anzubie- ten, oder es habe in der medizini- schen Versorgung der Bevölkerung auch nichts verloren. Kösters: „Die Leistungen für die gesetzlich Versi- cherten müssen angemessen, ausrei- chend und wirtschaftlich sein. Nicht mehr und nicht weniger.“ I Jens Flintrop
KRANKENHÄUSER
Die Wirtschaftskrise wirft ihren Schatten voraus
Das Bundesgesundheitsministerium und die Krankenkassen lassen nicht locker:
Mit Selektivverträgen wollen sie die Ausgaben für die stationäre Versorgung senken.
Die Qualität einer Leistung soll sich auf die Höhe der Vergütung auswirken.
„ Entweder ist ein Krankenhaus in der Lage, Leistungen in guter Qualität anzubieten, oder es hat in der Versorgung nichts zu suchen. “
Rudolf Kösters, DKG-Präsident