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Archiv "Interview mit Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder, Bundesgesundheitsministerium: „Es wird aufwärtsgehen mit den ärztlichen Honoraren“" (08.01.2007)

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A8 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 1–2⏐⏐8. Januar 2007

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt: Herr Dr. Schröder, die Einführung des Gesundheitsfonds hat eine neue Kontroverse um die Ge- sundheitsreform ausgelöst. Baden- Württemberg, Bayern und Hessen be- fürchten einen Mittelabfluss von mehr als drei Milliarden Euro mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheitsver- sorgung.

Schröder: Der Vorwurf ist falsch.

Der Risikostrukturausgleich, der nicht nur die Risiken, sondern auch die Einnahmen der Kassen aus- gleicht, war immer ein gesamtdeut- scher. Deshalb haben wir auch heute schon Länder, in denen wegen eines höheren Lohn- und Gehalts-

niveaus mehr in die GKV eingezahlt wird als in anderen. Die Einnah- menunterschiede werden zu 92 Pro- zent ausgeglichen. Dieser Ausgleich zwischen den Regionen wird in der Studie des Instituts für Mikrodaten- Analyse aus Kiel übersehen. Zusätz- lich geht es jetzt um eine Größen- ordnung von maximal 70 bis 80 Millionen Euro für das eine oder andere Land.

Dennoch haben Sie dazu kurzfristig zwei Gutachten in Auftrag gegeben . . . Schröder: . . . nur um ganz sicher- zugehen. Damit werden dann alle Zweifel ausgeräumt.

Aber mit dem Gesetz werden doch aus der Wirtschaftskraft resultierende Unter- schiede etwa bei den Kopfpauschalen für die ambulante Versorgung eingeebnet.

Schröder: Auch unter den heutigen Bedingungen sind große Unter- schiede möglich. Und das bleibt auch in Zukunft so. Die Ärzteschaft tritt ja für eine neue Gebührenord- nung in Euro und Cent ein. Die bun- desweiten Orientierungswerte sol- len regional angepasst werden kön- nen. Deshalb wird es für nieman- den, auch nicht für die Ärzte, abrup- te Änderungen der Honorare geben.

Die geplante Honorarreform ist nicht nur von Ärzten, sondern auch von Sachver- ständigen in der Bundestagsanhörung massiv kritisiert worden. Welche Ände- rungen am Gesetzentwurf planen Sie?

Schröder: Man kann sicher die Para- grafen zur ärztlichen Honorierung noch verschlanken. Die Komplexität der Regelungen geht aber auch auf Forderungen der Ärzteschaft zurück:

Man wollte die Gebührenordnung in Euro und Cent, eine Bundesorientie- rung, eine regionale Komponente und zudem die betriebswirtschaftli- chen Kosten berücksichtigt haben.

Die in den Eckpunkten zur Reform ver- sprochene Beendigung der Honorarbud- gets bringt dieses Gesetz nicht.

Schröder: Doch, die bringt es schon.

Und das wissen die führenden Köpfe der KBV auch. Was ist denn heute das Budget? Es ist die Fortschreibung der Ausgabensumme des vergangenen Jahres, korrigiert unter Berücksichti- gung der Grundlohnsteigerungsrate.

„Es wird aufwärtsgehen mit den ärztlichen Honoraren“

Lässt die beispiellose Protestwelle der Ärzteschaft die Spitze des Bundesgesund- heitsministeriums unbeeindruckt? Staatssekretär Schröder nimmt Stellung.

INTERVIEW

mit Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder, Bundesgesundheitsministerium

Fotos:Georg J.Lopata

„Wir können die stationäre Versorgung bei der Hebung von

Effizienzreserven nicht außen vor lassen.“

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 1–2⏐⏐8. Januar 2007 A9 Dabei gibt es nichts zu verhandeln. In

Zukunft wird sowohl die Leistungs- menge verhandelt, von der an ab- gestaffelt wird, als auch die Preis- komponente – analog dem Fallpau- schalensystem im Krankenhaus. Hin- zu kommt die regionale Komponen- te. Wir sind damit meilenweit vom al- ten System entfernt. Da zudem die Morbiditätsrisiken auf die Kassen übergehen, haben wir die Grundlagen für ein neues Honorarsystem, das den Forderungen der Ärzteschaft in allen wesentlichen Punkten entspricht.

Wie erklären Sie sich dann die Unzufrie- denheit der Ärzte?

Schröder: Interessenvertreter haben im Sommer mit einer Deckungslücke von acht Milliarden Euro argumen- tiert. Solche Beträge stehen selbstver- ständlich nicht im Gesetz. Und das hat die Politik auch nie angekündigt.

Die Ministerin hat allerdings gesagt:

Wenn bei den veranlassten Leistun- gen Mittel eingespart werden, könn- ten die umgeleitet werden zu den ärztlichen Honoraren. Das haben die Ärzte zu einem nicht unwesentlichen Teil selbst in der Hand.

Sie haben in den Gesetzentwurf eine doppelte und dreifache Abstaffelung eingebaut. Eine Perspektive, dass die Budgetierung wegfällt, gibt es nicht.

Schröder: Die Perspektive ist in der Tat klar: Es wird aufwärtsgehen mit den ärztlichen Honoraren. Das wird auch von niemandem bestritten. Die Frage ist nur: In welchem Umfang und in welchen Schritten? Wenn man das Volumen der veranlassten Leis- tungen anschaut – Labor, bildgeben- de Verfahren, Arzneimittel, Hilfsmit- tel –, da ließen sich beträchtliche Be- träge aktivieren, die man umschich- ten könnte zu den Honoraren.

Dr. Andreas Köhler hat angekündigt, dass die KBV das Gesetz nicht umsetzt, wenn es nicht zu Korrekturen kommt.

Schröder: Wenn ein Gesetz verfas- sungsgemäß zustande kommt, gehört es zu den Spielregeln, es umzusetzen – erst recht, wenn man eine Körper- schaft des öffentlichen Rechts vertritt.

Man kann im Gesetz formulierten Auf- trägen an die Körperschaften mit unter- schiedlicher Intensität nachkommen.

Schröder: Abgesehen von der Möglichkeit der Ersatzvornahme, würde die KBV damit den Ärzten schaden, weil diese dann im alten System bleiben müssten.

Sie können den Protest der ärztlichen Ba- sis doch nicht einfach ignorieren.

Schröder: Es ist nicht so, dass die Proteste der Ärzte bei uns nicht wahr- genommen würden. Wir denken über Maßnahmen nach, um die Situation zu verbessern. Drei Dinge sind wich- tig. Erstens: Wir sehen mit Sorge, wie sich die Versorgungsdichte ent- wickelt. Wir haben anstelle der alten Planung, die Unter- und Überversor- gung nicht verhindert, mit dem Ver- tragsarztrechtsänderungsgesetz neue Instrumente bereitgestellt. Zweitens:

In Ballungsräumen müsste heute und mittelfristig nicht jeder Arztsitz wie- der besetzt werden. Dadurch würden Mittel frei, die woanders mit größe- rem Nutzen eingesetzt werden könn- ten. Drittens besteht für die Ärzte die Möglichkeit, aktiv Einfluss auf die Ausgabenvolumina zu nehmen, auch im Interesse der Patienten.

Die Länder fordern auch, den Sanierungs- beitrag der Krankenhäuser zu streichen.

Schröder: Wir können nicht den größten Ausgabenblock – das ist die stationäre Versorgung – bei der He- bung von Effizienzreserven außen vor lassen. Man kann sich Varianten vorstellen, aber der Finanzierungs- beitrag ist geboten.

Und wenn die Länder auf ihrer Forde- rung beharren?

Schröder: Eine einheitliche Pha- lanx bei den Ländern gibt es nicht.

Ich habe den Eindruck, dass die am lautesten für Änderungen eintreten, die am wenigsten zur Investitionsfi- nanzierung beitragen.

Werden Sie denn auf die Kritik an dem Vorhaben eingehen, in der privaten Krankenversicherung (PKV) einen Ba- sistarif einzuführen?

Schröder: Nein. Ein Argument kann man aber auch nicht ganz von der Hand weisen: Wenn 2008 der Basis- tarif auf Grundlage des EBM einge- führt würde, müsste er ein Jahr später auf das neue Honorarsystem um- basiert werden.

Das spricht für eine Verschiebung . . . Schröder: . . . die weder nötig noch gewollt ist. Es gibt unterschiedliche Varianten. Denken Sie zum Beispiel an den heute schon bestehenden Stan- dardtarif der PKV. Er wird künftig an die Stelle des Basistarifs treten. Die Portabilität der Alterungsrückstellun- gen in der PKV sehe ich nicht tan- giert. Dazu stehen alle. Bei den Rege- lungen zur PKV sehe ich in keinem Punkt deutliche Veränderungen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken teilen Sie nicht?

Schröder: Die vier beteiligten Mi- nisterien (Gesundheit, Finanzen, In- nen und Justiz) sehen keine verfas- sungsrechtlichen Bedenken. Welche Rechte sollen betroffen sein?

Zum Beispiel geht es für die heute Pri- vatversicherten um einen Eingriff in be- stehende Verträge. Sie sollen ja den Ba- sistarif subventionieren.

Schröder: Die Regelungen über- schreiten nicht den Rahmen dessen, was wir heute schon in der PKV ha- ben: Es gibt heute schon die Kündi- gung von Tarifen, es gibt heute schon Prämienerhöhungen weit jen- seits der Beitragssatzsteigerungen in der GKV, es gibt den Ausschluss

„Es wird nicht mehr staatlichen Einfluss geben.“

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von Leistungen. Im Übrigen wurden bei der Einführung der Pflegeversi- cherung für ein PKV-System sehr viel klarere Rahmenbedingungen eingezogen, als wir das heute tun.

Gibt es denn Felder, auf denen Sie dem Bundesrat entgegenkommen werden?

Schröder: Diskutiert wird über das Insolvenzrecht für die Krankenkas- sen. Wenn die Kassen im Wettbe- werb stehen, müssen sie auch insol- vent werden können. Das bedeutet, dass auf längere Sicht die gegen- seitige Haftung beendet wird. Nie- mand soll für die Managementfeh- ler des Konkurrenten einstehen müssen. Gesprochen wird noch über die Übergangszeiträume.

Falls eine Kasse insolvent wird: Schau- en dann die Ärzte in die Röhre?

Schröder: Ganz und gar nicht. Die Ansprüche der Versicherten und Leistungserbringer sind bereits im Gesetzentwurf abgesichert. Ent- sprechende Verpflichtungen sind vorrangig zu bedienen und sind nicht vom Insolvenzrecht bedroht.

Besorgnisse, die einzelne Ärzte he- gen, sind deshalb nicht berechtigt.

Sie wollen den Wettbewerb unter den Kassen verstärken, aber die Bedeutung der Kassenartenverbände, die heute den Wettbewerb bestimmen, mindern.

Schröder: Richtig. Wer würde heu- te noch die GKV mit unterschied- lichen Kassenarten erfinden? Wir wollen mehr Vertragswettbewerb.

Es gibt einen vorwettbewerblichen Teil, weil Kassen insgesamt und die Leistungserbringer insgesamt Interessen haben. Deshalb werden im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum Beispiel Qualitätsanfor- derungen festgelegt. Unter diesen Rah- menbedingungen schließt die einzel- ne Kasse, nicht der Verband, Verträ- ge ab – zum Beispiel über integrierte Versorgung, ein Hausarztmodell oder Rabatte für Arzneimittel. Das ist ein vernünftiger Ordnungsrah- men. Deshalb kann ich nicht verste- hen, dass immer von Staatsmedizin

die Rede ist. Dreh- und Angelpunkt bleibt die Selbstverwaltung.

Dennoch ist es ein Unterschied, ob im G-BA hauptamtliche oder ehrenamtliche Mitglieder sitzen und ob das Gremium Entscheidungsspielraum hat oder eng an das Ministerium angebunden wird.

Schröder: Ziel ist eine Professionali- sierung des G-BA. Es steht außer Fra- ge, dass wir bei der Dynamik des me- dizinischen Fortschritts an dieser zen- tralen Schaltstelle für das Leistungs- geschehen Personen benötigen, die das nicht nebenbei machen. Hier- durch rückt der G-BA jedoch keines- wegs enger an das Ministerium.

An Beschlüssen, die nachher von Ärz- ten, Krankenhäusern und Kassen nicht umgesetzt werden, können Sie doch auch nicht interessiert sein.

Schröder: Ich bezweifle ja nicht, dass die Bereitschaft zum gemein- samen Handeln notwendig ist. Über weite Strecken ist die bei den Betei- ligten auch vorhanden. Dafür spre- chen die guten Fortschritte, die wir in Deutschland bei der Implemen- tierung der evidenzbasierten Medi- zin gemacht haben. Dafür Akzep-

tanz zu finden war in den vergange- nen Jahren sehr wichtig. Die neuen Vorschriften, die noch mehr Öffent- lichkeit beim G-BA herstellen, wer- den es gestatten, dass die Fachpres- se die Hintergründe von Entschei- dungen noch besser erläutern kann.

Macht es Sie nicht nachdenklich, wenn nicht nur die Repräsentanten der Ärzte- schaft, sondern auch Krankenhausträ- ger, Apotheker, Krankenkassen, Arbeit- geber und Gewerkschaften vor einem Marsch in die Staatsmedizin warnen?

Schröder: Hier werden Totschlagar- gumente bemüht, die sich am Gesetz- entwurf nicht belegen lassen. Ein Ge- sundheitssystem zu steuern ist eine hochkomplexe Aufgabe. Bisher ha- ben wir keine Rationierung im großen Umfang, keine wirklichen Wartelisten. In der GKV bekommt immer noch jeder die kostspieligste

Operation, die teuerste Therapie, wenn sie notwendig ist, bezahlt. Das ist auch deshalb so, weil wir ein selbstverwaltetes System haben. Das klassische korporatistische Modell, in dem die großen Blöcke Verträge schließen, funktioniert heute nicht mehr so wie in Zeiten schnelleren wirtschaftlichen Wachstums. Des- halb brauchen wir den Umstieg auf einen Mix von Kollektiv- und Einzel- verträgen, wie er in der Politik von Ulla Schmidt seit Jahren angelegt ist.

Unter dem Strich wird es nicht mehr staatlichen Einfluss geben.

Soll es denn nach Ihrer Vorstellung bei dem bisherigen Mix von Kollektiv- und Einzelverträgen bleiben?

Schröder: Es geht immer um die Fragen, wie die Versorgung sicherge- stellt und das ganze System optimiert werden kann. Deshalb wird niemand in diesem Hause nur für Einzelverträ- ge eintreten. Zudem: Es darf keinen vertragslosen Zustand geben.

Denken Sie bei der Sicherstellung an die Kassenärztlichen Vereinigungen oder an andere Modelle?

Schröder: Es gibt immer verschie- dene Möglichkeiten. Nur wenn ich heute die Krankenkassen frage, ob sie den Sicherstellungsauftrag über- nehmen können, dann lehnen sie dankend ab. Es gibt Varianten, aber niemand denkt im Moment daran, die KVen abzuschaffen. Mit dem Gesetzentwurf bekommen sie sogar neue Aufgaben, beispielsweise in der Qualitätssicherung.

Die KVen möchten selbst auch in den Vertragswettbewerb eingreifen können, etwa bei der hausarztzentrierten Ver- sorgung.

Schröder: Eine Institution, in der jeder Vertragsarzt Mitglied sein muss, ist für selektive Verträge nicht der geborene Partner.

Ist angesichts der zahlreichen Ände- rungsforderungen der Reformzeitplan noch einzuhalten?

Schröder: Die Bundeskanzlerin und die Ministerin haben klarge- stellt, dass die Reform pünktlich zum 1. April 2007 kommen wird. I Die Fragen stellten Jens Flintrop, Martina Merten und Heinz Stüwe.

Wenn ich die Kassen frage, ob sie den Sicherstellungs- auftrag übernehmen, dann lehnen sie dankend ab.

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