Wie zielgerichtet sind Arzneimittel heute schon?
Prof. Theo Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie Biozentrum
Max-von Laue-Str. 9 60438 Frankfurt am Main
Pharmazeutische Biologie SS2011
Biologicals
• Zytokine
• Inhibitoren der Signaltransduktion
• Markierende Wirkstoffe
• Inhibitoren der Nährstoffzufuhr
• Supportive Strategien
Klassen
Alemtuzumab: MabCampath®
Das CD52-Epitop (Cambridge pathology antigen 1/
CAMPATH-1)
• ist ein 12 Aminosäuren langes Glycopeptid auf B- und T- Lymphozyten, das über einen Glycosylphosphatidyl-
Inositol-Anker (GPI-Anker) fixiert ist.
• CD52 fehlt auf Erythrozyten, Thrombozyten und Knochenmarkstammzellen.
• Humanisierter (IgG1/κ), ursprünglicher Ratten-Antikörper.
• Aus rekombinanten CHO-Zellen.
• Bindet an CD52 auf CLL- und den
meisten NHL-Zellen (auch auf Lympho- zyten und Monozyten/Makrophagen)
Alemtuzumab: MabCampath®
Alemtuzumab: MabCampath®
Indikation:
Zur Behandlung von Patienten mit chronischer
lymphatischer Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL), für die eine Fludarabin-Kombinations-Chemotherapie
unangemessen ist.
• Humanisierter (IgG1/κ), ursprünglicher Ratten-Antikörper.
• Aus rekombinanten CHO-Zellen.
• Bindet an CD52 auf CLL- und den
meisten NHL-Zellen (auch auf Lympho- zyten und Monozyten/Makrophagen)
Alemtuzumab: MabCampath® - Behandlung der Multiplen Sklerose
ITP als gefährliche UAW:
In der Studie wurden insgesamt sechs Patienten mit einer
idiopathischer thrombozytopenischer Purpura (ITP), diagnostiziert. Es kommt zu einer Abnahme der Thrombozytenzahl und in der Folge zu einer abnormen Blutungsneigung.
ITP ist ein sehr ernst zu nehmender Zustand. Im Allgemeinen ist ITP mit immunmodulatorischen Therapien wie Corticosteroiden
behandelbar. Bei Patienten, die darauf nicht ansprechen, kann die Entfernung der Milz notwendig werden.
• Humanisierter (IgG1/κ), ursprünglicher Ratten-Antikörper.
• Aus rekombinanten CHO-Zellen.
• Bindet an CD52 auf CLL- und den
meisten NHL-Zellen (auch auf Lympho- zyten und Monozyten/Makrophagen)
Catumaxomab: Removab®
Muriner IgG2a anti-EpCAM Antikörper Ratten IgG2b anti-CD3-Antikörper
• Ratte/Maus-Hybridantikörper aus Ratte/
Maus-Hybrid-Hybridomazelllinie.
• Bindet EpCAM (epithelial cell adhesion molecule) und CD3.
Dosierung:
1. Dosis: 10 µg am Tag 0 2. Dosis: 20 µg am Tag 3 3. Dosis: 50 µg am Tag 7 4. Dosis: 150 µg am Tag 10
Catumaxomab: Removab®
Indikation:
Zur intraperitonealen Behandlung des malignen Aszites bei Patienten mit EpCAM-positiven Karzinomen, für die keine Standardtherapie zur Verfügung steht oder bei denen diese nicht mehr anwendbar ist.
• Ratte/Maus-Hybridantikörper aus Ratte/
Maus-Hybrid-Hybridomazelllinie.
• Bindet EpCAM (epithelial cell adhesion molecule) und CD3.
Biologicals
• Zytokine
• Inhibitoren der Signaltransduktion
• Markierende Wirkstoffe
• Inhibitoren der Nährstoffzufuhr
• Supportive Strategien
Klassen
Inhibitoren der Nährstoffzufuhr
Prinzip der Angiogenese
Bevacizumab: Avastin®
Indikation:
1. In Kombination mit einer Chemotherapie auf
Fluoropyrimidin-Basis zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem Kolon- oder Rektumkarzinom.
2. In Kombination mit Paclitaxel zur First-Line-Behandlung von Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom.
• Humanisierter Antikörper (IgG1/κ)
• Aus rekombinanten CHO-Zellen
• Bindet neutralisierend an VEGF
• Verhindert Tumorangiogenese
Bevacizumab: Avastin®
Indikation:
3. Zusätzlich zu einer Platin-haltigen Chemotherapie zur First-Line-Behandlung von inoperablem, fortgeschrit- tenem, metastasiertem oder rezidivierendem nicht- kleinzelligem Bronchialkarzinom.
4. In Kombination mit Interferon alfa-2a zur First-Line- Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem und/
oder metastasiertem Nierenzellkarzinom.
• Humanisierter Antikörper (IgG1/κ)
• Aus rekombinanten CHO-Zellen
• Bindet neutralisierend an VEGF
• Verhindert Tumorangiogenese
Asparaginase : Asparaginase medac®
Indikation:
Als Bestandteil einer antineoplastischen
Kombinationstherapie der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) im Kindes- und Erwachsenenalter sowie bei Non-
Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter zugelassen.
• Aus Escherichia coli isoliert
• Homotetramer mit je 327 AS
• Abbau der für die Tumorzellen essentiellen Aminosäure L-Asparagin zu L-Asparaginsäure und Ammoniak. Dadurch Hemmung der
Proteinsynthese in diesen Zellen.
Pegasparagase: Oncaspar®
Indikation:
Als Bestandteil einer antineoplastischen
Kombinationstherapie zur Reinduktion bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) im Kindes- und Erwachsenenalter bei Patienten mit bekannter
Überempfindlichkeit auf „native“ L-Asparaginasen zugelassen.
• Aus Escherichia coli isoliert
• Pegyliert mit 5 kDa-Ketten
• Abbau der für die Tumorzellen essentiellen Aminosäure L-Asparagin zu L-Asparaginsäure und Ammoniak. Dadurch Hemmung der
Proteinsynthese in diesen Zellen.
Biologicals
• Zytokine
• Inhibitoren der Signaltransduktion
• Markierende Wirkstoffe
• Inhibitoren der Nährstoffzufuhr
• Supportive Strategien
Klassen
Supportive Strategien
Filgrastim: Neupogen®
Indikation:
• Zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien
• Zur Mobilisierung peripherer Blutstammzellen
• Zur Langzeitbehandlung zur Erhöhung der Anzahl neutrophiler Granulozyten und zur Verminderung der Häufigkeit und Dauer infektionsbedingter Symptome bei schwerer kongenitaler Neutropenie
• In Escherichia coli hergestellt
• 175 Aminosäuren lang; zusätzl. Met-1
• Nicht-glykosyliert.
Filgrastim: Biosimilars
Zwei Gruppen:
1. Biograstim®, Ratiograstim® und Tevagrastim®. 2. Filgrastim Hexal® und Zarzio®.
• In Escherichia coli hergestellt
• 175 Aminosäuren lang; zusätzl. Met-1
• Nicht-glykosyliert.
Zu 1: In E. coli K802 hergestellt von der Firma SICOR
Biotech UAB in Vilnius, Litauen unter dem Wirkstoff-namen XM02.
Zu 2: In E. coli herstellt von Sandoz GmbH in Kundl (A).
Pegfilgrastim: Neulasta®
Indikation:
Zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei Patienten, die wegen einer malignen Erkrankung mit
zytotoxischer Chemotherapie behandelt werden (mit Ausnahme von chronisch-myeloischer Leukämie und myelodysplastischem Syndrom).
• In Escherichia coli hergestellt
• 175 Aminosäuren lang; zusätzl. Met-1
• Nicht-glykosyliert
• Mit 20 kDa-Kette pegyliert.
Lenograstim: Granocyte®
Indikation:
• Zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien
• Zur Mobilisierung von Blutstammzellen ins periphere Blut.
• In rekombinanten CHO-Zellen hergestellt
• 174 Aminosäuren lang
• Glykosyliert.
Palifermin: Kepivance®
Indikation:
Zur Reduktion der Häufigkeit, der Dauer und des
Schweregrades einer Stomatitis (orale Mucositis) bei
Patienten mit hämatologischen malignen Erkrankungen, die eine myeloablative Radiochemotherapie erhalten, welche mit einer hohen Inzidenz für schwerwiegende Stomatitis assoziiert ist und den Einsatz von autologen hämatopoetischen Stammzellen erfordern.
• Fragment (Δ 1-23) des humanen
Keratinozyten-Wachstumsfaktors (KGF).
• 140 Aminosäuren lang
• In E. coli hergestellt.
Rasburicase: Fasturtec®
Indikation:
Zur Behandlung und zur Prophylaxe einer akuten Hyperurikämie nach einer raschen Tumorlyse.
• Rekombinante Urat-Oxidase aus Aspergillus flavus.
• In Saccharomyces-cerevisiae hergestellt.
Zusammenfassung
Blutbildendes System
Wachstumsinhibitoren:
• Unterbrechung der Signaltransduktion
• Unterbrechung der Nährstoffzufuhr
Zytotoxische Wirkstoffe:
• Direkt: markierende (armierte) Wirkstoffe
• Indirekt: über Aktivierung des Immunsystems
Supportive Wirkstoffe
INN Therapiekosten Kosten
Human-Insulin pro Jahr ca. 420 €
Modifizierte Insuline pro Jahr ca. 600 €
Cetuximab (Erbitux®) pro Monat ca. 5.000 € initial, dann ca. 4.500 € Trastuzumab (Herceptin®)
(metastasierendes Mamma- CA)
pro Monat ca. 3.400 € initial, dann ca. 2.800 € Bevacizumab (Avastin®)
(Mamma-CA)
pro Monat ca. 5.300 €
Bevacizumab (Avastin®) (Colon-CA)
pro Monat ca. 2.600 €
Was kostet eine moderne Therapie?
4 %
96 % 65 %
35%
Chemie und Biotechnologie
Was kostet eine moderne Therapie?
Präparat INN Anzahl
Patienten Therapiek
osten Umsatz
Cerezyme® Imiglucerase 27.000 119.000 3.200 x 106 Fabrazyme® Agalsidase beta 1.200 182.000 218 x 106 Replagal® Agalsidase alfa 1.200 189.000 227 x 106 Aldurazyme® Laronidase 1.100 284.000 312 x 106 Myozyme® Alglucosidase alfa 4.500 210.000 945 x 106 Elaprase® Idurosulfatase 1.000 465.000 465 x 106 Naglazyme® Galsulfase 400 600.300 240 x 106
Die neue Relevanz der Diagnostik
1. Zwingend für den Einsatz zielspezifischer Wirkstoffe 2. Change für eine Kosten-Konsolidierung für das
Gesundheitssystem
Das Moore‘sche Gesetz
Alle 24 Monate verdoppelt sich die Anzahl der
Transistoren auf einem Chip. Gleichzeitig halbiert sich die Grundfläche
Ist der medizinische Fortschritt der „stille Killer“ des Systems?
Medizinischer Standard
Zusätzliche Kosten
Zusätzliche Gesundheit
Wann ist eine medizinische Leistung wirtschaftlich?
Schlechter und teurer
Besser und billiger Besser und teurer
Billiger und schlechter
Wir brauchen ein neues Paradigma
Ökonomisch ermittelte Wirtschaftlichkeit
Medizinischer Standard Zusätzliche Kosten
Schlechter und teurer
Besser und billiger Besser und teurer
Billiger und schlechter
Rationale Leistungspriorisierung auf der Basis des individuellen Nutzens
Offensichtlich gibt es nicht nur ein menschliches Genom!
Es gibt derzeit ca. 7 Milliarden menschliche Genome
Diese Eigenschaften ergeben sich aus Buchstabenvariationen.
Sie sind ererbt und sind somit in allen Zellen
abgespeichert.
Es gibt derzeit ca. 7 Milliarden menschliche Genome
… und es sind erstaunlich wenig:
Ca. 1 : 1.000 Buchstaben
Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs)
Krankheit
Genetische „Fehler“ sind auch für Krankheiten
verantwortlich, wobei zu den ererbten Fehlern in aller Regel erworbene Fehler hinzukommen.
Der kranke Patient
ererbte Komponente
erworbene Komponente
Der kranke Patient
Krankheiten resultieren aus der Kombination von ererbten und erworbenen genetischen „Fehlern“
Der kranke Patient
Nachweis der „genetischen Individualität“
jederzeit
aus jeder beliebigen Zelle
im Krankheitsfall
aus der betroffenen Zelle
Wie sieht denn das alles bei mir aus?
www.23andme.com
www.23andme.com
www.23andme.com
Fragen, die man sich stellen kann
1. Wurde hier tatsächlich meine DNA analysiert?
Augenfarbe
56 % 37 % 7 % 72 % 27 % 1 %
Blonde vs. braune Haare
Felix vor ca.
Deutlich verringerte Wahrscheinlichkeit für blonde Haare
Typischerweise blonde Haare
Ohrenschmalz –
fettig/feucht oder trocken/schuppig?
Nahezu alle Europäer und Afrikaner haben feuchtes Ohrenschmalz, wohingegen Asiaten zu 80 – 95 % trocken/schuppiges
Ohrenschmalz haben.
fettig/feuchtes Ohrenschmalz
Fragen, die man sich stellen kann
2. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, die ich
immer schon vermutet habe, die ich aber nun schwarz auf weiß demonstriert bekomme?
Lactose-Intoleranz
Wahrscheinlich Lactose-tolerant
Schmerzsensitivität
Verminderte Schmerzsensitivität
Fragen, die man sich stellen kann
3. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, die mich wirklich überraschen? ... oder auch nicht?
Übergewicht63,4 % der Europäer, die meine Genausstattung besitzen, entwickeln Fettleibigkeit im Alter
zwischen 17 und 59 Jahren.
Durchschnittlich entwickeln 63,9 % der Europäer im Alter zwischen 17 und 59 Jahren eine Fettleibigkeit.
Übergewicht
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt zwischen 64 – 84 %
Fragen, die man sich stellen kann
4. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, aus denen ich Konsequenzen ziehen sollte?
Altersdiabetes
43,3 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, entwickeln einen Typ-2-Diabetes im Alter zwischen 20 und 79 Jahren
Durchschnittlich entwickeln 23,7 % der Europäer im Alter zwischen 20 und 79 Jahren einen Typ-2-Diabetes.
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt bei 26 %
Altersdiabetes – und die Konsequenzen
BMI: KG
cm X cm
73 182 X 182
= 22,04
BMI < 25 Normalgewicht BMI < 30 präadipös
BMI > 30 adipös
83 25,06
Altersbedingte Maculadegeneration (MD)
13,4 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, entwickeln im Alter zwischen 43 und 79 Jahren eine AMD.
Durchschnittlich entwickeln 7 % der Europäer im Alter zwischen 43 und 79 Jahren eine AMD.
Herzinfarkt
17,5 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, werden einen im Alter zwischen 40 und 79 Jahren einen Herzinfarkt erleiden.
Durchschnittlich erleiden 21,2 % der Europäer im Alter zwischen 43 und 79 Jahren einen Herzinfarkt.
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt bei Frauen bei 38 %, bei Männern bei 57 %.
Risikofaktoren sind das Alter, Rauchen und Alkohol, zu
Fragen, die man sich stellen kann
5. Finde ich in meinem Genom Informationen, wie ich mit Arzneimitteln umgehe?
Coffein-Metabolismus
Menschen, die Coffein langsam abbauen, sollten wenig Kaffee und
andere Coffein-haltige Getränke trinken, da mit einem erhöhten Coffein- Konsum das Herzinfarktrisiko deutlich steigt.
Ferner können solche Menschen auch untypisch auf folgende Medikamente reagieren: Antidepressiva, Östrogen, Theophyllin, Marcumar, verschiedene Mittel gegen zu hohen Blutdruck u.a.
Schneller Metabolisierer für Coffein
Lumiracoxib und Leberschäden
Wegen dieser Gefahr wurde Lumiracoxib aus dem Handel genommen!
Stark erhöhtes Risiko, bei
Einnahme von Lumiracoxib einen Leberschaden davonzutragen.
Simvastatin und Muskelschäden
Deutlich erhöhtes Risiko, bei Einnahme von Simvastatin mit Muskelschmerzen zu reagieren.
Simvastatin und Muskelschäden
SLCO1B1 = leberspezifischer Anionentransporter ABCG2 = ABC-Transporter G2
ABCB1 = ABC-Transporter; P-Glykoprotein
Simvastatin und Muskelschäden
SLCO1B1 = leberspezifischer Anionentransporter ABCG2 = ABC-Transporter G2
ABCB1 = ABC-Transporter; P-Glykoprotein
Gen SNP TD IZ
SLCO1B1 rs4149056 TC TT ABCG2 rs2231142 CA CC
ABCB1
rs1128503 TT TC ABCB1 rs2032582 TT TC ABCB1
rs1045642 TT TC
Tamoxifen
Patientinnen, die das Enzym CYP2D6 nicht in einer funktionsfähigen Form besitzen, werden praktisch nicht behandelt, obwohl sie jeden Tag ein Medikament einnehmen!
Tamoxifen ist nur eine Vorstufe
der Wirkstoff heißt Endoxifen Das Enzym CYP2D6 katalysiert diese Umwandlung
Tamoxifen
!
Fragen, die man sich stellen kann
6. Will ich eigentlich alles wissen, was ich heute wissen könnte?
7. Wie steht es mit Datenmissbrauch?
Erhöhte Risiken vs. verminderte Risiken?