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Archiv "Qualitätssicherung: Vorfahrt für die Fremdverwaltung?" (24.08.2009)

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A 1662 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 34–35

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24. August 2009

KOMMENTAR

Dr. med. Regina Klakow-Franck*

N

ach dem Willen des Gemeinsa- men Bundesausschusses (G-BA) soll das Institut für angewandte Quali- tätsförderung und Forschung im Ge- sundheitswesen (AQUA) zum 1. Januar 2010 die Aufgabe der extern verglei- chenden Qualitätssicherung überneh- men und sektorenübergreifend ausbau- en. Der Beauftragungsvertrag zwischen G-BA und AQUA konnte nunmehr unter- zeichnet werden, nachdem der Wider- spruch der Bundesgeschäftsstelle Quali- tätssicherung (BQS), die diese Aufgabe bisher wahrgenommen hatte, am 6. Au- gust vom zuständigen Sozialgericht Es-

sen abgelehnt worden war. Die BQS ist 2001 als gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer, Deutscher Kran- kenhausgesellschaft, gesetzlichen Krankenkassen und PKV-Verband sowie unter Beteiligung des Deutschen Pflege- rates gegründet worden. Ihre Zwangsver - abschiedung aus der Qualitätssicherung nach SGB V ist der vorläufige Höhepunkt einer politisch gewollten Entwicklung, in deren Verlauf die sogenannte korporatis- tische Qualitätssicherung durch eine Versorgungssteuerung nach dem Gusto anderer, neuer Player im Gesundheits- wesen abgelöst wird. Dabei standen die fachlich-methodische Vorbildlichkeit der BQS und ihre internationale Reputation nie zur Diskussion, auch nicht aufseiten der Kritiker des „Korporatismus“. Warum muss die BQS dann dennoch gehen?

Auf dem Prüfstand steht eigentlich nicht die BQS, sondern die gemeinsame Selbstverwaltung. Zur Erinnerung: Noch 1997, auf dem Höhepunkt der Kosten- dämpfungsgesetze, hieß es „Vorfahrt für die Selbstverwaltung!“. Spätestens aber nach der Wegbereitung durch das

„Über-Unter-Fehlversorgungs“-Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutach- tung der Entwicklung im Gesundheits- wesen wurde das für das deutsche Gesundheitswesen bislang so typische Selbstverwaltungsprinzip als uner-

wünschter „Korporatismus“ zur Disposi- tion gestellt.

Der Selbstregulierung der verschie- denen Beteiligten im Gesundheitswesen wird seither grundsätzlich misstraut.

2004 wurde die gemeinsame Selbstver- waltung zum Gemeinsamen Bundesaus- schuss umgebaut, der daraufhin zu ei- ner zentralistischen, „supra-korporatisti- schen“ Steuerungsinstanz avancierte. Im Zuge des GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetzes wurde der G-BA nochmals in Richtung Zentralisierung und Entkopp- lung von der Versorgungsbasis modifi- ziert, und der Spitzenverband Bund er-

setzte die alten Spitzenverbände der Krankenkassen. Spätestens jetzt stellt der G-BA“ immer weniger das Sprach- rohr und die Plattform für einen fairen Interessenausgleich der Beteiligten auf der Versorgungsebene dar, sondern agiert als planwirtschaftliche Regulie- rungsbehörde. Der Charakterwandel des zentralen Selbstverwaltungsorgans wird flankiert durch eine vorher nicht gekann- te Konkurrenz und auch Entsolidarisie- rung unter den Leistungserbringern im Gesundheitswesen.

Heimliche Gewinner des Feldzugs ge- gen den „Korporatismus“ im deutschen Gesundheitswesen sind neue Player, wie etwa die Bertelsmann-Stiftung, die durch ihre Förderprojekte („Reformwerkstatt“), auch in Kooperation mit AQUA, durch ent- sprechende wissenschaftlich aufgewerte- te Politikberatungsangebote sowie durch geschickte Vernetzung von Einzelakteuren und Organisationen die Marktöffnung der medizinischen Versorgung in Deutschland vorangetrieben hat. Nicht auszuschließen ist, dass dies auch den unternehmeri- schen Aktivitäten des Bertelsmann-Kon- zerns zugutekommt.

Die Frage ist, ob der Gemeinsame Bundesausschuss in der jetzigen Aus- prägung noch zukunftsfähig ist, oder ob das Prinzip der gemeinsamen Selbstver- waltung – das heißt die Übernahme von

gemeinsamer Verantwortung für die Ge- staltung der medizinischen Versorgung – quasi neu erfunden werden muss. Hier- zu bieten sich, als Keimzelle, zum Bei- spiel populationsbezogene integrierte Versorgungsverträge unter Beteiligung aller Leistungserbringer und Kranken- kassen in der Region an.

Die derzeitigen Aktivitäten des G-BA weisen nicht in die Zukunft. Entweder wird zum Leidwesen der Krankenhäuser und Arztpraxen Bürokratie produziert (als was sollte man QS-Vereinbarungen mit mehr als 100 Seiten sonst bezeich- nen?), oder die Bänke des G-BA blockie-

ren sich gegenseitig (in Anbetracht der sektorenübergreifenden Wettbewerbssi- tuation eine durchaus nachvollziehbare Strategie). Die als Vor aussetzung für die Arbeitsaufnahme von AQUA erforderliche Richtlinie des G-BA zur Umsetzung der sektorenübergreifenden Qualitätssiche- rung (sog. Richtlinie Nr. 13) lässt seit zwei Jahren auf sich warten.

Die BQS wird, wie auch zum Beispiel die Initiative Qualitätsmedizin, ihr Betäti- gungsfeld außerhalb des G-BA finden, denn die Nachfrage nach Qualitätsindi- katoren, Benchmarking und Qualitäts- darstellung ist groß. Und zwar sowohl aufseiten der medizinischen Fachgesell- schaften und der Ärztekammern, die al- len bürokratischen Widrigkeiten des SGB V zum Trotz ein professionelles und – im Falle der Ärztekammern – ein be- rufsrechtlich verankertes Interesse an einem Wettstreit um die beste Versor- gungsqualität haben, als auch an der

„Versorgungsbasis“, in den Krankenhäu- sern, Arztpraxen und bei den ärztlichen Berufsverbänden, die in einem politisch gewollten stärker marktorientierten Ge- sundheitswesen ein legitimes unterneh- merisches Interesse an der Darlegung ihrer Qualität entwickelt haben. ■ QUALITÄTSSICHERUNG

Vorfahrt für die Fremdverwaltung?

* Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer

T H E M E N D E R Z E I T

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