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Archiv "Vorfahrt für die Selbstverwaltung – schon ausgebremst?" (22.03.1996)

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P O L I T I K LEITARTIKEL

F

ür die Pharmaunternehmen Ercopharm in Dänemark und Hoffmann-La Roche Deutsch- land erfüllte sich Mitte Februar vermutlich ein langgehegter Wunsch:

Sie erhielten für Fareston (Erco- pharm) und CellCept (Roche) die Marktzugangsberechtigung für alle Länder der Europäischen Union – auf einen Schlag. Fareston wird zur Be- handlung von Brustkrebs eingesetzt, CellCept in Kombination mit anderen Substanzen zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion bei Nierentrans- plantationen. Erteilt wurden beide Zulassungen von der Europäischen Kommission in Brüssel. Doch die Grundlagen für ihre Voten lieferte die Europäische Arzneimittelagentur (The European Agency for the Eva- luation of Medicinal Products, ab- gekürzt EMEA) in London.

Neues Verfahren für Neuheiten

Die EMEA wurde offiziell am 1. Januar 1995 gegründet. Sie ist unter anderem für das sogenannte zentrale Verfahren zuständig. Wer innerhalb der Europäischen Union ein biotech- nologisch hergestelltes Medikament auf den Markt bringen will, muß es über die EMEA zulassen. Handelt es sich um ein hochinnovatives Arznei- mittel, kann der Hersteller den Weg via London wählen.

Die Agentur organisiert vor al- lem das zentrale Zulassungsverfahren mit seinen engen Fristen. Die wissen- schaftliche Arbeit leistet der Aus- schuß für Arzneimittelspezialitäten, das CPMP (Committee for Pro-

prietary Medicinal Products). Dort- hin hat jedes Mitgliedsland der Europäischen Union zwei Vertreter der nationalen Zulassungsbehörden geschickt. Auf der Grundlage des CPMP-Votums entscheidet anschlie- ßend die Europäische Kommission.

Das Committee teilt sich die Ar- beit auf, indem es für jedes Verfahren Rapporteur und Co-Rapporteur er- nennt. Sie sind für den Ablauf verant- wortlich und wählen Sachverständige aus. Manche dieser Ländervertreter sind, das wird innerhalb der pharma- zeutischen Industrie nicht geleugnet, beliebter als andere. Englands Zulas- sungsbehörde beispielsweise gilt als schnell und professionell. Sicher nicht grundlos hat das CPMP Ende 1995 potentielle Antragsteller aufgefor- dert, drei oder vier Wunsch-Rappor- teure anzugeben und nicht nur einen.

Für das derzeitige Verfahren gab es innerhalb der Europäischen Union schon Vorläufer. Deswegen bearbeitet die EMEA auch noch ein paar alte Anträge. Eine Zulassung mit europa- weiter Gültigkeit war jedoch nicht möglich. Das hat sich geändert, seit im Oktober 1995 Gonal F als erstes Präparat die EU-weite Marktzugangs- berechtigung erhielt. Das Medika- ment des italienisch-schweizerischen Konzerns Ares Serono wird bei der Behandlung weiblicher Infertilität ein- gesetzt. Ende 1995 hatte die EMEA dann acht Zulassungsvoten an die Eu- ropäische Kommission weitergeleitet und für 30 neue Anträge Rapporteure und Co-Rapporteure benannt.

Dr. rer. nat. Daphne Sittner, Lei- terin der Abteilung Zulassung bei Hoffmann-La Roche Deutschland, findet, daß die Zulassung für das Me-

dikament CellCept nicht schlecht ge- laufen ist. Vom Einreichen des An- trags bis zur Zulassung habe es 15 Mo- nate gedauert. Bis zur wissenschaftli- chen Entscheidung im CPMP sei alles schnell gegangen, erinnert sie sich.

Die Europäische Kommission habe allerdings noch einmal vier Monate bis zu ihrem Votum gebraucht.

Zeitraubend:

Die Übersetzungen Ein Problem waren nach ihren Worten die Übersetzungen. Die mei- sten Unterlagen müßten in allen Län- dersprachen vorliegen, und das sind derzeit elf. Die Abwicklung der Über- setzungen solle eigentlich die EMEA übernehmen. Hoffmann-La Roche habe die Arbeit jedoch lieber im eige- nen Haus machen lassen, um das Ver- fahren zu beschleunigen.

Hämischen Bemerkungen über das Arbeitstempo des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinalpro- dukte (BfArM) in Berlin und das der

„Konkurrenz“ aus London schließt Sittner sich nicht an: Die Kooperation mit dem Institut sei heute teilweise besser als früher, besonders mit Mit- arbeitern von Abteilungen, die sich mit europäischen Zulassungsfragen befassen. Sicher sei man in London noch schneller, aber: „Wann die EMEA einmal derart überlastet ist wie das BfArM und was dann pas- siert, bleibt abzuwarten.“

Positive Erfahrungen mit der Londoner Agentur hat bislang auch die Schering AG gemacht. Dr. jur.

Axel Granitza, Leiter der Konzern- stäbe, lobt Schnelligkeit und 1 A-727 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996 (15)

Arzneimittelzulassung in der EU

London macht Tempo

Seit dem Frühjahr 1995 können pharmazeutische Un- ternehmen Zulassungsanträge bei der Europäischen Arzneimittelagentur in London einreichen. Europäische Behörden erfreuen sich bei der Industrie normalerwei- se keiner großen Beliebtheit. In diesem Fall ist das

anders: Manche forschenden Arzneimittelhersteller in

Deutschland hoffen, daß ihre Medikamente mit Hilfe der

Agentur schneller zugelassen werden als bisher. Ein wei-

terer Aspekt für sie: Wer ein positives Votum via London

hat, darf sein Medikament in ganz Europa vermarkten.

(2)

W

as auch immer in der Ge- sundheitspolitik diskutiert wird, ohne das Zauberwort

„Budgetierung“ scheint nichts mehr zu gehen. Kaum ist die Höhe des Defizits der gesetzlichen Krankenversicherung für 1995 be- kannt – „nur“ sieben statt der erwar- teten zehn Milliarden DM –, schon tönt es von allen Seiten: „Budgetie- rung“. Der Gesundheitsmarkt sei ein zu großer Kostenfaktor, so nahezu al- le Politiker, der budgetiert oder wett- bewerblich organisiert werden müsse.

Daß sich weder der medizinische Be- darf noch gar das menschliche Le- bensalter budgetieren lassen, spielt für sie kaum eine Rolle.

Die Budgetierung könnte auch in- nerärztlich zu einer Nagelprobe wer- den. Mehr und mehr drohen Gruppen- egoismen die Solidarität, die die Ärz- teschaft nach außen an den Tag legte, aufzubrechen. Dabei ist das Sankt-Flo- rians-Prinzip das letzte, was wir bei ei- ner möglichen „großen Koalition“ ge- brauchen können. Einer nach dem an- deren würden wir in Bonn vorgeführt und gegeneinander ausgespielt.

Budgetierung, aber auch Zulas- sungssperren beschleunigen diese Ent- wicklung; viele niedergelassene Ärzte leiden unter dem Punktwertverfall in- folge der Budgetierung, vielen Kran-

kenhausärzten ist eine Zukunft in eige- ner Praxis genommen. Zudem werden im Krankenhaus Lebensarbeitsverträ- ge mehr und mehr zur Ausnahme. Per- spektivlosigkeit und Unsicherheit beeinflussen die Stimmung. Hinzu kommt der Druck von außen, trotz steigender Anforderungen (zum Bei- spiel infolge des Arbeitszeitgesetzes), die Ausgaben weiter zu begrenzen.

Wo bleibt die Qualität?

Daraus wird deutlich, welche Ge- fahren aus dem Seehoferschen Motto

„Vorfahrt für die Selbstverwaltung“

erwachsen können. Denn wie soll ei- ne Selbstverwaltung ein Budget ein- halten, wenn der Staat zugleich Ge- setze und Verordnungen erläßt, die dieses Budget sprengen? Keine Selbstverwaltung kann einen solchen Widerspruch auf Dauer aushalten.

Der Gesundheitsminister hat noch im März 1995 betont, daß eine Budgetie- rung langfristig zu Lasten der Qualität der medizinischen Versorgung gehe.

„Eine bloße Verlängerung der Bud- gets“, so Seehofer damals, „wäre da- mit eine Bankrotterklärung für die Qualität der medizinischen Versor- gung und das Einfallstor für die Ra- tionierung.“ Richtig, Herr Minister!

Was aber droht bei einem Schei- tern der Selbstverwaltungs-Lösung:

Staatsmedizin oder freier Wettbewerb im Gesundheitswesen? Eine Staats- medizin würde vollends zur Bürokra- tisierung und Reglementierung des Gesundheitswesens führen. Aber auch die Alternative „Wettbewerb“

wäre trügerisch und patientenfeind- lich. Der durch die Wahlfreiheit der Krankenkassen eingeleitete Wettbe- werb unter dem Deckmantel der Prävention hat uns einen bitteren Vor- geschmack gegeben. Da wurde nicht mehr mit notwendiger und zweck- mäßiger medizinischer Behandlung für den Patienten geworben, sondern primitiv an das Freizeitverhalten po- tentieller Kunden appelliert. Dreistel- lige Millionenbeträge für solchen Werbeunsinn auf der einen Seite und ein Arzneimittelbudget mit Haftung der Ärzteschaft auf der anderen Seite.

Auch das ein signifikantes Beispiel ei- ner verfehlten Gesundheitspolitik.

Das Gesundheitswesen ist kein normaler Markt. Der Patient ist in der Regel unverschuldet krank und be- darf schneller qualifizierter Hilfe. Da- zu sind Versorgungsstrukturen not- wendig, die, unabhängig von der aktu- ellen Nachfrage, medizinische Ein- richtungen und personelle Kapazitä- ten bereithalten – im ambulanten wie im stationären Bereich.

Die derzeitigen Versorgungs- strukturen aber werden der zuneh- menden Spezialisierung und Diffe- renzierung in der Medizin nicht mehr gerecht. Daran würde die verstärkt in die politische Diskussion gebrachte institutionelle Öffnung der Kranken- häuser für die ambulante Versorgung ebensowenig ändern wie kassenarten- spezifische Praxiskliniken, weil da- durch jegliche Bedarfsplanung so- wohl für den stationären wie für den ambulanten Bereich unterlaufen wer- den können. Der Deutsche Ärztetag hat sich deshalb mit überwältigender Mehrheit für eine patientengerechte Strukturreform zur Überbrückung des „Grabens“ zwischen ambulanter und stationärer Krankenversorgung ausgesprochen; sein Vorschlag:

„Der Standard spezialärztlicher Versorgung an den Kliniken der Grund- und Regelversorgung kann durch angestellte Ärzte oder freiberuf- lich tätige Spezialärzte (Kooperatives A-728

P O L I T I K KOMMENTAR

(16) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996

Vorfahrt für die Selbstverwaltung – schon

ausgebremst?

1 Gründlichkeit im Zulassungsver- fahren für das Präparat Betaferon.

Das Arzneimittel für spezielle Indika- tionen der Multiplen Sklerose erhielt Ende November 1995 die Zulassung von der Europäischen Kommission.

Der entsprechende Antrag wur- de bereits im Mai 1994 gestellt, noch nach den alten Vorschriften. Das BfArM sei seinerzeit als Zulassungs- behörde gar nicht in Frage gekom- men, weil Betaferon gentechnisch

hergestellt werde und dafür schon da- mals ein europäisches Konzertie- rungsverfahren durchlaufen werden mußte, erläutert Granitza. Natürlich werde man in Zukunft überlegen, ob man ein Medikament nicht lieber gleich über London zulasse. Aber das liege daran, „daß wir ein global agie- rendes Unternehmen sind“. Schering strebe eben die Zulassung eines Medi- kaments in allen Staaten der Europäi- schen Union an. Sabine Dauth

Karsten Vilmar

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Belegarztsystem, Praxiskliniken) ge- währleistet bleiben. Können die heute als Angestellte in Krankenhäusern ar- beitenden Ärzte künftig auch als Selbständige arbeiten und dann so- wohl stationär wie ambulant tätig sein – so können die heute niedergelasse- nen Ärzte die Möglichkeit erhalten, stationär zu arbeiten . . . An die Stelle hierarchischer Gliederung tritt die ar- beitsteilige Tätigkeit in einem Team.

Ambulant tätige Spezialärzte, die an der stationären Versorgung teilneh- men, gehören zur Gruppe der Teamärzte. Das Team organisiert aus sich heraus in kollegialer Weise patien- tenbedarfsgerechte Arbeitsteilung.“

Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung muß also auf einer personenbezogenen Grund- lage erfolgen, so die gemeinsame Po- sition von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.

Die Leistung sollte dort erbracht wer- den, wo sie am effizientesten durch- geführt werden kann.

Solidarität der Ärzte

Offen allerdings ist bis heute der Katalog ambulant zu erbringender hochspezialisierter Leistungen, für die besonders qualifizierte Kranken- hausärzte (auf Überweisung) ermäch- tigt werden sollen. Und offen bleibt natürlich auch die Frage, ob und wie diese ärztlichen Vorstellungen zur In- tegration Eingang in die politischen Beratungen finden werden. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, wie so- lidarisch die Ärzteschaft auf der Bon- ner Bühne agieren wird. Wenn wir nicht zu Statisten degradiert werden wollen, müssen wir einig und auf der Grundlage gemeinsamer Beschlüsse auftreten. Bei der gesundheitspoliti- schen Weichenstellung liegt es jetzt an der Ärzteschaft, geschlossen die Er- fahrungen ihrer täglichen Arbeit und das Wissen um die Wünsche und Be- dürfnisse kranker Menschen argu- mentativ in den politischen Entschei- dungsprozeß einzubringen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Karsten Vilmar

Präsident der Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1

50931 Köln

A-729

P O L I T I K KOMMENTAR/INTERVIEW

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996 (17) Die private Krankenversicherung

(PKV) hat die Kostendämpfung als ein „gemeinsames Ziel von gesetzli- cher und privater Krankenversiche- rung“ erklärt. Ebenso haben führende private Krankenversicherungen, so zum Beispiel die Deutsche Kranken- versicherung AG als Marktführer der privaten Krankenversicherung, und die Colonia-Krankenversicherung, beide Köln, Central Krankenversiche- rung, die Berlin-Kölnische Kranken- versicherung und andere private Krankenversicherungsgesellschaften in der Öffentlichkeit bereits darüber spekuliert, wie sie mit der Praktizie- rung von Einkaufsmodellen oder mit Health Maintenance Organizations- Modellen (HMO) à la USA „wettbe- werbsfähig“ bleiben können. Aktuel- ler Höhepunkt dieser Gedanken- und Planspiele, ganz im zeitlichen Zusam- menhang mit den parlamentarischen Beratungen zur Strukturreform im Gesundheitswesen: eine groß aufge- machte Anzeigenkampagne des Ver- bandes der privaten Krankenversiche- rung e.V. (PKV) zur Einführung eines brancheneinheitlichen Standardtarifs für Senioren (für private Versicherte, die das 65. Lebensjahr vollendet und mindestens eine zehnjährige Versiche- rungszeit in der privaten

Krankenversicherung zurückgelegt haben).

Aus aktuellem Anlaß befragte die Redaktion Deutsches Ärzteblatt den Vorsitzenden der Gebührenordnungsgre- mien der Bundesärzte- kammer, Dr. med. Al- fred Möhrle; der nieder- gelassene Orthopäde aus Bad Soden ist Präsi- dent der Landesärzte- kammer Hessen, Frank- furt/Main.

Nachdem im vergangenen Jahr Verhandlungen des Verbandes der privaten Krankenversi- cherung mit der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesver- einigung über Vertragsabmachungen zur Einführung des Standardtarifs für ältere Versicherte gescheitert sind, hat sich der Verband der PKV nun ent- schlossen, die privaten Standardtarif- Versicherten darüber zu informieren, bei welchen Ärztinnen und Ärzten sie sich zum 1,3- beziehungsweise bis zum 1,7fachen GOÄ-Satz behandeln lassen können. Der PKV-Verband will in die- sen Tagen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schriftlich befragen, ob sie den Liquidationsrahmen bei Stan- dardtarif-Versicherten einhalten wer- den. Wie ist der aktuelle Stand der Be- ratung in den Fachgremien und im Vorstand der Bundesärztekammer zu diesem Punkt?

Der Vorstand der Bun- desärztekammer hat schon kurz nach Einführung des Stan- dardtarifs für ältere Versicherte den Beschluß gefaßt, der Ärzteschaft zu empfehlen, für die wenigen in diesem Tarif Versicherten die Bedingungen dieses Tarifs zu akzeptieren. Dieser Beschluß wurde auch im Deutschen Ärzteblatt, Heft 49/1994 veröffent- licht. Bei der Diskussion um den Standardtarif muß einerseits bedacht werden, daß dieser Tarif durch den Ausschluß von Zusatzversicherun- gen für den stationären Bereich bewußt unat- traktiv gemacht wird. Er wird also wohl wirklich nur von Versicherten in Anspruch genommen werden, deren wirt-

Private Krankenversicherung/Ärzte

Zur Bescheidenheit zurückfinden

Im Interview: Standardtarif, Ärzte-Umfrage, Einkaufsmodelle

„Der Standardtarif wird wohl nur von Versicherten

in Anspruch genommen, deren

wirtschaftliche Möglichkeiten begrenzt sind.“

DÄ:

Möhrle:

(4)

A-730

P O L I T I K INTERVIEW

(18) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 12, 22. März 1996 schaftliche Möglichkeiten begrenzt

sind. Darauf sollte und wird die Ärz- teschaft sicherlich Rücksicht nehmen.

Andererseits muß man, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch sa- gen, daß auch Rechnungen erstattet werden, die über den 1,7fachen bezie- hungsweise 1,3fachen GOÄ-Satz hin- ausgehen. Dann werden allerdings nur 80 Prozent des Rech-

nungsbetrages erstattet, wobei die 20prozentige Selbstbeteiligung der Patienten auf höchstens 600 DM pro Jahr be- grenzt ist und auch Überschreitungen bei anderen Leistungen (Heil- und Hilfsmittel und anderem) abdeckt.

Der vom PKV-Ver-

band jetzt geplanten Umfrage bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärz- ten stehen wir sehr skeptisch gegen- über. Einerseits steht es im Ermessen eines jeden Arztes, ob er auf diese Umfrage antworten will, andererseits gibt es durchaus verschiedenartige Überlegungen, die in die Antwort ein- fließen werden. Deshalb kann man die Ergebnisse dieser Umfrage sicherlich nicht als repräsentativ für die nieder- gelassene Ärzteschaft ansehen.

Von Anfang an vertrat der Verband der privaten Krankenversicherung die Auffassung, der Standardtarif müsse im Zuge der Vierten Novelle zur Amtlichen Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der GOÄ selbst gesetzlich festgeschrie- ben werden (was der Verordnungsge- ber allerdings ablehnte). Die PKV hat in diesem Zusammenhang auf eine ih- rer Auffassung nach analoge und prä- judizierende Vorschrift in § 5 a GOÄ verwiesen. Danach darf beim Schwan- gerschaftsabbruch sozialversicherten Patientinnen nur bis zum 1,8fachen des Gebührensatzes berechnet werden.

Ist dies nicht ein Systembruch, und ist der Hinweis auf eine präjudizierende Regelung in diesem Zusammenhang gerechtfertigt?

Die Auffassung des PKV- Verbandes ist nicht rich- tig, da die Verankerung der Vergü- tungshöhe für Versicherte eines be- stimmten Tarifwerks für eine amtli-

che Gebührenordnung wesensfremd wäre. Das Beispiel des § 5 a GOÄ zieht hier nicht: Beim Schwanger- schaftsabbruch handelt es sich ja um einen völlig anderen Personenkreis, der sonst nicht dem Kreis der Privat- versicherten angehört. Für diese in ei- ner sozialen Notlage befindlichen Pa- tientinnen ist sicherlich die Sonderre- gelung des § 5 a GOÄ angebracht.

Insgesamt muß man darauf hinweisen, daß es sich bisher nur um 900 bis 1 000 Versi- cherte im Standardtarif der privaten Kranken- versicherung handelt.

Wir sind der Auffas- sung, daß für eine solch geringe Anzahl von Ver- sicherten eine vertragliche oder gar gesetzliche Regelung sicher nicht er- forderlich ist. Schließlich funktioniert auch die Vergütungsregelung bei der Privaten Studentischen Krankenver- sicherung (PSKV) seit Jahren, ohne daß es hier zu uns bekannten Härte- fällen gekommen wäre. Wir glauben also, daß mit der Empfehlung an die Ärzteschaft, die Bedingungen des Standardtarifes zu akzeptieren, alles Notwendige getan ist.

Ist es nach der ärztlichen Berufsordnung zulässig, daß sich Ärzte in Sonderverzeichnis- sen oder gar in Telefonbüchern (Bran- chenverzeichnis) von der PKV führen lassen, wenn sie die Konditionen des Standardtarifs akzeptieren?

Sollten die privaten Krankenversicherungen die Ergebnisse ihrer Umfrage bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärz- ten dazu verwenden, ein Verzeichnis zu erstellen, das den Versicherten be- kanntgemacht wird, würden die hier- in aufgenommenen Ärztinnen und Ärzte gegen die Berufsordnung für Ärzte verstoßen. Die Berufsordnung untersagt es jedem Arzt, sich in Son- derverzeichnisse aufnehmen zu las- sen. Wir würden uns dann gezwungen sehen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln des Berufsrechts gegen die entsprechenden Kollegin- nen und Kollegen vorzugehen. Diese Auffassung haben wir auch dem Ver-

band der privaten Krankenversiche- rung mitgeteilt.

Wie sehen Sie die Chance, daß PKV-Unternehmen mit Einkaufsmodellen und HMO- ähnlichem Marktgebaren (Managed- CarePlans) auf dem Markt landen und bei den Leistungserbringern und bei den Privatversicherten auf breite Ak- zeptanz stoßen?

Wir sehen die Versuche einzelner privater Kran- kenversicherungen, mit HMO-ähnli- chen Modellen auf den Markt zu ge- hen, mit großer Sorge. Schließlich ist ein HMO-Modell die Beseitigung der freien Arztwahl für den Patienten. Sie rührt damit an grundlegende Prinzipi- en unseres Systems der gesundheitli- chen Versorgung. Aus Sicht der Ärz- teschaft sind auch Einkaufsmodelle jeglicher anderer Art abzulehnen. Sie schwächen die Stellung des Patienten, einer solidarisch handelnden Ärzte- schaft und geben den privaten Kran- kenversicherern die Möglichkeit, Mo- nopolstellungen aufzubauen.

Was auch seitens der Privaten Studentischen Krankenversicherun- gen in die Debatte geworfen wird, sind Modelle für ein Case-Manage- ment. Vom theoretischen Ansatz her könnte ein solches durchaus dazu bei- tragen, die Versorgung des einzelnen Patienten zu verbessern und zugleich die Kosten zu optimieren. Nur stößt die praktische Durchführung eines solchen Case-Managements auf zunächst noch unüberwindlich schei- nende Schwierigkeiten. Hier muß die Ärzteschaft gemeinsam mit den pri- vaten Krankenversicherungen über mögliche Lösungen nachdenken.

Fest steht, daß die Ärzteschaft ebenfalls daran interessiert sein muß, die Ausgabenentwicklung im Bereich der privatversicherten Patienten ein- zudämmen. Auch in diesem Bereich sind die Mittel beschränkt, die Prämi- en zu den privaten Krankenversiche- rungen können nicht ins Unermeßli- che steigen. Wir müssen uns von dem Gedanken eines permanenten Wachs- tums lösen und auf allen Gebieten zu einer neuen Bescheidenheit zurück- finden.

Die DÄ-Fragen stellte Dr. Harald Clade

„Aus Sicht der Ärzteschaft sind Einkaufsmodelle jeglicher Art abzulehnen.“

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