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Offene Kinder- und Jugendarbeit unter dem Einfluss von Covid-19

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Academic year: 2022

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Offene Kinder- und Jugendarbeit unter dem Einfluss von Covid-19

- Wie nimmt die Covid-19 Pandemie Einfluss auf die Prinzipien und Charakteristika der Offenen Kinder- und Jugendarbeit? -

Bachelorarbeit zur Erlangung des Bachelors (B.A.) Bachelor of Arts im Studiengang Soziale Arbeit

an der Fakultät für F01- Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Köln

vorgelegt von: Schneider, Martin Johannes

Matrikel-Nr.: 11092522

Adresse: Holweider Str. 55

51065 Köln

martin_johannes.schneider@smail.th-koeln.de +49 157 741 953 53

eingereicht bei: Prof. Dr. Birgit Jagusch Zweitgutachter/in: Maurice Kusber (M.A.)

Köln, 22.04.2021

(2)

„Ja also ich sag mal, da machen wir uns nichts vor: Unsere normale offene Arbeit

findet gerade nicht statt.“ (I2, Z.570-571)

(3)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ... 2

1 Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) ... 4

1.1 Rechtliche Grundlagen und Strukturdaten der OKJA ... 4

1.2 Zielgruppen von Offener Kinder- und Jugendarbeit ... 5

1.2.1 Kinder in der OKJA ... 5

1.2.2 Jugendliche und junge Erwachsene ... 6

1.3 Strukturcharakteristika und Prinzipen der OKJA ... 8

1.3.1 Die Haltung der subjektorientierten Jugendarbeit ... 8

1.3.2 Offenheit und Niederschwelligkeit ... 10

1.3.3 Partizipation ... 12

1.4 Covid-19 und Jugend ... 14

1.5 Covid-19 und Jugendarbeit ... 16

2 Fragestellung und erste Hypothesen ... 19

3 Forschungsdesign ... 20

3.1 Forschungsethik ... 20

3.2 Limitation der Arbeit ... 21

3.3 Sampling und Feldzugang ... 22

3.4 Erhebungsmethode ... 22

3.5 Interviewleitfaden ... 23

3.6 Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse ... 24

3.7 Das Kategoriensystem ... 25

4 Auswertung ... 28

4.1 Angebotsstruktur und Spezifität (OK1) ... 28

4.1.1 Angebotsstruktur und Spezifität vor der Covid-19- Pandemie (UK 1.1) ... 28

4.1.2 Angebotsstruktur und Spezifität während der hybriden Öffnungszeit (UK 1.2) ... 29

4.1.3 Angebotsstruktur und Spezifität während der Schließzeit (UK 1.3) ... 30

4.2 Die Entscheidungskultur in Einrichtungen der OKJA (OK 2) ... 32

4.2.1 Grundeinstellungen zur Entscheidungskultur in Einrichtungen der OKJA (UK 2.1) ... 32

4.2.2 Die Entscheidungsstrukturen während der hybriden Öffnungszeit (UK 2.2) ... 33

4.2.3 Entscheidungskultur in der Schließzeit (UK 2.3) ... 33

4.3 Besucher*innenentwicklung (OK 3) ... 34

4.3.1 Altersstruktur in den Einrichtungen (UK 3.1) ... 34

4.3.2 Zugriff auf Kontaktdaten, Anonymität und Kommunikation (UK 3.2) ... 35

4.3.3 Zugriff, Kenntnis und Bereitschaft zur Nutzung digitaler Medien (UK3.3) ... 36

4.3.4 Besuchende in prekären Lebensverhältnissen (UK 3.4) ... 37

4.3.5 Gesundheitliche Aspekte und Beeinträchtigungen von Besuchenden (UK 3.5) ... 38

4.4 Rahmenbedingungen (OK 4) ... 39

4.4.1 Finanzielle, zeitliche, räumliche und personelle Ausstattungsbedingungen (UK 4.1) ... 39

4.4.2 Rechtliche Rahmenbedingungen (UK 4.2) ... 40

4.4.3 Öffentlichkeitsarbeit und Verbindung zu Entscheidungsträger*innen (UK 4.3) ... 42

4.4.4 Bedingungen Träger, Kommunen und Vernetzung (UK 4.4) ... 43

5 Diskussion und Interpretation ... 43

Literaturverzeichnis ... 49

Abstract ... 57

Eidesstattliche Erklärung ... 58

Anhangsverzeichnis ... 59

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Einleitung

Das Jahr 2020 wird von dem Thema Covid-19 und seinen Auswirkungen dominiert. „Wer applaudiert der Jugend?“ (Willaschek 2021) titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Belastungen sind ungleich verteilt und Kinder und Jugendliche sind von den Auswirkungen durch die Hygieneregelungen in besonderem Maße betroffen (vgl. ebd.). Viele Erfahrungen werden problematisiert oder ganz verboten: Erlebnisse im Freundeskreis, die erste Liebesbeziehung, die Abschlussfahrt oder das Auslandsjahr zwischen Schule und Beruf.

„Die Jugend vergeht einfach, ohne dass man irgendwas erlebt“ (Schmitt 2021) lautet die Überschrift eines passenden Artikels des Zeit- Online Formats Ze.tt. Kinder und Jugendliche empfinden sich durch die Pandemie auf ihre Rolle als Schüler*innen reduziert (vgl. Andresen et. al. 2020b, S. 16). Es geht um Qualifizierung statt um Verselbstständigung, um Infektionsschutz statt um Selbstpositionierung (vgl. Voigts 2020b, S.218). Befunde aus der Resilienzforschung1 unterstreichen die Bedeutung von positiven Erfahrungsräumen, in denen Jugendliche prosoziale Erfahrungen mit Gleichaltrigen sammeln (vgl. Bengel et. Al. 2009, S.109).

Junge Menschen gerieten „in den vergangenen Monaten (…) in den Fokus der Öffentlichkeit.

Nicht als Betroffene, sondern als gedankenlose Feierwütige“ (Lange 2020). Die Sichtweise, dass Jugendliche fahrlässig mit der aktuellen Situation umgehen, wird widerlegt (vgl.

Schnetzer; Hurrelmann 2020; Andresen et. al. 2020b). Hinzu kommt, dass Jugendliche bei den sie betreffenden Entscheidungen kaum Mitspracherecht haben; ihre Interessen werden wenig berücksichtigt (vgl. DBJR; dsj; BSK 2021).

Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (im Folgenden OKJA) sollen Frei- und Erlebnisräume zur Verfügung stellen (vgl. Schmidt 2013, S.19). Welche Bedeutung es hat, wenn diese Erfahrungsräume zumindest teilweise wegfallen, soll in der Bachelorthesis untersucht werden.

Wirkungsziel der Jugendhilfe ist es, Mitbestimmung, Mitgestaltung und Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen (vgl. §11 SGB VIII; BMFSFJ 2020, S.329f.).

Die Jugendarbeit stellt hierbei einen Bereich der Jugendhilfe dar (vgl. §2 Abs.2 Nr.1 SGBVIII). Um die OKJA zu beschreiben, bedarf es einer Perspektive, die die Jugendarbeit als Produkt der Interaktion von Adressat*innen und Pädagog*innen in einem gemeinsamen Bildungsprozess begreift (vgl. Cloos et al. 2009, S.14). Die OKJA erinnert durch ihre Angebotsstruktur an andere Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche (z.B.:

Sportvereine). Die subjektorientierte Haltung (1.3.1), in einem durch Offenheit und

1 Resilienz: Psychische Widerstandsfähigkeit: Bei Kindern und Jugendlichen altersgemäße Entwicklung trotz belastender Lebensumstände (vgl. Bengel; Lyssenko 2016)

(5)

Niederschwelligkeit (1.3.2) charakterisierten Arbeitsfeld führt dazu, das Jugendliche an der Organisation und Gestaltung von Angeboten partizipieren (1.3.3) (vgl. Sturzenhecker 2005, Scherr 1997, Sturzenhecker 2006).

Die OKJA basiert auf einem Menschenbild, das Personen als fähig zu Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein sieht und steht damit konträr zu einer Einstellung, die wünschenswertes Verhalten als Produkt von Kontrolle definiert (vgl. Scherr 1997, S.19).

Daraus ergibt sich, dass eine reine Bestätigung oder Reproduktion gesellschaftlicher Narrative nicht die Aufgabe der OKJA darstellen sollte (vgl. Scherr, Sturzenhecker 2014, S.369). Um Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein zu fördern, hat die OKJA das Ziel, Kontrollmechanismen zu reduzieren und Kinder und Jugendliche an Entscheidungsprozessen zu beteiligen (ebd.). Es ist anzunehmen, dass die Coronaschutzverordnung als normierende Vorgabe konträr zu dieser subjektorientierten Forderung nach der Reduktion von Kontrollmechanismen in der OKJA läuft. Daraus ergibt sich die Frage, wie es der OKJA in Pandemiezeiten gelingt, das Haltungsziel, dass sich die Jugendlichen als „Subjekt ihres Lebens“ (Thiersch; Grunwald 2016, S.590) erfahren, zu erreichen.

Neben der subjektorientierten Haltung weist die OKJA weitere spezifische Charakteristika auf, die sie von anderen Lebensbereichen wie Schule oder Familie unterscheiden. Diese sind unter anderem die Freiwilligkeit und die Unspezifität von Inhalten und Zielgruppen (vgl.

Scherr; Sturzenhecker 2014 S.369). Diese Charakteristika der OKJA spielen in der aktuellen Öffnungsdebatte von Einrichtungen für Kinder- und Jugendliche keine bedeutende Rolle (vgl.

Voigts 2020b, S.218). Diskutiert wird ausschließlich die Absicherung von benachteiligten Teilgruppen (ebd.). Damit spielt das umfassende Bildungsverständnis der OKJA in der aktuellen Debatte keine Rolle (ebd.). Daraus ergibt sich die Gefahr, dass das Arbeitsfeld der OKJA durch die Pandemie zum Erfüllungsgehilfen von stärker auftretenden Institutionen wie Familie oder Schule reduziert wird. Diese Problematik wird bereits von einzelnen Interessengruppen aufgegriffen und an die Entscheidungsträger*innen herangetragen. So appelliert der Arbeitskreis G52 in einem Positionspapier an die Entscheidungsträger*innen, Jugendarbeit neben Schule, Kita und Familie im Lockdown3 zugänglich zu machen. Es fehle Jugendlichen an sicheren Räumen, um ihre „körperliche und seelische Unversehrtheit“

sicher zu stellen (vgl. ebd.). Forderungen wie diese könnten einen Hinweis darauf bieten, dass OKJA in der Pandemie auf die Bewältigung von Krisen und der Gewährleistung von Betreuung reduziert ist.

2 Zusammenschluss der landeszentralen Organisationen der Jugend- und Jugendsozialarbeit: Landesvereinigung kulturelle Jugendarbeit NRW, Landesjugendring NRW, Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit NRW, Paritätisches Jugendwerk NRW, Arbeitsgemeinschaft Offene Tür NRW

3 Zeitraum in dem die Einrichtungen der OKJA geschlossen sind

(6)

In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern sich die Charakteristika der OKJA durch die Pandemie verändern oder einschränken. Zunächst sollen im ersten Kapitel dieser Arbeit Theorien zur OKJA und der aktuelle Forschungsstand vor und während der Pandemie dargestellt werden. Anschließend werden Hypothesen und forschungsleitende Fragen aufgezeigt. Im dritten Teil sollen die in dieser Arbeit verwendeten wissenschaftlichen Methoden beschrieben werden. Die Auswertung wird im vierten Teil dargestellt;

abgeschlossen wird die Arbeit mit der Diskussion der Ergebnisse.

1 Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA)

In diesem Kapitel sollen zunächst die rechtlichen Grundlagen und Strukturdaten des Arbeitsfeldes OKJA skizziert werden (1.1). In Kapitel 1.2 werden die unterschiedlichen Zielgruppen der OKJA beschrieben. Kapitel 1.3 beschreibt die Charakteristika und Prinzipien der OKJA. Das Kapitel 1.4 beinhaltet Forschungsergebnisse zum Thema Covid-19 und Jugend und das Kapitel 1.5 beinhaltet Forschungsergebnisse zum Thema OKJA während der Covid-19-Pandemie.

1.1 Rechtliche Grundlagen und Strukturdaten der OKJA

Die OKJA steht in einem Spannungsfeld zwischen einer Perspektive der öffentlichen Kontrolle und Ordnung und einer sozialisatorischen und lebensweltlichen Perspektive (vgl.

BMFSFJ 2020, S.386). Nach ihrem gesetzlichen Auftrag sollen die Angebote Offener Kinder- und Jugendarbeit an den „Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden“ (§11 Abs.1 S.2 SGB VIII). Die OKJA soll Kinder und Jugendliche „zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen“ (§11 Abs.1 S.2 SGB VIII).

OKJA ist ein Angebot, welches sich an alle Kinder und Jugendliche richtet. Sie reichen von Jugendzentren, Häusern der offenen Tür, Kinder- und Jugendtreffs, Spielmobilen, Abenteuerspielplätzen bis hin zu Schulen, in denen Freizeitmöglichkeiten, Projektarbeit zu bestimmten Fragen, sportliche Aktivitäten, Medienangebote, Hausaufgabenhilfen und vieles mehr angeboten wird. (vgl. MKFFI-NRW, o.J.)

Die Heterogenität der Angebotsvielfalt in Kombination mit der durchschnittlichen Wochenstundenzeit für den Offenen Bereich in Einrichtungen (durchschnittlich 12,0 Stunden in 2017) (vgl. Mühlmann; Pottmann 2019, S.4f.) lässt vermuten, dass klassische Offene Türen mit offener „Komm- Struktur“ nur noch selten konzipiert sind. Der Offene Bereich ist vielmehr eingebettet in ein Gesamtspektrum an Angeboten und ist in 57% der Einrichtungen

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weniger als 7 Stunden in der Woche geöffnet (vgl. ebd.). Inhaltlich wurden bei offenen Angeboten die Schwerpunkte „spielbezogen“ (47%), „Sport“ (28%) und „Kunst und Kultur“

(21%) von den Einrichtungen benannt (vgl. ebd.).

Die Mehrheit der Einrichtungen in NRW (84%) verfügen über einen Außenbereich (vgl.

Deinet et Al. 2017, S.26f.). Die Räumlichkeiten werden bei 57% der Befragten von externen Nutzer*innengruppen und Personen mitgenutzt (vgl. ebd., S.24).

1.2 Zielgruppen von Offener Kinder- und Jugendarbeit

Junge Menschen bis 27 Jahre sind in der Regel Adressat*innen Offener Kinder- und Jugendarbeit (vgl. §11 Abs.1. S.1 SGB VIII i.V.m. §7 Abs.1 Nr.4 SGB VIII). Dies betrifft Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die Jugendphase als eigenständige Lebensphase ist zunehmend komplexer, es wird von einer Verlängerung der Lebensphase gesprochen (vgl. MFKJKS- NRW 2016, S.28). Dies führt dazu, dass die Jugendphase zunehmend schwerer von der Phase der jungen Erwachsenen trennbar ist (vgl. Schröder 2013, S.111). Daher wird in diesem Kapitel darauf verzichtet, neben den Zielgruppen Kinder (1.2.1) und Jugendliche (1.2.2) gesondert auf die Zielgruppe junge Erwachsene einzugehen.

In NRW zählte die OKJA durchschnittlich 3,6% der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 27 Jahren als Stammbesucher*innen (vgl. LVR; LWL 2015, S.12). Jede neunte Person im Alter zwischen 6 und 18 Jahren besucht regelmäßig Angebote der OKJA (vgl. ebd.).

1.2.1 Kinder in der OKJA

Laut Gesetz sind Kinder definiert als alle Personen die noch nicht 14 Jahre alt sind (vgl. §1 Abs.1 Nr.1 JuSchG). Kinder haben einen Subjektstatus, das heißt, sie sind nicht primär abhängig von erwachsenen Erwartungen, sondern erleben ihre Entwicklung aus einer kindseigenen Perspektive (vgl. BMFSFJ 1998, S.4). Kinder sind einerseits aktive, sich Wissen aneignende Subjekte, andererseits ist die Lebensphase von Institutionalisierung und Standardisierung geprägt (Andresen 2018, S 367). Die Familie ist die zentralste Sozialisationsinstanz (vgl. Fuhs; Brand 2013, S.92f; BMFSFJ 1998, S.5).

Bindungserfahrungen von Kindern in der Kernfamilie sind relevant für das Verhalten gegenüber Gleichaltrigen und wirken fördernd oder begrenzend auf die Entwicklung (vgl.

Krappmann 2013, S. 837).

Kinder zählen in zunehmender Weise zu den Besucher*innen der Einrichtungen der OKJA (vgl. Fuhs; Brand 2013, S.96f.). Die Verselbstständigung und steigende Mobilität durch das Älterwerden ermöglicht es Kindern, über ihre Lebenswelt frei zu entscheiden (vgl. BMFSFJ 2009, S.100). Kinder erleben Aneignungs- und Gestaltungsprozesse unter Anderem in

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Jugendhilfeeinrichtungen (vgl. ebd.). Durch diese Gestaltungsprozesse und durch die Interaktion in Peerbeziehungen 4werden Bildungsprozesse initiiert (vgl. Nörber 2013, S.341).

Einrichtungen der OKJA als bildungswirksame Gelegenheitsstrukturen für informelle Bildung5 knüpfen an gruppendynamischen Prozessen an (vgl. Sting; Sturzenhecker 2005, S.239).

Durch die Pandemie und die damit verbundenen Regelungen waren Orte der Freizeitgestaltung zeitweilig physisch geschlossen (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.10).

Die Reintegration von vollzeitbeschäftigten Eltern in den Arbeitsmarkt gilt als größter Schutzfaktor vor Kinderarmut (vgl. Andresen 2018, S.365f). Hierdurch entsteht ein erhöhter Bedarf an Betreuungsplätzen, die die Heranwachsenden adäquat in Erziehung, Bildung und Betreuung begleiten. Diese Plätze sind qualitativ und quantitativ nicht in ausreichendem Maße verfügbar (vgl. ebd.). Durch die Covid-19- Pandemie waren zeitweilig Betreuungseinrichtungen und Schulen geschlossen, Mitarbeitende der OKJA wurden eingesetzt, um den zusätzlichen Betreuungsbedarf aufzufangen (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.13). Der Mangel an Betreuungsplätzen führt dazu, dass die Wahrnehmung von OKJA in der Ganztagsbetreuung liegt. Dieser Anschluss an formalisierende Strukturen hat laut Scheer und Sturzenhecker (2014) zur Folge, dass die OKJA in ihrer Professionalität eingeschränkt ist (vgl. ebd, S.370). Die aktuelle Situation könnte dazu führen, dass das Arbeitsfeld weiter formalisiert wird.

1.2.2 Jugendliche und junge Erwachsene

Jugendliche sind nicht mehr Kinder und noch nicht vollends mündige Erwachsene (vgl.

Ferchhoff 2007, S.90; Schröder 2005, S.90). Entwicklungsaufgaben definieren sich über den Wunsch nach Veränderung einer als defizitär bewerteten Situation (vgl. Dreher; Dreher 1985, S.57). Jugend ist eine Phase des Lernens, der individuellen und sozialen Entwicklung, der Selbstfindung, der Orientierungssuche, aber auch von Statusunsicherheiten“ (MFKJKS- NRW 2016, S.28). Die Lebensphase Jugend wird zudem von der Erreichung von (Teil-) Mündigkeit begleitet (vgl. u.a. §19 StGB; §7 KWahlG). Z. B. werden Jugendliche mit Vollendung des 14. Lebensjahres strafmündig (vgl. §19 StGB) oder erhalten mit 16 Jahren kommunales Wahlrecht (vgl. §7 KWahlG). Entwicklungspsychologisch ist die Jugendphase definiert mit der zentralen Aufgabe der Entwicklung eines tragfähigen Lebensentwurfs und dem damit verbundenen Selbstwert (vgl. Böhnisch 1998, S.155f.). Die Jugendphase ist davon begleitet, dass Jugendliche sich aus der häuslichen Familie verselbstständigen und

4 Peerbeziehungen zeichnen sich durch die Faktoren Wählbarkeit und Ebenbürtigkeit aus. Die Ebenbürtigkeit grenzt den Begriff von Gleichaltrigen- Beziehungen ab (vgl. Nörber 2013, S.339).

5 Informelle Bildung wird in dieser Arbeit nach der Definition des Bundesjugendkuratoriums (2001) begriffen:

„Unter informeller Bildung werden ungeplante und nicht- intendierte Bildungsprozesse verstanden, die sich im Alltag von Familie, Arbeit und Freizeit ergeben, aber auch fehlen können. Sie sind zugleich unverzichtbare Voraussetzung und `Grundton´, auf dem formellen und nicht- formelle Bildungsprozesse aufbauen.“ (ebd., S.5)

(9)

ihre Position in der sich verändernden Umwelt suchen (vgl. Böhnisch 1998, S.156f). Die Entwicklung wird sowohl durch biografische Erfahrungen als auch durch sich neu entwickelnde Beziehungsnetze in der Umwelt beeinflusst (vgl. ebd.). In der Regel besteht in der Jugendphase weiterhin eine ökonomische Abhängigkeit zum Elternhaus (vgl. Ferchhoff 2007, S.88). Die Verselbstständigung der jungen Menschen in dieser Phase beendet den Bedarf nach pädagogischer Betreuung und Kontrolle durch Erwachsene (vgl. ebd.). Die Lebensphase der jungen Menschen wird laut SGB VIII mit Eintritt in das 28. Lebensjahr beendet (vgl. §11 Abs.1 S.1 SGB VIII i.V.m. §7 Abs.1 Nr.4 SGB VIII).

Es gibt nicht „die Jugend“ als homogene Gruppe. Vielmehr lässt sich die Lebensphase als Abschnitt mit einer Vielzahl an Teilübergängen definieren. Somit ergibt sich eine Teilreife aus biologischer, politischer und soziologischer Perspektive (vgl. Ferchhoff 2007, S.86f.). Die Entwicklungsaufgaben der Jugendphase umfassen die biologischen Veränderungen durch die Pubertät und die kulturellen Anforderungen der Adoleszenz. Idealerweise erhalten Jugendliche in dieser durch Veränderung geprägten Lebensphase einen freien Erprobungsraum (vgl. Schröder 2013, S.111ff.). Jugendliche, die über begrenztes soziales Kapital verfügen, können auf weniger dieser Räume zurückgreifen (vgl. ebd.). Einen solchen Erprobungsraum versucht die OKJA zu bieten (Deinet; Icking 2017, S. 16).

Das verbindende Element dieser Lebensphase ist die Schule. Durch die Verlängerung der Schulzeit greift diese stärker in das Leben der Jugendlichen ein (vgl. Hagedorn 2017, S.8).

Institutionen der formalen Bildung 6kommt eine zunehmend bedeutende Rolle zu. Schulen sind in ihrer Zielsetzung primär an der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt orientiert (ebd.).

Eine politische Bildung mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche zu verantwortungsbewussten Gesellschaftsmitgliedern zu entwickeln, wird in Schulen nicht priorisiert (vgl. BMFSFJ 2017, S.77).

Das Bildungsverständnis der Jugendhilfe grenzt sich vom formalen Bildungsbegriff in der Zielsetzung ab. Ziel von Jugendhilfe als eigenständiger Ort für Bildungsprozesse ist die Eigenverantwortung der Adressat*innen (vgl. ebd., S.77f.). Jugendliche sollen durch Aneignungsprozesse des Sozialraums zum eigen- und fremdverantwortlichen Handeln befähigt werden. Jugendliche sollen bei der Angebotsgestaltung und Verantwortung beteiligt werden (vgl. ebd.).

6 Formale Bildung wird in dieser Arbeit nach der Definition des Bundesjugendkuratoriums (2001) begriffen:

„Unter formeller Bildung wird das gesamte hierarchisch strukturierte und zeitlich aufeinander aufbauende Schul- , Ausbildungs- und Hochschulsystem gefasst, mit weitgehend verpflichtendem Charakter und unvermeidlichen Leistungszertifikaten“ (ebd., S.5)

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Zentrale Entwicklungsaufgabe in der Jugendphase ist die Konstruktion eines tragfähigen Lebensentwurfs. Ziel ist es, den Selbstwert der Adressat*innen zu steigern (vgl. Böhnisch 1998, S.155). Die OKJA bietet den Jugendlichen Gelegenheitsstrukturen orientiert an den jugendkulturellen Bedingungen und schafft so eine Verbindung zwischen emotionalem und sozialem Lernen. Dies hat das Ziel, den Selbstwert zu steigern (vgl. ebd.).

1.3 Strukturcharakteristika und Prinzipen der OKJA

Die Zielsetzung der OKJA unterscheidet sich von der Zielsetzung anderer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (Schulen, Sportvereine, etc.). Sie verfolgt das primäre Ziel, Eigenverantwortung zu stärken und grenzt sich so von formalbildenden Institutionen mit der Fokussierung auf Arbeitsmarktqualifizierung ab (vgl. BMFSFJ 2017, S.77f.). Um ihre Zielsetzung zu erreichen, weist die OKJA spezifische Strukturcharakteristiken und Prinzipien auf. Im Folgenden werden die Haltung der subjektorientierten Jugendarbeit (1.3.1), die Offenheit und Niederschwelligkeit (1.3.2) und die Partizipation (1.3.3) näher beschrieben.

1.3.1 Die Haltung der subjektorientierten Jugendarbeit

Jugendarbeit soll Heranwachsende darin unterstützen, ihren eigenen Weg im Leben zu finden. Damit dies gelingt, ist Wissen über das eigene Selbst in Einbettung von gesellschaftlichen Kontexten von großer Bedeutung (vgl. Scherr 1997, S.56). Ziel der Jugendarbeit ist es, dass Jugendliche nicht nur zu reinen Funktionsträgern in gesellschaftlichen Teilsystemen erzogen werden, sondern dass sie eine selbstbewusste und selbstständige Handlungsfähigkeit erlangen (vgl. ebd., S.23). Um dieses Ziel zu erreichen bietet die Subjektorientierung eine Grundorientierung für die Haltung von Sozialarbeiter*innen in der OKJA und stellt so ein Grundprinzip dieser dar.

Subjektwerdung bedeutet die Annäherung an ein vollständiges Bewusstsein sich selbst gegenüber mit einhergehender Selbstbestimmung bezogen auf das eigene Handeln (vgl.

ebd., S.47). Jugendliche sollen fähig werden, Entscheidungen zu fällen, sich ein Urteil zu bilden und daraus Handlungen abzuleiten. Diese Fähigkeiten stehen in Interaktion mit einem bewussten Umgang mit inneren und äußeren Begrenzungen (vgl. Scherr 2013, S.297).

Die Grundannahme einer subjektorientierten Haltung ist, dass Jugendliche als Personen fähig zu Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein sind (vgl. Scherr 1997, S.19). In dieser Fähigkeit soll die OKJA sie unterstützen und zu Entwicklungsprozessen anregen. Um sich in diesem Sinne weiter zu entwickeln, müssen Jugendliche darin unterstützt werden, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen (vgl. ebd., S.139).

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Die Subjektorientierung beinhaltet eine kritisch-emanzipatorische Funktion, die im Kern die Selbstbestimmung und Autonomie ihrer Rezipient*innen sichern soll (vgl. ebd., S.11). Damit grenzt sie sich von einer Sichtweise, die ökonomische Verwertbarkeit der Adressat*innen im Fokus hat, ab (vgl. ebd., S.12f.).

Eine Emanzipation von gesellschaftlichen Normvorstellungen kann nur gelingen, wenn diese im Austauschprozess mit den Jugendlichen in Form eines gemeinsamen Bildungsprozesses entsteht (vgl. ebd., S.15). Der hier genannte Bildungsprozess unterscheidet sich von einem Bildungsverständnis, das den reinen Erwerb von Wissen im Fokus hat. Vielmehr wird im Sinne der subjektorientierten Haltung der Bildungsbegriff als emanzipatorisch und umfassend angelegt und grenzt sich somit von formalbildenden Institutionen mit qualifizierender Zielsetzung ab (vgl. Scherr 2013, S.298f.).

Jugendarbeit sollte sich an moralisch begründeten Normen orientieren und nicht an ökonomischen Vorgaben oder politischen Ideologien (vgl. Scherr 2016, S.34). Erziehung als Reproduktion von Macht- und Herrschaftsverhältnissen muss dementsprechend vermieden werden (vgl. ebd., S.35). Als Ziele pädagogischen Handelns sollen nicht vorgegebene Werte und Normen dienen. Anstelle dessen sollen Autonomie, Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung und Mündigkeit der Adressat*innen stehen (vgl. Scherr 1997, S.19).

Konkret heißt dies, dass Jugendliche befähigt werden sollen, an Entscheidungsprozessen innerhalb und außerhalb der Einrichtung beteiligt zu sein (vgl. Scherr 1997, S.139). Die Beteiligung an den Angeboten wird im Auftrag der OKJA (§11 SGB VIII) benannt. Somit werden Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht (vgl. Scherr 1997, S.139). Die sozialen Beziehungen in der OKJA sollen ehrlich und verlässlich gestaltet sein (vgl. ebd., S. 139f.).

Die OKJA soll an den Lebenszusammenhängen Jugendlicher ansetzen, um ihnen in ihren subjektiven Lebenswelten mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen (vgl. ebd., S.143f.).

Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass es in der OKJA nicht darum geht, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (vgl. Scherr; Sturzenhecker 2014, S.369; Scherr 1997, S.11), gesellschaftlich anerkanntes Verhalten zu reproduzieren (vgl. Scherr 2016, S.

35) oder in erster Linie einem Erziehungs- und Qualifizierungsauftrag, wie er in formellen Bildungseinrichtungen vorherrscht, nachzukommen (vgl. Scherr; Sturzenhecker 2014, S.369f.). Stattdessen soll die OKJA Kinder und Jugendliche dabei unterstützen und dazu befähigen, sich selbst zu verwirklichen und ihr Leben nach eigenen Wünschen zu gestalten (vgl. Scherr, 1997, S.58).

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1.3.2 Offenheit und Niederschwelligkeit

Wie unter 1.3.1 dargestellt stellt die Bildung einer subjektiven Identität ein zentrales Ziel der OKJA dar. Soll die OKJA gewährleisten, dass jeder nach eigenen Vorstellungen und Wünschen ein individuelles „Ich“ entwickeln kann – auch und gerade abseits gefestigter Normen, die gesellschaftliche Institutionen vorgeben – muss die OKJA einerseits offene, andererseits niederschwellige Angebote zur Verfügung stellen. Die Offenheit stützt sich dabei auf zwei Dimensionen (Offenheit den Zielgruppen gegenüber und Offenheit in den Inhalten) (vgl. Sturzenhecker 2005, S.341). Die Sozialisation findet weniger in traditionellen Institutionen wie Schule oder Familie statt und zunehmend in selbstgewählten Räumen im Freizeitbereich (vgl. Fromme 2005, S.139). Die Identitätsbildung findet an strukturell offenen Orten statt mit geringer Verbindlichkeit (vgl. ebd.). Gerade für solche Kinder und Jugendliche, die an Orten mit höheren Verbindlichkeiten und Erwartungen zu scheitern drohen oder größere Schwierigkeiten bekommen, muss die OKJA eine Anlaufstelle sein, an der sie unter jeder Voraussetzung angenommen werden und sich entfalten können (vgl.

Oskamp 2013, S.132). Die OKJA muss also auf jedes mögliche „Subjekt“ eingehen (Offenheit) und darf aus diesem Grund nicht die Einstiegshürden aufstellen, die andere Institutionen möglicherweise bieten (Niederschwelligkeit).

Das Charakteristikum der Offenheit zielt darauf ab, dass die OKJA grundsätzlich allen Kindern und Jugendlichen offenstehen soll. Sie hat damit den Anspruch, unabhängig von Alter, sozialem Millieu, Geschlecht, Herkunft etc. für alle Kinder und Jugendlichen zur Verfügung zu stehen. Die Zielgruppen der OKJA sind hierdurch zunächst undefiniert (vgl.

Sturzenhecker 2005, S. 341).

Die Gesellschaft ist von einem stetigen Wandel der politischen, ökonomischen und soziokulturellen Strukturen bestimmt (vgl. Fromme 2005, S. 133f.). Die Jugendarbeit muss sich in ihrer Offenheit auf die sich wandelnden Bedingungen mit fortschreitend pluralisierenden jugendkulturellen Ausdrücken einstellen (vgl. ebd.). Die Angebotsgestaltung setzt demnach eine stetige Analyse von Zielgruppen und Bedarfslagen voraus (vgl. ebd.).

Die Analyse der Bedarfslagen umfasst einerseits die Wahrnehmung von individuellen Ressourcen der Zielgruppe und andererseits die Kenntnis über externe Freizeitangebote im Sozialraum (vgl. ebd, S.138). OKJA konstituiert sich im Spannungsfeld „zwischen informeller und institutionalisierter Freizeit“ (ebd., S.134).

Anders als in anderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (z.B. Schulen) verfügen die Einrichtungen der OKJA über keinerlei Machtmittel, um Jugendliche zu der Teilnahme an Angeboten zu verpflichten. Die Strukturbedingung der Freiwilligkeit liegt demnach vor (vgl.

Sturzenhecker 2005, S.341). Da OKJA keine Machtmittel besitzt, werden Angebote nur dann

(13)

angenommen, wenn sie sich an den Lebenswelten der Zielgruppen orientieren, das heißt, wenn sie die „Bedürfnisse, Interessen und lebensweltlichen Problemlagen der Zielgruppe“

(ebd.) berücksichtigen.

Um dem Anspruch, für alle Kinder und Jugendliche zugänglich zu sein, gerecht zu werden, ist eine konsequente Ausrichtung der Angebote an den Bedürfnissen der Besucher*innen eine grundlegende Bedingung (vgl. Scherr; Sachs 2015, S. 11). Soziale Arbeit muss reflektieren, inwieweit gesellschaftliche Exklusions- und Inklusionszwänge die Autonomie ihrer Adressat*innen begünstigen oder begrenzen (vgl. Scherr 2008, S.85). In der Analyse müssen sowohl Teilnahme- und Ausschlussbedingungen als auch die Folgen derer erkannt und bewertet werden. Inklusionszwänge in der Reproduktion von Normvorstellungen müssen ebenso hinterfragt werden wie Exklusionszwänge in Form von Zugangsbeschränkungen zu sozialen Gruppen (vgl. ebd. S.87). Gefahr von pädagogischen Interventionen ist es, von vorgefertigten Normvorstellungen Ziele für Adressat*innen abzuleiten (vgl. ebd.). Eine Reflexion auf Basis von Gesellschafts- und Sozialtheorien ermöglicht es Fachkräften, ihre Entscheidungen zu hinterfragen (vgl. ebd.). Soziale Arbeit steht vor der Aufgabe, zum einen Exklusionszwänge und ihre Folgen zu bearbeiten und zum anderen Reintegration zu ermöglichen. Sie muss dabei die Lebensumstände ihrer Adressat*innen ebenso im Fokus haben wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen (vgl. ebd.).

Fromme (2005) stellt fest, dass die Lebensläufe in der heutigen Gesellschaft zunehmend an Individualisierung gewinnen (vgl. ebd. S. 139). Die Sozialisation findet weniger in traditionellen Institutionen wie Schule oder Familie statt und zunehmend in selbstgewählten Räumen im Freizeitbereich (vgl. ebd.). Die Identitätsbildung findet somit an strukturell offenen Orten mit geringer Verbindlichkeit statt (vgl. ebd.). Es ergibt sich, dass auch für die OKJA von zentraler Bedeutung ist, dass sie das Charakteristikum der Offenheit vorweist.

Klassische erreichbare Ziele bleiben in der OKJA zunächst abstrakt (vgl. Sturzenhecker 2005, S. 341).

Das Arbeitsfeld setzt sich von anderen Orten der Freizeitgestaltung durch seine pädagogische Zielsetzung ab (vgl. Fromme 2005, S.142). Der Raum ist so konzipiert, dass Jugendliche in Austauschprozesse mit Gleichaltrigen unter der Begleitung durch erwachsene Fachkräfte treten können (vgl. ebd.). Somit konstituiert sich ein Raum, der offen für Individualität, Selbstinszenierung und Selbstorganisation ist und gleichzeitig eine kritische, reflektierende Begleitung durch Pädagog*innen gewährleistet (vgl. ebd.). Der Bildungsauftrag der OKJA ergibt sich aus diesen non-formalen7 und informellen

7 Non- formale Bildung: „Unter nicht- formeller Bildung ist jede Form organisierter Bildung und Erziehung zu verstehen die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat.“ (Bundesjugendkuratorium 2001, S. 5)

(14)

Bildungsgelegenheiten (vgl. ebd.). Die Angebote sollen dabei unspezifisch organisiert sein (vgl. Sturzenhecker 2005, Z.341).

Neben der Frage, „wie“ Angebote gestaltet werden, muss auch das „wann“ an den Zielgruppen orientiert sein (vgl. Sturzenhecker 2013, S.341). Im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit gibt es wenige gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Spezifität oder den Zugang zu Angeboten definieren (vgl. ebd.). Durch den offenen Charakter werden die Jugendlichen zu „Co-Produzierenden“ (Schulz 2013, S.54) der Jugendarbeit. Die Offenheit bietet den Raum für jugendliche Selbstinszenierung jenseits von formalisierten Angeboten (vgl. ebd., S.55).

Aus dem dargestellten unspezifischen Vorgehen Offener Kinder- und Jugendarbeit lässt sich die Bedingung konstatieren, dass OKJA sich inhaltlich und zeitlich flexibel ausrichten muss.

Durch die Orientierung an der Lebenswelt der Adressat*innen und der Freiwilligkeit der Angebote ergibt sich ein niederschwelliger Zugang zu den Einrichtungen. Dieser ermöglicht es, Beratungen alltagsnah in unspezifischen Settings durchzuführen (vgl. Holstein- Brinkmann; Knab 2016, S.1). Gelegenheitsstrukturen ermöglichen es, niederschwellig bei der Problembewältigung Unterstützung anzubieten (vgl. ebd., S.2). „Partizipation, Niederschwelligkeit und Entspezialisierung“ (ebd., S.3) als strukturelle Charaktereigenschaften begründen die kritisch-emanzipative Funktion der OKJA. Durch den distanzregulierenden Charakter offener, unspezifischer Angebote werden Zugangsbarrieren abgebaut und die Gelegenheit für Partizipation am Prozess gegeben (vgl. ebd., S.7).

1.3.3 Partizipation

Um die subjektorientierte Jugendarbeit praktisch umzusetzen, ist Partizipation von zentraler Bedeutung. Die Partizipation ist im Auftrag an die OKJA durch die formulierte

„Mitbestimmung“ und die „Mitgestaltung“ (§11 Abs.1 SGB VIII) bei den Angeboten des Arbeitsfeldes verankert. Gelingende Partizipation von Subjekten setzt Raum für Partizipationserfahrungen voraus (vgl. Deinet et al. 2017, S.163). Das bedeutet, dass Jugendarbeit Räume für Selbstwirksamkeitserfahrungen schaffen muss (vgl. Deinet et al.

2017, S.163).

Das Erleben von Partizipation hilft Jugendlichen, zu mündigen Bürgern heranzuwachsen.

Dies ergibt sich dadurch, dass eine Folge von Partizipation die Beteiligungsfähigkeit an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen ist (vgl. Sturzenhecker 2013, S. 326). Die Jugendphase bestimmt sich als die Zeit, in der Heranwachsende durch Aushandlungsprozesse ihren Platz innerhalb der Gesellschaft finden (vgl. Schröder 2013, S.112).

(15)

Sturzenhecker beschreibt neun Aspekte der Prozessqualität von Partizipation als Strukturqualität. Durch „Anerkennung, Achtung und symmetrische Kommunikation“

(Sturzenhecker 2006, S.3) werden Machtgefälle zwischen den Beteiligten minimiert. Die

„Gleichheit in Differenz“ (ebd.) beinhaltet den Abbau von Machtpositionen und die Förderung von Gleichberechtigung unter gleichzeitiger Gewährleistung von Individualität (vgl. ebd.).

Dritter Aspekt ist die „Unterstützung bei der Artikulation und Interessensplatzierung“. (ebd.

S.3) Jugendliche sollen dabei unterstützt werden, Demokratie zu erleben, indem ihre Interessen in der Öffentlichkeit präsentiert werden (vgl. ebd.). Viertens erfordert Partizipation

„Ergebnisoffenheit, Konfliktfreundlichkeit und Konfliktfähigkeit“ (ebd.). Konflikte sollen als Ausdruck von Prozessen der Auseinandersetzung begriffen werden. Der fünfte Aspekt umfasst die Rolle der Fachkräfte in der gesellschaftlichen Debatte. Für die Qualität von Partizipation ist es förderlich, wenn Fachkräfte selbst Teil von demokratischen Prozessen sind (vgl. ebd., S.4). Sechster Aspekt ist eine gelebte Fehlerkultur. Entscheidungen bedürfen einer „Revidierbarkeit und [einem] Recht auf Scheitern“ (ebd.). Siebter Aspekt ist

„Argumentation und Moderation“ (ebd.) als anwendbare Methode für Fachkräfte, um partizipative Prozesse zu unterstützen (vgl. ebd.). Als achten Aspekt nennt Sturzenhecker, dass Partizipation in einem Umfeld stattfinden muss, in dem Kindern und Jugendlichen vertraut wird, für sie wichtige Fragen zu beantworten (vgl. ebd.). Letzter Aspekt ist die

„Freiwilligkeit oder das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Verweigerung von Partizipation“ (ebd.).

Relevant ist, dass OKJA als Ort konzipiert ist, an dem Demokratie im täglichen Handeln erlebbar gemacht wird. Grundvoraussetzung ist die Orientierung an den Bedarfen und den Bedürfnissen der Jugendlichen und das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs innerhalb der Gemeinschaft (vgl. Sturzenhecker 2013, S.326). Partizipation bedarf zunächst eines Ortes, innerhalb dessen Heranwachsenden Strukturen bereitgestellt werden, die Mitbestimmung und Mitgestaltung ermöglichen. Die Initiation dieser Prozesse geht von den erwachsenen Fachkräften aus und soll Jugendliche zunächst zu Koproduzenten innerhalb der Jugendarbeit und mittelbar zu Teilhaber*innen der demokratischen Gesellschaft ermächtigen (vgl. ebd., S.328f; Deinet et al. 2017, S.163).

Für die Bürgerschaft innerhalb einer demokratischen Gesellschaft ist die Gleichberechtigung aller Gesellschaftsmitglieder Bedingung. Gerechtigkeit hat in einer sozialen Demokratie die Funktion inne, politische Konflikte zu lösen (vgl. Meyer 2009, S.39). Gerechtigkeit wird dabei definiert durch zwei Dimensionen: Erstens müssen allen Bürger*innen die selben Freiheiten und Grundrechte offenstehen, zweitens erfordert die Gerechtigkeit eine Chancengleichheit für Beteiligung und Versorgung, die zunächst den benachteiligten Mitgliedern einer

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Gesellschaft obliegen (vgl. Hinsch 2002, S.1). Abgeleitet aus dem Demokratieverständnis von Gerechtigkeit und dem gesetzlichen Auftrag von OKJA ergibt sich somit ein Partizipationsverständnis, dem neben Strukturen der Mitbestimmung und Mitgestaltung auch die Emanzipation von strukturell benachteiligten Milieus zukommt (vgl. Oskamp 2013, S.127). Diese Beschreibung spiegelt sich in der Förderung von Selbstbestimmung bei der subjektorientierten Haltung nach Scherr (1997) wider.

OKJA hat das Potential jungen Menschen demokratisches Erleben zu ermöglichen (vgl.

Sturzenhecker 2013, S.333f.). Weiterhin kann die OKJA leisten, dass Jugendliche aus exkludierten und benachteiligten Verhältnissen ebenso Teilhabe erfahren wie privilegiertere Milieus (vg. ebd.). Im Vergleich zu anderen Lebenswelten der Heranwachsenden, wie Schule, Familie oder Konsumwelt, kommt dem Arbeitsfeld durch seine Niederschwelligkeit eine alleinstehende Rolle bei dieser Entwicklungsaufgabe zu (vgl. ebd.). Für das Arbeitsfeld ergibt sich daraus die Aufgabe, einerseits Mitwirkungsrechte und -pflichten mit den Besuchenden auszuhandeln und andererseits diese im Prozess der demokratischen Bildung zu unterstützen (vgl. ebd., S.335).

1.4 Covid-19 und Jugend

In ersten Studien seit Beginn der Covid-19-Pandemie wird die Lebenswelt von Jugendlichen untersucht. Jugendliche fühlen sich in ihrer Rolle reduziert auf die Funktion als Schüler*innen und erleben, dass ihre Wünsche und Vorstellungen nicht gehört werden (vgl. Andresen et al.

2020b, S.12). Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in nicht formalbildenden Institutionen (vgl. BMFSFJ 2020, S.329). In Vereinen, Jugendverbänden oder Jugendzentren erleben Jugendliche Freizeitgestaltung und informelle und non- formelle Bildungsprozesse (vgl. ebd.). Diese Orte des Heranwachsens sind größtenteils 2020 weggefallen. Damit verbunden hat sich das Freizeitverhalten Jugendlicher in diesem Jahr verändert (vgl. mpfs 2020; Andresen et al. 2020a,b).

„Freunde treffen“ ist noch die am meisten vertretene Aktivität, jedoch reduziert sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr um 13% (vgl. ebd.). Der Anteil der Jugendlichen, die täglich/

mehrmals pro Woche in ihrer Freizeit Sport betreiben, erlebte einen Rückgang um 6% auf 60% (vgl. ebd.). Freizeit in der Familie verbringen 5% mehr als im Vorjahr und damit 40%

(vgl. ebd.). Nahezu alle Jugendlichen nutzen das Smartphone (97%) und das Internet (97%).

Steigende Werte im Vergleich zum Vorjahr sind bei der Mediennutzung von nicht linearen Angeboten in allen Bereichen zu verzeichnen (vgl. ebd. S.15).

(17)

Der sozioökonomische Hintergrund der Herkunftsfamilie hat einen erheblichen Einfluss auf die formalen Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen (vgl. BMAS 2013, S.95ff.). Das Bild von Fachkräften in der OKJA auf Jugendliche in der Rolle der Schüler*innen ist differenziert. Neben einzelnen positiven Berichten hat sich die schulische Situation insgesamt verschlechtert (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S. 6f.). Diese hängt mit dem Engagement einzelner Lehrkräfte zusammen (vgl. ebd.). 28% der Jugendlichen verfügen über keinen eigenen Laptop (vgl. mpfs 2020, S.8). Dies könnte dazu führen das Jugendliche aus finanziell prekären Verhältnissen an der Teilhabe am Bildungsprozess verstärkt benachteiligt sind.

Positive Erfahrungsräume, in denen Jugendlichen prosoziale Erfahrungen mit Gleichaltrigen ermöglicht werden, wirken sich positiv auf die Fähigkeit zur Resilienz aus (vgl. Bengel et al.

2009, S.108f.). Herausragende Risikofaktoren für psychische Auffälligkeiten sind „ein ungünstiges Familienklima sowie ein niedrige[r] sozioökonomische[r] Status“ (Raven- Sieberer et al. 2007, S. 873). Als Schutzfaktoren werden ein soziales Netzwerk und erlebte Selbstwirksamkeit genannt (vgl. ebd.). Soziale Netzwerke werden durch geltende Infektionsschutzbestimmungen eingeschränkt (vgl. Ravens- Sieberer 2021, S.4), die Zeit in der Familie hat sich erhöht (vgl. mpfs 2020, S.11).

Es gibt erste Daten zur psychischen Belastung von Heranwachsenden während der Pandemie. Eine repräsentative Studie mit 1586 Familien ergibt, dass 70,7% der Kinder und Jugendlichen angeben, „ausgebrannt“ von der Pandemie zu sein. 64,4% haben Probleme mit dem Unterricht zu Hause (vgl. Ravens- Sieberer et Al. 2021, S.4). 82,8% geben an, weniger soziale Kontakte zur Verfügung zu haben (vgl. ebd.). 27,6% der Kinder und Jugendlichen äußern, dass Konflikte innerhalb der Familien quantitativ zunehmen. 32% der Eltern geben an, dass Konflikte öfter eskalieren (vgl. ebd.). 45,6 % der Jugendlichen fühlen sich in ihren Sorgen nicht wahrgenommen (vgl. Andresen et Al 2020b, S.11). Der Anteil der Jugendlichen, die eine niedrige gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) haben, steigt von 15,3% vor der Pandemie auf 40,2% während der Pandemie (vgl. Ravens- Sieberer et Al.

2021, S.4f.). Der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Problemen erhöht sich um 7,9% auf 17,8%. Für Kinder im Alter von 7-10 Jahre sind die Auswirkungen der Pandemie stärker als für Jugendliche (vgl. ebd.). Das Ergebnis der JuCo- und der KiCo- Studie kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis und bescheinigt retrospektiv ein Abnehmen der Zufriedenheit der befragten jungen Menschen und deren Familien (vgl. Andresen et al.

2020a,b). Fachkräfte der OKJA beschreiben das Bild von Jugendlichen differenziert und unterscheiden zwischen Jugendlichen mit vergleichsweise hohen materiellen und sozialen

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Ressourcen und Jugendlichen aus prekäreren8 Lebensverhältnissen (vgl. Deinet;

Sturzenhecker 2021, S.11f.). Sie betonen, dass die Pandemie die Situation von strukturell benachteiligten Jugendlichen weiter verschlechtert (vgl. ebd.). Indikatoren für die Situationsbewertungen sind hiernach die mediale Ausstattung, soziale Kontakte, finanzielle Stellung, schulische Unterstützung durch die Familie und Orte der Privatsphäre (vgl. ebd.).

Der Umgang von Jugendlichen mit des Infektionsschutz- und Hygieneschutzregeln zeigt sich in der Studie „Jugend und Corona“. 73% der Jugendlichen erachten die AHA (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) Regeln als wichtig (vgl. Schnetzer; Hurrelmann 2020, S.5). Die

„Neustart-Studie“ kommt zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Jugendlichen an die Regeln halten, aber dass es auch einen kleinen Teil gibt, der sich nicht an die Regeln hält (vgl. Sturzenhecker; Deinet 2021b, S.7). Im öffentlichen Raum verschwinden einige Jugendliche, vermutet wird, dass sich Jugendliche verstärkt an Orten aufhalten, an denen nicht kontrolliert wird, wie abgeschiedene Treffpunkte oder das private häusliche Umfeld (vgl.

ebd, S.21).

1.5 Covid-19 und Jugendarbeit

Zu diesem Themengebiet gibt es bislang nur wenig Forschung. Deinet und Sturzenhecker untersuchten die Rolle der OKJA in der Pandemie. Befragt wurden 14 Einrichtungen der OKJA im Zeitraum zwischen 01.06.2020 bis zum 08.10.2020. Die Ergebnisse beziehen sich also auf den ersten Lockdown9 in der Retrospektive und die Monate danach. Mit allen Einrichtungen wurden 3 bis 4 Interviews in diesem Zeitraum geführt (vgl. Deinet;

Sturzenhecker 2021b, S.3). Die Studie „Lockdown ist kein Knock Down“ (Gunda Voigts 2020a) wurde von Studierenden an der HAW Hamburg im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2020 durchgeführt. Die Teilöffnung der OKJA trat am 11.05.2020 nach dem ersten Lockdown ein. Die Befragung des Forschungsprojekts fand im direkten Anschluss zwischen dem 12.05.2020 und dem 18.05.2020 statt. Die Ergebnisse untersuchen die Erfahrungen der Einrichtungen aus dem ersten Lockdown (vgl. ebd., S.6).

Hilfestellung bei der Bewältigung schulischer Anforderungen bieten Familien und in Notsituationen Fachkräfte der OKJA (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021, S.11f.). Durch das Wegfallen von Freizeitaktivitäten und der Schulzeit wird von den Fachkräften ein Verlust von Tagesstruktur bei den Jugendlichen wahrgenommen (vgl. ebd.). Damit verbunden verändern sich die Tagesrhythmen von einigen Besucher*innen derartig, dass Angebote mit

8 Prekär bedeutet in diesem Zusammenhang ökonomisch und/ oder kulturell und/ oder sozial unterprivilegiert.

9 Lockdown: Zeit in der die Jugendeinrichtungen physisch geschlossen waren

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asynchroner10 Kommunikationsmöglichkeit wie Discord verstärkt genutzt werden (vgl. Deinet;

Sturzenhecker 2021b, S. 20). Es wird berichtet, dass Risikobedingungen und -verhalten wie Drogenkonsum, Isolation und Vereinsamung bei den Jugendlichen zunimmt (vgl. ebd., S.12).

Bei Jugendlichen wird von 57,1% der Befragten Schulprobleme im ersten Lockdown als dominierendes Thema wahrgenommen (vgl. Voigts 2020a, S. 23). Als jugendliche Bedarfe werden am stärksten Peer-Kontakte im öffentlichen Raum (65,8%) und Wiedereröffnung der Einrichtungen (76,3%) von den Fachkräften benannt (vgl. ebd.).

Der Fokus der Fachkräfte im ersten Lockdown liegt auf der Erreichbarkeit sowohl durch digitale Angebote wie Mails, Instagram11 oder WhatsApp12 als auch durch analoge Angebote wie Bastel- oder Überraschungstüten (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.17; Voigts 2020a, S.12f.). Die Studie von Deinet und Sturzenhecker kommt zu dem Ergebnis, dass das Telefon bei intensiven Gesprächsbedarfen verstärkt genutzt wird, ansonsten eher selten (vgl. ebd., S.18). Die Hamburger Studie kam zu einem anderen Ergebnis. Das Ergebnis ist, dass die am meisten genutzten Kommunikationsmittel Face to Face-Gespräche und das Telefon im ersten Lockdown sind (vgl. Voigts 2020a, S.11). Es wird über Gesprächsbedarf in unspezifischen Settings berichtet, konkrete Beratungsangebote werden wenig genutzt (vgl.

Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.22). Problematisch wird von den Fachkräften bewertet, dass der Kontakt teilweise über die Eltern laufen muss (vgl. Voigts 2020a, S.12). Die Studie unterteilt zwischen Erreichbarkeit der Kinder und Jugendlichen und der Erreichbarkeit der Mitarbeitenden. Auf der Seite der Mitarbeiter*innen lässt sich feststellen, dass die befragten Einrichtungen überwiegend (91,7%) mindestens 4 Stunden am Tag während des ersten Lockdowns erreichbar sind (vgl. ebd., S.13).

Fachkräfte initiieren über soziale Netzwerke und Kommunikationsplattformen neue Angebotsformen. Am stärksten werden die Plattformen WhatsApp Instagram und Discord13 genutzt (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.11). Die Hamburger Studie kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Die Angebote reichen von asynchronen Angeboten, wie Videos oder Einzel- und Gruppenchats bis zu synchronen Angeboten14, wie Videokonferenzen mit Kochangeboten oder Bastelstunden (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.25). Eine weitere Unterscheidung wird getroffen zu einseitigen ausgehenden Angeboten ohne Antwortoption und Angeboten die intersubjektiv stattfinden zwischen Fachkräften und Jugendlichen, zwischen Jugendlichen und externen (Bsp. Senior*innen) oder zwischen Jugendlichen und Jugendlichen (vgl. Voigt et al. 2020a, S.21). In hybriden Angebotsformen können analoge

10 Zeitlich versetzt

11 Digitales soziales Netzwerk

12 Applikation für Einzel- und Gruppenchats

13 Kommunikationsplattform online

14 Zeitlich direkt

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Angebote um digital teilnehmende Besucher*innen ergänzt werden (vgl. Deinet;

Sturzenhecker 2021b. S.25). Die Vernetzung und Unterstützung Peer-to-Peer wird gefördert durch eigens eingerichtete digitale Räume, in denen Jugendliche sich gegenseitig beraten und treffen können (vgl. ebd., S.26; Voigts 2020a, S.22). Die meisten digitalen Angebote verschwinden in der Teilöffnungszeit nach dem ersten Lockdown wieder. Gründe sind fehlende Kapazitäten bei den Mitarbeitenden und fehlender Bedarf bei den Jugendlichen (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.26.).

Der Datenschutz ist in den Einrichtungen unterschiedlich stark fokussiert (vgl. Voigts 2020a, S.25ff.). Die Bedingungen für die digitale Nutzung, sowie die Ausstattung der Einrichtungen ist bei freien Trägern mit weniger Schwierigkeiten verbunden als bei öffentlichen Trägern (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.11). Als begrenzender Faktor wird fehlende Medienkompetenz der Besucher*innen und Fachkräfte genannt (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.17). Die Ausstattung mit Diensthandys und Dienstlaptops wird als schlecht bewertet (vgl. Voigts 2020a, S.24). 56,6% der Fachkräfte fühlen sich bei der Umstellung auf Online-Angebote nicht ausreichend unterstützt (vgl. ebd., S.28).

Die Ergebnisse aus Hamburg zeigen, dass es vielen Einrichtungen gelingt einen Teil ihrer Besuchenden im Lockdown zu erreichen. Bei 23% der Einrichtungen gelingt es, mehr als 50% der Zielgruppe zu erreichen. 77% der Einrichtungen gelingt es nicht zu mehr als 50%

Kontakt zu halten (vgl. Voigts 2020a, S.11). Die Einrichtungen versuchen auf diversen Wegen, schwer erreichbare Kinder und Jugendliche zu kontaktieren (vgl. ebd., S.19). Diese umfassen die Kontaktaufnahme über Peers, Netzwerkpartner*innen der Einrichtung, sozialräumliche Bemühungen und die Nutzung diverser ausgehender Kommunikationskanäle (vgl. ebd.). Im Widerspruch zu den Ergebnissen von Voigt et al.

(2020a) stehen die Ergebnisse von Deinet und Sturzenhecker (2021b). Das Ergebnis zeigt, dass die OKJA die meisten Besucher*innen über den ersten Lockdown halten kann (ebd., S.8). Es wird aber auch über einige Kontaktabbrüche berichtet (vgl. ebd.). Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse könnte der Erhebungszeitraum sein, weil die

„Neustart-Studie“ auch die erste Teilöffnungsphase mit einbezieht. Die Angebote der OKJA erreichen in erster Linie Stammbesucher*innen, die Erschließung neuer Zielgruppen gelingt teilweise über Kooperationen mit Schulen (vgl. ebd., S.19). Jugendlichen fehlt es an Freiräumen und Jugendliche in prekären räumlichen Verhältnissen, insbesondere Geflüchtete, erfahren Isolation (vgl. ebd., S.8). Es werden verstärkt Angebote zur Kontaktaufnahme im Sozialraum initiiert (vgl. ebd., S.26f.).

Die Studien weisen darauf hin, dass Charakteristika der Offenheit und der Niederschwelligkeit durch die Covid-19-bedingten Nutzungsbedingungen verloren gehen

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(vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021. S.20). Im Hinblick auf die partizipative Charakteristik stellen die genannten Studien eine Veränderung durch die neuen Angebotsformen fest.

Kinder nehmen Mitwirkungsmöglichkeiten im digitalen Raum mehr wahr und Jugendliche beteiligen sich weniger. Als begrenzender Faktor ist der Mangel an Endgeräten festzustellen (Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.30). Viele Angebote sind mit der Wiederöffnung nach dem Lockdown wieder möglich, wobei es hier einige Anfangsschwierigkeiten bezüglich Gruppengrößen und der Begrenzung des Entscheidungsrahmens durch Regelungen15 gibt.

Bei den Hygieneregeln innerhalb der Einrichtungen werden die Besuchenden meistens eingebunden (vgl. ebd. S.30f.). Die Fachkräfte geben an, eine Balance zwischen der Durchsetzung der Hygieneregelungen und der Charakteristik der OKJA zu suchen (vgl.

ebd.). In der Kommunikation mit den Jugendlichen werden sowohl die geltenden Regeln besprochen als auch über bestehende Verschwörungsmythen aufgeklärt (vgl. ebd., S.33).

2 Fragestellung und erste Hypothesen

Forschungsleitende Frage ist „Wie nimmt die Covid-19-Pandemie Einfluss auf die Prinzipien und Charakteristika der OKJA?“. In Kapitel 1.3 wurden Prinzipien und Charakteristika des Arbeitsfelds ausgeführt. Es ist anzunehmen, dass die Durchsetzung und Kontrolle von gesetzlichen Normvorstellungen eine subjektorientierte Haltung in der OKJA erschwert. Im Bereich des Infektionsschutz befindet sich das Arbeitsfeld in einem Spannungsfeld zwischen der Durchsetzung von in dieser Zeit erforderlichen Regelungen und Bedingungen und dem Ermöglichen von Autonomie, Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeitserfahrungen.

Inwieweit es dem Arbeitsfeld gelingt, eine Balance innerhalb dieses Spannungsfelds zu bilden, soll untersucht werden. Messbar ist diese Balance in der Angebotsstruktur, den Rahmenbedingungen und der Entscheidungskultur innerhalb der Einrichtungen.

Wie in Kapitel 1.3.3 beschrieben erfordert Partizipation Gelegenheitsstrukturen, innerhalb derer Teilhabe erfahrbar ist. Die zweite Hypothese ist, dass die Qualität von Partizipationsprozessen in der Pandemie durch die Zunahme an Regelungen und Kontrolle eingeschränkt wird. Messbar ist die Mitbestimmung in der Entscheidungsstruktur der Einrichtungen und in der Spezifität und Struktur der Angebote. Fraglich ist, wie Kinder und Jugendliche an der Entscheidungskultur innerhalb der Einrichtungen während der Pandemie beteiligt werden und welche Möglichkeiten der Interessenvertretung sich in der gesellschaftlichen Debatte ergeben. Inwieweit gelingt es, jugendliche Bedarfe und Interessen in der Angebotsgestaltung zu berücksichtigen?

15 Bsp.: Hygieneregelungen, Maskenpflicht, Abstandsregelungen etc.

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Die dritte Hypothese ist, dass sich der Grad an Offenheit und Niederschwelligkeit der Einrichtungen durch die Pandemie durch Zugangsbegrenzungen und die Pflicht zur Kontaktnachverfolgung verändert. Es stellt sich die Frage, wie es dem Arbeitsfeld während der Covid-19-Pandemie gelingt, diese Charakteristik aufrecht zu erhalten. Messbar ist dieser Aspekt in der Veränderung der Besucher*innenstruktur.

3 Forschungsdesign

Wie zu Beginn dieser Arbeit dargestellt ist anzunehmen, dass die OKJA sich in der Covid-19- Pandemie auf neue Bedingungen einstellen muss. Die vorliegende Arbeit dient zur Rekonstruktion der Reaktion des Arbeitsfelds auf die neuartigen Bedingungen durch die Covid-19-Pandemie. Die Ergebnisse dienen nicht der quantifizierten Korrelation von Sinnzusammenhängen auf Merkmalsausprägungen, sondern sollen der Interpretation subjektiven Handelns dienen. Dies entspricht der methodologischen Positionierung qualitativer Forschung (vgl. Pryziborski; Wohlrab-Sahr 2014, S. 4f.; Engelke et al. 2016, 285).

„Empirische Sozialforschung wird allgemein verstanden als die gezielte, systematische, kritische und reflektierte Erfassung und Interpretation sozialer Sachverhalte“ (Engelke et al.

2016, S.284). Bezogen auf die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass der Sachverhalt gezielt eingegrenzt wird, um zu definieren, was Gegenstand der Forschung ist. Unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes wurde zunächst eine Forschungsfrage formuliert und daraus Hypothesen abgeleitet. Die Untersuchung dieser Hypothesen wurde mit systematischen Methoden vorgenommen. Diese werden im Folgenden näher beschrieben.

Als Erhebungsmethode wird das Expert*inneninterview gewählt (3.4) (vgl. Przyborski;

Wohlrab-Sahr 2014, S.118ff.; Meuser; Nagel 2009 S.465ff.). Als Auswertungsmethode wurde die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse verwendet (vgl. Mayring 2010, S.98).

3.1 Forschungsethik

Die vorliegende Arbeit hat den Anspruch, Ethik und Sozialwissenschaft nicht getrennt voneinander zu begreifen und setzt sich demnach ethikbasierte Standards, die auf dem Forschungsethikbegriff von Unger (2014) aufbauen. Demnach sollen Forschende nach Schadensvermeidung, Integrität und Objektivität (vgl. ebd., S.30) streben. Dabei ist der Begriff „Objektivität“ nicht unproblematisch, weil qualitative Sozialforschung aus Interaktion zwischen Subjekten besteht. Um sich der Objektivität anzunähern bedarf es der kritischen Selbstreflexion der Forschenden (vgl. von Unger 2014, S.22f.). Da es sich bei dieser Arbeit

(23)

um eine Einzelarbeit handelt und da der Autor selbst in dem Arbeitsfeld tätig ist, ist es nicht möglich, objektiv zu forschen. Es wird versucht, selbstreflexiv mit den Ergebnissen umzugehen. Um die Objektivität der Arbeit zu erhöhen, werden die Merkmalsausprägungen und das Kategoriensystem mit der betreuenden Dozentin abgesprochen. Die Integrität der Ergebnisse wird im Sinne einer kritischen und unabhängigen Wissenschaft berücksichtigt indem möglichst alle Aussagen zur Beantwortung der forschungsleitenden Frage Beachtung finden.

Die Grundsätze der Schadensvermeidung, der Objektivität und der Integrität können in Konflikt zueinander treten. Falls eine Abwägung zwischen den Gütekriterien notwendig wird, soll diese transparent beschrieben werden und eine Konsensbildung oder ein Kompromiss angestrebt werden (vgl. von Unger 2014, S.31).

In dem Forschungsprojekt geht es um die Charakteristik der OKJA. Ein persönlicher Schaden, der den Interviewpartner*innen durch die Interviews entstehen könnte, wird als unwahrscheinlich angesehen. Durch die Rekonstruktion des Arbeitsfeldes wird eine Bewertung der OKJA möglich, deren Urteil eine Schädigung des Ansehens des Arbeitsfeldes mit sich bringen könnte. Den Teilnehmenden der Befragungen wurde mitgeteilt, dass sie im Falle einer Veröffentlichung der Ergebnisse informiert werden. Sie wurden im Vorfeld über Sinn und Zweck der Interviews aufgeklärt. Einer Verwendung wurde in allen Fällen zugestimmt. Den Teilnehmenden wurde zudem mitgeteilt, dass sie ihr Einverständnis zur Datenverwendung jeder Zeit widerrufen können.

3.2 Limitation der Arbeit

Diese Forschungsarbeit unterliegt der Limitation auf verschiedenen Ebenen. Das Arbeitsfeld weist eine heterogene Angebotsvielfalt auf. Neben den klassischen offenen Angeboten wurden in den Interviews auch Gruppenangebote, Feste, Märkte oder Übermittagsbetreuungen als Teile des Angebotsspektrums benannt. Aufgrund der Begrenzung durch den Rahmen dieser Arbeit konzentrierte sich die Ergebnisdarstellung auf die offenen Angebote. Es wurde sich dazu entschieden, einzelne Teilaspekte ausführlich zu analysieren. Dafür musste darauf verzichtet werden, alle Aspekte in Gänze darzustellen.

Durch die gewählten Teilaspekte gelingt es die Forschungsfrage zu beantworten. Limitiert ist die Arbeit zudem in der Auswahl der Interviewpartner*innen. Gemessen an dem zeitlichen Rahmen dieser Arbeit konnten vier Interviews geführt, transkribiert und ausgewertet werden.

Gemessen an der Heterogenität des Arbeitsfeldes wären weitere Interviews ergänzend sinnvoll, um eine breitere Rekonstruktion des Arbeitsfeldes vorzunehmen. Diese Forschung soll nicht repräsentativ sein und bietet Impulse für weitere Forschungsarbeiten.

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In dieser Arbeit wurden Fachkräfte befragt. Bei einzelnen Aspekten bedarf es der Perspektive von Jugendlichen. Der Feldzugang war nur über die Fachkräfte möglich. Die Perspektive der Kinder und Jugendliche hätte sich auf erreichbaren Besuchenden konzentrieren müssen. Hierdurch wäre eine verzerrte Darstellung der Situation entstanden.

Diese Begrenzung war aufgrund der Ergebnisse von Deinet und Sturzenhecker (2021b) und Voigts (2020a) erwartbar.

Eine Erkenntnis jenseits der Fragestellung ist zudem, dass es an Forschung und Rahmenbedingungen im Arbeitsfeld zur Selbstreflexion fehlt. Verdeutlicht wurde dies in Aussagen, die in den Interviews einen Impuls für die praktische Arbeit oder die Reflexion des Einrichtungshandelns gesehen haben (vgl. I2, Z. 946-955; I4 Z.974-977; I1 Z.26-31).

3.3 Sampling und Feldzugang

Das Sampling wurde auf Fachkräfte der OKJA in Nordrhein- Westfalen begrenzt. Die Bedingungen für das Arbeitsfeld werden durch Verordnungen bestimmt, die auf Landesebene erlassen wurden (vgl. CoronaSchVo NRW). Daher erweist es sich als sinnvoll, das Sampling auf das Land zu beschränken, um die Veränderung zu rekonstruieren. Bei der Auswahl der Interviewpartner*innen wurde darauf geachtet, dass die beteiligten Akteur*innen über Berufserfahrung vor und während der Pandemie verfügen. Dies ist notwendig für die Konstruktion von Veränderungsbedingungen. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl der Studienteilnehmer*innen war, dass sie in unterschiedlichen Trägern arbeiten. Im Sampling wurden Praktiker*innen stärker berücksichtigt. Um einen ausreichenden Einblick in das Kontextwissen zu erhalten, wurde ein*e Interviewpartner*in mit landesweitem Bezug gesucht. Ausgehend von diesen Kriterien wurden zufällig Interviewpartner*innen angefragt.

Von vier angefragten Personen auf die erste Anfrage gab es drei positive Rückmeldungen.

Die vierte angefragte Person delegierte die Anfrage an eine Person, die für das Forschungsprojekt als besser geeignet bewertet wurde, weiter. Mit dieser Person fand das Interview statt.

3.4 Erhebungsmethode

Als Erhebungsmethode wurde das Expert*inneninterview gewählt (vgl. Przyborski; Wohlrab- Sahr 2014, S.118ff.; Meuser; Nagel 2009 S.465ff.). Der Expert*innenstatus definiert sich über Sonderwissen. Dieses Sonderwissen wird durch den privilegierten Zugang zu Informationen generiert (vgl. Meuser; Nagel 2009, S.468). Im Kontext dieser Forschungsarbeit verfügen Sozialarbeiter*innen aus der OKJA über Expert*innenwissen, sofern sie über Vergleichserfahrungen vor und während der Covid-19- Pandemie verfügen.

(25)

In der Befragung wird ein Fokus auf Expert*innenwissen und den „institutionell bestimmten Rahmen des Expertenhandelns“ (ebd. S.469) gelegt. Erfahrungen der Befragten als Privatpersonen spielen nur eine indirekte Rolle, wenn sie Bedeutung für die Rekonstruktion des Expert*innenwissens haben (vgl. ebd., S.469).

Bei dieser Erhebungsmethode werden die Interviews leitfadengestützt und nicht- standardisiert durchgeführt. Der Leitfaden wird nicht als starres Instrument angesehen, sondern wird flexibel gehandhabt und ermöglicht es den Interviewpartner*innen, ihr handlungsorientiertes explizites und impliziertes Wissen zu explorieren (vgl. ebd., 472).

Durch die explizite Nachfrage nach Beispielen soll die Exploration zusätzlich gefördert werden (vgl. Przyborski; Wohlrab- Sahr 2014, S.123).

3.5 Interviewleitfaden

Der Leitfaden wurde hypothesengeleitet formuliert. Im Interviewleitfaden sind die Fragen in vier Blöcke aufgeteilt. Im ersten Block wird nach der Konzeption und dem Selbstverständnis der Einrichtungen allgemein vor der Covid-19-Zeit gefragt. Der zweite Block wurde mit Positionierungen des Bundesnetzwerks Kinder- und Jugendarbeit (2020) und Auszügen aus einem Essay von Gunda Voigts (2020b) zur aktuellen Situation eingeleitet. Thematisch ist in diesem Block der Einfluss der neuartigen Bedingungen in der Pandemie auf die strukturellen Charakteristika und Prinzipien des Arbeitsfeldes durch die Pandemie fokussiert. Im dritten Block sind die Gelingfaktoren und -bedingungen der Arbeit angesprochen. Im vierten Block wird nach in die Zukunft übertragbaren Konzepten und Methoden gefragt.

In den ersten beiden Blöcken, in denen es primär um das Betriebswissen ging, wurden die Blöcke mit einer allgemeinen Einstiegsfrage eröffnet. Diese lautete etwa „Können Sie einmal erzählen, wie Sie in Ihrer Einrichtung vor der Covid-19 Zeit gearbeitet haben?“ bzw. „Können Sie einmal beschreiben, wie sich Ihre Arbeit im letzten Jahr durch die Pandemie verändert hat?“ Ziel war es, narrative Passagen anzuregen. Es folgten Fragen, die sich explizit einzelnen Charakteristika bzw. Prinzipien der OKJA zuwendeten. Die Fragen widmeten sich drei Zeithorizonten (vor Covid-19, während Covid-19 und nach Covid-19). Der erste Block bezog sich auf die Zeit vor der Covid-19- Pandemie, der zweite und dritte Block bezogen sich auf die gegenwärtige Zeit unter Covid-19-Bedingungen. Der dritte Block diente dazu, die gegenwärtige Lage zu bewerten und sollte zu einer fachlich begründeten Einschätzung der Kontextbedingungen durch die Fachkräfte beitragen. Der vierte Block bezog sich auf die Übertragbarkeit von neuartigen Konzepten, Bedingungen und Strukturen in die Zeit nach Covid-19. Die Interviews hatten einen Umfang zwischen 67 und 86 Minuten.

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In allen 4 Blöcken wurden die Fragen so gestellt, dass sie das überpersönliche institutionalisierte Wissen der Fachkräfte adressierten. Der Interviewleitfaden befindet sich im Anhang dieser Arbeit (Anhang A.1).

3.6 Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse

Als Auswertungsmethode wurde die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) gewählt. Diese Methode ermöglicht eine Interpretation von „manifeste[n] und latente[n] Sinnstrukturen“ (Gläser- Zikuda 2013, S.138). Die Transkripte der vier Expert*inneninterviews stellen die Auswertungseinheiten des Ausgangsmaterials dar (vgl.

ebd., S.52). Die „Entstehungssituation“ (ebd., S.53) beschreibt die Bedingungen für das Zustandekommen der Interviews. Diese wurden zwischen dem 01.02.2021 und dem 14.02.2021 durchgeführt. Zu dem Zeitpunkt waren Präsenzangebote seit dem 14.12.2020 untersagt (vgl. §7 CoronaSchVo-NRW vom 14.12.2020). Die Interviewpartner*innen gaben eine informierte Einwilligung im Vorfeld schriftlich ab. Daten, die Rückschlüsse auf Personen, die Einrichtung oder den Träger zuließen, wurden pseudonymisiert. Die Teilnahme an den Interviews erfolgte freiwillig und informiert (vgl. von Unger 2014, S.26).

Mit den Interviewpartner*innen wurde ein telefonisches Vorgespräch geführt, in dem das Forschungsanliegen dargelegt wurde. Auf Wunsch erhielten zwei Interviewpartner*innen den Interviewleitfaden vorab. Die Abspeicherung der Einwilligungserklärung erfolgt unabhängig von den Transkripten. In der Zeit der aktuellen Pandemie wurden die meisten Interviews online oder per Telefon durchgeführt. Ein Interview fand auf Wunsch in Präsenz mit Abstand und medizinischer Maske statt. Geleitet wurden die Interviews vom Forschenden im Rahmen dieser Bachelorthesis. Die Interviews wurden elektronisch aufgenommen und vollständig transkribiert. Als Transkriptionsregel wird die einfache Transkription gewählt (vgl. Dresing;

Pehl 2011). Diese Transkriptionsregel wird als ausreichend bewertet, weil die Beantwortung der forschungsleitenden Frage primär durch eine deskriptive Auswertung des Materials gelingt und weniger hermeneutisch sinninterpretierend vorgegangen wird. Die Interviewtranskripte befinden sich im Anhang dieser Arbeit (Anhang B).

Die „Analyserichtung“ (Mayring 2010, S. 56) zielt auf den immanenten Gegenstand des Textes ab und soll an bestehende Forschung und Theorie anknüpfen (vgl. ebd., S.57f.). Die Kontexteinheit stellt die größtmögliche Analyseeinheit dar (vgl. ebd., S.59). Im Fall dieser Forschungsarbeit wurde die vollständige Antwort auf eine Frage als Kontexteinheit festgelegt. Die kleinste Analyseeinheit ist die Kodiereinheit (vgl. ebd.). Diese umfasste mehrere Wörter mit Sinnzusammenhang. Mehrfachzuordnungen von Analyseeinheiten wurden als zulässig angesehen.

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